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EWS-Standpunkte
17.11.2014
EWS-Standpunkte
Europäisches Zivilprozessrecht: EuGVVO: Verletzung des Urhebervermögensrechts über das Internet – Wo liegt der Erfolgsort?

A_Sujecki, Bartosz
In einem derzeit beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsersuchen, das durch das Handelsgericht Wien vorgelegt wurde, musste sich Generalanwalt Villalon in seinen Schlussanträgen vom 11. 9. 2014 zu der Frage äußern, wo bei einer über das Internet erfolgten Verletzung von Urheberrechten der Erfolgsort liegt (EuGH Rs. C-441/13, Hejduk/EnergieAgentur.NRW GmbH). Im konkreten Fall wurden die durch eine in Österreich ansässige Fotografin gemachten Bilder über das Internet zum Download zur Verfügung gestellt, ohne dass die Fotografin hierzu jemals ihre Zustimmung gegeben hat. Die Fotografin hat die in Deutschland ansässige Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz vor dem Handelsgericht Wien verklagt. Die Beklagte hat im Rahmen einer Unzuständigkeitseinrede vorgetragen, dass sie ihren Sitz in Düsseldorf habe und für die betreffende Internetseite eine nationale Top-Level-Domain (.de) benutze, so dass das österreichische Gericht für die Entscheidung in diesem Rechtsstreit unzuständig sei und dieses Verfahren vor einem deutschen Gericht durchgeführt werden müsse. Das Handelsgericht Wien hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage vorgelegt, ob bei einer Urheberrechtsverletzung über das Internet der Erfolgsort i. S. des. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO in jenem Mitgliedstaat liegt, in dem der angebliche Verletzer seine Niederlassung hat, sowie in dem/den Mitgliedstaat/en, auf dem/denen die Website ihrem Inhalt nach ausgerichtet ist.

In seinen Schlussanträgen geht Generalanwalt Villalon auf die verschiedenen, durch den EuGH bisher zur Zuständigkeit bei Fällen der Internetnutzung entwickelten Lösungsansätze ein. Zunächst hat der EuGH im eDate Advertising-Urteil (Rs. C-509/09) das Kriterium des Intressenmittelpunkts entwickelt, wonach bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen über das Internet auch das Gericht am Mittelpunkt der Interessen des Opfers nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zuständig ist. Der EuGH hat allerdings die Anwendung dieses Kriteriums bei Rechten des gewerblichen Eigentums (vgl. Wintersteiger-Entscheidung, Rs. C-523/10) sowie auch bei Verletzungen von Urheberrechten (vgl. Pinckney-Entscheidung, Rs. C-170/12) abgelehnt. Hieraus schlussfolgert Generalanwalt Villalon, dass das Kriterium des Interessenmittelpunkts auch auf den hier vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung finde.

Auch die Anwendung des in der Pammer und Hotel Alpenhof-Entscheidung (Rs. C-585/08 und C-144/09) entwickelten Kriteriums der Ausrichtung lehnt der Generalanwalt ab, da der EuGH bereits in der Pinckney-Entscheidung die Anwendung des Kriteriums der Ausrichtung abgelehnt hat.

Schließlich geht Generalanwalt Villalon auf das Kriterium der Territorialität ein, welches der EuGH in der Pinckney-Entscheidung herangezogen hat. In diesem Zusammenhang weist Generalanwalt Villalon darauf hin, dass sich der hier vorliegende Sachverhalt von demjenigen der Pinckney-Entscheidung unterscheidet, da hier die Feststellung der Schadensverwirklichung aufgrund der Bereitstellung des Bildes im Internet problematisch ist. In der Pinckney-Entscheidung ging es dagegen um den Verkauf von CD über das Internet, so dass der Schaden das Ergebnis einer wirtschaftlich vergüteten Leistung war. Aus diesem Grund können nach Ansicht des Generalanwalts die Grundsätze der Pinckney-Entscheidung nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden.

Der Generalanwalt schlägt vielmehr vor, in Fällen wie dem hier anhängigen die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO nur auf den Handlungsort zu beschränken, so dass eine Zuständigkeitsbegründung am Erfolgsort nicht möglich sei. Auf diese Weise könne nämlich verhindert werden, dass der Kläger den Schaden nach Maßgabe territorialer Kriterien genau beschränken muss, den er in einem bestimmten Mitgliedstaat erlitten hat. Eine solche Folge wäre mit dem Gedanken und den Zielen der EuGVVO nicht vereinbar. Aus diesem Grund kommt Generalanwalt Villalon zu dem Ergebnis, dass in Fällen einer Urheberrechtsverletzung über das Internet eine Begründung der Zuständigkeit am Erfolgsort nach der Maßgabe des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO nicht möglich sei.

Die Schlussanträge des Generalanwalts Villalon sind in ihrer Begründung wie auch im Ergebnis falsch. Wie der Generalanwalt richtigerweise festgestellt hat, gilt im Urheberrecht das Territorialprinzip. Daraus ergibt sich, dass ein Kläger eine konkrete Verletzungshandlung behaupten muss, die auch im Forumstaat (d. h. im Schutzland) begangen sein muss (vgl. Schack, NJW 2013, 3626, 3630). Damit muss sowohl die Verletzungshandlung als auch der Verletzungserfolg im Schutzland erfolgen. Wenn sich nunmehr die Zuständigkeit nur aus dem Handlungsort ergeben kann, hat dies zur Folge, dass das danach zuständige Gericht nur über die seinem Gebiet erfolgten Schäden urteilen darf. Hierdurch wird letztendlich der Urheberrechtsinhaber in der Möglichkeit der Durchsetzung seiner Rechte sehr beschränkt.

Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH in dieser Sache entscheiden wird, allerdings ist zu hoffen, dass er sich mit den Besonderheiten der Rechte des geistigen Eigentums besser auseinandersetzen wird.

Dr. Bartosz Sujecki, Rechtsanwalt und advocaat, Partner in der Kanzlei Bavelaar Advocaten, Amsterdam, Niederlande

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