EuGH: Rechtsstaatlichkeit: Das für Disziplinarverfahren gegen Richter zuständige Organ muss unabhängig und unparteiisch sein
EuGH (1. Kammer), Urteil vom 11. 5. 2023 – Rs. C-817/21; R. I. gegen Inspecţia Judiciară, N. L.; ECLI:EU:C:2023:391
Art. 2 und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit der Entscheidung 2006/928/EG der Kommission vom 13. Dezember 2006 zur Einrichtung eines Verfahrens für die Zusammenarbeit und die Überprüfung der Fortschritte Rumäniens bei der Erfüllung bestimmter Vorgaben in den Bereichen Justizreform und Korruptionsbekämpfung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen,
– die dem Direktor eines Organs, das für die Durchführung von Untersuchungen und die Erhebung von Disziplinarklagen gegen Richter und Staatsanwälte zuständig ist, die Befugnis verleiht, Regelungen und Einzelfallentscheidungen zu treffen, die u. a. die Organisation dieses Organs, die Auswahl seiner Bediensteten, deren Beurteilung, die Ausübung ihrer Tätigkeit oder die Ernennung eines stellvertretenden Direktors betreffen,
– obgleich erstens nur diese Bediensteten und dieser stellvertretende Direktor zur Durchführung einer Disziplinaruntersuchung gegen diesen Direktor befugt sind, zweitens deren Laufbahn weitgehend von den Entscheidungen dieses Direktors abhängt und drittens die Amtszeit des stellvertretenden Direktors mit derjenigen dieses Direktors endet, wenn diese Regelung nicht so gestaltet ist, dass sie bei den Rechtsunterworfenen keinen berechtigten Verdacht aufkommen lassen kann, dass die Befugnisse und Aufgaben dieses Organs als Instrument zur Ausübung von Druck auf die Tätigkeit dieser Richter und Staatsanwälte oder zur Ausübung politischer Kontrolle über diese Tätigkeit benutzt werden.
(Tenor)