Digitale Buchungsprozesse im neuen Pauschalreiserecht
Am 17. 7. 2017 wurde durch die Umsetzung der neuen EU-Pauschalreiserichtlinie 2015/2302 das 3. Reiserechtsänderungsgesetz verkündet. Die neuen Vorschriften der §§ 651 a bis y BGB werden zum 1. 7. 2018 auch die Haftung des digitalen Reisevertriebs erheblich verschärfen. Ziel der Richtlinie ist die vollharmonisierende Anpassung der inzwischen 25 Jahre alten Pauschalreiserrichtlinie 90/314/EWG an das digitale Zeitalter und die Verbesserung des Verbraucherschutzes, da immer mehr Reisende ihren Urlaub im Internet selbst oder über Online-Reiseportale buchen. Die Reform will durch komplexe Abgrenzungen zur Reisevermittlung absichern, dass das Pauschalreiserecht nicht durch das Buchen von Einzelleistungen über stationäre Reisevermittler oder Internet-Portale unterlaufen wird. Daher werden die Reisebuchungen von Pauschalreisen im stationären Reisebüro oder direkt bei einem Reiseveranstalter einer Online-Buchung im Internet-Vertrieb gleichgestellt. Hierbei hatte Brüssel hauptsächlich die Online-Portale im Auge.
Das neue Pauschalreiserecht differenziert nunmehr drei Reisekategorien – die Pauschalreise, die Vermittlung verbundener Reiseleistungen und die Vermittlung einer Einzelleistung. Im Focus der Neuregelung stehen die Pauschalreise und die Vermittlung verbundener Reiseleistungen.
Jeder Unternehmer wird nach §§ 651 a bis c BGB zum Reiseveranstalter einer Pauschalreise, wenn er eine Gesamtheit von mindestens zwei verschiedenen Hauptreiseleistungen wie Flug, Hotel, Mietwagen oder eine sonstige touristische Leistung mit je einem Gesamtwert von 25 % des Paketpreises zum Zweck einer Reise mit einem Gesamtpreis zusammenstellt. Das kann nicht nur ein klassischer Veranstalter sein, sondern auch eine Airline, ein Hotel, ein Reisebüro oder ein Online-Portal. Neu ist die Aufnahme des Dynamic Packaging in das Gesetz, was bisher durchaus in der EU streitig war. Eine Pauschalreise liegt daher auch dann vor, wenn die Bündelung verschiedener Leistungserbringer (Bausteine) erst im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorgenommen wird. Der Veranstalter haftet für die Erbringung der Gesamtheit des Reisepakets in eigener Verantwortung.
Völlig neu ist der Ansatz, für die Annahme einer Pauschalreise nur auf alternative Buchungsvorgänge mit sieben Muster-Informationsblättern als abschließende Fallgruppen abzustellen. Bisher ist entscheidend, welchen Eindruck der Kunde bei der Buchung der Reiseleistungen hatte. Der neue Pauschalreisebegriff verzichtet auf das subjektive Tatbestandbestandsmerkmal “in eigener Verantwortung” und stellt für die Annahme einer Pauschalreise nur auf die Buchungsvorgänge ab. Die Neuregelung will damit die Kombination von mindestens zwei Reiseleistungen auf klassischem Wege durch Prospekt oder durch Auswahl des Reisenden vor Vertragsschluss im Wege des Dynamic Packaging in den Begriff der Pauschalreise integrieren, aber auch das digitale Buchungsverfahren der sog. “Click-Through-Buchung”. Hier erfolgt eine Weiterleitung des Reisenden im Online-Vertrieb durch Links zur Datenübermittlung binnen 24 Stunden. Danach ist ein Unternehmer als Reiseveranstalter einer Pauschalreise anzusehen, wenn er mit dem Reisenden einen Vertrag über eine Einzelreiseleistung – z. B. über einen Flug – mittels eines Online-Buchungsverfahrens geschlossen oder vermittelt hat. Im zweiten Schritt vermittelt er dem Reisenden für den Zweck derselben Reise einen Vertrag über eine weitere Reiseleistung – z. B. einen Hotelaufenthalt, in dem er den “Zugriff” auf das Online-Buchungsverfahren eines anderen Unternehmers ermöglicht. Dazu muss er den “Namen, die Zahlungsdaten und die E-Mail-Adresse” des Reisenden an den anderen Unternehmer übermitteln und den weiteren Vertrag “spätestens 24 Stunden” nach der Bestätigung des Vertrages über die erste Reiseleistung schließen. Das neue Recht geht davon aus, dass damit der erste Unternehmer fiktiv als Reiseveranstalter von Flug und Hotelleistung mit allen reisevertraglichen Pflichten gilt.
Die neue Reisekategorie der “Vermittlung verbundener Reiseleistungen” soll den Reisenden bei selbst im Reisebüro oder bei online zusammengestellten Reisen besser schützen. Das ist keine Pauschalreise und gewährt dem Kunden nur einen Basisschutz. Der stationäre Vermittler, aber auch das Online-Portal, ist Vermittler verbundener Reiseleistungen, wenn mindestens zwei verschiedene Hauptreiseleistungen zum Zweck einer Reise vermittelt werden. Dies muss mit separaten Verträgen mit Leistungserbringern erfolgen durch getrennte Auswahl und getrennte Zahlung jeder Reiseleistung beim Besuch/Kontakt in der Vertriebsstelle oder bei einer Online-Buchung einer ersten Reiseleistung (z. B. Flug) und Vermittlung “in gezielter Weise” einer weiteren Reiseleistung mit anderem Unternehmer (z. B. Hotel) binnen 24 Stunden. Die Verträge müssen getrennt vom Leistungserbringer bestätigt werden, dürfen aber auf einer Gesamtrechnung addiert werden. Der Basisschutz besteht in Informationspflichten über ein besonders Musterformblatt und einem eigenen Insolvenzschutz, wenn der Reisevermittler Zahlungen durch ein Vermittlerinkasso “selbst erhält” und einzieht, also kein Direktinkasso durch die Leistungserbringer erfolgt. Wird die Informationspflicht ohne Verwendung des Formblattes verletzt oder überhaupt kein Insolvenzschutz angeboten, haftet der Vermittler für alle Mängelansprüche der Reise auf Minderung und Schadensersatz wie ein Reiseveranstalter und muss mit einem Bußgeld der Gewerbeaufsicht rechnen.
Nicht nur Online-Portale, sondern auch Reisebüros können in Zukunft nur dann richtlinienkonform arbeiten, wenn sie mit ihren IT-Anbietern bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. 7. 2018 ihre Buchungsprozesse der neuen Pauschalreiserichtlinie anpassen.
Prof. Dr. Ernst Führich, Kempten