EuG: Taxonomie: Das Gericht weist die Klage eines Europaabgeordneten gegen die Verordnung der Kommission über die Nachhaltigkeit bestimmter Wirtschaftstätigkeiten in den Sektoren fossiles Gas und Kernenergie als unzulässig ab
EuG, Urteil vom 21. 6. 2023 – Rs. T-628/22; René Repasi gegen Europäische Kommission; ECLI:EU:T:2023:353
PM-Nr. 105/2023 v. 21.6.2023: Anders als das Europäische Parlament können seine einzelnen Mitglieder einen solchen Rechtsakt nicht anfechten
Am 18. 6. 2020 erließen das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Verordnung 2020/852 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen.[1] Diese Verordnung enthält die Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit im Licht von verschiedenen Umweltzielen, die in der Verordnung festgelegt sind, als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. Klimaschutz gilt als eines dieser Ziele.[2]
Gemäß der Verordnung leisten Übergangswirtschaftstätigkeiten, d. h. Wirtschaftstätigkeiten, für die es keine technisch und wirtschaftlich durchführbaren CO2-armen Alternativen gibt, einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz, sofern sie, vorbehaltlich der Einhaltung bestimmter Kriterien, zur Klimaneutralität führen.
Vor diesem Hintergrund erließ die Europäische Kommission die Delegierte Verordnung 2022/1214[3] zur Festlegung der technischen Bewertungskriterien, anhand deren ermittelt werden kann, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Wirtschaftstätigkeiten in den Sektoren fossiles Gas und Kernenergie unter Übergangstätigkeiten fallen, die insbesondere einen Beitrag zum Ziel des Klimaschutzes leisten können.
Da Herr René Repasi, Mitglied des Europäischen Parlaments, der Auffassung war, dass die Kommission die ihr übertragene Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte überschritten habe, hat er beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung dieser Verordnung erhoben und geltend gemacht, dass diese Verordnung die Gesetzgebungskompetenz des Parlaments und damit seine Rechte als dessen Mitglied beeinträchtigt habe.
In seinem Beschluss hat sich das Gericht erstmals zur Klagebefugnis eines Mitglieds des Parlaments gegen eine delegierte Verordnung der Kommission geäußert und die Klage dann als unzulässig abgewiesen.
Würdigung durch das Gericht
Das Gericht weist zunächst darauf hin, dass nach Art. 263 Abs. 4 AEUV jede natürliche oder juristische Person gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung Klage erheben kann, wenn die fragliche Handlung sie unmittelbar und individuell betrifft oder wenn es sich um einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter handelt, der sie unmittelbar betrifft und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht. Damit ein Einzelner von der in Frage gestellten Handlung unmittelbar betroffen ist, müssen zwei Kriterien kumulativ erfüllt sein. Zum einen muss die angefochtene Maßnahme sich auf seine Rechtsstellung unmittelbar auswirken und zum anderen darf sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lassen.
Was die Befugnis des Klägers zur Anfechtung der Delegierten Verordnung 2022/1214 anbelangt, ergibt sich zwar aus der Rechtsprechung, dass eine Handlung des Parlaments, die sich auf die Bedingungen auswirkt, unter denen seine Mitglieder ihre parlamentarischen Aufgaben wahrnehmen, eine Handlung ist, die deren Rechtsstellung unmittelbar betrifft. Das Gericht stellt jedoch klar, dass diese Rechtsprechung interne organisatorische Maßnahmen des Parlaments betrifft, die seine Mitglieder unmittelbar betreffen, und nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar ist, in dem die Rechte dieser Mitglieder durch den behaupteten Eingriff in die Gesetzgebungskompetenz des Parlaments nur mittelbar verletzt werden könnten. Sämtliche Rechte des Klägers, die mit der Ausübung der Gesetzgebungskompetenz des Parlaments verbunden sind, wie das Recht auf Mitwirkung an einem ordnungsgemäßen Rechtsetzungsverfahren, auf Einhaltung der Zuständigkeits- und verfahrensrechtlichen Regelungen, darauf, die demokratischen Befugnisse des Parlaments zu verteidigen, sowie die Stimm- und Initiativrechte und das Recht zur Mitwirkung zwecks politischer Einflussnahme sollen nämlich nur im Rahmen der internen Verfahren des Parlaments ausgeübt werden und können daher nicht als vom Erlass der Delegierten Verordnung 2022/1214 unmittelbar verletzt angesehen werden.
Insoweit führt das Gericht weiter aus, dass der Grundsatz der repräsentativen Demokratie und der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, auf die sich der Kläger zur Begründung seiner Klagebefugnis beruft, ebenso wie der Schutz des institutionellen Gleichgewichts und des Rechts der Minderheit auf Rechtsschutz diese Schlussfolgerung nicht in Frage stellen können, da das Parlament das Recht hat, Klage gegen
Unionsrechtsakte zu erheben, wodurch die Wahrung dieser Grundsätze gewährleistet werden kann. Das Gleiche gilt für das Vorbringen des Klägers, wonach die Mitglieder des Parlaments von den Rechtsakten unmittelbar betroffen sein müssten, die Zuständigkeitsregeln, grundlegende Bestimmungen des Rechtsetzungsverfahrens oder Rechtsakte, die einen Ermessensmissbrauch darstellten, beträfen.
In Anbetracht dieser Erwägungen kommt das Gericht zu dem Schluss, dass der Kläger nicht klagebefugt ist, da er von der Delegierten Verordnung 2022/1214 nicht unmittelbar betroffen ist.
[1] Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. 6. 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088 (ABl. 2020, L 198, S. 13).
[2] Art. 3 und 9 der Verordnung 2020/852.
[3] Delegierte Verordnung (EU) 2022/1214 der Kommission vom 9. 3. 2022 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2021/2139 in Bezug auf Wirtschaftstätigkeiten in bestimmten Energiesektoren und der Delegierten Verordnung (EU) 2021/2178 in Bezug auf besondere Offenlegungspflichten für diese Wirtschaftstätigkeiten (ABl. 2022, L 188, S. 1).