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NUR 2011, 1
Gärditz 

Gestaltungsspielräume und Gestaltungsverantwortung des nationalen Gesetzgebers im europäischen Telekommunikationsregulierungsrecht

Zur Umsetzung der Richtlinie 2009/140/EG („TK-Review“)

Prof. Dr. Klaus Ferdinand Gärditz*

Der europäische Gesetzgeber hat im Rahmen eines im November 2009 erlassenen Legislativpakets („TK-Review“) den geltenden europäischen Regelungsrahmen für die elektronischen Kommunikationsnetze und -dienste grundlegend novelliert. Die Umsetzung des Legislativpakets stellt die nationale Gesetzgebung vor erhebliche Herausforderungen. Der vorliegende Beitrag untersucht, welche Gestaltungsspielräume dem parlamentarischen Gesetzgeber – nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zu § 9a TKG – verbleiben und welche Anforderungen das novellierte Recht an eine praktisch wirksame Umsetzung stellt.

Inhaltsverzeichnis

I.

Einleitung

2

II.

Der Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers bei der Richtlinienumsetzung

2

 

1.

Primärrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Konkretisierungsspielräume bei der Umsetzung von Richtlinien

2

2.

Vorgaben nach dem Telekommunikationsrechtsrahmen

3

 

a)

Sektorspezifische Besonderheiten nach dem Telekommunikationsrechtsrahmen

4

 

aa)

Konkretisierende Vorgaben nach dem Telekommunikationsrechtsrahmen

4

bb)

Einbindung der nationalen Regulierungsbehörde in den europäischen Verwaltungsverbund

4

 

aaa)

Weitestgehende Berücksichtigung

4

 

(1)

Allgemeine Berücksichtigungspflicht

5

(2)

Besondere Berücksichtigungspflicht i. S. d. Telekommunikationsrechtsrahmens

5

bbb)

Konsolidierungsverfahren

6

cc)

Kompetenzverschiebung zwischen Legislative, Exekutive und EU-Administration

8

 

aaa)

Der administrative Regulierungsverbund

8

bbb)

Verbundspezifische Rechtsschutzdefizite

9

b)

Konsequenzen aus der Rechtsprechung des EuGH zu § 9a TKG

10

 

aa)

Feststellungen in Bezug auf Ermessensvorstrukturierungen

10

 

aaa)

Gestuftes Regulierungsverfahren nach der Telekommunikationsrahmenrichtlinie

10

bbb)

Organisatorische Kompetenzzuweisung an die nationale Regulierungsbehörde

11

bb)

Feststellungen in Bezug auf die Systematik der Regulierungsziele

11

cc)

Begrenzte Aussagen in Bezug auf normkonkretisierende Legislativakte

11

 

aaa)

Der Aussagegehalt der Entscheidung

11

bbb)

Abstrakt-generelle Vorstrukturierung durch den Gesetzgeber unionsrechtlich möglich

12

ccc)

Die partielle Überholung der Entscheidung durch den novellierten Rechtsrahmen

13

ddd)

Mitberücksichtigung nachgelagerter Entwicklungen

14

 

(1)

Datenschutz-Entscheidung des EuGH

14

(2)

Stärkung des demokratischen Elements der Union durch den Lissabon-Vertrag

15

 

(a)

Repräsentative Demokratie und demokratische Rechtsetzung

15

(b)

Die Rolle der nationalen Parlamente im indirekten Vollzug

16

(c)

Resümee: stärkere Verwaltungsprogrammierung durch Gesetzgebung

16

3.

Konsequenz und Schlussfolgerung für die anstehende TKG-Novelle

16

III.

Konkretisierungsbefugnisse des Gesetzgebers im Rahmen des „TK-Review“

17

 

1.

Das Verhältnis zwischen Regulierungszielen und Regulierungsgrundsätzen nach Art. 8 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie

17

2.

Berücksichtigung von Erwägungsgründen

18

3.

Normative Vorgaben der einzelnen Regulierungsgrundsätze

18

 

a)

Allgemeines

18

b)

Planungssicherheit nach Art. 8 Abs. 5 lit. a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie

19

 

aa)

Sekundärrechtliche Vorgaben und Erwägungsgründe 8 und 55 der Richtlinie 2009/140/EG

19

 

aaa)

Objektiver regulatorischer Gehalt

19

bbb)

Subjektiv-rechtlicher Gehalt

19

N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (2)

ccc)

Materieller Regulierungsauftrag im Interesse der Investitionsförderung

19

bb)

Umsetzungsspielraum im Hinblick auf Antragsrechte und Vorabfeststellung

20

 

aaa)

Planungssicherheit durch abstrakte Regulierungskonzepte?

20

bbb)

Planungssicherheit durch Vorabfeststellung

20

ccc)

Antragsrechte der Investoren

21

 

(1)

Antragsrechte als Konsequenz subjektiver Rechte

21

(2)

Mehrwert subjektiver Antragsrechte gegenüber allgemeinen und informalen Antragsmöglichkeiten

22

(3)

Zwischenergebnis

22

c)

Investitionsförderung und Risikoverteilung („Risk-Sharing“) nach Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie

22

 

aa)

Sekundärrechtliche Vorgaben

22

 

aaa)

Schutzziel

23

 

(1)

Verhinderung unbilliger Risikoasymmetrien

23

(2)

Investitionsförderung als Grundlage künftigen Wettbewerbs

23

bbb)

Subsidiarität der Regulierung

24

ccc)

Begrenzung der Regulierungsintensität

24

ddd)

Instrumente der Diversifizierung des Investitionsrisikos

24

bb)

Umsetzungsspielraum im Hinblick auf Zugangs- und Entgeltregulierungsvorschriften

25

 

aaa)

Risikoprämie

25

bbb)

Regulierungsfreistellung und Begrenzung der Regulierungsintensität

25

ccc)

Entgeltdifferenzierung nach Vertragslaufzeit

25

ddd)

Entgeltdifferenzierung nach Investitionssumme

26

eee)

Entgeltdifferenzierung nach Mengenabnahme

26

fff)

Regelungstechnische Implementierung

27

 

(1)

Ex-ante-Entgeltregulierung

27

(2)

Ex-post-Entgeltregulierung

28

(3)

Ergänzende Regelungen

28

d)

Verhältnismäßigkeit der Regulierung nach Art. 8 Abs. 5 lit. f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie

28

 

aa)

Primärrechtliche Vorgaben und sekundärrechtliche Konkretisierung

28

 

aaa)

Geringe Steuerungsintensität der primärrechtlichen Verhältnismäßigkeit

28

bbb)

Sekundärrechtliche Intensivierung der Verhältnismäßigkeitskontrolle

29

bb)

Umsetzungsspielraum im Hinblick auf materielle Vorgaben

30

e)

Regionalisierung nach Art. 8 Abs. 5 lit. e und Art. 15 Abs. 3 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie

30

 

aa)

Sekundärrechtliche Vorgaben und Erwägungsgründe 5 und 56 der Richtlinie 2009/140/EG

30

bb)

Umsetzungsspielraum im Hinblick auf Marktdefinition, -analyse und Vorabverpflichtungen

31

f)

Symmetrische Infrastrukturmitnutzung nach Art. 12 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie

31

 

aa)

Sekundärrechtliche Vorgaben

32

bb)

Umsetzungsspielraum

32

 

aaa)

Erweiterung des Adressatenkreises

32

bbb)

Auskunftsanordnungen

32

ccc)

Hoheitliche Durchsetzung der Mitbenutzung

33

ddd)

Verfassungsrechtlicher Rahmen der Umsetzung

33

 

(1)

Bundesgesetzgebungskompetenz

33

(2)

Bundesverwaltungskompetenz

33

(3)

Grundrechte

33

IV.

Handlungsempfehlung für die nationale Umsetzung

34

 

1.

Bestehenden Umsetzungsspielraum nutzen, um Subsidiaritätsverhältnis und Demokratieprinzip zu sichern

34

2.

Konsequente Umsetzung der Richtlinien unter maßgeblicher Hinzuziehung der Erwägungsgründe

35

3.

Erfordernis normkonkretisierender Vorgaben aus verfassungsrechtlichen Gründen

35

 

a)

Vorbehalt des Gesetzes für wesentliche Entscheidungen

36

 

aa)

Maßstab der Wesentlichkeit

36

bb)

Wesentlichkeit der Marktregulierung

36

cc)

Berücksichtigung der europarechtlichen Normierungsdichte

37

dd)

Umsetzung durch Verfahrensrecht?

38

b)

Umsetzung von Vorgaben der Richtlinie durch Verwaltungsvorschriften?

38

V.

Zusammenfassung

39

I. Einleitung

Der europäische Gesetzgeber hat zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Bereich der Regulierung der Telekommunikationsmärkte verschiedene Rechtsvorschriften auf der Basis des Art. 95 EG a. F. erlassen. Basisrechtsakt ist die ursprüngliche Telekommunikationsrahmenrichtlinie 2002/21/EG, die ergänzt wird durch verschiedene regulierungsspezifische Rechtsakte, namentlich durch die im vorliegenden Kontext relevante ursprüngliche Zugangsrichtlinie 2002/19/EG. Dieser Rechtsrahmen wurde durch ein im November 2009 erlassenes – seinerseits auf Art. 95 EG a. F. gestütztes – Legislativpaket novelliert (sog. „TK-Review“). Die insoweit maßgebliche Richtlinie 2009/140/EG ändert insbesondere die Telekommunikationsrahmenrichtlinie1 und die Zugangsrichtlinie2. Durch die flankierende Verordnung (EG) Nr. 1211/2009 zur Einrichtung des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) (im Folgenden: GEREK-Verordnung) wurde zugleich eine europäische Regulierungsinstanz geschaffen, die neben der Kommission die regulatorische Kohärenz zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten herstellen soll.

Das Reformpaket formuliert einerseits anspruchsvolle Vorgaben, zu deren Umsetzung die nationalen Gesetzgeber gefordert sind. Andererseits wird das Betätigungsfeld der parlamentarischen Gesetzgeber von der Entscheidung des EuGH zu § 9a TKG3 überschattet, die die legislative Gestaltung von Anforderungen an die Marktregulierung und die konkretisierende Vorstrukturierung regulierungsbehördlicher Entscheidungen durch Gesetz auf den ersten Blick erheblich eingeschränkt hat (hierzu unten, unter II. 2. b)).

II. Der Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers bei der Richtlinienumsetzung

Zunächst sind die allgemeinen Anforderungen zu untersuchen, die für die Umsetzung von Richtlinien generell sowie insbesondere für das europäische Regulierungsrecht im Telekommunikationssektor in Ansehung der bisherigen Rechtsprechung des EuGH gelten.

1. Primärrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Konkretisierungsspielräume bei der Umsetzung von Richtlinien

Der europäische Gesetzgeber hat vorliegend zur Setzung des Regelungsrahmens die Handlungsform der Richtlinie gewählt. Eine Richtlinie ist ausweislich Art. 249 Abs. 3 EG a. F. (entspricht der seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages geltenden Bestimmung des Art. 288 Abs. 3 AEUV) hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Die Richtlinie ist also ein Instru¬N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (3)ment kooperativ-zweistufiger Rechtsetzung.4 Sie wirkt insoweit grundsätzlich nur indirekt.5 Die normative Typologie der Handlungsformen, wie sie Art. 249 Abs. 3 EG a. F. (bzw. Art. 288 Abs. 3 AEUV) zugrunde liegt, ist primär auf das Verhältnis der Union zu den Mitgliedstaaten ausgerichtet.6 Die Zweistufigkeit des Regelungszugriffs der Richtlinie dient vor diesem Hintergrund – im Kontrast zur Verordnung7 – auch dazu, die Regelungsstrukturen der Mitgliedstaaten zu schonen.8 Die Mitgliedstaaten selbst haben die notwendigen Feinjustierungen vorzunehmen und das Regelungskonzept der umzusetzenden Richtlinie in die (teils erheblich divergierenden) Strukturen des nationalen Rechts einzupassen, was bereits sachimmanent ein hinreichendes Maß an verbleibender Flexibilität voraussetzt. Die Umsetzungsbedürftigkeit einer Richtlinie eröffnet aus staatsrechtlicher Sicht gerade die Möglichkeit, das demokratische Legitimations- und das rechtsstaatliche Präzisionsniveau im Wege der parlamentarischen Gesetzgebung entscheidend anzureichern.9

Zwar hat der EuGH die Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Form und Mittel frühzeitig durch qualitative Anforderungen eingeschränkt. Die Mitgliedstaaten sind nach der Rechtsprechung nämlich verpflichtet, innerhalb der ihnen durch eine Richtlinie belassenen Entscheidungsfreiheit die Formen und die Mittel zu wählen, die sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit („effet utile“) einer Richtlinie unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Zwecks am besten eignen.10 Ungeachtet dieses Optimierungsauftrags verbleiben den Mitgliedstaaten aber weiterhin – wenn auch graduell unterschiedlich11 – erhebliche Gestaltungsspielräume, eine Richtlinie in das nationale Recht umzusetzen. Entscheidend kommt es hierbei auf die Dichte und die Bestimmtheit der Zieldefinitionen einer Richtlinie an. Soweit bereits die Richtlinie selbst Zielkonflikte enthält, die erst auf mitgliedstaatlicher Ebene aufzulösen sind, gebietet die praktische Wirksamkeit der Umsetzung nicht die Herstellung eines konkreten Ergebnisses, sondern die Bereitstellung zur Konfliktbewältigung geeigneter Instrumente im nationalen Recht.

Das Richtlinienziel muss zudem vollständig umgesetzt werden, was nicht schon durch eine formale Übernahme des Wortlautes der Richtlinie in das nationale Recht gewährleistet ist, sondern auch die Wirksamkeit des Richtlinienprogramms in der Verwaltungspraxis erfordert.12 Die aus einer Richtlinie folgende Umsetzungspflicht beinhaltet vor diesem Hintergrund auch eine Gestaltungsverantwortung, und zwar zuvörderst des Gesetzgebers, der durch normative Anreicherung die Bedingungen festlegt, die erst ein praktisches Wirksamwerden (sprich: eine tatsächliche Zielerreichung) gewährleisten. Eine schematische Abarbeitung des unionsrechtlichen Regelungskataloges wird dem nicht gerecht. Anders gewendet: Lässt die Richtlinie wesentliche materielle Fragen offen und überantwortet sie diese den Mitgliedstaaten, so liegt ein Umsetzungsdefizit gerade dann vor, wenn der Mitgliedstaat die partiell offenen Anforderungen nicht eigenverantwortlich konkretisiert, sondern die Richtlinie lediglich durch Übertragung des Wortlautes „eins zu eins“ in nationales Recht transformiert.

