EuGH: Am 1. April treten wichtige Änderungen der Verfahrensvorschriften des Gerichts der Europäischen Union in Kraft
Mit diesen Änderungen setzt das Gericht die Förderung einer modernen und effizienten Justiz fort
Das Gericht hat seine Verfahrensordnung geändert, um die gerichtliche Verfahrensdauer zu optimieren, u. a. durch Präzisierung bzw. Vereinfachung verschiedener Bestimmungen. Die Änderungen tragen zudem bestimmten Bedürfnissen Rechnung, beispielsweise betreffend die Möglichkeit, Videokonferenzen für mündliche Verhandlungen zu nutzen. Außerdem fördern sie die proaktive Behandlung der Rechtssachen und berücksichtigen die Entwicklungen der Vorschriften über den Schutz von personenbezogenen Daten natürlicher Personen.
Die Änderungsvorschläge wurden vom Gerichtshof gebilligt und vom Rat der Europäischen Union genehmigt.[1]
Des Weiteren hat das Gericht die praktischen Durchführungsbestimmungen zu seiner Verfahrensordnung geändert.[2]
Was ändert sich?
Die Änderungen der Verfahrensvorschriften präzisieren, ergänzen bzw. vereinfachen verschiedene Bestimmungen. Sie begrenzen u. a. die Fälle, in denen Mängel bei Schriftsätzen behoben werden können, und bieten außerdem Lösungen, die das Gericht und seine Kanzlei als Antworten auf bestimmte Bedürfnisse entwickelt haben.
Videokonferenzen
So sieht das Gericht in seinen Verfahrenstexten die Möglichkeit des Einsatzes von Videokonferenzen für mündliche Verhandlungen vor und stattet sich insoweit mit einem rechtlichen und technischen Rahmen aus.
Dieses Hilfsmittel hat sich als wesentlich erwiesen, um während der Zeit der Gesundheitskrise die Kontinuität der Rechtspflege zu gewährleisten. Der Antrag eines an der physischen Teilnahme an der Verhandlung gehinderten Parteivertreters auf Einsatz einer Videokonferenz muss auf „Gesundheitsgründe, Sicherheitsgründe oder andere triftige Gründe“ gestützt werden (Art. 107a der Verfahrensordnung). Die technischen Voraussetzungen, die für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz erfüllt sein müssen, sind in den praktischen Durchführungsbestimmungen zur Verfahrensordnung im Einzelnen festgelegt. Dieses Paket wird durch das Dokument „Praktische Empfehlungen für Vertreter, die per Videokonferenz plädieren“ vervollständigt.
Elektronische Signatur In dem Wunsch, eine moderne und effiziente Justiz zu fördern, hat das Gericht im März 2022 damit begonnen, seine Urteile und Beschlüsse elektronisch zu unterzeichnen. In den praktischen Durchführungsbestimmungen zur Verfahrensordnung des Gerichts werden daher die Modalitäten für die qualifizierte elektronische Signatur seiner Entscheidungen und die Regeln für die dauerhafte und sichere Aufbewahrung der elektronischen Originalfassungen dieser Dokumente im Einzelnen festgelegt.
Proaktive Behandlung der Rechtssachen
Die Änderungen der Verfahrensvorschriften bieten dem Gericht neue Möglichkeiten, mit denen dem Erfordernis einer proaktiven Behandlung der Rechtssachen entsprochen wird und die mit den im Bericht des Gerichtshofs von 2020 niedergelegten Überlegungen im Einklang stehen.
Pilotrechtssachen
In Art. 71a der Verfahrensordnung wird der Begriff „Pilotrechtssache“ verankert. Dieser Artikel konkretisiert nämlich die Fälle, in denen von anhängigen Rechtssachen, die die gleiche Rechtsfrage aufwerfen, eine Rechtssache als Pilotrechtssache ausgemacht und die übrigen Rechtssachen ausgesetzt werden. Es werden neue Garantien geboten: Die Pilotrechtssache wird vorrangig behandelt und die Parteien in den ausgesetzten Rechtssachen werden nach der Fortsetzung ihrer Rechtssachen angehört.
Gemeinsame mündliche Verhandlung
Art. 106a der Verfahrensordnung wird es dem Gericht ermöglichen, gemeinsame mündliche Verhandlungen für mehrere Rechtssachen durchzuführen, wenn zwischen den Rechtssachen Gemeinsamkeiten bestehen, und zwar unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für eine Verbindung erfüllt sind.
Schutz von Daten
Das Gericht berücksichtigt auch die Entwicklungen bei den Vorschriften über den Schutz von personenbezogenen Daten natürlicher Personen in der Europäischen Union. In seiner Verfahrensordnung wird nunmehr klar zwischen der Verarbeitung von personenbezogenen Daten natürlicher Personen (Art. 66) und der Verarbeitung von Daten, die keine personenbezogenen Daten sind (Art. 66a), unterschieden. In der Mitteilung „Weglassen von Angaben gegenüber der Öffentlichkeit in gerichtlichen Verfahren“ wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, das Weglassen von Angaben mit gesondertem Schriftsatz bereits mit der Einreichung des ersten Verfahrensschriftstücks zu beantragen, um eine übereilte Verbreitung der Angaben im Internet zu verhindern.
Nützliche Dokumente für die Parteien
Schließlich hat das Gericht eine Reihe nützlicher Dokumente für die Vertreter der Parteien aktualisiert (Merkliste – Klageschrift, Muster der Zusammenfassung der in der Klageschrift geltend gemachten Klagegründe und wesentlichen Argumente, Merkliste – Mündliche Verhandlung, Mitteilung betreffend das Weglassen von Angaben gegenüber der Öffentlichkeit in gerichtlichen Verfahren). Außerdem wurden neue Dokumente erstellt, um die Vertreter der Parteien bei der Vorbereitung ihrer Klagen zu unterstützen (Bereitstellung von indikativen Mustern für Klageschriften) und sie in dem Fall anzuleiten, dass es ihnen gestattet wird, per Videokonferenz zu plädieren (Praktische Empfehlungen für Vertreter, die per Videokonferenz plädieren).