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Politiken
16.02.2023
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EuGH: Der Gerichtshof bestätigt, dass zwei Bekanntmachungen von EPSO-Auswahlverfahren, in denen die Wahl der zweiten Sprache auf Englisch, Französisch oder Deutsch beschränkt wurde, rechtswidrig sind

Der EuGH (1. Kammer) hat mit Urteil vom 16. 2. 2023 – Rs. C-623/20 P; Europäische Kommission gegen Italienische Republik; ECLI:EU:C:2023:97 – entschieden. PM Nr. 28 v. 16.2.2023:

Das EPSO hat nicht dargetan, dass diese Beschränkung durch das dienstliche Interesse an der sofortigen Einsatzfähigkeit der neu eingestellten Personen gerechtfertigt wäre

Die Kommission hat zwei Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt, mit denen sie die Aufhebung der Urteile des Gerichts vom 9. 9. 2020[1] begehrt. Mit diesen Urteilen hatte das Gericht zwei Bekanntmachungen von allgemeinen EPSO-Auswahlverfahren

1. zur Erstellung von Reservelisten für Beamte der Funktionsgruppe Administration im Bereich Audit

2. zur Erstellung von Reservelisten für Beamte der Funktionsgruppe Administration, die in den Bereichen EUAusgaben, Korruptionsbekämpfung, Zoll und Handel, Tabak- oder nachgeahmte Waren als Ermittler bzw. Leiter von Ermittlerteams eingesetzt werden,

für nichtig erklärt. Nach den Bekanntmachungen hatten die Bewerber hinsichtlich der Sprachkenntnisse besondere Voraussetzungen zu erfüllen: ein Mindestniveau C1 in einer der 24 Amtssprachen der Europäischen Union (Sprache 1) und ein Mindestniveau B2 in Deutsch, Englisch oder Französisch (Sprache 2), den nach Einschätzung des EPSO wichtigsten Arbeitssprachen der Unionsorgane. Mit ihren Klagen machten Italien und Spanien geltend, dass zwei Aspekte der in den Bekanntmachungen getroffenen Sprachenregelung, mit der die Wahl zum einen der zweiten Sprache des Auswahlverfahrens und zum anderen der Sprache der Kommunikation zwischen den Bewerbern und dem EPSO auf Deutsch, Englisch und Französisch beschränkt worden sei, rechtswidrig seien.[2] Das Gericht folgte ihrem Vorbringen und stellte fest, dass die Beschränkung der Wahl der zweiten Sprache auf Deutsch, Englisch und Französisch im Wesentlichen eine unterschiedliche Behandlung aufgrund der Sprache darstelle und dass diese unterschiedliche Behandlung nicht durch den Hauptgrund, der in den Bekanntmachungen der Auswahlverfahren[3] angegeben worden sei, nämlich, dass die neu eingestellten Beamten der Funktionsgruppe Administration sofort einsatzfähig sein müssten, gerechtfertigt werden könne.

Mit seinen heutigen Urteilen weist der Gerichtshof die Rechtsmittel der Kommission zurück und bestätigt damit die Entscheidungen des Gerichts.

Er weist zunächst darauf hin, dass dem weiten Gestaltungsspielraum, über den die Organe bei der Organisation ihrer Dienststellen verfügen, Grenzen gesetzt sind. Bei einer Beschränkung der Sprachenregelung eines Auswahlverfahrens auf eine beschränkte Zahl von Amtssprachen der Union muss das betreffende Organ nachweisen, dass die Beschränkung objektiv durch das dienstliche Interesse gerechtfertigt ist, geeignet ist, tatsächlichen Anforderungen zu entsprechen, in Bezug auf diese tatsächlichen Anforderungen verhältnismäßig ist und auf klaren, objektiven und vorhersehbaren Kriterien beruht. Der Gerichtshof stellt fest, dass das Gericht zu Recht geprüft hat, ob die Kommission dargetan hat, dass die Beschränkung der Wahl der zweiten Sprache der Bewerber auf Englisch, Französisch oder Deutsch objektiv gerechtfertigt und im Hinblick auf das Ziel, sofort einsatzfähige Beamte der Funktionsgruppe Administration einzustellen, verhältnismäßig war, und zu Recht festgestellt hat, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Das Gericht ist zu Recht zu dem Schluss gelangt, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass zur Erreichung des genannten Ziels ausreichende Englisch-, Französisch- oder Deutschkenntnisse unerlässlich wären. Insbesondere hat das Gericht zu Recht festgestellt, dass Deutsch- und Französischkenntnisse nicht gerechtfertigter seien als Kenntnisse in einer anderen Sprache der Union.