Die Umsetzungsbedürftigkeit einer Richtlinie hat freilich den europäischen Gesetzgeber bislang nicht daran gehindert, bisweilen auch sehr detaillierte Vorgaben zu machen, die den Mitgliedstaaten nur wenige Spielräume im Rahmen der Umsetzung belassen. Die Rechtsprechung hat dies nie beanstandet. Heute wird allgemein davon ausgegangen, dass der Richtliniengeber rechtlich nicht verpflichtet sei, eine Richtlinie inhaltlich auf eine bloße Rahmenregelung zu beschränken.13 Allerdings entfaltet die auch im Rahmen diverser Vertragsrevisionen unverändert gebliebene Systementscheidung des Art. 249 Abs. 3 EG a. F. bzw. Art. 288 Abs. 3 AEUV weiterhin eine Vermutungswirkung zugunsten inhaltlicher Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten. Soweit keine eindeutigen Regelungen entgegenstehen, ist der Gesetzgeber also zur konkretisierenden Ausgestaltung der zur Zielerreichung angemessenen Mittel befugt. Dies gilt umso mehr, als aus einer Richtlinie keine konkreten Handlungsanweisungen an die nationale Verwaltung folgen; diese müssen vielmehr erst durch die Umsetzungsgesetzgebung geschaffen werden.14

Bei der Beurteilung, wie eng die Bindungen einer Richtlinie sind bzw. wie viel Konkretisierungsspielräume den Mitgliedstaaten verbleiben, ist auch das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 EUV) zu beachten. Die Kompetenzausübungsschranke15 des Art. 5 Abs. 3 EUV legt fest, dass die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig wird, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind. Das Subsidiaritätsprinzip ist hiernach zwar sachimmanent auf solche Regelungsbereiche beschränkt, in denen die Mitgliedstaaten überhaupt noch tätig werden dürfen.16 Dies trifft aber auf die – für den hier in Rede stehenden Rechtsrahmen einschlägige – Binnenmarktkompetenz des Art. 95 EG a. F. (jetzt Art. 114 AEUV) zu, da diese Rechtsgrundlage dem Unionsgesetzgeber keine ausschließliche Zuständigkeit für die Regelung der wirtschaftlichen Tätigkeiten im Binnenmarkt verleiht.17 Hinreichend offene Bestimmungen einer Richtlinie sind daher im Lichte des Subsidiaritätsprinzips auszulegen, so dass Regelungsgegenstände, die nach dem Ziel der jeweiligen Richtlinie auch dezentral geregelt werden können, im Zweifel einer richtlinienkonformen Konkretisierung hinsichtlich der Regelungsdetails zugänglich sind.

Als Zwischenergebnis bleibt daher festzuhalten, dass mit der erfolgten Wahl der Rechtsform der Richtlinie prima facie eine allgemeine Annahme dafür spricht, dass der nationale Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2009/140/EG über Spielräume zur weiteren Konkretisierung und Ausgestaltung verfügt. Wie weit diese Spielräume reichen und wo die Richtlinie bindende Vorgaben enthält, die keiner weiteren Konkretisierung zugänglich sind und daher eine Engführung des Umsetzungsgesetzgebers bewirken, muss freilich anhand der Regelungsstruktur des geltenden Rechtsrahmens zur Regulierung der Telekommunikation erst ermittelt werden.

2. Vorgaben nach dem Telekommunikationsrechtsrahmen

Im Folgenden ist daher konkret zu untersuchen, welche Umsetzungsspielräume der geltende Telekommunikationsrechtsrahmen den Mitgliedstaaten zur gesetzlichen Ausgestaltung des Regulierungsauftrags belässt. Hierbei ist namentlich auch auf die einschlägige Rechtsprechung des EuGH sowie deren Relevanz für die Umsetzung des „TK-Review“ einzugehen.

N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (4)

a) Sektorspezifische Besonderheiten nach dem Telekommunikationsrechtsrahmen

Zunächst enthält der geltende Rechtsrahmen zur Regulierung der Telekommunikation eine Reihe an sektorspezifischen Besonderheiten, die namentlich mittels einer weitreichenden verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Bindung der nationalen Regulierungsbehörden die Handlungsoptionen des Umsetzungsgesetzgebers beeinflussen und begrenzen.

aa) Konkretisierende Vorgaben nach dem Telekommunikationsrechtsrahmen

Der ursprüngliche Rechtsrahmen enthält vor allem Zielvorgaben, die von den nationalen Regulierungsbehörden zu beachten sind. Nach Art. 7 Abs. 1 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie tragen die nationalen Regulierungsbehörden bei der Erfüllung ihrer sekundärrechtlich vorgesehenen Regulierungsaufgaben den in Art. 8 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie genannten Zielen, auch soweit sie sich auf das Funktionieren des Binnenmarktes beziehen, weitestgehend Rechnung. Um dies sicherzustellen, verpflichtet Art. 8 Abs. 1 UAbs. 1 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass die nationalen Regulierungsbehörden bei der Wahrnehmung ihrer regulatorischen Aufgaben alle angezeigten Maßnahmen treffen, die den in den Folgeabsätzen vorgegebenen Zielen dienen. Insoweit müssen die Mitgliedstaaten also durch konkretisierende Gesetzgebung zur Zielerreichung geeignete Ermächtigungen schaffen, wobei die einzelnen regulatorischen Maßnahmen betreffend die hier in Rede stehende Zugangsregulierung näher in den Art. 9 bis 13a der Zugangsrichtlinie festgelegt sind.

Im Vordergrund steht die Zielvorgabe, den Wettbewerb bei der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste sowie zugehöriger Einrichtungen und Dienste zu fördern, was in Art. 8 Abs. 2 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie verbindlich vorgegeben und durch im Einzelnen ausbuchstabierte Unterziele konkretisiert wird.18 Art. 8 Abs. 3 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie enthält ergänzende Zielvorgaben, die auf die Herstellung des Binnenmarktes im Bereich elektronischer Kommunikationsdienstleistungen gerichtet sind, während Art. 8 Abs. 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie der Regulierungsbehörde flankierend die Sicherstellung gemeinwirtschaftlicher und verbraucherschützender Ziele vorgibt. Zielbindungen und Maßnahmenkatalog führen im Zusammenspiel bereits zu einer nicht unerheblichen Dichte normativer Vorgaben, die vom Umsetzungsgesetzgeber im Einzelnen zu beachten sind. Freilich bleiben die entsprechenden Vorgaben oftmals abstrakt und vor allem mit Zielkonflikten behaftet. Augenfällig ist dies etwa für das Konkurrenzverhältnis des Wettbewerbsziels einerseits und der Verbraucherschutzziele andererseits. Zur Frage, wie solche Zielkonflikte rechtlich aufzulösen sind, also wie die einzelnen Ziele in Relation zueinander zu stellen und wie Prioritäten und Posterioritäten zu setzen sind, enthält die Richtlinie keine näheren materiell-rechtlichen Vorgaben. Insoweit besteht also in jedem Fall erheblicher politischer Konkretisierungsbedarf. Hierbei ist freilich zu beachten, dass die Telekommunikationsrahmenrichtlinie ungeachtet ihrer Detailabstinenz hinsichtlich des regulativen Gestaltungsauftrags teils sehr konkrete und detaillierte Vorgaben in Bezug auf Organisation und Verfahren enthält. Es werden also – im vorliegenden Kontext entscheidende – Vorgaben gemacht, wer zur Konkretisierung befugt sein soll.19

Die materiell-rechtliche Zielprogrammierung hat sich schließlich durch die Richtlinie 2009/140/EG entscheidend verändert, weil dort die im vorliegenden Kontext im Vordergrund stehenden Belange, insbesondere der Rechts- und Planungssicherheit, der Investitionsförderung und der Regionalisierung, eine detaillierte Regelung und zudem eine inhaltliche Aufwertung erfahren haben. Vor allem schlägt sich dies in den Regulierungsgrundsätzen des Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie nieder. Hierauf wird unten (unter III.) gesondert einzugehen sein.

bb) Einbindung der nationalen Regulierungsbehörde in den europäischen Verwaltungsverbund

Entscheidend für die Gestaltungs- und Konkretisierungsmöglichkeiten des Umsetzungsgesetzgebers ist vor allem die institutionelle und verfahrensrechtliche Einbindung der nationalen Regulierungsbehörden in einen europäischen Regulierungsverbund. Das Verfahren der Marktregulierung ist nach Art. 15, 16 i. V. m. Art. 7 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie mehrstufig ausgestaltet und eröffnet der Kommission unterschiedlich intensive Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Entscheidungen der nationalen Regulierungsbehörden.20 Eine Schlüsselstellung im institutionellen Gerüst des Regelungsrahmens nehmen die nationalen Regulierungsbehörden ein,21 die nach Art. 3 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie die mit der Richtlinie übertragenen Regulierungsaufgaben – zusammenfassend formuliert – funktionell unabhängig, unparteiisch und transparent auszuüben haben. Die nationalen Regulierungsbehörden werden durch Konsultations- und Transparenzpflichten nach Art. 6 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie zu einem europäischen Informationsverbund zusammengeschlossen. Hintergrund ist, dass die wirksame Wahrnehmung von Regulierungsaufgaben entscheidend von der Dichte und Aktualität des jeweiligen Informationshorizonts sowie der Lernfähigkeit der Verwaltung22 abhängig ist und damit besonderer Formen administrativer Wissensgenerierung bedarf.23 Diese eher informale Kooperation bleibt jedoch ohne spezifische Rechtsfolgen für die einzelnen Regulierungsentscheidungen.

aaa) Weitestgehende Berücksichtigung

Inhaltlichen Einfluss auf die Marktregulierungsentscheidungen der nationalen Regulierungsbehörde haben aber die Empfehlung der Kommission in Bezug auf relevante Produkt- bzw. Dienstmärkte und die Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse (Art. 15 Abs. 1 und 2 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie). Die Empfehlung und die Leitlinien sind von den nationalen Regulierungsbehörden im Rahmen des Marktdefinitionsverfahrens nach Art. 15 Abs. 3 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie und im Rahmen des Marktanalyseverfahrens nach Art. 16 Abs. 1 UAbs. 1 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie weitestgehend zu berücksichtigen. Entsprechende Berücksichtigungspflichten gelten nach Art. 3 Abs. 3c der Telekommunikationsrahmenrichtlinie für die vom GEREK verabschiedeten Stellungnahmen und gemeinsamen Standpunkte, nach Art. 7 Abs. 7 und Art. 7a Abs. 1 UAbs. 1 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie für die Stellungnahmen der anderen nationalen Regulierungsbehörden, des GEREK und der Kommission.

Fraglich ist, welche Auswirkungen dies auf die Umsetzungsgesetzgebung hat. Der Gesetzgeber ist zunächst nicht Adressat der Empfehlungen und Leitlinien, die sich allein an die nationale Regulierungsbehörde richten. Allerdings darf der Umsetzungsgesetzgeber die nationale Regulierungsbehörde auch nicht (punktuell) von der Berücksichtigungspflicht entbinden. Bei der Berücksichtigungspflicht handelt es sich nach dem Willen des Richtliniengebers letztlich um ein bindendes Ziel der Richtlinie, dessen Erreichung die Mitgliedstaaten durch geeignete Verfahrensregelungen sicherzustellen haben. Erst recht gilt dies für Stellungnahmen des GEREK, deren Bindung sich aus einer nach Art. 249 Abs. 2 EG a. F. (jetzt Art. 288 Abs. 2 AEUV) unmittelbar verbindlichen Verordnung ergibt (Art. 3 Abs. 3 S. 1 der GEREK-Verordnung).24 Wenn N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (5)also der Gesetzgeber selbst durch Empfehlungen und Leitlinien nicht verpflichtet wird, so verpflichtet ihn die Richtlinie doch, eine entsprechende Berücksichtigung durch die nationale Regulierungsbehörde zu ermöglichen bzw. nicht durch zwingende gesetzliche Vorgaben zu verhindern. Genau dies hat der EuGH letztlich an der Regelung des § 9a TKG beanstandet. Die prozedurale Berücksichtigung durch die nationale Regulierungsbehörde zählt insoweit zu den Verfahren, „die die gemeinschaftsweit harmonisierte Anwendung des Rechtsrahmens gewährleisten“.25

Entscheidend kommt es daher darauf an, was inhaltlich unter einer Pflicht zur weitestgehenden Berücksichtigung zu verstehen ist bzw. wie weit Entscheidungsfreiräume der nationalen Regulierungsbehörde reichen müssen, um Leitlinien und Empfehlungen im Rahmen konkreter Regulierungsverfahren noch hinreichend berücksichtigen zu können. Problematisch hieran ist, dass sich Leitlinien nicht in den Kanon der Handlungsformen des Art. 249 EG a. F. (jetzt Art. 288 AEUV) einfügen,26 was an sich gegen eine Bindungswirkung spricht.27 Des Weiteren sind Empfehlungen sowie Stellungnahmen nach Art. 249 Abs. 5 EG a. F. (jetzt Art. 288 Abs. 5 AEUV) explizit „nicht verbindlich“.

(1) Allgemeine Berücksichtigungspflicht

Eine Berücksichtigungspflicht bezüglich unverbindlicher Empfehlungen im herkömmlichen Sinne postuliert allerdings auch der EuGH,28 was als Ausdruck der allgemeinen Pflicht zur Unionstreue (Art. 4 Abs. 3 EUV) zu verstehen sein dürfte. Die fraglichen Maßnahmen könnten „nicht als rechtlich völlig wirkungslos angesehen werden. … Die innerstaatlichen Gerichte sind nämlich verpflichtet, bei der Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten die Empfehlungen zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenn diese Aufschluß über die Auslegung zu ihrer Durchführung erlassener innerstaatlicher Rechtsvorschriften geben oder wenn sie verbindliche gemeinschaftliche Vorschriften ergänzen sollen.“29 Freilich fällt die Intensität dieser mittelbaren Bindungswirkung qua schlichter Berücksichtigungspflicht eher moderat aus. Wenn sich die in der Empfehlung zum Ausdruck gebrachte Auffassung der Kommission nicht ergebnisrelevant auf die Rechtsanwendung durch nationale Behörden durchschlägt, kann sie dennoch im Sinne der zitierten Rechtsprechung berücksichtigt worden sein. Insoweit ist eine nationale Stelle lediglich verpflichtet, im Rahmen der Begründung ihrer Entscheidung im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen man der Rechtsauffassung des empfehlenden Unionsorgans nicht folgt.

