Dr. Alexander Eufinger: EU-Wettbewerbsrecht: Angriff auf das sparkassenrechtliche Regionalprinzip
Das in den Sparkassengesetzen garantierte Regionalprinzip wackelt, ist doch die Monopolkommission in ihrem kürzlich veröffentlichtem Hauptgutachten der Ansicht, dieses Prinzip verletze EU-Wettbewerbsrecht. So sei in der räumlichen Begrenzung der Geschäftstätigkeit einer Sparkasse auf das Gebiet ihres kommunalen Trägers ein gesetzlich angeordnetes „Zwangskartell“ zu sehen. Dieses verstoße gegen Art. 101 AEUV. Sparkassen werde hierdurch die Möglichkeit genommen, in „fremde“ Geschäftsgebiete – auch außerhalb Europas – zu expandieren. Sparkassenvertreter reiben sich hingegen verwundert die Augen. Hat sich nicht besonders in der Finanzkrise die Konzentration ihrer Bankhäuser auf „ihre“ jeweiligen Regionen als erfolgreich herausgestellt? Dient dieses Modell nicht anderen europäischen Ländern als Vorbild?
Dennoch, Art. 101 Abs. 1 lit. c) AEUV, der über die Verweisungsnorm des Art. 106 Abs. 1 AEUV auch für staatliche Akte gilt, verbietet die Aufteilung der Märkte und Versorgungsquellen. Zwar ist Sparkassen das Eingehen von Geschäftsbeziehungen außerhalb ihres Geschäftsgebietes grundsätzlich erlaubt, doch haben Sparkassen die Versorgung der Bevölkerung mit Geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen „vorrangig“ im Gebiet ihres kommunalen Trägers zu gewährleisten. Insbesondere ist es Sparkassen untersagt, Zweigstellen im Gebiet eines anderen Trägers zu errichten. Der „aktive“ Vertrieb einer Sparkasse in anderen Geschäftsgebieten ist damit gesetzlich ausgeschlossen.
Gleichwohl sprechen gute Gründe für eine Begrenzung der (aktiven) Geschäftstätigkeit der Geldhäuser auf das Gebiet ihres kommunalen Trägers. Auf diese Weise wird einem übermäßigen Kapitalabfluss aus strukturschwachen Regionen begegnet und eine zweckgebundene Mittelverwendung vor Ort gewährleistet. Insbesondere nachdem sich Geschäftsbanken weitestgehend aus der Fläche zurückgezogen haben, ist die Kreditversorgung in ländlichen Gebieten vornehmlich durch Sparkassen sichergestellt. Ohne ein gesetzlich garantiertes Regionalprinzip würde hingegen die latente Gefahr bestehen, dass sich Sparkassen ebenfalls aus der Fläche verabschieden und ihre Geschäftsaktivitäten auf profitablere Gebiete – in Ballungsgebieten – konzentrieren. Auch ermöglichen Sparkassen aufgrund des Kontrahierungszwangs sozial schwächeren Bürgern die vollständige Teilnahme am wirtschaftlichen Leben. Dies fordert nun übrigens auch der europäische Gesetzgeber in der Richtlinie zum Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen auf europäischer Ebene. Sparkassen erfüllen also Aufgaben der Daseinsvorsorge im Gebiet ihrer Kommune und erbringen damit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Das Regionalprinzip unterfällt damit der Bereichsausnahme des Art. 106 Abs. 2 AEUV und ist deshalb von der Anwendung des Art. 101 Abs. 1 AEUV freigestellt. Das Regionalprinzip wackelt zwar, hat aber in der Fläche seine tiefe Verwurzelung, die es wohl vor dem Umfallen bewahren wird.
AUTOR
Dr. jur. Alexander Eufinger ist Jurist bei Gleiss Lutz, Stuttgart, und Lehrbeauftragter an der Universität Siegen..