Der Gerichtshof bestätigt insbesondere, dass die Beweismittel betreffend die interne Sprachpraxis der Kommission nur dazu dienen, die für die Durchführung der verschiedenen Beschlussverfahren der Kommission erforderlichen Sprachen festzulegen. Sie vermögen die in Rede stehende Beschränkung im Hinblick auf die funktionellen Besonderheiten der in den Bekanntmachungen genannten Stellen nicht zu rechtfertigen. Aus ihnen geht weder hervor, dass ein notwendiger Zusammenhang zwischen den verschiedenen Beschlussverfahren der Kommission und den Aufgaben bestünde, die die erfolgreichen Teilnehmer der betreffenden Auswahlverfahren wahrnehmen könnten, noch, dass von den Dienststellen der Kommission, des Rechnungshofs und des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) bei ihrer täglichen Arbeit tatsächlich alle drei als „Verfahrenssprachen“ bezeichneten Sprachen verwendet würden.

Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass das Gericht die von der Kommission beigebrachten Beweismittel – wie etwa die Geschäftsordnung der Kommission – nicht verfälscht hat, ihm keine Rechtsfehler unterlaufen sind und es auch seiner Begründungspflicht nachgekommen ist.



[1] Urteile des Gerichts vom 9. 9. 2020, Italien/Kommission, T-437/16, und Spanien/Kommission, T-401/16, und vom 9. 8. 2016, Italien/Kommission, T-443/16.

[2] Art. 1 der VO Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 1958, 17, S. 385) in der durch die VO (EU) Nr. 517/2013 des Rates vom 13. 5. 2013 (ABl. 2013, L 158, S. 1) geänderten Fassung bestimmt: „Die Amtssprachen und die Arbeitssprachen der Organe der Union sind Bulgarisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Irisch, Italienisch, Kroatisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch.“ Art. 2 der Verordnung Nr. 1/58 bestimmt: „Schriftstücke, die ein Mitgliedstaat oder eine der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaates unterstehende Person an Organe der Gemeinschaft richtet, können nach Wahl des Absenders in einer der Amtssprachen abgefasst werden. Die Antwort ist in derselben Sprache zu erteilen.“ Art. 6 der Verordnung Nr. 1/58 bestimmt: „Die Organe der Gemeinschaft können in ihren Geschäftsordnungen festlegen, wie diese Regelung der Sprachenfrage im Einzelnen anzuwenden ist.“

[3] Art. 1d des Statuts der Beamten der Europäischen Union, wie es durch die VO (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates vom 29. 2. 1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vorübergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind (Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten) (ABl. 1968, L 56, S. 1) in der durch die VO (EU, Euratom) Nr. 1023/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 10. 2013 (ABl. 2013, L 287, S. 15) geänderten Fassung festgelegt ist, bestimmt: „(1) Bei der Anwendung dieses Statuts ist jede Diskriminierung aufgrund … der Sprache … verboten. … (6) Jede Einschränkung des Diskriminierungsverbots und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist unter Angabe von objektiven und vertretbaren Gründen zu rechtfertigen; dabei sind die legitimen Ziele von allgemeinem Interesse im Rahmen der Personalpolitik zu berücksichtigen. …“

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