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Politiken
07.10.2021
Politiken
EuGH: Ein Mitgliedstaat kann seine Staatsangehörigen unter Androhung von Sanktionen verpflichten, einen gültigen Personalausweis oder Reisepass mit sich zu führen, ...

... wenn sie in einen anderen Mitgliedstaat reisen, unabhängig vom benutzten Verkehrsmittel und Weg

Der EuGH hat mit Urteil vom 6. 10. 2021 – Rs. C 35/20; A gegen [Beteiligte] Syyttäjä; ECLI:EU:C:2021:813 – entschieden:

1.      Das in Art. 21 AEUV vorgesehene und durch die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG konkretisierte Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit ist im Hinblick auf die Bestimmungen über das Überschreiten der Grenzen in der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 610/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 geänderten Fassung dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, mit der ein Mitgliedstaat seine Staatsangehörigen unter Androhung strafrechtlicher Sanktionen verpflichtet, einen gültigen Personalausweis oder Reisepass mit sich zu führen, wenn sie mit einem beliebigen Verkehrsmittel und auf einem beliebigen Weg in einen anderen Mitgliedstaat reisen, sofern die Modalitäten dieser Sanktionen mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, einschließlich der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung, vereinbar sind.

2.      Das in Art. 21 Abs. 1 AEUV vorgesehene Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit ist im Hinblick auf die Bestimmungen über das Überschreiten der Grenzen in der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 in der durch die Verordnung (EU) Nr. 610/2013 geänderten Fassung dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, mit der ein Mitgliedstaat seine Staatsangehörigen unter Androhung strafrechtlicher Sanktionen verpflichtet, einen gültigen Personalausweis oder Reisepass mit sich zu führen, wenn sie aus einem anderen Mitgliedstaat in sein Hoheitsgebiet einreisen, sofern diese Verpflichtung keine Bedingung für das Recht auf Einreise ist und die für den Fall der Missachtung dieser Verpflichtung vorgesehenen Sanktionen mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, einschließlich der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung, vereinbar sind. Eine Reise in den betreffenden Mitgliedstaat aus einem anderen Mitgliedstaat an Bord eines Vergnügungsboots und unter Durchquerung internationaler Gewässer gehört unter den in Anhang VI Nr. 3.2.5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 562/2006 vorgesehenen Voraussetzungen zu den Fällen, in denen die Vorlage eines solchen Dokuments verlangt werden kann.

3.      Art. 21 Abs. 1 AEUV sowie die Art. 4 und 36 der Richtlinie 2004/38 in Verbindung mit Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie Strafvorschriften entgegenstehen, mit denen ein Mitgliedstaat das Überschreiten seiner Staatsgrenze ohne gültigen Personalausweis oder Reisepass mit einer Geldstrafe bestraft, die, als Richtwert, 20 % des monatlichen Nettoeinkommens des Täters betragen kann, da eine solche Geldstrafe nicht im Verhältnis zur minderen Schwere dieses Verstoßes steht.

(Tenor)

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