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EWS-Standpunkte
14.05.2014
EWS-Standpunkte
EU-Gesetzgebung: Kollektiver Rechtsschutz in der Europäischen Union – Vereinheitlichung oder nationale Vielfalt?

Der europäische Gesetzgeber beschäftigt sich bereits seit einigen Jahren mit der Einführung von Sammel- und Gruppenklagen in der Europäischen Union. Die diesbezüglichen Arbeiten der Europäischen Kommission wurden oft mit viel Argwohn verfolgt, da man befürchtete, dass die Einführung derartiger Verfahren zu amerikanischen Verhältnissen führen würde. Trotz dieser Befürchtungen hat die Europäische Kommission an ihrem Vorhaben festgehalten und am 11. 6. 2013 ein Maßnahmenpaket zur Erleichterung der Durchsetzung von kollektiven Schadensersatzansprüchen vorgestellt. Das Ziel dieser Maßnahmen ist, die nationalen kollektiven Gerichtsverfahren der einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch die Schaffung gemeinsamer Grundsätze zu harmonisieren. Denn in den einzelnen Mitgliedstaaten existieren unterschiedliche Lösungsansätze bei der Durchführung kollektiver Klageverfahren.

Neben einer Mitteilung „Auf dem Weg zu einem allgemeinen Europäischen Rahmen für den kollektiven Rechtsschutz“ (KOM [2013] 401) hat die Europäische Kommission auch die Empfehlung „Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren in den Mitgliedstaaten bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten“ (KOM 2013/396/EU) veröffentlicht. Diese Empfehlung enthält eine Anzahl von Grundsätzen zur Ausgestaltung kollektiver Verfahren zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen. Damit soll der Zugang zur Justiz bei der Unterbindung von rechtswidrigen Verhaltensweisen sowie bei Massenschäden unter Beachtung der Verfahrensgarantien erleichtert werden (vgl. Nr. 1 der Empfehlung). Die vorgestellten Grundsätze gelten dabei nicht nur für grenzüberschreitende Sachverhalte bzw. Verfahren, sondern für alle innerstaatlichen kollektiven Rechtsschutzverfahren, bei denen eine Verletzung der durch das Unionsrecht garantierten Rechte geltend gemacht wird.

Die Empfehlung enthält neben diesen allgemeinen Bestimmungen zum Zweck und Gegenstand in Nr. 3 zunächst eine Reihe von Definitionen, die den Anwendungsbereich der Empfehlung näher bestimmen. In dem nachfolgenden Teil der Empfehlung sind die allgemeinen Grundsätze für kollektive Rechtsschutzverfahren enthalten. Konkret betreffen diese Grundsätze die Klagebefugnis, die Zulässigkeit, die Informationsbeschaffung über die Verfahrensmöglichkeiten, die Regelung der Verfahrenskosten, die Finanzierung dieser Verfahren sowie die Verfahren mit einem grenzüberschreitenden Bezug. Dabei fällt auf, dass die Klagebefugnis nur Organisationen zusteht, die die in Nr. 4 der Empfehlung enthaltenen Anforderungen erfüllen und eine Zulassung als Vertreterorganisation erlangt haben. Zu diesen Voraussetzungen zählt insbesondere, dass die Organisationen einen gemeinnützigen Charakter haben müssen. Eine solche Voraussetzung erscheint bei bestimmten Rechtsgebieten, wie z.B. beim Kartellrecht, allerdings nicht realisierbar.

In den anschließenden Abschnitten werden besondere Grundsätze für kollektive Unterlassungsverfahren sowie kollektive Schadensersatzverfahren genannt. In diesem Zusammenhang hat sich die Europäische Kommission für das sog. opt-in-Prinzip entschieden, so dass die einzelnen geschädigten bzw. berechtigen Personen einer kollektiven Geltendmachung ihrer Rechte zustimmen müssen (vgl. Nr. 21 ff. der Empfehlung). Schließlich betont die Empfehlung, dass Anwaltshonorare keinen Anreiz zur Durchführung kollektiver Verfahren schaffen sollen, wobei insbesondere Erfolgshonorare verboten sind. Darüber hinaus sind auch sog. punitive damages nicht zulässig.

Insgesamt zeigt die durch die Europäische Kommission erlassene Empfehlung, dass Europa derzeit noch nicht so weit ist, ein harmonisiertes kollektives Verfahren einzuführen. Darüber hinaus werfen die durch die Europäische Kommission vorgestellten Grundsätze zahlreiche Fragen auf. Daher bleibt abzuwarten, wie die Mitgliedstaaten die in der Empfehlung enthaltenen Grundsätze in ihre Rechtsordnungen umwandeln werden. Nach vier Jahren wird die Europäische Kommission die Umsetzung dieser Empfehlung bewerten. Bis dahin wird es sicherlich bei der Vielfalt kollektiver Verfahren in der Europäischen Union bleiben.

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