Soweit die Rechtsprechung des EuGH darüber hinaus informalen Instrumenten wie Empfehlungen und Leitlinien eine weitergehende rechtliche Bedeutung beigemessen hat,30 wird dies der Sache nach aus dem Gedanken der Selbstbindung der Kommission durch abstrakt-generelle Vorfestlegung (vergleichbar einer Verwaltungsvorschrift31) abgeleitet.32 Der EuGH geht davon aus, „dass Verhaltensnormen, die Außenwirkungen entfalten sollen, wie es bei den die Wirtschaftsteilnehmer betreffenden Leitlinien der Fall ist, zwar nicht als Rechtsnorm qualifiziert werden können, die die Verwaltung auf jeden Fall zu beachten hat, dass sie jedoch eine Verhaltensnorm darstellen, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthält und von der die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind.“33 Eine Selbstbindung der Kommission an die von ihr auf der Grundlage des Telekommunikationsregelungsrahmens erlassenen Empfehlungen und Leitlinien wird man zwar ebenfalls zu bejahen haben. Allerdings ist damit keine Bindung der nationalen Regulierungsbehörden verknüpft. Denn die Mitgliedstaaten sind an den Inhalt entsprechender informaler Handlungsformen nur gebunden, sofern sie im Wege der kooperativen Rechtsetzung dem jeweiligen Akt zugestimmt haben,34 was aber bei den Leitlinien und der Empfehlung im Anwendungsbereich der Telekommunikationsrahmenrichtlinie gerade nicht der Fall ist.35 Vielmehr kann sich ein Mitgliedstaat auf eine Empfehlung oder Leitlinie berufen und Maßnahmen der Kommission im Wege der Nichtigkeitsklage (Art. 263 AEUV) anfechten, sofern die Kommission unzulässig die Selbstbindung missachtet.

Dies verdeutlicht: Die Pflicht zur weitestgehenden Berücksichtigung i. S. d. Art. 15 Abs. 3 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie ist ersichtlich nicht deckungsgleich mit der allgemeinen Wirkung, die der EuGH auch unverbindlichen Empfehlungen zugesprochen hat. Eine „weitestgehende“ Integration unverbindlicher Empfehlungen in Entscheidungen nationaler Stellen kennt das Primärrecht nicht. Vielmehr handelt es sich vorliegend um eine sekundärrechtlich etablierte, qualifizierte Berücksichtigungspflicht, die sich (anders als die allgemeine Berücksichtigungspflicht kraft Unionstreue) zudem institutionell ausschließlich an die nationalen Regulierungsbehörden richtet, nicht hingegen – wie nicht zuletzt der EuGH klargestellt hat36 – an den Gesetzgeber.

(2) Besondere Berücksichtigungspflicht i. S. d. Telekommunikationsrechtsrahmens

Eine sachgerechte Bewertung, was mit weitestgehender Berücksichtigung i. S. d. Art. 15 Abs. 3 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie gemeint ist, lässt sich vor diesem Hintergrund nicht aus allgemeinen Erwägungen zur Rechtsnatur von Empfehlungen und Stellungnahmen im Unionsrecht gewinnen. Entscheidend ist vielmehr der konkrete Regelungskontext des europäischen Telekommunikationsregulierungsrechts, also die erst sekundärrechtlich geschaffene Reichweite der Kompetenz nach Art. 15 Abs. 3 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie.37 Man wird zwar kritisch hinterfragen müssen, ob die EU überhaupt über die Kompetenz verfügt, Empfehlungen und Leitlinien mit einer relativen Bindung zu versehen.38 Hiergegen spricht bereits die von Art. 291 Abs. 1 AEUV betonte Entscheidung für die primäre Vollzugsverantwortung der Mitgliedstaaten.39 Im Übrigen hat der Formenkanon des Art. 249 EG a. F. (jetzt Art. 288 AEUV) eine Ordnungsfunktion und ist Bestandteil der vertikalen Gewaltenteilung zwischen Union und Mitgliedstaaten.40,41 Beides darf nicht durch beliebige weitere Handlungsformen mit Anspruch auf Verbindlichkeit, die N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (6)der Sekundärrechtsetzer zur Bewältigung administrativer Problemstellungen kreiert, unterlaufen werden.42 Im Ergebnis können diese rechtlichen Zweifel an der Primärrechtskonformität hier dahingestellt bleiben, da das Sekundärrecht bis zu einer Ungültigerklärung durch den EuGH von den nationalen Stellen mangels Verwerfungskompetenz43 anzuwenden ist, selbst wenn es gegen Primärrecht verstoßen sollte.44 Da die Bundesrepublik Deutschland weder die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2002/21/EG noch der Richtlinie 2009/140/EG innerhalb der Frist des Art. 263 Abs. 6 AEUV (zuvor Art. 230 Abs. 5 EG a. F.) angefochten hat und sich auch der EuGH im Rahmen seiner Entscheidung zu § 9a TKG nicht veranlasst sah, zur Frage der Primärrechtskonformität Stellung zu nehmen, lässt sich eine diesbezügliche Klärung allenfalls über eine Richtervorlage nach Art. 267 AEUV erreichen. Einstweilen muss der Gesetzgeber im Rahmen der anstehenden TKG-Novelle daher die entsprechenden Berücksichtigungspflichten ins nationale Recht umsetzen, wobei der ursprüngliche Regelungsbestand bereits in die §§ 10 ff. TKG Eingang gefunden hat.

Folglich ist zu fragen, wie diese – hinsichtlich der Bedeutung von „berücksichtigen“ undeutliche und damit konfliktträchtige45 – Verpflichtung zur weitestgehenden Berücksichtigung zu interpretieren ist. Berücksichtigen bedeutet mehr als eine bloße Kenntnisnahme. Bereits die Komplexität, Amtlichkeit und Publizität des rechtlich ausdifferenzierten Verfahrens, das zu einer Empfehlung und zu den Leitlinien führt, sowie die gesonderte Anordnung einer hieran anknüpfenden Handlungspflicht der nationalen Regulierungsbehörden sprechen dafür, dass weitestgehend berücksichtigen mehr ist als nur eine prozedurale Verarbeitung im Sinne einer Kognitionspflicht („Kenntnisnahme“). Eine lediglich formelle Begründungspflicht für etwaige Abweichungen würde den Sinngehalt der sekundärrechtlich angeordneten Verpflichtung ersichtlich verfehlen, durch inhaltliche Berücksichtigungspflichten eine europaweite Mindestkohärenz der Regulierung herzustellen.46 Eine weitestgehende Berücksichtigung bedeutet folglich zwar keine strikte Bindung im Sinne einer inhaltsgleichen Umsetzungspflicht.47 Die Berücksichtigungspflicht enthält aber ein an die nationale Regulierungsbehörde gerichtetes Optimierungsgebot,48 und zwar dahingehend, dass sich die nationale Regulierungsbehörde darum bemüht, den Leitlinien und Empfehlungen im Rahmen des Marktregulierungsverfahrens inhaltlich zur Geltung zu verhelfen.49 Demgegenüber ist es unionsrechtlich nicht erforderlich, dass die verfahrensrechtliche Berücksichtigung sich auch in konkreten Inhalten der jeweiligen Regulierungsentscheidung niederschlägt.50 Wenn die nationale Regulierungsbehörde für inhaltliche Abweichungen mit den Regulierungszielen und -grundsätzen der Telekommunikationsrahmenrichtlinie konforme Gründe anführen kann, ist eine solche Abweichung gerechtfertigt. Die Telekommunikationsrahmenrichtlinie gründet auf einem Modell des prozeduralen Ausgleichs im europäischen Regulierungsverbund. Der Kommission kommt weder die Kompetenz zu, qua delegierender Rechtsetzung die nationalen Gesetzgeber zu binden, noch die nationalen Regulierungsbehörden wie nachgeordnete Verwaltungsbehörden inhaltlich zu steuern.

Das Gebot zur weitestgehenden Berücksichtigung erfordert bezogen auf die in Rede stehende Umsetzungsgesetzgebung vor diesem Hintergrund lediglich, dass der Gesetzgeber jedenfalls die abstrakte inhaltliche Berücksichtigungsfähigkeit im nationalen Regulierungsverfahren prozedural offenhält. Würde bereits der Gesetzgeber selbst die relevante Marktdefinition vornehmen, verblieben der nationalen Regulierungsbehörde keine Entscheidungsspielräume. Die Behörde könnte dann Leitlinien und Empfehlung lediglich noch zur Kenntnis nehmen, nicht aber inhaltlich berücksichtigen, was mit dem Anspruch der Richtlinie auf materielle Koordination unverträglich wäre. Eine Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde, die lediglich in den Entscheidungsgründen darauf verweisen kann, man sehe sich von vornherein nicht in der Lage, der Empfehlung oder den Leitlinien der Kommission Rechnung zu tragen, weil gesetzliche Regelungen entsprechende Entscheidungsspielräume ausschlössen, würde also gegen die sekundärrechtliche Berücksichtigungspflicht verstoßen.51 Der insoweit zu rigide gefasste Mechanismus des § 9a TKG führte gerade auch aus diesem Grund zu einer Verurteilung der Bundesrepublik.52

Dies schließt es jedoch weder aus, die nationale Regulierungsbehörde gesetzlich zur qualifizierten Berücksichtigung von ihrerseits unionsrechtlich sanktionierten Regulierungsgrundsätzen zu verpflichten, noch der Behörde entsprechende Entscheidungskompetenzen einzuräumen, um die in Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie abstrakt genannten Vorgaben auf der Rechtsanwendungsebene zu operationalisieren. Entscheidend ist, dass der nationalen Regulierungsbehörde überhaupt Möglichkeiten einer praktisch wirksamen inhaltlichen Berücksichtigung verbleiben, also nicht alle Entscheidungsspielräume von vornherein abgeschnitten sind. Der Gesetzgeber ist demgegenüber, wie erwähnt, weder Adressat der Leitlinien und Empfehlungen noch in sonstiger Weise an diese gebunden. Er kann daher durch Gesetz inhaltliche Vorgaben an die nationale Regulierungsbehörde im Rahmen des materiellen Rahmens der Richtlinie richten, solange er das austarierte verfahrensrechtliche Regime der Art. 15, 16, 7 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie nicht beeinträchtigt. Die nationale Regulierungsbehörde muss freilich stets in der Lage sein, überhaupt ein ergebnisoffenes Marktregulierungsverfahren i. S. v. Art. 15, 16 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie durchzuführen, in dessen Rahmen dann auch die veröffentlichten Positionen der verbundförmig beteiligten Akteure (Kommission, GEREK und ggf. andere nationale Regulierungsbehörden) prozedural berücksichtigt werden können.

bbb) Konsolidierungsverfahren

Eine inhaltliche Determination der Entscheidungen findet überdies durch das Konsolidierungsverfahren nach Art. 7 Abs. 3 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie statt, das wiederum die Regulierungsverfahren vor der nationalen Regulierungsbehörde mit vorstrukturierenden Entscheidungen auf europäischer Ebene verkoppelt. Ausgangspunkt ist auch hiernach zunächst eine verfahrensrechtliche Pflicht der nationalen Regulierungsbehörde zur Information. Beabsichtigt nämlich eine nationale Regulierungsbehörde nach Abschluss der in Art. 6 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie genannten Konsultation, eine Maßnahme zu ergreifen, die

  1. unter Art. 15 oder 16 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie oder unter Art. 5 oder 8 der Zugangsrichtlinie fällt und

  2. Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten hätte,

so stellt sie den Maßnahmenentwurf gleichzeitig der Kommission, dem GEREK und den nationalen Regulierungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten zusammen mit einer Begründung zur Ver¬N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (7)fügung, um diese zu unterrichten. Die nationalen Regulierungsbehörden, das GEREK und die Kommission können der jeweiligen nationalen Regulierungsbehörde ihre Stellungnahme nur innerhalb eines Monats übermitteln. Die Einmonatsfrist kann nicht verlängert werden.

Diese Informationspflicht dient der Kommission als Grundlage, die Kompatibilität der nationalen Entscheidung mit den unionsrechtlichen Regulierungszielen zu überprüfen und bei Abweichungen von der Regulierungsstrategie der Kommission zu intervenieren. Betrifft eine geplante Maßnahme nach Art. 7 Abs. 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie nämlich die Definition eines relevanten Marktes, der sich von jenen unterscheidet, die in der Empfehlung gemäß Art. 15 Abs. 1 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie definiert werden, oder die Entscheidung im Rahmen des Art. 16 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie, ob ein Unternehmen als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht einzustufen ist, und hat die Kommission gegenüber der nationalen Regulierungsbehörde erklärt, dass sie der Auffassung ist, der Maßnahmenentwurf würde ein Hemmnis für den Binnenmarkt schaffen, oder hat sie ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere den in Art. 8 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie genannten Zielen, dann wird der Beschluss über den Maßnahmenentwurf um weitere zwei Monate aufgeschoben. Die Intervention der Kommission hat also einen befristeten Suspensiveffekt.

Hieran schließt nun gemäß Art. 7 Abs. 5 S. 1 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie innerhalb der Zweimonatsfrist eine Vetooption der Kommission an, sofern gemäß Art. 7 Abs. 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie eine abweichende Marktdefinition durch die nationale Regulierungsbehörde oder die Beurteilung der Marktmacht eines Unternehmens betroffen ist.53 Der Entscheidung ist nach Art. 7 Abs. 5 S. 3 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie eine detaillierte und objektive Analyse beizufügen, in der dargelegt wird, weshalb die Kommission der Auffassung ist, dass der Maßnahmenentwurf nicht angenommen werden sollte, und es sind zugleich konkrete Vorschläge zur Änderung des Maßnahmenentwurfs vorzulegen. Die nationale Regulierungsbehörde hat nach Art. 7 Abs. 6 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie auf die Aufforderung der Kommission hin den Maßnahmenentwurf innerhalb von sechs Monaten zu ändern oder zurückzuziehen. Wird der Maßnahmenentwurf geändert, so führt die nationale Regulierungsbehörde erneut eine öffentliche Konsultation nach Maßgabe des Art. 6 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie durch und notifiziert der Kommission den geänderten Maßnahmenentwurf.

