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K&R 2025, I
Mann 

Medienpranger – Medienverbot – Mediensatire: 14. Presserechtsforum

Abbildung 1

RA Prof. Dr. Roger Mann

Was hat uns das Jahr 2024 in presserechtlicher Hinsicht nicht alles gebracht? Mit einem „Sylt-Video“ haben wir bis Mai 2024 Sonnenuntergänge am Strand und reetgedeckte Häuser in den Dünen in Verbindung gebracht. Seitdem wissen wir nicht nur, wie hoch der Eintritt bei Partys in Kampener „Szene-Lokalen“ ist, sondern auch, dass manche der Gäste in ihrer Enthemmung zu Gassenhauern ausländerfeindliche Texte grölen. Wenn man sich so auf der Terrasse eines öffentlichen Lokals präsentiert und filmen lässt, darf man sich nicht wundern, wenn diese Videos in den sogenannten sozialen Medien viral gehen. Aber muss man es auch dulden, dass die Videos in den digitalen Diensten klassischer Medien unverpixelt verbreitet werden? Der Prangereffekt für die Betroffenen hatte teilweise schwerwiegende Konsequenzen, die über Anfeindungen und soziale Ausgrenzung hinausgingen, wie beispielsweise den Verlust des Arbeitsplatzes. Bereits anlässlich der Berichterstattung über den G-20 Gipfel in Hamburg im Jahr 2017 und rassistischer Posts auf Facebook im Jahr 2015 hat sich die Rechtsprechung mit dem Phänomen „Medienpranger“ beschäftigt. Lassen sich aus den Entscheidungen zum „Sylt-Video“ neue Schlüsse ziehen?

Wie sehr unsere Gesellschaft die zunehmende Radikalisierung beschäftigt, zeigt auch der vorerst gescheiterte Versuch von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, das rechtsradikale Magazin „Compact“ zu verbieten. Medienverbote gehören in einer demokratischen Gesellschaft zu den wohl einschneidendsten Eingriffen des Staates in den öffentlichen Diskurs, übertroffen wohl nur von Parteiverboten, die nach dem Grundgesetz dem BVerfG vorbehalten sind. Die Meinungsfreiheit ist nach der Rechtsprechung desselben Gerichts schlechthin konstituierend für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Für das Verbot verfassungsfeindlicher Medien gibt es aber weder eine konkrete gesetzliche Grundlage noch eine entsprechende Zuständigkeit. Deshalb hat das Bundesinnenministerium sein Vorgehen gegen den Verlag von „Compact“ auf Vereinsrecht gestützt. Das BVerwG hält die rechtliche Begründung der Verbotsverfügung zumindest für so „wackelig“, dass es erst einmal die aufschiebende Wirkung der Klage dagegen wiederhergestellt hat. Wir wollen über die rechtlichen Aspekte dieses Falles und die Sinnhaftigkeit des Vorgehens der Bundesinnenministerin diskutieren.

Eine Neuauflage erlebte auch die Abgrenzung von Kunst und Kommerz, genauer zwischen Satire und Werbung. Die Leitlinien dieser Abgrenzung hat der BGH in der Lafontaine-Entscheidung aus dem Jahr 2006 entworfen und das OLG Dresden hatte 2018 Gelegenheit, sie bei einer Werbung mit dem ehemaligen Vorsitzenden der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, anzuwenden. In beiden Fällen haben die Gerichte der Meinungsfreiheit auch in der Werbung den Vorrang eingeräumt. Nun ist es der TV-Satiriker Böhmermann, der es nicht hinnehmen will, dass sich jemand auf seine Kosten einen Scherz erlaubt und das mit Etiketten auf genau den Honiggläsern, über deren Inhalt sich Böhmermann zuvor unter dem Stichwort „Bee Washing“ mokiert hatte. Kann da jemand nur austeilen und nicht einstecken, oder wird er zu kommerziellen Zwecken ausgenutzt? Das OLG Dresden ist bei seiner Linie geblieben. Zu Recht?

Wenn der sächsische Imker, dessen Aktion auch in den sozialen Medien verbreitet wurde, ein Influencer wäre, hätte er vielleicht noch ein anderes Problem. Viele, die sich diese Berufsbezeichnung zugelegt haben, haben inzwischen mehr Follower als klassische Medien Nutzerinnen und Nutzer, geschweige denn Abonnenten. Wer sich derart professionell in der Öffentlichkeit bewegt, der sollte sich bei den Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit den Persönlichkeitsrechten anderer auch nicht auf das Laienprivileg berufen dürfen, oder? Auch das wollen wir diskutieren.

In der Diskussionsrunde geht es dann ums Ganze: Viele Menschen erleben die Meinungsfreiheit gar nicht mehr als Freiheit. Sie fühlen sich mit ihrer Meinung ausgegrenzt und vom öffentlichen Diskurs ausgeschlossen. Ist der Korridor des Sagbaren tatsächlich schon so eingeschränkt, dass die für eine Demokratie notwendige Auseinandersetzung über unterschiedliche Meinungen in existentieller Weise eingeschränkt ist? Wer bestimmt jenseits rechtlicher Grenzen eigentlich, wer von der öffentlichen Diskussion ausgeschlossen ist? Und gibt es hier Handlungsbedarf für den Staat oder die Rechtsprechung? Fragen über Fragen, die nach Antworten suchen. Und wir werden uns wieder auf die Suche begeben – am 27. 1. 2025, beim 14. Pressrechtsforum.

RA Prof. Dr. Roger Mann*

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Rechtsanwalt in Hamburg und Honorarprofessor an der Georg-August-Universität Göttingen.

 
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