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Politiken
26.01.2023
Politiken
EuGH: Die systematische Erhebung biometrischer und genetischer Daten aller beschuldigten Personen für die Zwecke ihrer polizeilichen Registrierung verstößt gegen die Anforderung, ...

... einen erhöhten Schutz gegen die Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten zu gewährleisten

Der EuGH (5. Kammer) hat mit Urteil vom 26. 1. 2023 – Rs. C-205/21; V.S., Beteiligter: Ministerstvo na vatreshnite raboti, Glavna direktsia za borba s organiziranata prestapnost; ECLI:EU:C:2023:49 – entschieden:

1.      Art. 10 Buchst. a der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates ist im Licht von Art. 52 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass die Verarbeitung biometrischer und genetischer Daten durch die Polizeibehörden für ihre Untersuchungstätigkeiten zu Zwecken der Kriminalitätsbekämpfung und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung nach dem Recht eines Mitgliedstaats im Sinne von Art. 10 Buchst. a dieser Richtlinie zulässig ist, wenn das Recht dieses Mitgliedstaats eine hinreichend klare und präzise Rechtsgrundlage für die Zulässigkeit dieser Verarbeitung enthält. Der Umstand, dass der nationale Gesetzgebungsakt, der eine solche Rechtsgrundlage enthält, im Übrigen auf die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) und nicht auf die Richtlinie 2016/680 Bezug nimmt, ist für sich genommen nicht geeignet, diese Zulässigkeit in Frage zu stellen, sofern die Auslegung aller anwendbaren Bestimmungen des nationalen Rechts hinreichend klar, präzise und unmissverständlich ergibt, dass die fragliche Verarbeitung biometrischer und genetischer Daten in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie und nicht in den dieser Verordnung fällt.

2.      Art. 6 Buchst. a der Richtlinie 2016/680 sowie Art. 47 und 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, die vorsehen, dass das zuständige Strafgericht im Fall der Weigerung einer Person, die einer vorsätzlichen Offizialstraftat beschuldigt wird, freiwillig an der Erhebung der sie betreffenden biometrischen und genetischen Daten für die Zwecke ihrer Registrierung mitzuwirken, verpflichtet ist, eine Maßnahme der zwangsweisen Durchführung dieser Erhebung zu bewilligen, ohne befugt zu sein, zu beurteilen, ob ein begründeter Verdacht besteht, dass die betreffende Person die Straftat, derer sie beschuldigt wird, begangen hat, sofern das nationale Recht später eine wirksame gerichtliche Kontrolle der Voraussetzungen dieser Beschuldigung, aus denen sich die Bewilligung zur Erhebung dieser Daten ergibt, gewährleistet.

3.      Art. 10 der Richtlinie 2016/680 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 Buchst. a bis c sowie mit Art. 8 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die die systematische Erhebung biometrischer und genetischer Daten aller Personen, die einer vorsätzlichen Offizialstraftat beschuldigt werden, für die Zwecke ihrer Registrierung vorsehen, ohne die Verpflichtung der zuständigen Behörde vorzusehen, zum einen zu überprüfen und nachzuweisen, ob bzw. dass diese Erhebung für die Erreichung der konkret verfolgten Ziele unbedingt erforderlich ist, und zum anderen, ob bzw. dass diese Ziele nicht durch Maßnahmen erreicht werden können, die einen weniger schwerwiegenden Eingriff in die Rechte und Freiheiten der betroffenen Person darstellen.

(Tenor)

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