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Politiken
05.01.2021
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GA Hogan: Das Unionsrecht steht nationalen Verfassungsbestimmungen, nach denen die Exekutive oder eines ihrer Mitglieder, etwa der Premierminister, im Ernennungsverfahren für die Richterschaft mitwirkt, nicht entgegen

Der GA Hogan schlägt mit Schlussanträgen vom 17. 12. 2020 – Rs. C-896/19; Repubblika/Il-Prim Ministru ECLI:EU:C:2020:1055 – dem Gerichtshof vor, die von der Qorti Ċivili Prim’Awla – Ġurisdizzjoni Kostituzzjonali (Erste Kammer des Zivilgerichts – Verfassungssachen, Malta) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1. Der im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgelegte Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ist anwendbar, wenn ein nationales Gericht die Rechtsgültigkeit eines Verfahrens zur Ernennung von Richtern wie das in der maltesischen Verfassung vorgesehene zu beurteilen hat.

2. Der im Licht von Art. 47 der Grundrechtecharta ausgelegte Art. 19 Abs. 1 EUV steht nationalen Verfassungsbestimmungen, nach denen die Exekutive oder eines ihrer Mitglieder, etwa der Premierminister, im Ernennungsverfahren für die Richterschaft mitwirkt, nicht entgegen. Auch wenn Art. 19 Abs. 1 EUV bei Auslegung im Licht von Art. 47 der Charta keine ex ante geltenden Vorgaben im Hinblick auf bestimmte Bedingungen für die Ernennung der Richter in den Mitgliedstaaten oder den Charakter der diesen zu gewährenden besonderen Garantien vorsieht, enthält er doch die Mindestanforderung, dass die Unabhängigkeit dieser Richter garantiert sein muss. Dabei kommt es für die Zwecke von Art. 19 EUV darauf an, dass die Richter von jedem Verhältnis der Unterordnung oder hierarchischen Kontrolle durch Exekutive oder Legislative frei sein müssen. Richter müssen auch finanzielle Autonomie von der Exekutive und Legislative genießen, so dass ihre Vergütung während ihrer Amtszeit (abgesehen von der allgemeinen Besteuerung oder allgemein geltenden, verhältnismäßigen Maßnahmen zur Kürzung der Bezüge) nicht gekürzt werden darf. Wichtig ist ferner, dass sie hinreichenden Schutz vor einer Amtsenthebung genießen, die deshalb allenfalls aus berechtigtem Grund zulässig ist, und dass die Disziplinarordnung die notwendigen Garantien vorsieht, um der Gefahr ihres Missbrauchs als System der politischen Kontrolle über den Inhalt richterlicher Entscheidungen vorzubeugen.

3. Das Verfahren der Richterernennung kann nicht nach dem im Licht von Art. 47 der Charta ausgelegten Art. 19 Abs. 1 EUV in Frage gestellt werden, um vor der Verkündung des anstehenden Urteils erhobene Klagen zu stützen.

(Schlussanträge)

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