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Politiken
01.03.2021
Politiken
EuGH-Schlussanträge: Nach Auffassung von Generalanwalt Rantos kann ein Arbeitgeber im Rahmen seiner Neutralitätspolitik das Tragen von kleinen religiösen Zeichen durch seine Arbeitnehmer erlauben

GA Rantos schlägt mit Schlussanträgen vom 25. 2. 2021 – verb. Rs. C-804/18; IX gegen WABE e. V. und Rs. C-341/19, MH Müller Handels GmbH gegen MJ; ECLI:EU:C:2021:144 dem Gerichtshof vor, die Vorabentscheidungsfragen des Arbeitsgerichts Hamburg (Deutschland) und des Bundesarbeitsgerichts (Deutschland) wie folgt zu beantworten:

1.      Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass das sich aus einer internen Regel eines privaten Unternehmens ergebende Verbot des Tragens jedes sichtbaren Zeichens politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugungen am Arbeitsplatz keine unmittelbare Diskriminierung von Beschäftigten, die aufgrund religiöser Bedeckungsgebote bestimmte Bekleidungsregeln befolgen, wegen ihrer Religion oder ihrer Weltanschauung im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

2.      Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass eine mittelbar auf der Religion oder der Weltanschauung beruhende Ungleichbehandlung im Sinne dieser Bestimmung mit dem Willen des Arbeitgebers gerechtfertigt werden kann, eine Politik politischer, weltanschaulicher und religiöser Neutralität am Arbeitsplatz zu verfolgen, um den Wünschen seiner Kundschaft zu entsprechen.

3.      Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass eine interne Regel eines privaten Unternehmens, die im Rahmen einer Neutralitätspolitik nur das Tragen auffälliger großflächiger Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugungen am Arbeitsplatz verbietet, im Sinne dieser Bestimmung gerechtfertigt werden kann. Ein solches Verbot muss in kohärenter und systematischer Weise durchgesetzt werden; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

4.      Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass nationale Verfassungsvorschriften, die die Religionsfreiheit schützen, bei der Prüfung der Frage, ob eine mittelbar auf der Religion oder der Weltanschauung beruhende Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist, nicht als günstigere Vorschriften im Sinne von Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie berücksichtigt werden dürfen.

5.      Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass die Rechte aus Art. 10 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 9 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Prüfung der Frage, ob eine mittelbar auf der Religion oder der Weltanschauung beruhende Ungleichbehandlung aufgrund einer internen Regel eines privaten Unternehmens angemessen und erforderlich ist, nicht berücksichtigt werden dürfen.

6.      Die Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass sie es einem einzelstaatlichen Gericht nicht verwehrt, bei der Prüfung einer Weisung aufgrund einer internen Regel eines privaten Unternehmens, die das Tragen von Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugungen am Arbeitsplatz verbietet, nationale Verfassungsvorschriften, die die Religionsfreiheit schützen, anzuwenden, sofern sie den in dieser Richtlinie aufgestellten Grundsatz der Nichtdiskriminierung nicht verletzen; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

(Schlussanträge)

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