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Politiken
06.10.2020
Politiken
GA Pitruzzella: Nach Ansicht von GA Pitruzzella sieht das Unionsrecht grundsätzlich eine Pflicht vor, bei der Begleichung von Geldforderungen Euro-Bargeld anzunehmen

GA Pitruzzella: Schlussanträge vom 29. 9. 2020 – verb. Rs. C-422/19 und C-423/19; Johannes Dietrich (C-422/19), Norbert Häring (C-423/19) gegen Hessischer Rundfunk, ECLI:EU:C:2020:756

GA Pitruzzella schlägt dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Bundesverwaltungsgerichts (Deutschland) wie folgt zu beantworten:

1.      Art. 3 Abs. 1 Buchst. c AEUV ist unter Berücksichtigung von Art. 2 Abs. 1 und 6 sowie von 128 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass die der Union übertragene ausschließliche Zuständigkeit für die Währungspolitik im Rahmen der für die Schaffung und das Funktionieren der einheitlichen Währung erforderlichen Befugnisse eine normative Dimension für diese einheitliche Währung umfasst, welche die Festlegung und Regelung des der einheitlichen Währung und insbesondere den Euro-Banknoten und Euro-Münzen zukommenden Status und ihrer Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels beinhaltet. Daraus folgt, dass eine von einem Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, erlassene Vorschrift des nationalen Rechts, die aufgrund ihres Zieles und Inhalts die den Euro-Banknoten zukommende Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel regelt, mit dem Unionsrecht unvereinbar ist und daher unangewendet bleiben muss.

Die ausschließliche Zuständigkeit der Union für die Währungspolitik hindert einen Mitgliedstaat nicht daran, in Ausübung seiner besonderen Zuständigkeit zur Regelung der Funktionsweise seiner öffentlichen Verwaltung nationale Rechtsvorschriften zu erlassen, die aufgrund ihres Zieles und ihres Inhalts keine Regelung der den Euro-Banknoten zukommenden Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel, sondern eine Regelung der Organisation und Funktionsweise der öffentlichen Verwaltung darstellen, die diese Verwaltung verpflichtet, Barzahlungen der Bürger anzunehmen.

2.      Der in Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV, in Art. 16 Abs. 1 Satz 3 des Protokolls Nr. 4 über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank und in Art. 10 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro vorgesehene Begriff der Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels, die Euro-Banknoten zukommt, ist dahin zu verstehen, dass er den Gläubiger einer Zahlungspflicht grundsätzlich dazu verpflichtet, Euro-Banknoten anzunehmen, es sei denn, die Vertragsparteien haben in Ausübung ihrer Privatautonomie andere Zahlungsmittel vereinbart oder von der Union oder einem Mitgliedstaat in Ausübung ihrer jeweiligen Zuständigkeiten erlassene Rechtsvorschriften, die aufgrund ihres Zieles und Inhalts keine Regelung der Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels darstellen, sehen aus Gründen des öffentlichen Interesses Begrenzungen für Zahlungen in Euro-Banknoten vor. Solche Beschränkungen sind nur dann mit dem Begriff der Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels, die Euro-Banknoten zukommt, vereinbar, wenn sie nicht de iure oder de facto zur vollständigen Abschaffung der Euro-Banknoten führen, wenn sie aus Gründen des öffentlichen Interesses beschlossen werden und wenn andere rechtliche Mittel für die Begleichung von Geldschulden bestehen. Sie müssen zudem geeignet sein, das verfolgte Ziel des öffentlichen Interesses zu erreichen, und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.

 

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