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Politiken
11.05.2023
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EuGH: Korruptionsbekämpfung: Das Unionsrecht hindert nicht daran, einer Person für die Dauer von drei Jahren die Bekleidung öffentlicher Wahlämter zu verbieten, ...

... wenn sie in der Ausübung eines solchen Amtes gegen die Vorschriften über Interessenkonflikte verstoßen hat

EuGH (1. Kammer), Urteil vom 4. 5. 2023 – Rs. C-40/21; T. A. C. gegen Agenția Națională de Integritate (ANI); ECLI:EU:C:2023:367

1.      Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass er auf eine nationale Regelung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens eine Maßnahme vorsieht, mit der für die vorbestimmte Dauer von drei Jahren ein Verbot der Bekleidung öffentlicher Wahlämter gegen eine Person verhängt wird, bei der ein Interessenkonflikt in der Ausübung eines solchen Amtes festgestellt wurde, nicht anwendbar ist, sofern diese Maßnahme nicht strafrechtlicher Natur ist.

2.      Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die eine Maßnahme vorsieht, mit der für die vorbestimmte Dauer von drei Jahren ein Verbot der Bekleidung öffentlicher Wahlämter gegen eine Person verhängt wird, bei der ein Interessenkonflikt in der Ausübung eines solchen Amtes festgestellt wurde, nicht entgegensteht, sofern die Anwendung dieser Regelung in Anbetracht aller maßgeblichen Umstände dazu führt, dass eine Sanktion verhängt wird, die unter Berücksichtigung des Ziels, Integrität und Transparenz bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und Pflichten zu gewährleisten sowie institutioneller Korruption vorzubeugen, in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des mit ihr geahndeten Verstoßes steht. Dies ist nicht der Fall, wenn das festgestellte rechtswidrige Verhalten in Ansehung dieses Ziels ausnahmsweise keinen schwer ins Gewicht fallenden Aspekt aufweist, während sich die Auswirkungen der fraglichen Maßnahme auf die persönliche, berufliche und wirtschaftliche Situation der betroffenen Person als besonders schwerwiegend erweisen.

3.      Art. 15 Abs. 1 der Charta der Grundrechte ist dahin auszulegen, dass das Recht auf Ausübung eines nach einem demokratischen Wahlprozess erlangten Wahlmandats, wie z. B. eines Amtes als Bürgermeister, nicht unter diese Bestimmung fällt.

4.      Art. 47 der Charta der Grundrechte ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die eine Maßnahme vorsieht, mit der für die vorbestimmte Dauer von drei Jahren ein Verbot der Bekleidung öffentlicher Wahlämter gegen eine Person verhängt wird, bei der ein Interessenkonflikt in der Ausübung eines solchen Amtes festgestellt wurde, nicht entgegensteht, sofern die betroffene Person tatsächlich die Möglichkeit hat, die Rechtswidrigkeit des Berichts, in dem diese Feststellung getroffen wurde, und der auf seiner Grundlage verhängten Sanktion geltend zu machen und dabei auch die Verhältnismäßigkeit der Sanktion in Frage zu stellen.

(Tenor)

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