Das Konsolidierungsverfahren nach Art. 7 (und nunmehr zudem das Verfahren nach Art. 7a) der Telekommunikationsrahmenrichtlinie enthält insoweit Vorgaben hinsichtlich der prozeduralen Verkoppelung von nationalen Regulierungsbehörden, Kommission und GEREK im europäischen Regulierungsverbund. Diese an konkrete und jeweils präzise festgelegte Fristen anknüpfende Kaskade von verbundsinternen Zwischenentscheidungen kann letztlich vom Gesetzgeber nur inhaltsgleich durch entsprechende Verfahrensregelungen ins nationale Recht übernommen werden, was mit den §§ 10 ff. TKG im Hinblick auf Richtlinie 2002/21/EG grundsätzlich auch der bisherigen Umsetzungsstrategie entsprach.

Auch bei den präzisen Detailregelungen des Konsolidierungsverfahrens handelt es sich jedoch allein um verfahrensrechtliche Vorgaben, die von der nationalen Regulierungsbehörde zu beachten sind. Materielle Vorgaben sind hiermit indes nicht verbunden. Auch richtet sich ein etwaiges Veto allein an die nationale Regulierungsbehörde; Bindungen des nationalen Gesetzgebers sind hiermit nicht verbunden. Hieraus folgt, dass das Konsolidierungsverfahren dem nationalen Gesetzgeber keineswegs die Möglichkeiten einer inhaltlichen Konkretisierung der Regulierungsmaßstäbe abschneidet. Die nationale Gesetzgebung darf lediglich nicht dazu führen, dass es der nationalen Regulierungsbehörde unmöglich wird, ihren prozeduralen Verpflichtungen im Konsolidierungsverfahren nachzukommen. Im Einzelnen ist hierzu Folgendes anzumerken:

  • Eine Intervention der Kommission setzt nach Art. 7 Abs. 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie voraus, dass der gegenständliche Maßnahmenentwurf der nationalen Regulierungsbehörde nach Auffassung der Kommission entweder ein Hemmnis für den Binnenmarkt schaffen würde oder ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht, insbesondere mit den in Art. 8 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie genannten Zielen, bestehen.

  • Die Vetooption nach Art. 7 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie hat zunächst nur einen relativ engen Anwendungsbereich. Sie bezieht sich nämlich allein auf die in Absatz 4 bezeichneten Divergenzsituationen, weshalb der nationalen Regulierungsbehörde auch nur in diesem Rahmen die Möglichkeit belassen werden muss, auf ein Veto der Kommission entsprechend den verfahrensrechtlichen Vorgaben der Richtlinie zu reagieren.

  • Ein Veto nach Art. 7 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie setzt voraus, dass die Maßnahme der nationalen Regulierungsbehörde objektiv (nicht lediglich nach Auffassung der Kommission) entweder ein Hemmnis für den Binnenmarkt oder aus sonstigen Gründen unionsrechtswidrig ist. Dies bedeutet umgekehrt, dass konkretisierende gesetzliche Bindungen der nationalen Regulierungsbehörde, die mit den Vorgaben des europäischen Telekommunikationsregelungsrahmens vereinbar sind, bei objektiver Betrachtung von vornherein keine Vetooption auszulösen vermögen. Zwar kann es naturgemäß im Einzelfall Meinungsverschiedenheiten mit der Kommission über diese Fragen geben. Ein Veto der Kommission ist als Entscheidung jedoch für die Mitgliedstaaten nach Art. 263 AEUV anfechtbar, so dass die Rechtsfrage nach der Unionsrechtskonformität einer nationalen Maßnahme dann letztlich vom EuGH zu beurteilen ist. Das Vetorecht ist insoweit von vornherein ungeeignet, materiell-rechtlich unionsrechtskonforme gesetzliche Konkretisierungen zu blockieren. Der nationale Gesetzgeber kann daher die Regulierungsentscheidungen abstraktgenerell vorstrukturieren, solange die nationale Regulierungsbehörde hierdurch nicht gehindert ist, im Einzelfall einem eingelegten Veto prozedural Rechnung zu tragen.

  • Folglich ist es regelungstechnisch möglich, die nationale Regulierungsbehörde an konkretisierende gesetzliche Vorgaben (etwa gesetzlich näher ausdifferenzierte Regulierungsgrundsätze) zu binden, von denen sie aber abweichen darf, falls die Kommission hiergegen ein verbindliches Veto einlegt.

  • Gesetzliche Konkretisierungen, die Regulierungsentscheidungen lediglich vorstrukturieren, aber nicht strikt determinieren und der nationalen Regulierungsbehörde daher von vornherein hinreichende Entscheidungsspielräume belassen, um ggf. einer Aufforderung der Kommission gemäß Art. 7 Abs. 6 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie nachzukommen, sind ebenfalls mit den rein prozeduralen Vorgaben des Konsolidierungsverfahrens vereinbar.

Als Zwischenergebnis lässt sich daher festhalten, dass das Konsolidierungsverfahren die Möglichkeiten einer gesetzlichen Ausgestaltung und Vorstrukturierung im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie unberührt lässt, solange die verfahrensrechtlichen Vorgaben bezogen auf die nationale Regulierungsbehörde rechtmäßig umgesetzt werden. Denn es handelt sich lediglich um (detaillierte und insoweit durchaus rigide) verfahrensrechtliche Vorgaben, die keine unmittelbaren Aussagen über die Zulässigkeit materieller Vorgaben an die nationale Regulierungsbehörde enthalten.

N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (8)
cc) Kompetenzverschiebung zwischen Legislative, Exekutive und EU-Administration

Das dem europäischen Rechtsrahmen zugrundeliegende Modell der Netzregulierung im europäischen Verwaltungsverbund bedingt signifikante Verschiebungen im Kompetenzgefüge zwischen dem parlamentarischen Gesetzgeber einerseits und einer verbundförmig verkoppelten Regulierungsverwaltung andererseits. Dabei ist es unausweichlich und mit Blick auf die gewollte Harmonisierung der europäischen Telekommunikationsmärkte auch hinzunehmen, dass eine gewisse Kompetenzverschiebung auftritt. Allerdings ist die Frage zu untersuchen, inwieweit die Aufgabe der Harmonisierung der Telekommunikationsmärkte den nationalen Gesetzgeber darin beschränken kann, konkrete und durch die Gerichte überprüfbare gesetzliche Vorgaben zu machen.

aaa) Der administrative Regulierungsverbund

Für die Frage der Konkretisierungsmöglichkeiten des Umsetzungsgesetzgebers ist vor allem die Einbettung der nationalen Regulierungsverwaltung in einen europäischen Regulierungsverbund entscheidend. Zentrale Akteure sind nach dem geltenden Rechtsrahmen zur Regulierung der Telekommunikationsmärkte im Außenverhältnis die nationalen Regulierungsbehörden, denen die einschlägigen Richtlinien weitreichende Befugnisse übertragen haben.54 Die Regulierungspolitik der Kommission lässt hierbei eine allgemeine Tendenz erkennen, Entscheidungen sukzessive auf die Unionsebene hochzuzonen und insoweit zu zentralisieren.55 Im Innenverhältnis des europäischen Verwaltungsverbundes werden diese Befugnisse jedoch durch nicht minder weitreichende verfahrensrechtliche Bindungen eingehegt, die zumindest eine strukturelle Steuerung nationaler Regulierungsentscheidungen durch die beteiligten Akteure der EU ermöglichen. Hierdurch wird wiederum der nationale Gesetzgeber in den Hintergrund gedrängt, der das Regulierungshandeln der nationalen Regulierungsbehörde nur durch konkretisierende materielle Maßstäbe binden kann, soweit dies nicht das filigran tarierte Geflecht verbundförmig verkoppelter Entscheidungsfindung stört. Der Ausweitung gesetzlich nicht determinierter Letztentscheidungsrechte der Exekutive liegen hierbei sowohl allgemeine als auch regulierungsspezifische Konzepte zugrunde.

Ganz allgemein wird postuliert, dass es sich bei der strikten – Entscheidungsspielräume als rechtfertigungsbedürftige Ausnahme konstruierenden – rechtlichen Bindung der Verwaltung und der damit verbundenen hohen gerichtlichen Kontrolldichte um einen deutschen Sonderweg handele. Dieser sei jedenfalls im Zusammenhang mit Verwaltungshandeln im europäischen Verwaltungsverbund nicht aufrechtzuerhalten.56 Der Vorbehalt des Gesetzes müsse insoweit den europäischen Herausforderungen angepasst – sprich: inhaltlich zurückgenommen – werden.57 Dem korrespondiert eine allgemeine Stärkung der Administrative, und zwar auf Kosten der – in ihrer Intensität oftmals als dysfunktional wahrgenommenen – gerichtlichen Kontrolle einerseits und der parlamentarischen Gesetzgebung andererseits.58 Dieses letztlich verwaltungsstaatliche Vollzugsmodell prägt unverkennbar auch den Telekommunikationsrechtsrahmen, zumal in seiner Ausdeutung durch den EuGH.59

Zudem dient die verbundförmige Einbindung der nationalen Regulierungsverwaltungen der Herstellung einer europaweiten regulatorischen Kohärenz. Die – primärrechtlich vorgegebene (vgl. nur Art. 291 Abs. 1 AEUV) – dezentrale Vollzugsstruktur im europäischen Regulierungsrecht führt in Verbindung mit den vom Sekundärrecht bewusst eingeräumten Gestaltungsspielräumen der nationalen Regulierungsbehörden tendenziell zu einer inhaltlichen Divergenz der Regulierungsstrategien. Die Kohärenz und Gleichmäßigkeit der Regulierung eines Marktsegments würde bezogen auf den Binnenmarkt in Frage gestellt, wenn die Regulierungsbehörden von 27 Mitgliedstaaten jeweils ihre erheblichen Gestaltungsspielräume unabhängig voneinander auf sehr unterschiedliche Weise nutzen. Verbundförmige Verwaltungsstrukturen sollen Kohärenzverlusten dadurch entgegenwirken, dass der Vollzug kompensatorisch durch (vertikale wie horizontale) institutionelle Verschränkung der europäischen Administrative mit den nationalen Regulierungsbehörden koordiniert wird.60 Die Kohärenzsicherung wird hierbei in erster Linie über eine verfahrensrechtliche Koordination von Entscheidungen erreicht.61

Gesetzlich nicht determinierte Beurteilungsspielräume dienen letztlich als Einfallstor für Einwirkungen der europäischen Administration. Durch einen Verzicht auf gesetzliche Regelung und damit gerichtliche Kontrolle werden bewusst Entfaltungsräume für eine Einflussnahme der Organe der Union offengehalten.62 Entscheidungsspielräume der nationalen Regulierungsbehörden sind hiernach also nicht allein Konsequenz der anspruchsvollen Regulierungsaufgabe, sondern in nicht unerheblichem Maße auch der indirekte Hebel zum Ausbau eines europäischen Regulierungsverbundes.63 Vor diesem Hintergrund ist eine sehr detaillierte sachlich-inhaltliche Steuerung der nationalen Regulierungsbehörden durch die Kommission (und partiell – obschon eher mittelbar – nunmehr auch durch GEREK) eröffnet.64 Eine autonome Entscheidung der Bundesnetzagentur ist durch die verbundförmige Einbindung im Ergebnis nur noch begrenzt möglich.65 Über den Regulierungsverbund werden die nationalen Behörden letztlich „verlängerte Arme“ der Unionsverwaltung.66

Dieses Modell der Koordinierung im europäischen Verwaltungsverbund führt zugleich zu einer tendenziellen Exklusion der nationalen Gesetzgeber. Denn bindende gesetzliche Vorgaben im Rahmen der Richtlinienumsetzung würden absehbar aufgrund der unterschiedlichen Präferenzen der nationalen Gesetzgeber – so wird argumentiert – auch zu unterschiedlichen gesetzlichen Lösungen führen. Mangels behördlicher Entscheidungsspielräume verblieben dann keine hinreichenden Möglichkeiten zur verbundförmigen Harmonisierung und flexiblen Anpassung an die Marktentwicklung im Rahmen der europaweiten Behördenkooperation, um diese Divergenzen kooperativ auszutarieren und die europaweite Kohärenz der Regulierungsansätze wiederherzustellen.67 Mit der Ausdünnung der Steuerung durch abstrakt-generelles Gesetz und der Verlagerung der wesentlichen Entscheidungsbefugnisse auf die Administrative geht zugleich ein Trend zur regulativen Feinsteuerung einher.68 Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass kohärente Maßstäbe der Regulierung im Wesentlichen erst anhand der einzelnen Entscheidungen und damit gleichsam aus der Vollzugsperspektive entwickelt werden. Eine Vorstrukturierung primär durch abstrakt-generelles Gesetz könnte solche Fehlentwicklungen eher vermeiden, weshalb zumindest die verbliebenen Möglichkeiten einer gesetzlichen Konkretisierung optimal ausgeschöpft werden sollten.

