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Wettbewerb
19.01.2021
Wettbewerb
EuGH: Das Gericht bestätigt, dass die Regeln der Internationalen Eislaufunion (ISU), nach denen Sportler für die Teilnahme an nicht von der ISU anerkannten Eisschnelllauf-Wettkämpfen ...

... mit harten Sanktionen belegt werden, gegen die Wettbewerbsregeln der EU verstoßen

Der EuG hat mit Urteil vom 16. 12. 2020 – Rs. T-93/18; International Skating Union gegen Kommission, ECLI:EU:T:2020:610 – entschieden. Pressemitteilung:

Die Schiedsgerichtsvorschriften der ISU sind demgegenüber von der Kommission zu Unrecht beanstandet worden

Die International Skating Union (Internationale Eislaufunion) (ISU) ist der einzige vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) anerkannte internationale Dachverband für den Eiskunstlauf und den Eisschnelllauf. Mit der Veranstaltung verschiedener EisschnelllaufWettkämpfe im Rahmen der bedeutendsten internationalen Wettkämpfe wie der Europa- und der Weltmeisterschaften und der Olympischen Winterspiele übt sie auch eine geschäftliche Tätigkeit aus.

2014 plante die koreanische Icederby International Co. Ltd eine Eisschnelllauf-Veranstaltung in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) mit einem neuartigen Wettkampfformat. Da die ISU die Veranstaltung nicht genehmigte, hatte die Ausrichtergesellschaft Schwierigkeiten, professionelle Eisschnellläufer zur Teilnahme zu bewegen, weshalb sie von ihrem Vorhaben Abstand nahm. Eisschnellläufer aus den nationalen ISU-Mitgliedsverbänden unterliegen nach der ISU-Satzung einer Vorabgenehmigungsregelung im Rahmen sogenannter Zulassungsbestimmungen. Nach diesen Bestimmungen in ihrer damals anwendbaren Fassung wurde die Teilnahme eines Eisläufers an einem nicht genehmigten Wettkampf mit dem Ausschluss von allen ISUWettkämpfen auf Lebenszeit geahndet.

Auf eine Beschwerde zweier professioneller niederländischer Eisläufer befand die Europäische Kommission mit Beschluss vom 8. 12. 2017[1] (im Folgenden: angefochtener Beschluss), dass die Zulassungsbestimmungen der ISU mit dem Wettbewerbsrecht der Union (Art. 101 AEUV) unvereinbar seien, da sie die Beschränkung der Möglichkeiten professioneller Eisschnellläufer, nach Belieben an von Dritten veranstalteten internationalen Wettkämpfen teilzunehmen, bezweckten und damit den Dritten die für die Veranstaltung solcher Wettkämpfe unabdingbaren Dienstleistungen der Sportler vorenthielten. Unter Androhung eines Zwangsgelds gab die Kommission der ISU dementsprechend auf, die damit festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen, verhängte jedoch keine Geldbuße gegen sie.

Die ISU hat beim Gericht der Europäischen Union Klage gegen den angefochtenen Beschluss erhoben. Das Gericht, das erstmals über einen Beschluss der Kommission, mit dem die Unvereinbarkeit einer Regelung eines Sportverbands mit dem Wettbewerbsrecht der Union festgestellt wird, zu entscheiden hat, bestätigt die Begründetheit der von der Kommission vorgenommenen Einstufung der streitigen Regelung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung, erklärt aber den angefochtenen Beschluss – soweit er die Vorgaben gegenüber der ISU betrifft – für teilweise nichtig. 

Würdigung durch das Gericht

Als Erstes urteilt das Gericht, dass die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Zulassungsbestimmungen eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 AEUV bezwecken.

Hierzu stellt das Gericht zunächst fest, dass die Situation, in der sich die ISU befindet, zu einem Interessenkonflikt führen kann. Einerseits nämlich nimmt die ISU eine Reglementierungsfunktion wahr, kraft derer sie die Macht hat, die Regeln in den in ihren Wirkungskreis fallenden Sportarten festzulegen und damit von Dritten veranstaltete Wettkämpfe zu genehmigen, während sie andererseits im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit selbst die bedeutendsten EisschnelllaufWettkämpfe veranstaltet, an denen professionelle Eisläufer teilnehmen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Insoweit befindet das Gericht, dass einem Sportverband in Ausübung seiner Reglementierungsfunktion nach Art. 101 AEUV dieselben Verpflichtungen obliegen, wie sie in der ständigen Rechtsprechung zur Anwendung der Art. 102 und 106 AEUV verankert sind,[2] so dass die ISU unter diesen Bedingungen bei der Prüfung von Genehmigungsanträgen darauf achten muss, dass Drittveranstaltern von EisschnelllaufWettkämpfen ein Zugang zum relevanten Markt nicht in einem Maß ungerechtfertigt vorenthalten wird, dass der Wettbewerb auf diesem Markt verfälscht wird.

