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EWS-Standpunkte
04.08.2014
EWS-Standpunkte
Dr. Bartosz Sujecki: Grenzüberschreitende Kontenpfändung in der Europäischen Union

Am 13. 5. 2014 hat der Europäische Rat den Entwurf einer Verordnung zur Einführung einer grenzüberschreitenden vorläufigen Kontenpfändung in 1. Lesung angenommen. Mit dieser Verordnung soll ein neues und eigenständiges europäisches Verfahren für die vorläufige Pfändung von Bankkonten eingeführt werden, mit dem Gläubiger einer Geldforderung die Möglichkeit erhalten, einen auf Sicherung gerichteten gerichtlichen Beschluss zu erwirken, so dass der Schuldner keine Möglichkeit hat, sein auf einem Bankkonto enthaltenes Vermögen beiseite zu schaffen und damit eine spätere Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung zu erschweren bzw. insgesamt zu vereiteln. Der Gläubiger soll damit ein Instrument erhalten, mit dem er seine Geldforderungen im europäischen Binnenmarkt noch besser durchsetzen kann. Die bisher auf europäischer Ebene eingeführten Instrumente, wie zum Beispiel das Europäische Mahnverfahren oder das Europäische Bagatellverfahren, hatten zum Ziel, die Erlangung eines Vollstreckungstitels bei grenzüberschreitenden Forderungen zu vereinfachen. Mit dem Verfahren zur Erlangung einer vorläufigen Kontenpfändung soll dagegen das Vermögen des Schuldners sichergestellt werden, so dass ein gerichtlicher Vollstreckungstitel auch tatsächlich vollstreckt werden kann (siehe hierzu Sujecki, EWS 2011, 414 ff.).

Die Rechtsvorschriften in Bezug auf die Erwirkung von vorläufigen Kontenpfändungsbeschlüssen sind in den einzelnen Mitgliedstaaten bisher sehr unterschiedlich ausgestaltet. Darüber hinaus gilt bei der Zwangsvollstreckung das Territorialprinzip, so dass die durch ein Gericht angeordneten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auf dessen Gebiet beschränkt sind. Hierdurch müssen in grenzüberschreitenden Fällen die erlassenen Beschlüsse in einem anderen Mitgliedstaat zusätzlich noch anerkannt und vollstreckt werden – ein Vorgehen, das durch die Rechtsprechung des EuGH wegen der mangelnden Anhörung des Schuldners starke Restriktionen erfuhr. Schließlich haben die Gläubiger oft ein Informationsdefizit, da sie vielfach nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten haben, Auskünfte über die Konten des Schuldners zu erhalten.

Mit der neuen Verordnung wird ein einheitliches Verfahren zur Erwirkung eines vorläufigen grenzüberschreitenden Kontenpfändungsbeschlusses eingeführt, das neben den bereits existierenden nationalen Verfahren durchgeführt werden kann. Maßgebliches Element dieses Verfahrens soll der Überraschungseffekt sein, so dass der Kontenpfändungsbeschluss grundsätzlich ohne die Anhörung des Schuldners erlassen werden soll. Gleichzeitig wird den Interessen des Schuldners durch die Einführung einer Haftungsregelung Rechnung getragen, nach der der Gläubiger für die ungerechtfertigte Anwendung dieses Verfahrens verantwortlich sein soll. Diese Verordnung enthält darüber hinaus auch noch Regelungen zum Zugang zu Kontoinformationen.

Die Einführung eines solchen einheitlichen Verfahrens zur Erwirkung eines vorläufigen grenzüberschreitenden Kontenpfändungsbeschlusses ist ohne weiteres zu begrüßen. Wie man der niederländischen Gerichtspraxis entnehmen kann, die mit dem sog. conservatoir beslag ein vergleichbares Instrument aufweist, gibt eine derartige Verfahrensart dem Gläubiger drei erhebliche Vorteile: Zum einen kann der Gläubiger, wie es bereits der europäische Gesetzgeber im Rahmen dieser Verordnung angedeutet hat, die Vollstreckung des zukünftigen Vollstreckungstitels sicherstellen. Darüber hinaus kann mit diesem Verfahren untersucht werden, ob der Schuldner überhaupt über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, so dass sich die Durchführung eines anschließenden gerichtlichen Verfahrens überhaupt lohnt. Schließlich kann auch ein Druckmittel auf den Schuldner ausgeübt werden, so dass dieser die offene Forderung freiwillig begleicht und die Durchführung eines anschließenden Gerichtsverfahrens nicht mehr erforderlich erscheint.

Ob mit dem jetzt beschlossenen Verfahren die gleichen Wirkungen erzielt werden, muss sich noch in der Praxis ergeben. Entscheidend für die Effektivität eines solchen Verfahrens ist insbesondere dessen endgültige Ausgestaltung, die allerdings noch nicht bekannt ist, da die endgültige Verordnung noch nicht veröffentlicht wurde. Aus diesem Grund bleibt abzuwarten, ob dieses Verfahren den gewünschten Effekt haben wird.

Dr. Bartosz Sujecki, Advocaat, Amsterdam, Niederlande

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