In der Verdrängung des Gesetzgebers wird die Gefahr greifbar, sowohl das demokratische Legitimationsniveau auszudünnen als auch die rechtsstaatliche Beherrschbarkeit des Verwaltungshan¬N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (9)delns aufzugeben, also die Verantwortung für die Herstellung des Gemeinwohls auf den europäischen Telekommunikationsmärkten einseitig in die Hand einer Verwaltungsexpertokratie zu legen. Dies ist aber bereits aus der Sicht des Unionsrechts nicht unbegrenzt hinnehmbar, da auch die EU primärrechtlich auf die Achtung demokratischer und rechtsstaatlicher Standards verpflichtet ist (Art. 2 EUV bzw. Art. 6 Abs. 1 EU a. F.). Erst recht erscheint daher eine rechtsstaatliche Konturierung der Marktregulierung durch Parlamentsgesetz geboten, schon um eine transparente, gleichmäßige und hinreichend kontrollierbare Rechtsanwendung sicherzustellen. Vor der Entscheidung des EuGH zu § 9a TKG69 wurde daher mit Recht davon ausgegangen, dass eine gesetzliche Vorstrukturierung möglich sei, solange sie nicht gegen die durch den europäischen Rechtsrahmen vorgegebenen Parameter verstößt.70 Erst recht muss dies gelten, wenn man die Aufwertung der demokratischen Struktur der Union durch den Lissabon-Vertrag in den Blick nimmt. Auf die Konsequenzen für die Ausdeutung des geltenden Telekommunikationsregelungsrahmens, die sich nur im Gesamtzusammenhang sowie unter Einbeziehung der Rechtsprechung des EuGH angemessen erörtern lassen, wird zurückzukommen sein.71

bbb) Verbundspezifische Rechtsschutzdefizite

Verbundförmige Verwaltungsverfahren im Allgemeinen sowie das spezifische Verbundverfahren der Telekommunikationsregulierung im Besonderen führen aufgrund der organisatorischen und prozeduralen Differenzierung gestufter administrativer Entscheidungsfindung zu nicht unerheblichen Rechtsschutzproblemen.72 Gerichtliche Kontrolle verläuft letztlich akzessorisch zu vorhandenen Kontrollmaßstäben.73 Da die inhaltliche Maßstabsdichte im Telekommunikationsregelungsrahmen eher gering geblieben ist und das Unionsrecht an die Stelle materieller Bindung anspruchsvolle verbundförmige Verwaltungsverfahren gesetzt hat, haben sich die Verwaltungsgerichte in erheblichem und zugleich rechtlich bedenklichem Maße aus der Kontrolle der Regulierungsentscheidungen zurückgezogen.74 Das BVerwG hat aus der Integration der nationalen Regulierungsbehörde in einen europäischen Regulierungsverbund im Rahmen der Art. 7, 15, 16 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie gefolgert, das unionsrechtliche Regelungskonzept geböte die Einräumung weiter Beurteilungsspielräume an die nationale Regulierungsbehörde bei der Marktdefinition und -analyse.75 Das Koordinierungsverfahren nach Art. 7 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie diene der „wechselseitigen Durchlässigkeit nationaler Entscheidungen für transnationale Interessen auf der Grundlage vereinheitlichter Vorgaben durch die Kommission“; ein gerichtlich nur begrenzt kontrollierbarer Beurteilungsspielraum sei daher erforderlich, um die vorgegebene inhaltliche Kooperation und Koordination überhaupt zu ermöglichen.76 Unionsrechtlich erscheint dies freilich nicht zwingend, da die Kompetenzübertragung auf die Verwaltungsbehörden nicht zwangsläufig zugleich auch zu einer Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle führen muss.77

Soweit das Unionsrecht materielle Entscheidungsspielräume der nationalen Regulierungsbehörde zwingend vorsieht, ist die damit verbundene Einschränkung der Kontrollintensität in der Tat qua Vorrang des Unionsrechts verbindlich vorgegeben und nicht mehr am Maßstab des Verfassungsrechts zu prüfen.78 Freilich ist bei der Beurteilung der Frage, ob und inwieweit das geltende Sekundärrecht gerichtlich nicht kontrollierbare Entscheidungsfreiräume fordert, auch die unionsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes im Blick zu behalten. Der EuGH hat jedenfalls bislang keineswegs eine (auch nur partielle) Ausgliederung der europäischen Verbundverwaltung aus der gerichtlichen Kontrolle gefordert. Im Gegenteil betont der Gerichtshof eher die Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der im Außenverhältnis indirekt durch die nationalen Behörden vollzogenen Richtlinien: Es sei „allein Sache der Mitgliedstaaten …, im Rahmen ihrer Verfahrensautonomie unter Wahrung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität des gerichtlichen Rechtsschutzes das zuständige Gericht, die Verfahrensart und damit die Art und Weise der richterlichen Kontrolle von Entscheidungen der [nationalen Regulierungsbehörden] über die Genehmigung der Preise der gemeldeten Betreiber für den entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen zu bestimmen.“79

Hierbei ist freilich auch unionsrechtlich ein hinreichendes Kontrollniveau einzuhalten, also eine gewisse Mindesteffektivität der Kontrolle herzustellen, was auch das spezifische Rechtsschutzgebot des Art. 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie unterstreicht.80 Um dem Gebot effektiven Rechtsschutzes, das ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts ist,81 durch Art. 47 der EU-Grundrechtecharta verstärkt wurde und von Art. 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie insoweit eher affirmativ aufgegriffen wird, hinreichend Rechnung zu tragen, muss es möglich sein, auch die im Rahmen des verbundförmigen Regulierungsverfahrens getroffenen Entscheidungen von Unionsorganen einer gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen. Ein betroffenes Unternehmen kann im Hinblick auf die strikten Voraussetzungen des Art. 263 Abs. 4 AEUV in der Regel – abgesehen vom Sonderfall eines Vetos der Kommission gegen die begünstigende Feststellung wirksamen Wettbewerbs82 – eine abstrakt-generelle Empfehlung bzw. abstrakt-generelle Leitlinien der Kommission nicht anfechten.83 Daher verbleibt nur eine inzidente Kontrolle dieser innenwirksamen Rechtsakte am Maßstab des Unionsrechts durch die nationalen Gerichte im Rahmen einer Anfechtung der Regulierungsverfügung durch ein betroffenes Unternehmen.84 Insoweit kommt dann auch eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV in Betracht, da es sich bei Empfehlung und Leitlinien jedenfalls um Handlungen von Organen bzw. sonstigen Stellen der Union (Absatz 1 litera b AEUV) handelt.85 Da eine inzidente Verwerfung von Unionsrecht nach ständiger Rechtsprechung nicht in der Kompetenz nationaler Gerichte liegt,86 ist ein angerufenes Verwaltungsgericht ggf. zur Vorlage verpflichtet.

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Damit aber liegt die Verantwortung, eine hinreichende gerichtliche Kontrolle des Regulierungshandelns sicherzustellen, im Wesentlichen bei den Mitgliedstaaten, die einen hinreichenden – sektorenspezifisch durch Art. 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie unterstrichenen – gerichtlichen Kontrollzugriff einerseits durch verfahrensrechtliche und andererseits durch materiellrechtliche Vorgaben sicherstellen können. Hierbei ist zu beachten, dass gerichtliche Verfahren zwar bis zu einem gewissen Grad in der Lage sind, ergänzende allgemeine Kohärenzmaßstäbe herauszubilden,87 sich aber ein übergreifender politischer Interessenausgleich im parteibezogenen Verwaltungsprozess nicht angemessen herstellen lässt.88 Es bedarf also mit anderen Worten ergänzender und konkretisierender gesetzlicher Vorgaben, die in einem insoweit gegenstandsadäquaten parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren entstehen und ohne die auch gerichtliche Kontrolle keine Ansätze findet.89 Dass es in diesem Rahmen dann auch angemessene – sprich: vor allem aufgabenadäquate – gesetzliche Ermächtigungen zur behördlichen Letztentscheidung geben darf und – gemessen an den unionsrechtlichen Vorgaben – ggf. geben muss, ist nicht zu bestreiten, entbindet aber nicht davon, zunächst einmal normative Standards auf ein rechtsstaatlich und demokratisch tragfähiges Niveau zu verdichten.

Als Konsequenz hieraus ist der deutsche Umsetzungsgesetzgeber in der Pflicht, bei der Umsetzung der Richtlinie innerhalb der funktionalen und institutionellen Vorgaben des europäischen Regelungsrahmens die abstrakten Zielbestimmungen in einem Maße zu konkretisieren, das eine wirksame gerichtliche Kontrolle eröffnet. Eine „bescheidene“ Richtlinienumsetzung „eins zu eins“ würde daher auch den aus Art. 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie folgenden Auftrag zur praktisch wirksamen Richtlinienumsetzung verfehlen. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Form der Umsetzung, durch die effektiver Rechtsschutz herzustellen ist, zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten variieren kann.90 Dies ist letztlich abhängig von der jeweiligen nationalen Rechtsquellenlehre und der institutionellen Rolle der Gerichte, die in anderen Rechtskreisen stärker in die abstrakt-generelle Rechtskonkretisierung einbezogen sein mögen.91 Eine wirksame Umsetzung des Rechtsschutzgebots nach Art. 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie fällt daher zwangsläufig von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich aus. Die konkrete Einpassung in das jeweilige Rechtsschutzsystem ist folglich gerade Aufgabe der Mitgliedstaaten im Rahmen der insoweit auch vom EuGH anerkannten Verfahrensautonomie.92 Bezogen auf Deutschland ist festzuhalten, dass der durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Rechtsschutz nach vorherrschender Auffassung akzessorisch zu materiell-rechtlichen Maßstäben verläuft, die durch außenwirksame Rechtsnormen vom Gesetzgeber zur Verfügung zu stellen sind. Binnenrecht der Verwaltung, das diese im Rahmen einer delegierten Kompetenz zur Selbstprogrammierung erlassen hat, ist demgegenüber kein von den Gerichten zu beachtender Kontrollmaßstab, der das Rechtsschutzgebot des Art. 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie wirksam umzusetzen vermag.

b) Konsequenzen aus der Rechtsprechung des EuGH zu § 9a TKG

Konkrete Aussagen, welche Kompetenzen dem nationalen Gesetzgeber verbleiben, die Entscheidungsbefugnisse der nationalen Regulierungsbehörde im Bereich des Telekommunikationsregulierungsrechts vorzustrukturieren, finden sich im Urteil des EuGH vom 3. Dezember 2009 zur deutschen Regelung des § 9a TKG. Mit der bislang noch geltenden, freilich kraft des Anwendungsvorranges des Unionsrechts nicht mehr anwendbaren und im Rahmen der TKG-Novelle absehbar aufzuhebenden Vorschrift des § 9a TKG hat der deutsche Gesetzgeber den Bereich neuer Märkte (§ 3 Nr. 12b TKG) grundsätzlich von der Regulierung ausgenommen (Absatz 1) und regulatorische Eingriffe ausnahmsweise und unter qualifizierten Voraussetzungen zugelassen (Absatz 2). Sinn und Zweck dieser Regelung ist vornehmlich die Förderung von Investitionen in neue Netzinfrastrukturen,93 indem durch grundsätzliche Regulierungsfreistellung Rechts-, Planungs-, und Investitionssicherheit geschaffen wird. Der Gesetzgeber hat insoweit die von der nationalen Regulierungsbehörde zu beachtenden Prioritäten zugunsten der Investitionsförderung vorab festgelegt. Auf ein von der Kommission hiergegen eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren hat der EuGH die Regelung für unvereinbar mit den Vorgaben der Richtlinien 2002/21/EG und 2002/19/EG erachtet und hierbei den Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers Grenzen gezogen. Dabei ist anzuerkennen, dass dem EuGH mit § 9a TKG eine Lösung zur Entscheidung vorlag, bei der die Vorschrift als solche in das ausdifferenzierte Abstimmungsverfahren zwischen Kommission und Regulierungsbehörden eingriff. Im Mittelpunkt der nachfolgenden Betrachtungen steht indes nicht eine weitere Untersuchung der Rechtmäßigkeit von § 9a TKG. Vielmehr wird der Frage nachgegangen, inwiefern die Ausführungen des EuGH verwertbare Anhaltspunkte dafür enthalten, dass dem nationalen Gesetzgeber bereits durch den europäischen Telekommunikationsrechtsrahmen Grenzen gesetzt sind, wenn er eine abstrakt-generelle Vorstrukturierung auf Gesetzesebene einführen will. Denkbar wäre ein solcher Ansatz insbesondere dann, wenn ein offenes Marktregulierungsverfahren um keinen Preis gefährdet werden soll und eine abstrakt-generelle Vorstrukturierung schon als Gefährdung gesehen würde.

aa) Feststellungen in Bezug auf Ermessensvorstrukturierungen

Der EuGH begründet die Insuffizienz von § 9a TKG, die Vorgaben des europäischen Regelungsrahmens hinreichend umzusetzen, sowohl materiell-rechtlich als auch organisatorisch-institutionell. Inhaltlich erachtet er die pauschale Regelfreistellung neuer Märkte von der Regulierung als unvereinbar mit der Pflicht aus der Richtlinie 2002/21/EG, eine Vorabregulierung in einem richtlinienkonformen Verfahren der Marktregulierung zu prüfen. Organisatorisch-institutionell beanstandet er die Übernahme von Regelungsaufgaben, die die Richtlinie der nationalen Regulierungsbehörde überantwortet habe, durch den parlamentarischen Gesetzgeber. Beide Einwände hängen eng miteinander zusammen.

aaa) Gestuftes Regulierungsverfahren nach der Telekommunikationsrahmenrichtlinie

Bei der Wahrnehmung der ihnen durch den europäischen Telekommunikationsrechtsrahmen überantworteten hoheitlichen Funktionen verfügten, so der EuGH, die nationalen Regulierungsbehörden über „eine weitreichende Befugnis, um die Regulierungsbedürftigkeit eines Marktes in jedem Einzelfall beurteilen zu können“.94 Der Gerichtshof betont die Notwendigkeit einer Analyse durch die nationale Regulierungsbehörde, ob für den jeweiligen Markt eine Vorabregulierung erforderlich ist.95 Daher beanstandet der Gerichtshof die von § 9a TKG in Umkehrung dieses Mechanismus angeordnete grundsätzliche Nichtregulierung. Diese sei weder in der Richtlinie 2002/21/EG vorgesehen noch lasse sich eine solche Freistellung ausnahmsweise für neue Märkte unter Bezugnahme auf die Erwägungsgründe oder auf die auf der Grundlage der Richtlinie ergangene Empfehlung bzw. die entsprechenden Leitlinien teleologisch begründen.96 Die Marktdefinition (Art. 15 der Richtlinie 2002/21/EG) bilde den Ausgangspunkt der N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (11)Wettbewerbsanalyse (Art. 16 der Richtlinie 2002/21/EG).97 § 9a TKG schränke in unzulässiger Weise die Befugnis der nationalen Regulierungsbehörde zur Marktdefinition nach Maßgabe der prozeduralen und inhaltlichen Vorgaben des Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2002/21/EG ein.98 Insoweit kommt es dem Gerichtshof erkennbar darauf an, im Rahmen der – die spätere Marktanalyse entscheidend determinierenden – Marktdefinition die Pflicht zur weitestgehenden Berücksichtigung der Empfehlung und der Leitlinien der Kommission sicherzustellen, wie sie in Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2002/21/EG vorgesehen ist. Das Urteil beanstandet damit in der Sache, dass eine gesetzliche Vorwegnahme des Ergebnisses eines nicht durchgeführten Marktregulierungsverfahrens die sekundärrechtlich vorgegebene verbundförmige Verwaltungskooperation unterläuft und damit die Mechanismen prozeduraler Kohärenzsicherung aushebelt.

