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Politiken
30.03.2021
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EuGH: Rechtsprechungsstatistiken 2020

(PM) Trotz der beispiellosen pandemiebedingten Einschränkungen konnte der Gerichtshof der Europäischen Union seine Tätigkeit im Jahr 2020 auf einem hohen Niveau halten

Dem Gerichtshof der Europäischen Union ist es gelungen, seine Tätigkeit auch im Jahr 2020 – einer Zeit, in der Telearbeit und Reisebeschränkungen vorherrschten und zwischen dem 16. März und dem 25. Mai keine mündlichen Verhandlungen stattfinden konnten – auf einem hohen Niveau zu halten. Ab dem 25. Mai 2020 wurden die Sitzungssäle unter Einhaltung strengster Hygienemaßnahmen wieder für die Vertreter der Parteien und die Öffentlichkeit geöffnet, um eine geordnete Rechtspflege sicherzustellen und den Grundsatz der Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlungen zu wahren.

Diese Kontinuität der Tätigkeit wurde ermöglicht durch bereits bestehende Krisenstrukturen und -pläne, die Erstellung strenger Hygieneprotokolle, eine vorausschauende Strategie, das Personal mit IT-Ausrüstung für die Telearbeit auszustatten, und die Anpassung der Arbeitsbedingungen unter Wahrung der Verfahrensvorschriften. Wie vom Präsidenten des Gerichtshofs Koen Lenaerts hervorgehoben, konnte durch „die seit Beginn des Lockdowns in enger Abstimmung mit den Kabinetten und den Dienststellen des Unionsorgans aufgestellten Krisenpläne sichergestellt werden, dass die Gerichte so normal wie möglich im Dienste der europäischen Justiz weiterarbeiten“.

Das Unionsorgan hat insbesondere gewährleistet, dass die Vertreter der Parteien (Anwälte und die die Unionsorgane und die Regierungen der Mitgliedstaaten vertretenden Bevollmächtigten), die nicht imstande waren, sich nach Luxemburg zu begeben, per Videozuschaltung an den mündlichen Verhandlungen teilnehmen konnten. Hierfür hat das Unionsorgan ein spezielles Videokonferenzsystem entwickelt, mit dem potenziell aus den und in die 24 Amtssprachen simultan gedolmetscht werden kann. 2020 wurden so beim Gerichtshof 40 und beim Gericht 37 mündliche Verhandlungen durchgeführt, an denen bis zu vier Parteien per Videozuschaltung teilnahmen. Dieses System wird pandemiebedingt auch Anfang des Jahres 2021 weiter genutzt.

Alle diese Maßnahmen haben es dem Gerichtshof und dem Gericht ermöglicht, die laufenden Verfahren weiterzuführen, Entscheidungen innerhalb von Zeiträumen zu erlassen, wie sie auch in normalen Zeiten üblich sind, sowie Urteile und Schlussanträge in allen Amtssprachen der Union vorzulegen, zu veröffentlichen und zu verbreiten.

Die von den meisten Mitgliedstaaten zur Eindämmung der Pandemie getroffenen Lockdown-Maßnahmen und Beschränkungen haben sich aber zwangsläufig auf das Wirtschaftsleben und die Tätigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten ausgewirkt, was einen Rückgang bei den neu eingegangenen Rechtssachen zur Folge hatte. So gingen bei den beiden Unionsgerichten insgesamt 1 582 neue Rechtssachen ein – eine Zahl, die unter dem Rekordwert des Vorjahrs (1 905), aber in etwa auf dem Niveau der Jahre 2018 (1 683) und 2017 (1 656) liegt.

Ein vergleichbarer Trend zeigt sich bei den erledigten Rechtssachen, deren Zahl sich auf 1 540 beläuft, was einem Rückgang um 11 % gegenüber 2019 (1 739) entspricht, aber ungefähr auf dem Niveau des Jahres 2017 (1 594) und sogar über dem von 2016 (1 459) liegt. Um dieses

Ergebnis richtig einordnen zu können, ist zu berücksichtigen, dass die beiden Gerichte im Jahr 2020 mehr als zwei Monate lang keine mündlichen Verhandlungen durchführen konnten.

