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BB 2017, I
Sax/Swierczok 

Das neue Insolvenzanfechtungsrecht kommt

Abbildung 1

Abbildung 2

Bereits Ende 2015 hat die Bundesregierung einen Regierungsentwurf (“RegE”) zur Reform des Insolvenzanfechtungsrechts in den Bundestag eingebracht. Nachdem dieser Anfang 2016 in einer ersten Lesung vom Bundestag behandelt worden war, ist es in den letzten Monaten still geworden um das Reformvorhaben. Vor wenigen Tagen nun hat der Bundestag die Reform beschlossen. Der Bundesrat soll am 10.3.2017 über das Reformgesetz abstimmen. Mit dem Inkrafttreten des Reformgesetzes kann noch in der ersten Jahreshälfte 2017 gerechnet werden.

Das erklärte Ziel der Reform ist es, im Hinblick auf die Praxis des Anfechtungsrechts mehr Rechtssicherheit und Transparenz für den Geschäftsverkehr zu schaffen. Doch kann das Reformgesetz auch halten, was es verspricht?

Erfreulich ist zunächst, dass der Gesetzgeber von den im RegE enthaltenen, jedoch im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens kritisierten “Fiskusprivilegien” Abstand nimmt. Nach aktueller Rechtslage können Leistungen des Schuldners, die auf der Grundlage von Vollstreckungstiteln erfolgt sind, unter vereinfachten Voraussetzungen angefochten werden. Der RegE sah demgegenüber einen Schutz des Empfängers solcher Leistungen im Wege der erschwerten Anfechtung vor, was auf den ersten Blick nachvollziehbar wirkt. Doch hätten davon insbesondere staatliche Behörden, wie z. B. Finanzämter, profitiert, die sich ihre Vollstreckungstitel in Form von Bescheiden zügig selbst schaffen können. Die Regelung ist nun komplett entfallen. Sachgerecht wäre eine teilweise Beibehaltung des Privilegs in der Gestalt gewesen, dass zwar nicht alle, zumindest aber die Empfänger von Leistungen auf Grundlage von gerichtlichen Titeln geschützt werden. Wer vor Gericht zieht, dort gewinnt und vollstreckt, sollte privilegiert werden. Der Referentenentwurf sah (im Gegensatz zum RegE) eine solche ausdifferenzierte Regelung noch vor.

Weiter hat sich der Gesetzgeber für eine Verkürzung der Anfechtungsfrist bei der Vorsatzanfechtung von sog. Deckungshandlungen von bisher zehn auf vier Jahre entschieden. Rein praktisch dürften die Konsequenzen dieser Verkürzung aber begrenzt sein, gibt es bereits jetzt kaum Fälle in der Praxis, in denen die zehnjährige Frist voll ausgeschöpft wird.

Zudem wird die umstrittene gesetzliche Vermutung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes für den Empfänger kongruenter (also zu der Zeit und in der Art und Weise geschuldeter) Leistungen nur noch dann gelten, wenn der Gläubiger die eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte. Eine Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, wie sie derzeit reicht, soll nicht mehr zu der Vermutungswirkung führen.

Kontraintuitiv ist dagegen die neue gesetzliche Vermutungsregel, wonach derjenige Gläubiger, der dem Schuldner eine Zahlungserleichterung (z. B. Ratenzahlung) gewährt, die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gerade nicht kennen soll. Denn gerade in solchen Situationen ist doch zu vermuten, dass der Gläubiger von etwaigen Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners weiß. Der Gesetzgeber macht hier die Ausnahme zur Regel.

Auch eine weitere Regelung, für die sich der Gesetzgeber nun entschieden hat, wurde zuvor heftig kritisiert. Zukünftig soll im Vorfeld der Insolvenz gezahltes Arbeitsentgelt, dass bis zu drei Monate nach dessen Fälligkeit entrichtet wurde, als sog. “Bargeschäft” nur noch eingeschränkt anfechtbar sein. Dies soll auch gelten, wenn die Zahlung durch einen Dritten erfolgt ist und dies für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war.

Im Bereich des Bargeschäfts hat der Gesetzgeber noch eine weitere Änderung vorgenommen. Bisher waren Gläubiger auch bei privilegierten Bargeschäften nur bedingt vor einer Vorsatzanfechtung geschützt. In Zukunft wird eine Anfechtung von Bargeschäften dagegen nur dann möglich sein, wenn der Gläubiger erkannt hat, dass der Schuldner bei der Leistungserbringung “unlauter” gehandelt hat. Auch wenn dieser Rechtsbegriff noch von den Gerichten zu konkretisieren sein wird, steht eines jedoch fest: Der Begriff enthält eine klare negative Wertung und erhöht damit die Hürden für eine erfolgreiche Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften. Damit dürfte die Vorsatzanfechtung wieder zu dem werden, was sie eigentlich sein sollte: Eine Ausnahmeregelung für krasse Fälle.

Konsequent sind schließlich auch die neuen Regelungen zur Verzinsung von Anfechtungsansprüchen. Bisher konnten Zinsen durch Insolvenzverwalter unabhängig vom Eintritt eines Verzugs oder der Rechtshängigkeit des Anspruchs geltend gemacht werden. Dies ist in Zukunft nicht mehr möglich, wodurch Fehlanreize zu einer verzögerten Geltendmachung solcher Ansprüche und damit verbundene Belastungen des Anfechtungsgegners vermieden werden. Die neuen Verzinsungsregelungen sind zum Teil auch auf Altfälle anwendbar.

Damit bleibt festzuhalten: Die an den Fiskusprivilegien geübte Kritik hat in Berlin erfreulicherweise Anklang gefunden. Angesichts dessen, dass Justizminister Heiko Maas das Insolvenzanfechtungsrecht 2014 noch als “größte Baustelle des deutschen Insolvenzrechts” bezeichnet hat, handelt es sich tatsächlich nur um sehr punktuelle Änderungen der Rechtslage. Ob hierdurch zukünftig mehr Rechtssicherheit und Transparenz geschaffen werden, wird die praktische Rechtsanwendung durch Insolvenzverwalter und Gerichte zeigen.

Dr. Stefan Sax, LL.M. (Nijmegen), RA, (li), ist Partner im Bereich Restrukturierung & Insolvenz im Frankfurter Büro der Kanzlei Clifford Chance Deutschland LLP. Er ist Lehrbeauftragter an der Universität Heidelberg im Studiengang Unternehmensrestrukturierung und Autor zahlreicher Fachpublikationen zum Thema Restrukturierungs- und Insolvenzrecht.

Dr. Artur M. Swierczok, LL.M. (UCL), MSt. (Oxford), RA, (re), ist als Associate in der Kanzlei Clifford Chance Deutschland LLP in Frankfurt a. M. im Bereich Restrukturierung & Insolvenz tätig. Er ist Lehrbeauftragter für Unternehmensrecht an der Hochschule Mainz und Autor zahlreicher Fachpublikationen zum Thema Restrukturierungs- und Insolvenzrecht.

 
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