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Wettbewerb
01.03.2023
Wettbewerb
EuG: Eine von China gewährte Subvention kann Ägypten als Ursprungs- oder Ausfuhrland einer von Ausgleichsmaßnahmen betroffenen Ware zugerechnet werden

Das EuG (1. erw. Kammer) hat mit Urteil vom 1. 3. 2023 – verb. Rs. T-480/20 und T-540/20; Hengshi Egypt Fiberglass Fabrics SAE bzw. Jushi Egypt for Fiberglass Industry SAE gegen Europäische Kommission; ECLI:EU:T:2023:90; ECLI:EU:T:2023:91 entschiede. PM-Nr. 38 v. 1.3.2023:

Gegen in der chinesisch-ägyptischen Wirtschafts- und Handelskooperationszone Suez (Ägypten) ansässige, aber von China subventionierte Unternehmen können Ausgleichszölle verhängt werden

Auf einen Antrag hin, der am 1. 4. 2019 eingereicht wurde, erließ die Europäische Kommission die Durchführungsverordnung 2020/776 zur Einführung endgültiger Ausgleichszölle auf die Einfuhren bestimmter gewebter und/oder genähter Erzeugnisse aus Glasfasern (im Folgenden: GFF) mit Ursprung in China und Ägypten.[1] Auf einen zweiten Antrag hin, der am 24. April 2019 eingereicht wurde, erließ die Kommission außerdem die Durchführungsverordnung 2020/870 zur Einführung eines endgültigen Ausgleichszolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Ausgleichszolls auf die Einfuhren von Waren aus Endlosglasfaserfilamenten (im Folgenden: GFR) mit Ursprung in Ägypten und zur Erhebung des endgültigen Ausgleichszolls auf die zollamtlich erfassten Einfuhren von GFR.[2]. Bei GFR handelt es sich um das wichtigste Ausgangsmaterial für die Produktion von GFF.

Hengshi Egypt Fiberglass Fabrics SAE (im Folgenden: Hengshi) und Jushi Egypt for Fiberglass Industry SAE (im Folgenden: Jushi), zwei nach ägyptischem Recht gegründete Unternehmen, deren Anteilseigner chinesische Unternehmen sind, stellen GFF her und führen diese in die Europäische Union aus. Darüber hinaus stellt Jushi GFR her und führt diese in die Union aus. Diese beiden Unternehmen sind in Ägypten in der chinesisch-ägyptischen Wirtschafts- und Handelskooperationszone (im Folgenden: SETC-Zone) ansässig, die von Ägypten und China im Einklang mit den jeweiligen nationalen Strategien gemeinsam eingerichtet wurde, und zwar für Ägypten nach dem Entwicklungsplan für den Suezkanal und für China entsprechend der Initiative „Neue Seidenstraße“. Diese Initiative ermöglicht es den staatlichen chinesischen Stellen, den in der SETC-Zone ansässigen chinesischen Unternehmen bestimmte Vorteile, insbesondere finanzielle Unterstützung, zu gewähren.

Da Hengshi und Jushi sich als durch die von der Kommission eingeführten Ausgleichszölle geschädigt ansahen, haben sie beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung 2020/776 erhoben. Mit einer weiteren Klage hat Jushi außerdem die Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung 2020/870 beantragt.

Im Rahmen der Abweisung dieser Klagen legt das Gericht die Voraussetzungen fest, unter denen die Kommission einer Regierung im Ursprungs- oder Ausfuhrland einer Ware Subventionen, die von der Regierung eines anderen Landes gewährt werden, zurechnen kann, um nach der Antisubventionsgrundverordnung[3] einen Ausgleichszoll auf die Einfuhren der betroffenen Ware in die Union zu erheben.

Würdigung durch das Gericht

Zur Stützung ihrer Klagen machen die Klägerinnen u. a. einen Klagegrund geltend, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 3 Nr. 1 Buchst. a der Antisubventionsgrundverordnung rügen, wonach von dem Vorliegen einer Subvention ausgegangen wird, wenn eine Regierung im Ursprungs- oder Ausfuhrland eine finanzielle Beihilfe leistet. Insoweit wenden sich die Klägerinnen insbesondere gegen das Vorbringen der Kommission in den Durchführungsverordnungen, wonach der ägyptischen Regierung finanzielle Beihilfen zuzurechnen seien, die von chinesischen Behörden an in der SETC-Zone ansässige Unternehmen gewährt würden.

Zunächst weist das Gericht die Rüge der Klägerinnen zurück, die Kommission habe bei der Auslegung des Begriffs „Regierung“ im Ursprungs- oder Ausfuhrland im Sinne von Art. 3 Nr. 1 Buchst. a der Antisubventionsgrundverordnung einen Rechtsfehler begangen.

Zum Begriff „Regierung“ stellt das Gericht fest, dass sich Art. 2 Buchst. b der Antisubventionsgrundverordnung darauf beschränkt, ihn dahin zu definieren, dass er die öffentlichen Körperschaften im Ursprungs- oder Ausfuhrland erfasst. Aus dieser Bestimmung geht jedoch nicht hervor, dass eine finanzielle Beihilfe nicht aufgrund vorhandener spezifischer Beweise der Regierung im Ursprungs- oder Ausfuhrland der betroffenen Ware zugerechnet werden kann. Außerdem bedeutet die Tatsache, dass diese Verordnung verlangt, dass eine finanzielle Beihilfe von der Regierung „im Gebiet eines Landes“[4] geleistet wird, nicht, dass die Beihilfe unmittelbar von der Regierung im Ursprungs- oder Ausfuhrland stammen muss.