Schließlich ist hinsichtlich der Verfahrensdauer bei den von den beiden Gerichten 2020 erledigten Rechtssachen mit einem Durchschnitt von 15,4 Monaten ein historischer Tiefstand zu verzeichnen, was das ständige Streben nach einer effizienteren Steuerung der Verfahren belegt.

Gerichtshof

Bei den neu eingegangenen Rechtssachen (735) sind es wie in den beiden Vorjahren die Vorabentscheidungsersuchen, die mit 556 (gegenüber 641 im Jahr 2019) den größten Anteil dieser Rechtssachen beim Gerichtshof ausmachen. Deutschland hat die meisten Vorabentscheidungsersuchen (139 Rechtssachen) eingereicht, danach folgen Österreich (50), Italien (44) und Polen (41). Die 131 Rechtsmittel, die 2020 eingelegt wurden, bilden den zweitgrößten Anteil bei den neu eingegangenen Rechtssachen, ihre Zahl ist allerdings stark gesunken (266 im Jahr 2019).

Die Zahl der erledigten Rechtssachen liegt mit 792 zwar unter dem Rekordwert von 2019 (865), ist aber dennoch außergewöhnlich gut, da sie trotz der pandemiebedingten Einschränkungen über der der Jahre 2018 (760) und 2017 (699) liegt.

Bei den anhängigen Rechtssachen ist mit 1 045 am Ende des Jahres 2020 ein Rückgang gegenüber den am Ende des Jahres 2019 verzeichneten 1 102 Rechtssachen festzustellen.

Der Gerichtshof konnte seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Verfahrensdauer nachkommen, die trotz einer leichten Aufwärtsbewegung bei bestimmten Verfahrensarten (15,8 Monate bei den Vorabentscheidungsverfahren gegenüber 15,5 im Jahr 2019) allgemein auf dem Niveau der 2019 erreichten Zahlen bleibt.


Abb. 1 (Säulendiagramm)

Abb. 1


Abb. 2 (Tabelle)

Abb. 2
 

Gericht

Das Gericht hat 2020 einen Rückgang bei den neu eingegangenen Rechtssachen verzeichnet (847 gegenüber 939 im Jahr 2019). Die Rechtssachen, die die Rechte des geistigen Eigentums betreffen, machen dabei nach wie vor den größten Anteil aus (282), gefolgt von den die Anwendung des Beamtenstatuts betreffenden Rechtssachen (120) und denen zum institutionellen Recht (65) und zu den staatlichen Beihilfen (42).

Von den erledigten Rechtssachen (748) betreffen 237 das geistige Eigentum, 127 das institutionelle Recht und 79 den europäischen öffentlichen Dienst. Hervorzuheben ist, dass sich die Zahl der Rechtssachen, die von Spruchkörpern mit fünf Richtern entschieden wurden, mit 111 im Jahr 2020 gegenüber 59 im Jahr 2019 fast verdoppelt hat, was zu einer Justiz von hoher Qualität und einer größeren Autorität der Urteile des Gerichts beiträgt.

Die durchschnittliche Verfahrensdauer ist weiter gesunken und hat einen Rekordwert von 15,4 Monaten für alle Verfahrensarten erreicht. Das vom Gericht gesetzte Ziel der Verkürzung der Verfahrensdauer ist daher erreicht worden.

Die Zahl der Rechtssachen mit mündlicher Verhandlung im Jahr 2020 – als mehrere Wochen lang keine mündlichen Verhandlungen stattfinden konnten – ist mit 335 (davon 275 zwischen Mai und September 2020) gegenüber 315 im Jahr 2019 außergewöhnlich hoch.

Wie vom Präsidenten des Gerichts Marc van der Woude betont, hat das Gericht „seine interne Arbeitsweise umfassend und kontinuierlich überprüft, um sich an die Unwägbarkeiten der Krise“ und die neuen Einschränkungen, denen die Rechtssuchenden unterliegen, anzupassen.

 

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