Nach dieser Klarstellung prüft das Gericht sodann die inhaltliche Beurteilung der Zulassungsbestimmungen durch die Kommission. Es stellt eingangs fest, dass diese nicht die mit ihnen verfolgten legitimen Ziele erläutern und erst seit 2015 Genehmigungskriterien vorsehen, die im Übrigen nicht abschließend sind. Unter diesen Umständen können die seitdem angewandten Anforderungen nicht sämtlich als eindeutige, transparente, nichtdiskriminierende und überprüfbare Genehmigungskriterien angesehen werden, die als solche geeignet wären, den Wettkampfveranstaltern einen tatsächlichen Zugang zum relevanten Markt zu gewährleisten. Demzufolge stellt das Gericht fest, dass der ISU auch nach Annahme der Genehmigungskriterien in 2015 ein weiter Entscheidungsspielraum verblieb, um die Genehmigung von geplanten Wettkämpfen Dritter abzulehnen.

Was im Übrigen die Sanktionsregelung betrifft, hebt das Gericht hervor, dass die Härte der vorgesehenen Sanktionen ein Punkt von besonderer Relevanz ist, wenn es um die Ermittlung etwaiger Hindernisse für das einwandfreie Funktionieren des Wettbewerbs auf dem relevanten Markt geht. Die Sanktionshärte kann nämlich die Sportler von der Teilnahme an von der ISU nicht genehmigten Wettkämpfen abhalten, und zwar auch dann, wenn es keinen legitimen Grund für die Ablehnung der Genehmigung gibt. Das Gericht hält vorliegend die von den Zulassungsbestimmungen vorgesehenen Sanktionen auch nach der 2016 erfolgten Abschwächung der Regelung für unverhältnismäßig. Auch seitdem sei nämlich nicht nur die Definition der Verstoßkategorien unscharf, sondern die Sanktionsdauer namentlich bei der Teilnahme an nicht genehmigten Wettkämpfen von Drittveranstaltern in Anbetracht der durchschnittlichen Karrieredauer eines Eisläufers weiterhin hart.

Schließlich prüft das Gericht die Beurteilung der mit den Zulassungsbestimmungen verfolgten Ziele durch die Kommission. Es erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass der Schutz der Integrität des Sports ein in Art. 165 AEUV anerkanntes legitimes Ziel ist. Deshalb war es legitim, dass die ISU Regeln aufstellte, die sowohl möglichen Wettkampfmanipulationsrisiken infolge von Sportwetten vorbeugen als auch die Konformität der Sportwettkämpfe mit allgemeinen Standards sicherstellen sollen. Im vorliegenden Fall gehen die von der ISU angenommenen Regeln aber nichtsdestotrotz über das zur Erreichung dieser Ziele Erforderliche hinaus und sind deshalb daran gemessen nicht verhältnismäßig. Folglich war die Kommission zu Recht der Ansicht, dass die Beschränkungen, die sich aus der Vorabgenehmigungsregelung ergäben, durch die in Rede stehenden Ziele nicht gerechtfertigt werden könnten.

Demnach ist die Kommission also zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Zulassungsbestimmungen insbesondere im Hinblick auf ihren Inhalt hinreichend beeinträchtigend sind, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung angesehen werden zu können.

Als Zweites äußert sich das Gericht zur Rechtmäßigkeit der Vorgaben, die der angefochtene Beschluss im Hinblick auf die Beendigung der festgestellten Zuwiderhandlung enthält, und gibt dem Nichtigkeitsantrag der Klägerin in dieser Hinsicht teilweise statt, nämlich soweit die Kommission unter Androhung eines Zwangsgelds eine substanzielle Änderung der Schiedsgerichtsvorschriften der ISU im Fall der Beibehaltung der Vorabgenehmigungsregelung verlangt hat.

Das Gericht stellt dazu fest, dass nach Ansicht der Kommission die von den Zulassungsbestimmungen ausgehenden Wettbewerbsbeschränkungen durch diese Schiedsgerichtsvorschriften verschärft werden, die dem Schiedsgericht für Sport in Lausanne (Schweiz) eine ausschließliche Zuständigkeit für die Entscheidung über Klagen gegen Nichtzulassungsentscheidungen verleihen und diese Schiedsgerichtsbarkeit verbindlich vorschreiben. Soweit sich die Kommission insoweit an den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen[3] und genauer an dem darin enthaltenen Begriff der erschwerenden Umstände orientiert haben will, unterstreicht das Gericht, dass allein rechtswidrige Verhaltensweisen oder Umstände, die die Zuwiderhandlung verschlimmern, eine Erhöhung der Geldbuße wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union rechtfertigen können. Im vorliegenden Fall sind solche rechtswidrigen Umstände aber nicht gegeben. Die Kommission durfte deshalb die Schiedsgerichtsvorschriften der ISU nicht als erschwerenden Umstand ansehen.



[1] Beschluss der Kommission C(2017) 8240 final vom 8. 12. 2017 in einem Verfahren nach Art. 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.40208 – Zulassungsbestimmungen der Internationalen Eislaufunion).

[2] Urteile des Gerichtshofs vom 1. 7. 2008, MOTOE, Rs. C-49/07 (Rn. 51 und 52), und vom 28. 2. 2013, Ordem dos Técnicos Oficiais de Contas, Rs. C-1/12 (Rn. 88 und 92; vgl. auch PM Nr. 21/13).

[3] Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gem. Art. 23 Abs. 2 Buchstabe a) der VO (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2).

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