bbb) Organisatorische Kompetenzzuweisung an die nationale Regulierungsbehörde

Zudem stellt der EuGH fest, dass „die Rahmenrichtlinie die Beurteilung der Regulierungsbedürftigkeit von Märkten auf die [nationale Regulierungsbehörde] und nicht den nationalen Gesetzgeber überträgt“.99 Art. 15 und 16 der Richtlinie 2002/21/EG seien „ausdrücklich an die [nationale Regulierungsbehörde] gerichtet“. Diese Bestimmungen bildeten die Rechtsgrundlage für die Leitlinien und die Empfehlung der Kommission, die wiederum den nationalen Regulierungsbehörden „Orientierung“ böten, „wenn sie die relevanten Märkte definieren und untersuchen, um zu bestimmen, ob sie einer Vorabregulierung unterworfen werden sollen.“100 Der Sache nach wird also beanstandet, dass die Regelung die zuständige nationale Regulierungsbehörde daran hindere, die Leitlinien und Empfehlung der Kommission maßgeblich zu berücksichtigen. Die Option, dass der Gesetzgeber möglicherweise selbst als nationale Regulierungsbehörde gehandelt haben könnte, wird offenbar aus institutionellen Gründen gar nicht erst in Betracht gezogen. „Folglich greift § 9a TKG als Rechtsvorschrift, die die Regulierung neuer Märkte durch die [nationale Regulierungsbehörde] im Regelfall ausschließt, in die weiten Befugnisse ein, die dieser durch den gemeinsamen Rechtsrahmen gewährt wurden, und hindert sie daran, auf den Einzelfall abgestimmte Regulierungsmaßnahmen zu ergreifen.“101 Die Bestimmung wurde daher für unvereinbar mit Art. 16 der Richtlinie 2002/21/EG erachtet.

bb) Feststellungen in Bezug auf die Systematik der Regulierungsziele

Die Bundesrepublik Deutschland machte in dem Vertragsverletzungsverfahren geltend, durch die neu eingeführten Regelungen des TKG werde lediglich die Intervention der nationalen Regulierungsbehörde im Bereich neuer Märkte vorstrukturiert. Im Rahmen des Gestaltungsspielraums der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Regelungsrahmens sei es möglich, eines der in der Rahmenrichtlinie anerkannten Ziele höher zu gewichten, wenn zwischen diesem Ziel und einem bestimmten Markttyp ein gesicherter Zusammenhang bestehe. Bei neuen Märkten sei dies die notwendige Investitionssicherheit der Unternehmen.102 Der EuGH hat dieses Vorbringen zurückgewiesen. Der Gerichtshof bestreitet hierbei zwar keineswegs, dass im Rahmen des Marktregulierungsverfahrens auch Ziele der Investitionssicherheit und Innovationsförderung berücksichtigt werden könnten – was sich bereits aus Art. 8 Abs. 2 lit. c der Richtlinie 2002/21/EG ergab – und es insoweit auch einer Prioritätensetzung bedarf. Auch hier verweist der Gerichtshof aber auf die in der Richtlinie angelegte Kompetenzzuweisung: Aus der Richtlinie gehe hervor, dass gerade die nationalen Regulierungsbehörden verpflichtet seien, bei der Wahrnehmung der ihnen übertragenen Regulierungsaufgaben die in Art. 8 der Richtlinie 2002/21/EG genannten Regulierungsziele zu fördern. „Folglich steht … auch die Abwägung zwischen diesen Zielen bei der Definition und der Analyse eines für die Regulierung in Betracht kommenden relevanten Marktes den [nationalen Regulierungsbehörden] und nicht den nationalen Gesetzgebern zu.“103 Unter diesen Prämissen war auch § 9a TKG für unvereinbar mit der Telekommunikationsrahmenrichtlinie zu erklären, da hier der parlamentarische Gesetzgeber eine Abwägung im Gesetzgebungsverfahren vorweggenommen hatte, die die Richtlinie nach dem Verständnis des EuGH der nationalen Regulierungsbehörde zuweist.104

Im Ergebnis geht daher der Gerichtshof davon aus, dass die in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2002/21/EG genannten Regulierungsziele zunächst prinzipiell gleichgewichtig sind. Schon in Anbetracht der offenen Disparitäten und Zielkonflikte der dort genannten Regulierungsziele ist es zwar unvermeidbar, Prioritäten und Posterioritäten zu setzen. Die Entscheidung, welchen Zielen inwieweit Vorrang zukommt, betrachtet der EuGH aber als Regelungsaufgabe, die primär erst im Regulierungsverfahren durch die nationale Regulierungsbehörde zu bewältigen ist.

cc) Begrenzte Aussagen in Bezug auf normkonkretisierende Legislativakte

Das Urteil des EuGH ließe sich unter verschiedenen Gesichtspunkten kritisieren. Vor allem hat es der EuGH versäumt, sich mit dem demokratischen Eigenwert konkretisierender Gesetzgebung aus der Sicht des unionsrechtlichen Demokratieprinzips auseinanderzusetzen. Der Gerichtshof hat insoweit den sekundärrechtlichen Regelungsrahmen unkritisch allein anhand einer eher schematischen Abarbeitung des Normtextes und latent wohl auch unter Zugrundelegung von spezifischen Erwartungen an eine vermeintliche Problemlösungsfähigkeit der Regulierungsverwaltung (über-) interpretiert.105 Ungeachtet dessen bleibt der Aussagegehalt in Bezug auf die Möglichkeiten künftiger gesetzlicher Vorstrukturierung vage. Die konkreten Auswirkungen auf die Umsetzung des „TK-Review“ bleiben eher begrenzt. Im Einzelnen ist hierzu Folgendes anzumerken:

aaa) Der Aussagegehalt der Entscheidung

Die Entscheidung wurde zwar z. T. dahingehend interpretiert, der europäische Regelungsrahmen garantiere Entscheidungsspielräume der nationalen Regulierungsbehörde, die der nationale Gesetzgeber nicht einschränken dürfe; dies gelte auch für die anstehende Umsetzung des „TK-Review“.106 Diese ist indes eine zu pauschale und inhaltlich tendenziöse Aussage, die erst einer sorgfältigen Überprüfung bedarf. Vor allem ist zu gewärtigen, dass der EuGH mit § 9a TKG – ungeachtet aller Streitfragen im Detail – eine sehr undifferenzierte Regelung zu beurteilen hatte. Folgerungen für anspruchsvollere und differenziertere Vorstrukturierungen sollten daher nur sehr vorsichtig gezogen werden. Im Einzelnen:

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Die Rahmenrichtlinie eröffnet keinen Entscheidungsspielraum, ob Märkte zunächst einmal überhaupt im Rahmen eines Regulierungsverfahrens untersucht werden, sondern verlangt in jedem Fall eine solche reguläre Prüfung,107 die den Anforderungen der Art. 7, 15, 16 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie entspricht. Demgegenüber blockiert § 9a TKG eine solche Untersuchung grundsätzlich bereits im Vorfeld. § 9a TKG hat also implizit die Entscheidung über die Regulierungsbedürftigkeit in das politische Gesetzgebungsverfahren verlagert. § 9a Abs. 1 TKG strukturiert in der Sache keine Regulierungsentscheidung gesetzlich vor, sondern verhindert, dass es überhaupt zu einem Regulierungsverfahren kommt.108 Die in § 9a Abs. 2 TKG durchaus enthaltene Aufweichung gegenüber Absatz 1 hat der EuGH – ob zu Recht oder nicht, sei dahingestellt – jedenfalls im Ergebnis für nicht ausreichend und die Gesamtregelung insoweit für unionsrechtswidrig erachtet.109 Der EuGH sah sich letztlich mit einer Radikallösung konfrontiert, die auf eine Ausschaltung der Marktregulierung a limine zielte. In Anbetracht der Bedeutung, die der europäische Rechtsrahmen gerade dem im Einzelnen filigran ausdifferenzierten Verfahren zumisst,110 konnte eine derart rigide Regelung absehbar kaum Bestand haben. Für die künftige Ausgestaltung des deutschen Rechts muss dieser Kontext bei einer Bewertung der Entscheidung berücksichtigt werden.

Die Aussagekraft des Urteils ist folglich zwangsläufig zu relativieren, sofern moderatere Regelungen in Rede stehen, bei denen der Gesetzgeber lediglich innerhalb eines durchzuführenden Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens gesetzliche Vorstrukturierungen vornimmt. Beanstandet wird vom EuGH vor allem die generelle Ausnahme eines ganzen (gesetzlich vordefinierten) Marktes aus der Regulierung. Der EuGH stellt zwar klar, dass Erwägungsgrund 27 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie, wonach im Bereich neu entstehender Märkte Marktführer vor unangemessenen Verpflichtungen zu schützen sind, nicht die Freistellung neuer Märkte von der Regulierung sanktioniert habe.111 Der EuGH hat damit aber lediglich einer generellen Regulierungsfreistellung, wie sie in der Sache § 9a TKG bezweckt, eine Absage erteilt, hingegen keine Aussagen dahingehend getroffen, dass den Besonderheiten neuer Märkte, namentlich der gebotenen Investitionssicherheit, nicht durch spezifische gesetzliche Regelungen Rechnung getragen werden dürfe. Eine abschließende Klärung der Frage, ob bzw. inwieweit eine Vorstrukturierung der Regulierungsentscheidungen durch den nationalen Gesetzgeber zulässig sein kann, steht insoweit zwar noch aus.112 Jedenfalls wird man aus den begrenzten Aussagen des Urteils folgenden Schluss ziehen können: Solange der Regulierungsbehörde ein hinreichendes Prüfprogramm verbleibt, kann auch der Gesetzgeber im Rahmen der Richtlinienumsetzung Vorentscheidungen treffen.113

Der nationalen Regulierungsbehörde sind lediglich Marktdefinition, Marktanalyse und abschließende Regulierungsentscheidungen ausschließlich zugewiesen. Der Gesetzgeber darf hiernach also nicht selbst die Regulierungsbedürftigkeit oder Nichtregulierungsbedürftigkeit eines ganzen Marktsegments festlegen. Dies schließt es aber keineswegs aus, die nationale Regulierungsbehörde gesetzlich zu verpflichten, bestimmte Kriterien bei ihrer Regulierungsentscheidung zu berücksichtigen oder bestimmte Regulierungseingriffe normativ zu konditionieren, solange dies nicht der offenen Zieldefinition der Telekommunikationsrahmenrichtlinie und/oder Zugangsrichtlinie zuwiderläuft. Konkrete Regulierungsentscheidungen dürfen nicht gesetzesunmittelbar vorgenommen werden, sondern müssen markt-, problem- und unternehmensspezifisch von der Regulierungsbehörde getroffen werden,114 die insoweit ersichtlich die „technisch und rechtlich geeignetste Einrichtung für die Übernahme von Regulierungsaufgaben der Union“115 ist. Anders gewendet: Entscheidend ist also, dass eine gesetzliche Ausgestaltung nicht die verfahrensrechtliche Einbindung der nationalen Regulierungsbehörde in das Marktregulierungsverfahren nach Art. 7, 15, 16 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie beseitigt. Solange der Gesetzgeber aber nicht marktspezifische Regulierungsentscheidungen in Usurpation von Aufgaben der Regulierungsbehörde vorwegnimmt, bleibt eine gesetzliche Vorstrukturierung zulässig.

Dass die Entscheidung des EuGH zu § 9a TKG eine parlamentsgesetzliche Konkretisierung der Regulierungsziele und -zielrelationen nicht apriorisch ausschließt, belegen auch die Schlussanträge von Generalanwalt Villalón in einem vom Belgischen Verfassungsgerichtshof eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren. Der Generalanwalt führt dort aus: Es sei nicht ausgeschlossen, „dass der Gesetzgeber gelegentlich bestimmte Aufgaben von [nationalen Regulierungsbehörden] übernimmt, wenn der Mitgliedstaat dies als angebracht ansieht, jedoch stets unter Beachtung der erwähnten Voraussetzungen der Vorhersehbarkeit und Transparenz“. Der Gesetzgeber habe sogar die Möglichkeit, Entscheidungen zu erlassen, die unmittelbar in die Kompetenzen der nationalen Regulierungsbehörde eingriffen, „solange er sich nicht diese Eigenschaft anmaßt“, wobei – so wird unter Bezugnahme auf die Entscheidung betreffend § 9a TKG hervorgehoben – der Behörde durch den Gesetzgeber keine ausdrücklich von der Richtlinie zugewiesenen und von Parlaments- wie Regierungshandeln abgesetzten Kompetenzen entzogen werden dürften.116 Bekräftigung erfährt der hier vertretene Standpunkt schließlich auch durch einen Diskussionsbeitrag des seinerzeit an der Entscheidung mitwirkenden Richters Thomas von Danwitz: Der EuGH habe allein beanstandet, dass ein sekundärrechtlich vorgegebenes Marktanalyseverfahren durch gesetzliche Regelung abgeschnitten worden sei. Das Urteil habe mit Fragen der demokratischen Wesentlichkeit nichts zu tun und hierzu auch keine Aussagen treffen wollen.117

bbb) Abstrakt-generelle Vorstrukturierung durch den Gesetzgeber unionsrechtlich möglich

Die Telekommunikationsrahmenrichtlinie legt zwar – wie jüngst der EuGH in seiner Entscheidung vom 6. Oktober 2010 in der Rechtssache Base NV ausdrücklich festgestellt hat118 – nicht fest, wer nach nationalem Recht zulässigerweise zur nationalen Regulierungsbehörde gemacht werden darf. Die Anforderungen an die politische Unabhängigkeit und Selbständigkeit (Art. 3 Abs. 3 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie) sowie die funktionalen Anforderungen des (eindeutig administrativ-sachverständigen) Behördenprofils dürften es aber wohl in der Regel ausschließen, den parlamentarischen Gesetzgeber schlichtweg selbst als Regulierungsbehörde einzusetzen (Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 2009/140/EG). Der Gesetzgeber müsste hierzu nämlich sämtliche organisatorischen und funktionellen Voraussetzungen erfüllen, die die Telekommunikationsrahmenrichtlinie an eine nationale Regulierungsbehörde stellt. Auch dies schließt im Übrigen der EuGH nicht apriorisch aus:119 Das europäische Telekommunikationsregulierungsrecht untersage es „für sich genommen nicht N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (13)grundsätzlich …, dass der nationale Gesetzgeber als nationale Regulierungsbehörde im Sinne der Rahmenrichtlinie tätig wird, sofern er bei der Erfüllung dieser Aufgabe die in den genannten Richtlinien vorgesehenen Voraussetzungen in Bezug auf Fachwissen, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Transparenz erfüllt und gegen die Entscheidungen, die er im Rahmen dieser Aufgabe erlässt, wirksame Rechtsbehelfe bei einer von den Beteiligten unabhängigen Beschwerdestelle gegeben sind.“120 Diese Voraussetzungen dürften von einem Parlament freilich schon aus praktischen Erwägungen, aber auch aus funktionalen Gründen kaum zu erfüllen sein, so dass eine schlichte „Umetikettierung“ des Deutschen Bundestages zur nationalen Regulierungsbehörde keinen gangbaren Ausweg bietet, die in Rede stehenden Konkretisierungsprobleme zu lösen.

