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EWS-Standpunkte
19.05.2014
EWS-Standpunkte
Staatliche_Beihilfen; Energie; Finanzsektor; Daseinsvorsorge
Prof. Dr. Walter Frenz: Bad Bank für den Atomausstieg und Beihilfenverbot

Es wird vorgeschlagen, eine öffentlich-rechtliche Stiftung zu schaffen, in welcher die Restaktivitäten der Energiekonzerne für die friedliche Nutzung der Kernenergie und vor allem deren Folgelasten konzentriert werden sollen (vgl. Der Spiegel, 12. 5. 2014). Die Energiekonzerne würden ihre dafür angesparten Rückstellungen von über 30 Milliarden Euro einbringen und wollen im Gegenzug von sämtlichen Folgelasten befreit werden. Dabei tragen sie als Verursacher grundsätzlich die Verantwortung. Ein Abweichen vom Verursacherprinzip würde daher die Frage aufwerfen, ob nicht eine staatliche Beihilfe gegeben ist. Immerhin würden die Energiekonzerne systemwidrig von Lasten befreit, die sie eigentlich aufgrund ihres gefährdenden Vorverhaltens zu tragen haben. Auch solche systemwidrigen Ausnahmen von generellen Pflichten sind relevant, wie das aktuelle EU-Beihilfeverfahren wegen der bisherigen umfassenden Herausnahme mehr oder weniger energieintensiver Branchen von der EEG-Umlage zeigt. Ein Verstoß gegen das Beihilfenverbot läge vor allem dann auf der Hand, wenn der Staat selbst noch Geld in eine solche öffentlich-rechtliche Stiftung zur Bewältigung der Folgelasten der Kernkraftnutzung einbrächte.

Allerdings machen die Energiekonzerne erhebliche Forderungen gegen den Staat geltend. Erfolg haben sie dabei voraussichtlich vor allem wegen der vorläufigen Sofortabschaltung älterer Kernkraftwerke unmittelbar nach dem Kernkraftunfall in Fukushima im März 2011. Hier sieht die Verwaltungsrechtsprechung keine konkrete Gefahr nach § 19 Abs. 3 AtG gegeben, die eine solche Sofortabschaltung getragen hätte. Allein aus den Vorkommnissen in Japan sei sie nicht ableitbar und in Deutschland habe eine solche Gefahr nie bestanden (VGH Kassel, ZNER 2013, 419; krit. Becker, ZNER 2013, 339). Auch das Angreifen der Brennelementesteuer verspricht Erfolg. Das FG Hamburg hielt sie für verfassungswidrig. Nunmehr gilt es, die Entscheidungen des BVerfG und des EuGH abzuwarten.

Insoweit besteht ein Bezug zum Atomausstieg deshalb, weil die Brennelementesteuer eingeführt wurde, um die Gewinne aus der verlängerten Laufzeit abzuschöpfen. Diese Laufzeitverlängerung wurde mittlerweile wieder gekappt. Damit wurde aber der Zustand wiederhergestellt, der schon durch den rot-grünen Atomausstieg festgelegt war. Bei diesemwar die Restlaufzeit der Kernkraftwerke hinreichend berücksichtigt worden. Daher dürfte die Rücknahme der Laufzeitverlängerung zu keinen Schadensersatzansprüchen führen. Das gilt vor allem deshalb, weil sich die Risikoabschätzung geändert und die Nutzung der Kernenergie an einer geänderten Risikoeinschätzung teilhat, mithin auch vom Staat entsprechend angepasst werden kann – hat dieser doch für die Einhaltung grundrechtlicher Schutzpflichten für Leben und Gesundheit zu sorgen.

Damit haben die Energiekonzerne durchaus Verhandlungsansätze, um den Bund ins Boot für eine öffentlich-rechtliche Stiftung zur Bewältigung der Folgelasten des Kernkraftausstiegs zu holen und im Gegenzug auf Forderungen zu verzichten. Wird dazu ein Vertrag abgeschlossen, genügt eine grobe Abschätzung der Höhe dieser Forderungen und der Folgelasten, um einen gegenseitigen Ausgleich im Wege des Kompromisses zu schaffen und dabei zugleich das Beihilfenverbot außen vor zu halten. Ein Vorbild gibt es schon: Die Folgelasten des Steinkohlenbergbaus sollen von einer Stiftung bewältigt werden, die von der RAG gespeist wurde. Auch insoweit ist ungewiss, ob die Mittel ausreichen werden. Dies hängt insbesondere davon ab, wie weit die unternehmerischen Pflichten für die Wasserhaltung auch nach einem Ende des Steinkohlenbergbaus reichen. Ungewissheiten schließen damit ein solches Modell nicht von vornherein aus. Allerdings dürfen der öffentlichen Hand nicht unangemessene Risiken verbleiben. Wandeln sich diese Risiken in Geldzahlungen der öffentlichen Hand um oder verbleiben sie systemwidrig bei ihr, kann sehr leicht das Beihilfenverbot verletzt sein. Dies ist bei der weiteren Diskussion im Blick zu halten. Der Vorschlag einer Bad Bank für den Atomausstieg wurde zwar vielfach kritisiert, ist aber noch nicht vom Tisch. Die Bundesregierung hält sich bisher bedeckt, daher ist die weitere Entwicklung abzuwarten.

 Prof. Dr. Walter Frenz, RWTH Aachen

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