Im Blickpunkt
Das Landgericht Frankfurt verurteilte den Angeklagten X wegen Beihilfe zur schweren Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1, 3 AO, § 27 StGB) in vier Fällen mit Urteil vom 30.1.2024 – 5/24 KLs 7480 Js 208433/21 (https://www.rv.hessenrecht.hessen.de) zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren. Als damaliger “Head of Global Tax” beriet er die Maple Bank in den Cum/Ex-Geschäften. Diese Geschäfte waren lange juristisch umstritten, bis der BGH diese im Jahr 2021 als Steuerhinterziehung ansah (Urteil vom 28.7.2021 – 1 StR 519/20, www.bundesgerichtshof.de). Für die Bank wurden Gutachten erstellt, die die steuerrechtliche Unbedenklichkeit von Cum/Ex-Geschäften bescheinigten. Damit war aus Sicht des BGH die Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet. Der BGH verwarf die Revision (Beschluss vom 7.7.2025 – 1 StR 484/24, www.bundesgerichtshof.de) des Verurteilten und veröffentlichte nun die Begründung. In dieser geht der BGH äußerst deutlich davon aus, dass in die Gutachten bewusst falsche Rechtsauskünfte eingeflossen seien, um den Geschäften der Bank eine legale Grundlage zu liefern. Dies sei auch durch die Revision nicht widerlegt worden. Berufstypische Handlungen durch Rechtsanwälte und Steuerberater können eine strafbare Beihilfe darstellen. Jede Handlung könne in einen strafbaren Kontext gestellt werden und sei weder als Alltagshandlung noch berufstypische Handlung in jedem Fall neutral. Nicht jede Erstellung eines Rechtsgutachtens bestärke den Haupttäter in der Begehung einer Steuerhinterziehung. Interessant ist, dass der BGH objektiv falsche Auskünfte dann annimmt, wenn eine Frage juristisch umstritten ist und das Gutachten zu einer “(beachtlichen) Gegenauffassung” oder zu “guten Gegenargumenten” schweigt. Unrichtig kann eine Auskunft auch dann sein, wenn ein unzutreffender oder unvollständiger Sachverhalt zugrunde gelegt wird, um zu einem gewünschten rechtlichen Ergebnis zu gelangen. Bei Cum/Ex-Gestaltungen könne dies der Fall sein, oder, wenn, wie im zu entscheidenden Fall, in einem Gutachten verschwiegen werde, dass es eine beachtliche Gegenauffassung beziehungsweise “gute Gegenargumente” gebe. Auf diese Weise seien die Gutachten für die Maple Bank angefertigt worden. Damit erhöht der BGH die Anforderungen für juristische Gutachten und wirkt deutlich über den Einzelfall hinaus.
Prof. Dr. Michael Stahlschmidt, Ressortleiter Steuerrecht