Die Entscheidung des EuGH in der Sache Base NV ist vielmehr unter einem anderen Gesichtspunkt für die hier in Rede stehende Fragestellung ergiebig: Der Gerichtshof verdeutlicht durch die von ihm angeführten Kriterien, dass es bei der thematisierten Eignung des Gesetzgebers als Akteur im Regulierungsverfahren von vornherein nicht um abstrakt-generelle Gesetzgebung geht, sondern allein um die Übernahme von Verwaltungsaufgaben durch eine organisatorisch und funktionell unzulänglich verfasste mitgliedstaatliche Stelle. Fachwissen, Unparteilichkeit, Transparenz sowie angemessener Rechtsschutz sind Anforderungen, die von vornherein nur an ein Verwaltungsverfahren gestellt werden können, in dem die nationale Regulierungsbehörde konkrete marktbezogene Entscheidungen trifft. Abstrakt-generelle Gesetzgebung durch ein Parlament lässt sich demgegenüber von vornherein – und zwar auch im gemeineuropäischen Vergleich – hieran nicht messen. Zur Verdeutlichung: Gesetzgebende Parlamente erhalten ihre Legitimation durch allgemeine Wahlen (vgl. auch Art. 3 des 5. Zusatzprotokolls zur EMRK, Art. 39 Abs. 2 der EU-Grundrechtecharta); ein spezifisches Fachwissen der Abgeordneten kann und darf daher nicht gefordert werden.121 Unparteilichkeit bezieht sich begrifflich auf Verfahren, in denen konkrete Parteien auftreten, nicht auf Gesetzgebungsverfahren, die aufgrund ihres abstrakt-generellen Gegenstandes von vornherein nicht parteibezogen sind und in denen die Abgeordneten schon ihrer Funktion nach politisch – sprich: parteiisch – handeln (müssen). Angemessener Rechtsschutz (vgl. Art. 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie) gegen Akte der Gesetzgebung ist schließlich zwar denkbar, bleibt aber gerade im gemeineuropäischen Vergleich eher eine atypische Ausnahme.

Hieraus folgt, dass der EuGH allein die dysfunktionale Übertragung von Administrativfunktionen auf ein Organ der Gesetzgebung ausschließen wollte, das den verwaltungsspezifischen Anforderungen des europäischen Rechtsrahmens nicht gerecht wird. Im Umkehrschluss lässt sich hieraus folgern, dass eine Vorstrukturierung regulierungsspezifischer Fragen durch den Gesetzgeber möglich bleibt, wenn die entsprechenden Regelungen abstrakt und generell gehalten werden, also nicht die Ergebnisse einzelner Marktregulierungsverfahren vorwegnehmen, und insoweit schon gar nicht die Konflikte auslösen, denen die vom EuGH aufgestellten Kriterien vorbeugen sollen. Anders gewendet: Begnügt sich der Gesetzgeber mit einer abstrakt-generellen Vorstrukturierung der Regulierungsentscheidung, ohne die in der Telekommunikationsrahmenrichtlinie vorgesehene Durchführung des gestuften Marktregulierungsverfahrens generell abzuschneiden und ohne der Regulierungsbehörde hinreichende Entscheidungsspielräume zu entziehen (etwa indem der Gesetzgeber Marktdefinition und Marktanalyse bezogen auf konkrete Akteure vorwegnimmt), verstößt er von vornherein nicht gegen die für nationale Regulierungsbehörden geltenden Anforderungen, eben weil er schon nicht als nationale Regulierungsbehörde handelt.

Im Ergebnis bestätigt die Entscheidung des EuGH in der Sache Base NV also den hiesigen Standpunkt, dass abstrakt-generelle Vorstrukturierungen durch Gesetz prinzipiell mit dem europäischen Telekommunikationsrechtsrahmen vereinbar sind, solange die Durchführung eines offenen Marktregulierungsverfahrens möglich bleibt.

ccc) Die partielle Überholung der Entscheidung durch den novellierten Rechtsrahmen

Es stellt sich zudem die Frage, ob sich die vom EuGH bezüglich § 9a TKG aus dem alten Rechtsrahmen abgeleiteten Aussagen in Anbetracht möglicher Akzentverschiebungen hinsichtlich des Regulierungsauftrages durch den novellierten Rechtsrahmen uneingeschränkt fortschreiben lassen. Soweit nämlich die Richtlinie 2009/140/EG bezogen auf die hier in Rede stehenden Fragestellungen neue Regelungen geschaffen hat, greift nach allgemeinen Grundsätzen die Lex-posterior-Regel: Das später erlassene Gesetz geht vor. Die durch den EuGH zur Richtlinie 2002/21/EG vertretene Auslegung ist also für künftige Gesetzgebung nur insoweit maßgeblich, als die in Bezug genommenen Regelungskomplexe nicht ihrerseits durch die Richtlinie 2009/140/EG geändert wurden oder jedenfalls im Gesamtkontext des novellierten Regelungskomplexes abweichend interpretiert werden müssen.

Das vorliegend im Vordergrund stehende Ziel der Förderung eines Infrastrukturausbaus im Bereich neuer Netze findet sich zwar schon im ursprünglichen europäischen Regelungswerk (vgl. Art. 8 Abs. 2 lit. c der Richtlinie 2002/21/EG),122 wurde dort aber eher am Rande touchiert und vor allem von den stärker normativ durchgebildeten anderen Regulierungszielen überlagert. Es spielte daher eher eine untergeordnete Rolle. Ein eigenständiger Auftrag zur Infrastrukturförderung wurde erst innerhalb des durch Richtlinie 2009/140/EG novellierten Rechtsrahmens näher ausdifferenziert und gegenüber konkurrierenden Regulierungszielen entscheidend aufgewertet,123 und zwar regelungstechnisch vor allem über die maßgebliche Erhöhung zum Regulierungsgrundsatz124 sowie durch die korrespondierende Finalisierung in den Erwägungsgründen125. Gerade der Ausbau der Hochgeschwindigkeitsnetze und die Setzung von Anreizen hierzu bilden die herausragenden Kernanliegen des „TK-Review“.126 Namentlich Erwägungsgrund 8 der Richtlinie 2009/140/EG bestimmt, dass es erforderlich ist, „geeignete Anreize für Investitionen in neue Hochgeschwindigkeitsnetze zu schaffen, welche die Innovation bei inhaltsreichen Internetdiensten unterstützen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union stärken werden.“ Zu diesem Zweck ist es ein Grundanliegen der Richtlinie 2009/140/EG, vor allem die – bislang unzulängliche – Rechtssicherheit für entsprechende Investitionen zu erhöhen und Investitionen in neue Netze durch einen – bislang ebenfalls nicht vorhandenen – geeigneten instrumentellen Rechtsrahmen zu fördern (vgl. Erwägungsgründe 8 und 55 der Richtlinie 2009/140/EG sowie Art. 8 Abs. 5 lit. a und d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie).127 Auch die relevante Zielbestimmung der Zugangsrichtlinie wurde explizit um die Förderung von Investitionen ergänzt (Art. 5 Abs. 1 UAbs. 1 der Zugangsrichtlinie).

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Diese Akzentverschiebung bleibt letztlich auch nicht folgenlos für die Auslegung der Entscheidung des EuGH zu § 9a TKG. Durch die Richtlinie 2009/140/EG müssen die in der Entscheidung zu § 9a TKG materiell konkurrierenden Anliegen der Planungs- und Rechtssicherheit als Grundlage von Investitionsentscheidungen einerseits und die Flexibilisierung des Regulierungshandelns im Interesse optimaler Wettbewerbsöffnung andererseits neu bewertet werden. Wenn § 9a Abs. 2 TKG materiell als eine unzulässige gesetzliche Priorisierung des Ziels, Investitionen und Innovationen zu fördern, beurteilt wurde, so muss auch diese Bewertung unter Geltung des novellierten Rechtsrahmens partiell korrigiert werden. Während Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2002/21/EG in der Tat zunächst gleichrangige Regulierungsziele enthielt, nach der Ansicht des EuGH Prioritäten also erst im Regulierungsverfahren gesetzt werden durften, wurden die relativen Zielgewichte durch die Richtlinie 2009/140/EG verschoben. Dies gilt namentlich für die – nachfolgend im Einzelnen zu analysierenden – Regulierungsgrundsätze des Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie, die als strikte Regeln gegenüber den abwägungsabhängigen Regulierungszielen in der Sache vorrangig sind.128

Aus Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 2009/140/EG folgt zwar, dass der Richtliniengeber die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden gegenüber äußerer Einflussnahme abschirmen will. „Wegen einer derartigen äußeren Einflussnahme“ eigneten „sich nationale rechtssetzende Organe nicht dazu, als nationale Regulierungsbehörde nach dem Rechtsrahmen zu fungieren.“ Damit ist jedoch wiederum lediglich eine Übernahme von konkreten (fall- und situationsbezogenen) Regulierungsentscheidungen gemeint, die der Rechtsrahmen den nationalen Regulierungsbehörden zuweist. Eine gesetzliche Vorstrukturierung der behördlichen Regulierungsentscheidungen durch abstrakt-generelle Vorgaben schließt dies, wie bereits dargelegt, gerade nicht aus.

Resümierend lässt sich daher festhalten: Der novellierte Rechtsrahmen hat zwar das grundsätzliche Kompetenzverteilungsmodell der Telekommunikationsrahmenrichtlinie nicht abgelöst, die bisherigen Vorgaben aber durch neue Impulse, verbindliche Grundsätze und instrumentelle Umsetzungszwänge überlagert. Der Richtliniengeber hat in der Sache das Anliegen der Bundesregierung, das im Fall des § 9a TKG auf der Grundlage des alten Regelungswerks vor dem EuGH gescheitert ist, selbst im Wege der Rechtsetzung aufgegriffen und der Investitionssicherheit und -förderung entsprechend Rechnung getragen.129 Die Aussagen des EuGH-Urteils können daher nicht schematisch auf die anstehende Umsetzung der Richtlinie 2009/140/EG übertragen werden.130 Vielmehr bedarf es einer differenzierten Prüfung, inwiefern die regulierungsrechtlichen Vorgaben des novellierten Regelungsrahmens dem Gesetzgeber Gestaltungsspielräume zur Vorstrukturierung belassen, solche Spielräume bewusst eröffnen oder im Interesse einer praktisch wirksamen Richtlinienumsetzung sogar konkretisierende Regelungen einfordern (dazu unten, unter III.).

ddd) Mitberücksichtigung nachgelagerter Entwicklungen

Zur Beurteilung der Frage, welche Folgerungen aus der Entscheidung des EuGH zu § 9a TKG für die künftige Ausgestaltung des deutschen TKG zu ziehen sind, müssen auch nachgelagerte Entwicklungen in den Blick genommen werden, die nicht ohne Einfluss auf die zutreffende Ausdeutung des EuGH-Urteils zu § 9a TKG bleiben können. Auf der Ebene der Rechtsprechung ist dies die Entscheidung des EuGH vom März 2010 zum unabhängigen Datenschutzbeauftragten, auf der Ebene des Primärrechts das Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages.

(1) Datenschutz-Entscheidung des EuGH

Der EuGH hatte zu entscheiden, ob die europäische Datenschutzrichtlinie die politische Unabhängigkeit der nationalen Datenschutzbeauftragten fordert. Der Gerichtshof wurde hierbei seitens der Bundesregierung mit dem Argument konfrontiert, die politische Unabhängigkeit einer zu Eingriffen befugten Behörde verstoße gegen das (europäische) Demokratieprinzip.131 Dies gab dem EuGH Anlass, sich jedenfalls ansatzweise mit den Anforderungen des Demokratieprinzips i. S. d. europäischen Primärrechts auseinanderzusetzen. Auch wenn die Entscheidung insgesamt eher enttäuschend ausfällt und die Möglichkeiten einer Ausdeutung und Konturierung des europäischen Demokratieprinzips nicht ausgeschöpft hat,132 enthält sie doch wichtige Anhaltspunkte zu den allgemeinen Legitimationsanforderungen unabhängiger Behörden. Die dortigen Ausführungen sind für den vorliegenden Kontext schon deshalb potentiell ergiebig, weil nach Art. 3 Abs. 3a UAbs. 1 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie die nationalen Regulierungsbehörden ebenfalls fallbezogen unabhängig entscheiden müssen. Der EuGH betont, dass der Grundsatz der Demokratie zur Unionsrechtsordnung gehört und in Art. 6 Abs. 1 EU a. F. (siehe jetzt Art. 2, Art. 10 Abs. 1 EUV) ausdrücklich als Grundlage der EU niedergelegt ist. Das unionsrechtliche Demokratieprinzip sei als sämtlichen Mitgliedstaaten gemeinsamer Grundsatz „bei der Auslegung eines sekundärrechtlichen Aktes … zu berücksichtigen“.133 Mit der Verdichtung unionsrechtlich initiierter Freiheitseingriffe – das Regulierungsrecht ist hier das derzeit wohl dynamischste Referenzgebiet134 – müssen ganz allgemein auch die Anforderungen an die demokratische Legitimation im Unionsverwaltungsrecht angehoben und schärfer als bislang nachgezeichnet werden.135 Da es sich bei den bezeichneten Einflüssen des Demokratieprinzips auf die Auslegung und Anwendung des Unionsrechts um Konsequenzen eines allgemeinen primärrechtlichen Gebotes handelt, ist dies in jedem Fall auch bei der Interpretation des hier in Rede stehenden telekommunikationsrechtlichen Regelungsrahmens zu beachten.

Der EuGH stellt zwar unter Bezugnahme auf die Staatsorganisation der Mitgliedstaaten fest, dass das Demokratieprinzip nicht generell unabhängige Verwaltungsbehörden ausschließe,136 betont aber zugleich die strikte Bindung an das Gesetz und die Unterwerfung unter eine – im Hinblick auf die praktische Durchsetzung des Rechts durchaus demokratierelevante – gerichtliche Kontrolle.137 Gesetzesbindung und Rechtsschutz vermögen ihre legitimationsstiftende Kraft indes nur zu entfalten, wenn der jeweilige Gesetzgeber auch tatsächlich regelnd tätig geworden ist.138 Nur gesetzliche Vorgaben können die sachlich-inhaltliche Legitimation kompensatorisch verstärken und rechtliche Maßstäbe schaffen, deren praktische Wirksamkeit sich durch gerichtliche Kontrolle stabilisieren lässt. Dies erkennt zumindest implizit auch der EuGH an. Der Gerichtshof hebt zutreffend hervor, dass „ein Fehlen jeglichen parlamentarischen Einflusses auf diese Stellen“ auch gemessen am unionsrechtlichen Demokratieprinzip „nicht in Betracht“ komme.139 Neben der Bestellung des Personals durch demokratisch legitimierte Amtswalter könne der Einfluss des Parlaments dadurch sichergestellt werden, dass „der Gesetzgeber die N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (15)Kompetenzen“ der jeweiligen Behörden festlege.140 Dies bedeutet aber nichts anderes als die Vermittlung sachlich-inhaltlicher Legitimation durch hinreichend verdichtete gesetzliche Bindungen.

