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Politiken
24.11.2023
Politiken
Generalanwältin Ćapeta: Einzelpersonen können vor den Unionsgerichten eine Schadensersatzklage gegen die Union erheben, ...

... die auf mutmaßliche Grundrechtsverletzungen durch Maßnahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union gestützt ist

GAin Ćapeta, Schlussanträge vom 23. 11. 2023 – verb. Rs. C-29/22 P und C-44/22 P; KS, KD gegen Rat der Europäischen Union (C 29/22 P)

Des Weiteren wurde am 23. 11. 2023 in folgenden Rechtssachen entschieden: Europäische Kommission (C-29/22 P) Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD) (C 29/22 P) und Europäische Kommission gegen KS, KD, Rat der Europäischen Union (C-44/22 P) Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD) (C-44/22 P); ECLI:EU:C:2023:901

PM Nr. 179/2023: Zwei Betroffene verloren infolge des Kosovo-Konflikts 1999 Familienangehörige. Diese Morde und Entführungen wurden nie aufgeklärt. 2008 setzte die Europäische Union eine zivile Mission (die Rechtsstaatlichkeitsmission der EU im Kosovo, im Folgenden: Eulex Kosovo) ein, die u. a. mit der Untersuchung solcher Verbrechen betraut war.

Die Betroffenen meinen, die Verbrechen an ihren Familienangehörigen seien von Eulex Kosovo nicht ordnungsgemäß untersucht worden. Infolgedessen machten sie geltend, ihre Grundrechte seien verletzt. Sie haben beim Gericht der Europäischen Union Klage auf Ersatz der ihnen entstandenen Schäden erhoben. Das Gericht hat ihre Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es für die Entscheidung nicht zuständig sei. Hiergegen legten sowohl die Betroffenen als auch die Europäische Kommission Rechtsmittel ein.

Diese Rechtssache wirft ebenso wie die parallele Rechtssache C-351/22, Neves 77 Solutions, in der heute ebenfalls die Schlussanträge von Generalanwältin Ćapeta verlesen werden (vgl. Pressemitteilung Nr. 180/23) wichtige Fragen zu den durch die Verträge vorgesehenen Beschränkungen betreffend die Zuständigkeit der Unionsgerichte im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) auf.

Generalanwältin Tamara Ćapeta kommt in ihren Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass das Unionsrecht nicht die Zuständigkeit der Unionsgerichte beschränke, über eine von Einzelpersonen erhobene Schadensersatzklage zu entscheiden, die auf mutmaßliche Grundrechtsverletzungen durch GASPMaßnahmen gestützt werde.

Eine solche Auslegung ergebe sich aus den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Unionsrechtsordnung, insbesondere aus dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, der das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz einschließe, und aus dem Grundsatz der Achtung der Grundrechte in allen Politikbereichen der Union.

Die aus diesen Grundsätzen erwachsende verfassungsmäßige Rolle der Unionsgerichte dürfe nur ausnahmsweise beschränkt werden. In der Union dürfe die Verletzung von Grundrechten nicht Gegenstand einer politischen Entscheidung sein, und die Unionsgerichte müssten dafür zuständig sein, sicherzustellen, dass GASP-Beschlüsse nicht die durch die Grundrechte vorgegebenen „roten Linien“ überschritten.

Daher schlägt Generalanwältin Ćapeta dem Gerichtshof vor, zu entscheiden, dass die Feststellung des Gerichts, es sei für die Entscheidung über die Schadensersatzklage nicht zuständig, mit einem Rechtsfehler behaftet ist.

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