Somit schließt die Antisubventionsgrundverordnung nicht aus, dass eine finanzielle Beihilfe, die in Ägypten ansässigen Unternehmen von chinesischen Behörden und nicht unmittelbar von der ägyptischen Regierung gewährt wird, dieser als der Regierung im Ursprungs- oder Ausfuhrland zugerechnet werden kann.

Diese Schlussfolgerung trifft im spezifischen Kontext der SETC-Zone, die es den staatlichen chinesischen Stellen ermöglicht, den in dieser Zone ansässigen chinesischen Unternehmen unmittelbar alle mit der Initiative „Neue Seidenstraße“ verbundenen Erleichterungen zu gewähren, umso mehr zu. Unter diesen Umständen ist es ausgeschlossen, ein wirtschaftliches und rechtliches Konstrukt, das so umfangreich wie die SETC-Zone ist, von der Antisubventionsgrundverordnung auszunehmen.

Sodann weist das Gericht das Vorbringen der Klägerinnen zurück, wonach die Auslegung von Art. 3 Nr. 1 Buchst. a der Antisubventionsgrundverordnung durch die Kommission gegen Art. 10 Abs. 7 und Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung verstoße.

Insoweit stellt das Gericht zum einen fest, dass Art. 10 Abs. 7 der Antisubventionsgrundverordnung, der die mit einem Antrag befasste Kommission verpflichtet, dem betreffenden Ursprungs- oder Ausfuhrland Gelegenheit zu Konsultationen zu geben, um Fragen zu klären, nicht ausschließt, dass die Regierung in diesem Land zu den ihr zuzurechnenden finanziellen Beihilfen konsultiert werden kann. Im vorliegenden Fall geht jedoch aus den Akten hervor, dass die Kommission der ägyptischen Regierung durchaus Konsultationen über Fragen wie die durch chinesische Stellen gewährten Vorzugsdarlehen angeboten hat.

Was zum anderen Art. 13 Abs. 1 der Antisubventionsgrundverordnung anbelangt, der es dem Ursprungs- oder Ausfuhrland u. a. erlaubt, die Subventionen zu beseitigen oder zu begrenzen oder sonstige Maßnahmen in Bezug auf ihre Auswirkungen zu treffen, bleibt eine solche Möglichkeit in den Fällen bestehen, in denen die finanzielle Beihilfe der Regierung in diesem Land zugerechnet werden kann. So hatte die ägyptische Regierung die Möglichkeit, die enge Zusammenarbeit mit der chinesischen Regierung in Bezug auf die finanziellen Beihilfen zu beenden oder Maßnahmen zur Begrenzung der Wirkungen der in Rede stehenden Subventionen vorzuschlagen.

Daraus folgt, dass weder Art. 3 Nr. 1 Buchst. a der Antisubventionsgrundverordnung noch dessen allgemeine Systematik es ausschließen, dass in einem Fall wie dem vorliegenden eine finanzielle Beihilfe, die von der chinesischen Regierung gewährt wurde, der Regierung Ägyptens als Ursprungs- oder Ausfuhrland zugerechnet werden kann.

Schließlich wird diese Schlussfolgerung entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen insbesondere durch Art. 1 des Übereinkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen[5] bestätigt, in dessen Licht die Antisubventionsgrundverordnung auszulegen ist.

In Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Nr. 1 des Abkommens, der mit Art. 3 der Antisubventionsgrundverordnung umgesetzt werden soll, wird die Subvention als eine finanzielle Beihilfe einer Regierung oder öffentlichen Körperschaft im Gebiet „eines“ WTO-Mitglieds definiert. Diese Formulierung schließt es somit nicht aus, dass eine von einem Drittland gewährte finanzielle Beihilfe der Regierung im Ursprungs- oder Ausfuhrland zugerechnet werden kann, da es genügt, dass die finanzielle Beihilfe der Regierung oder einer öffentlichen Körperschaft im Gebiet „eines“ WTOMitglieds gewährt wird.

Im Licht dieser Erwägungen kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Kommission Art. 3 Nr. 1 Buchst. a der Antisubventionsgrundverordnung zutreffend ausgelegt hat, und weist den Klagegrund zurück. Das Gericht weist auch die übrigen von den Klägerinnen in den beiden Klagen geltend gemachten Klagegründe zurück und weist diese Klagen folglich in vollem Umfang ab.



[1] Durchführungsverordnung (EU) 2020/776 der Kommission vom 12. 6. 2020 zur Einführung endgültiger Ausgleichszölle auf die Einfuhren bestimmter gewebter und/oder genähter Erzeugnisse aus Glasfasern mit Ursprung in der Volksrepublik China und Ägypten und zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2020/492 der Kommission zur Einführung endgültiger Antidumpingzölle betreffend die Einfuhren bestimmter gewebter und/oder genähter Erzeugnisse aus Glasfasern mit Ursprung in der Volksrepublik China und Ägypten (ABl. 2020, L 189, S. 1).

[2] Durchführungsverordnung (EU) 2020/870 der Kommission vom 24. 6. 2020 zur Einführung eines endgültigen Ausgleichszolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Ausgleichszolls auf die Einfuhren von Waren aus Endlosglasfaserfilamenten mit Ursprung in Ägypten und zur Erhebung des endgültigen Ausgleichszolls auf die zollamtlich erfassten Einfuhren von Waren aus Endlosglasfaserfilamenten mit Ursprung in Ägypten (ABl. 2020, L 201, S. 10).

[3] VO (EU) 2016/1037 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. 6. 2016 über den Schutz gegen subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Union gehörenden Ländern (ABl. 2016, L 176, S. 55).

[4] Antisubventionsgrundverordnung, fünfter Erwägungsgrund.

[5] Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen (ABl. 1994, L 336, S. 156) in Anhang 1A des am 15. 4. 1994 in Marrakesch unterzeichneten Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) (ABl. 1994, L 336. S. 3).

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