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Politiken
11.02.2021
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EuGH: Ein Gesetz, das die Hafenarbeit anerkannten Arbeitern vorbehält, kann mit dem Unionsrecht vereinbar sein, wenn es zum Ziel hat, die Sicherheit in den Hafengebieten und die Verhütung von Arbeitsunfällen zu gewährleisten.

Der EuGH hat mit Urteil vom 11. 2. 2021 – verb. Rs. C-407/19, Katoen Natie Bulk Terminals NV General Services Antwerp NV gegen Belgische Staat; Rs. C-471/19, Middlegate Europe NV gegen Ministerraad; ECLI:EU:C:2021:107 – entschieden:

1.      Die Art. 49 und 56 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die Personen oder Unternehmen, die Hafenarbeiten – einschließlich Tätigkeiten ohne Zusammenhang mit dem Be- und Entladen von Schiffen im strengen Sinne – in einem Hafengebiet ausführen möchten, dazu verpflichtet, dafür nur Hafenarbeiter einzusetzen, die gemäß den in Anwendung dieser Regelung festgelegten Bedingungen und Modalitäten als solche anerkannt sind, sofern diese Bedingungen und Modalitäten zum einen auf objektiven, diskriminierungsfreien und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, die den Hafenarbeitern aus anderen Mitgliedstaaten den Nachweis ermöglichen, dass sie in ihrem Herkunftsstaat Anforderungen erfüllen, die den für inländische Hafenarbeiter geltenden Anforderungen gleichwertig sind, und zum anderen kein begrenztes Kontingent von Arbeitern festlegen, die anerkannt werden können.

2.      Die Art. 45, 49 und 56 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der

–        die Anerkennung von Hafenarbeitern einem Verwaltungsausschuss obliegt, der paritätisch aus Mitgliedern zusammengesetzt ist, die von den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmerorganisationen benannt werden,

–        dieser Ausschuss nach Maßgabe des Arbeitskräftebedarfs auch darüber entscheidet, ob die anerkannten Arbeiter in ein Kontingent von Hafenarbeitern aufzunehmen sind, wobei bei den Hafenarbeitern, die nicht in dieses Kontingent aufgenommen wurden, die Dauer ihrer Anerkennung auf die Dauer ihres Arbeitsvertrags begrenzt ist, so dass für jeden neuen Vertrag, den sie schließen, ein neues Anerkennungsverfahren einzuleiten ist, und

–        es keine maximale Frist gibt, innerhalb deren der Ausschuss entscheiden muss.

3.      Die Art. 45, 49 und 56 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, nach der ein Arbeitnehmer, sofern er nicht nachweisen kann, dass er in einem anderen Mitgliedstaat gleichwertige Bedingungen erfüllt, nur dann als Hafenarbeiter anerkannt werden kann, wenn er

–        von einem externen Präventions- und Arbeitsschutzdienst, dem eine Organisation angeschlossen ist, der alle in dem betreffenden Hafengebiet tätigen Arbeitgeber zwingend beitreten müssen, für in gesundheitlicher Hinsicht tauglich für die Hafenarbeit erklärt wird,

–        die psychometrischen Tests besteht, die das von dieser Arbeitgeberorganisation hierfür benannte Organ durchführt,

–        einen dreiwöchigen Vorbereitungskurs über die Sicherheit am Arbeitsplatz im Hinblick auf den Erwerb einer beruflichen Qualifikation absolviert, und

–        die Abschlussprüfung besteht,

vorausgesetzt, dass die Aufgabe, die der Arbeitgeberorganisation und gegebenenfalls den Gewerkschaften der anerkannten Hafenarbeiter bei der Benennung der mit der Durchführung solcher Untersuchungen, Tests oder Prüfungen betrauten Organe übertragen wurde, die Transparenz, Objektivität und Unparteilichkeit der Untersuchungen, Tests oder Prüfungen nicht in Frage stellen kann.

4.      Die Art. 45, 49 und 56 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, nach der Hafenarbeiter, die gemäß der gesetzlichen Regelung, die vor Inkrafttreten dieser Regelung für sie galt, als solche anerkannt wurden, in Anwendung der neuen Regelung den Status anerkannter Hafenarbeiter behalten und in das von dieser neuen Regelung vorgesehene Kontingent von Hafenarbeitern aufgenommen werden.

5.      Die Art. 45, 49 und 56 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die vorsieht, dass der Transfer eines Hafenarbeiters in das Arbeitnehmerkontingent eines anderen Hafengebiets als desjenigen, in dem er seine Anerkennung erhalten hat, den in einem Tarifvertrag festgelegten Bedingungen und Modalitäten unterliegt, sofern sich diese im Hinblick auf das Ziel, die Sicherheit in allen Hafengebieten zu gewährleisten, als erforderlich und verhältnismäßig erweisen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

6.      Die Art. 45, 49 und 56 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, nach der logistische Arbeitnehmer über eine „Sicherheitsbescheinigung“ verfügen müssen, die auf Vorlage ihres Personalausweises und ihres Arbeitsvertrags ausgestellt wird, und die Modalitäten für die Ausstellung und das Verfahren für die Einholung einer solchen Bescheinigung in einem Tarifvertrag geregelt sind, vorausgesetzt, dass die Bedingungen für ihre Ausstellung in Bezug auf das Ziel, die Sicherheit in Hafengebieten zu gewährleisten, erforderlich und verhältnismäßig sind und das Verfahren für ihre Einholung keinen unzumutbaren und unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand erfordert.

(Tenor)

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