Insoweit stellt der EuGH in der Sache darauf ab, ob – in der etablierten Terminologie der deutschen Verfassungsdogmatik formuliert141 – insgesamt ein hinreichendes demokratisches Legitimationsniveau erreicht wird.142 Hierbei kommt der gesetzlichen Festlegung der Kompetenzen gerade bei unabhängigen Verwaltungsbehörden entscheidende Bedeutung zu. Dies ist aber von unmittelbarer Bedeutung für die Frage der gesetzlichen Ausgestaltungsspielräume im Rahmen des novellierten europäischen Rechtsrahmens. Einer Kombination des Organisationsmodells der unabhängigen Behörde mit dem inhaltlichen Regelungsmodell des weiten behördlichen Entscheidungsspielraums setzt insoweit – ungeachtet fortbestehender Unsicherheiten im Detail – auch das europäische Demokratieprinzip Grenzen.143 Dass Art. 3 Abs. 3a UAbs. 1 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie im Kontrast zum novellierten Regelungsrahmen im Energierecht nicht generell die politische Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörde fordert, sondern sich vielmehr damit begnügt, unabhängige Entscheidungen im Einzelfall zu fordern, ändert hieran in der Sache nichts. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich um jeweils komplexe Entscheidungen über marktbezogene Makrosachverhalte von kardinaler wirtschafts-, sozial- und infrastrukturpolitischer Tragweite handelt, die in qualifizierter Weise demokratisch verantwortet werden müssen.144 Die darüber hinaus weiterhin mögliche Einflussnahme des ressortzuständigen Ministeriums auf die Bundesnetzagentur mittels fallunabhängiger Weisungen und abstrakt-genereller Verwaltungsvorschriften ist also bezogen auf den Regelungsgegenstand nur von sehr begrenzter inhaltlicher Tragweite.

In der EU bilden aufgrund des Vorrangs des dezentralen Vollzugs die mitgliedstaatlichen Verwaltungen das Scharnierelement demokratischer Legitimationsmittlung.145 Hier laufen nationale und europäische Legitimationsstränge vollzugsbezogen zusammen und können miteinander verknüpft werden. Dies ist schon deshalb notwendig, weil demokratische Legitimationsmittlung in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich abläuft. Etwa in einem Präsidialsystem hat die Exekutive von vornherein einen anderen demokratischen Stellenwert als in den (in der EU die ganz überwiegende Mehrheit stellenden) repräsentativen Demokratien; der demokratische Legitimationsbeitrag partizipativer Elemente ist ebenfalls rechtskulturell sehr unterschiedlich ausgeprägt. Da aber die mitgliedstaatlichen Verwaltungen ganz entscheidende Eigenanteile an der fall- und anwendungsbezogenen Konkretisierung und Individualisierung des (oftmals nur final strukturierten) Unionsrechts haben,146 bedarf es einer ergänzenden Vollzugslegitimation, die nur von den Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihrer Verfassungsordnungen ausgehen kann. Bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland erfolgt diese Legitimationsergänzung vornehmlich durch Parlamentsgesetz, das die Bindungen der Verwaltung konkretisiert und ausgestaltet.

(2) Stärkung des demokratischen Elements der Union durch den Lissabon-Vertrag

Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sind allgemeine Strukturprinzipien des europäischen Verwaltungsverbundes.147 Der Vertrag von Lissabon hat die demokratische Organisationsstruktur des europäischen Primärrechts deutlicher sichtbar gemacht und zusätzlich normativ angereichert. Auch wenn der Lissabon-Vertrag die institutionelle Architektur der Union nicht grundlegend verändert hat, wurden doch neue Akzente gesetzt,148 die gerade bei der Feintarierung des europäischen Verwaltungsrechts ausschlaggebend sein können. Vor allem die dem Reformvertrag inhärenten Demokratisierungsimpulse sind auch bei der Auslegung des geltenden Telekommunikationsrechtsrahmens zu beachten. Der Vertrag verstärkt dabei indirekt die zentrale Rolle der Umsetzungsgesetzgebung, mit dem Ziel ergänzende demokratische Legitimation zu stiften und die rechtsstaatliche Programmierung der Verwaltung sicherzustellen. Dies führt nach dem hier zugrundeliegenden Verständnis gerade nicht zu einem Konflikt zwischen der Aufgabe des Gesetzgebers, abstrakt-generelle gesetzliche Vorgaben zu schaffen, und dem von den Telekommunikationsrichtlinien gewollten Entscheidungsspielraum nationaler Regulierungsbehörden. Zwar wurde das Legislativpaket des „TK-Review“ wenige Tage vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages auf der Grundlage des alten EG-Vertrags verabschiedet. Die Umsetzung der Richtlinie erfolgt jedoch bereits nach Maßgabe des reformierten Primärrechts, dessen allgemeine rechtsstaatliche und demokratische Anforderungen unmittelbar und ohne Übergangsfristen149 mit Inkrafttreten des Vertrages zum 1. Dezember 2009 Geltung beanspruchen. Im Einzelnen ist auf folgende Bestimmungen hinzuweisen:

(a) Repräsentative Demokratie und demokratische Rechtsetzung

Nach Art. 10 Abs. 1 EUV beruht die Arbeitsweise der Union auf dem System der repräsentativen Demokratie. Diese Systementscheidung verwirklicht sich – der schon bisher geltenden dualen Legitimationsstruktur der Union150 entsprechend – ausweislich Art. 10 Abs. 2 EUV zum einen über das Europäische Parlament, zum anderen über die demokratisch verantwortlichen Regierungen der Mitgliedstaaten, die im Rat vertreten sind („Zwei-Kammer-Modell“151). Sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat sind aber Gesetzgebungsorgane, woraus folgt, dass die materielle Gesetzgebung auch nach Unionsrecht der Ausgangs- und Bezugspunkt der demokratischen Legitimationsmittlung ist.152 Die Kommission, also die Verwaltungsspitze der EU-Eigenverwaltung,153 und deren Verwaltungsunterbau erlangen zudem personelle Legitimation durch den Europäischen Rat und vor allem durch das Parlament (Art. 17 Abs. 7 EUV), dem gegenüber die Kommission als Kollegialorgan verantwortlich ist (Art. 17 Abs. 8 EUV). Hieraus lässt sich Folgendes ableiten: Zum einen wurde das im deutschen Staatsrecht etablierte Modell der Legitimationskette vom Unionsrecht weitgehend adaptiert.154 Zum anderen wird einer originären sachlich-inhaltlichen Legitimation der Verwaltung eine Absage erteilt. Mit Art. 10 Abs. 1 EUV fordert der Lissabon-Vertrag letztlich eine Union, in der demokratische Grundstrukturen auf allen Entscheidungsebenen durchgebildet sind.155

Diese abstrakte Strukturentscheidung setzt sich in der Verteilung der Organzuständigkeiten fort, soweit die Befugnis, sekundärrechtlich Rechtsetzungsbefugnisse auf die Kommission zu übertragen, durch Art. 290 AEUV begrenzt wurde. Eine Delegation darf nur die Ergänzung oder Änderung „nicht wesentlicher Vorschriften“ erfassen (Art. 290 Abs. 1 AEUV). Es müssen – parallel zu Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG – „Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befugnisübertragung ausdrücklich festgelegt“ werden N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (16)(Art. 290 Abs. 2 S. 1 AEUV). „Die wesentlichen Aspekte eines Bereichs sind dem Gesetzgebungsakt vorbehalten und eine Befugnisübertragung ist für sie deshalb ausgeschlossen“ (Art. 290 Abs. 2 S. 2 AEUV). Der Lissabon-Vertrag hat insoweit die Hierarchisierung der europäischen Rechtsetzungsformen eingeleitet,156 fordert damit aber auch ganz allgemein die demokratisch wie rechtsstaatlich unabdingbare Herstellung klarer Ableitungszusammenhänge, nicht zuletzt für die Kompetenzen materieller Verwaltung (Konstruktionsmodell der normativen Ermächtigung). Insgesamt wird nach dem Demokratiekonzept des Lissabon-Vertrags also demokratische Legitimation primär über die Rechtsetzung hergestellt. Diese Wertentscheidung ist dann aber auch konsequent im Rahmen der Umsetzung des Sekundärrechts zu berücksichtigen, das die Mitgliedstaaten nicht auf ein Vollzugsmodell verpflichten kann, das seinerseits mit den Grundstrukturen europäischer Verwaltungslegitimation unvereinbar wäre.

(b) Die Rolle der nationalen Parlamente im indirekten Vollzug

Der Lissabon-Vertrag hat zudem durch Art. 12 EUV – arrondiert durch das Protokoll (Nr. 34) über die Rolle der nationalen Parlamente in der EU – die Rolle der nationalen Parlamente im europäischen Rechtsetzungsprozess deutlich hervorgehoben und institutionell gestärkt.157 Auch wenn es im Rahmen des Art. 12 EUV in erster Linie um Partizipation innerhalb der demokratischen Willensbildung auf Unionsebene geht, verdeutlicht diese Bestimmung, die im Titel über „die demokratischen Grundsätze“ der Union steht sowie im Zusammenhang mit der zweiten Schiene demokratischer Legitimationsmittlung nach Art. 10 Abs. 2 EUV zu lesen ist,158 dass die nationale Gesetzgebung ein wesentliches Element der demokratischen Rechtsetzung in der EU bleibt. Art. 12 EUV ist vor allem im Zusammenhang mit Art. 291 Abs. 1 AEUV zu betrachten, der bestimmt: „Die Mitgliedstaaten ergreifen alle zur Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union erforderlichen Maßnahmen nach innerstaatlichem Recht.“ Hier wird die Grundentscheidung für einen indirekten Vollzug des Unionsrechts und dessen prinzipielle Umsetzungsbedürftigkeit besonders hervorgehoben.159 Die organisatorische Basis des europäischen Verwaltungsrechts bilden daher die mitgliedstaatlichen Verwaltungen,160 deren Entscheidungskompetenzen wiederum in erster Linie durch das nationale Parlamentsgesetz legitimiert werden. Der Lissabon-Vertrag hat ganz in diesem Sinne die Verlagerung von Durchführungsbefugnissen auf die Union nach Art. 291 Abs. 2 AEUV gegenüber Art. 202 tir. 3 EG a. F. an weitergehende Voraussetzungen geknüpft,161 insgesamt also die dezentrale Verwaltungsstruktur zusätzlich gestärkt.162 Indirekt wird hierdurch einmal mehr die zentrale Rolle der Umsetzungsgesetzgebung unterstrichen, die gleichermaßen ergänzende demokratische Legitimation zu stiften, die rechtsstaatliche Programmierung der Verwaltung sicherzustellen und die effektive Wirksamkeit des Unionsrechts zu ermöglichen hat.

(c) Resümee: stärkere Verwaltungsprogrammierung durch Gesetzgebung

Resümierend lässt sich daher festhalten, dass das Organisationsmodell des Lissabon-Vertrages zur Herstellung demokratischer Legitimation entscheidend auf der materiellen Gesetzgebung gründet, die durch die Festlegung von Entscheidungsmaßstäben dem Behördenhandeln sachlich-inhaltliche Legitimation vermittelt. Das Unionsrecht erkennt insoweit weder eine autonome noch eine gesetzesfreie Verwaltungslegitimation an. Es verweist vielmehr kumulativ auf das europäische Rechtsetzungsverfahren, das über den Rat und das Europäische Parlament eine duale demokratische Legitimation vermittelt, und auf die nationalen Parlamente für die sachlich-inhaltliche Steuerung des indirekten Unionsrechtsvollzugs durch nationale Behörden. Dieser Fortentwicklung und stärkeren Konturierung des europäischen Legitimationsmodells muss auch im Rahmen der Umsetzung geltender Richtlinien – gleich ob diese vor oder nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages verabschiedet wurden – Rechnung getragen werden: Das reformierte Unionsrecht enthält hiernach eine allgemeine Vermutung zugunsten der Zulässigkeit einer Konkretisierung rechtlicher Anforderungen durch die Gesetzgeber der Mitgliedstaaten.

3. Konsequenz und Schlussfolgerung für die anstehende TKG-Novelle

Im Ergebnis lassen sich bezogen auf die anstehende Novellierung des TKG folgende Schlussfolgerungen ziehen: Der geltende europäische Rechtsrahmen für die Regulierung der Telekommunikation enthält eine Reihe abstrakter Zielvorgaben für die nationalen Regulierungsbehörden sowie ein teils detailliertes verfahrensrechtliches Korsett, durch das die nationalen Behörden in einen europäischen Regulierungsverbund integriert werden. Diese Vorgaben begrenzen zwar einerseits die Möglichkeiten des deutschen Gesetzgebers, bei der Umsetzung der Richtlinie die Bindungen der nationalen Regulierungsbehörde beliebig zu verdichten. Soweit das Unionsrecht Entscheidungsspielräume positiv fordert, dürfen diese nicht durch gesetzliche Vorgaben blockiert werden. Andererseits schließt dies jedoch keineswegs aus, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung regulierungsrechtliche Zielvorgaben präzisiert und relative Zielprioritäten setzt, also Entscheidungen der nationalen Regulierungsbehörde vorstrukturiert. Die Grenze der Gestaltungsbefugnis ist erst dort erreicht, wo das von der Telekommunikationsrahmenrichtlinie verbindlich vorgegebene Marktregulierungsverfahren ausgehebelt wird. Gesetzliche Vorstrukturierungen der Regulierungsentscheidung sind jedenfalls prinzipiell zulässig, solange sie nicht verhindern, dass überhaupt ein ergebnisoffenes Marktregulierungsverfahren nach den Art. 15, 16 i. V. m. Art. 7 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie durchgeführt wird.

Die Entscheidung des EuGH zu § 9a TKG steht einer stärkeren gesetzlichen Vorstrukturierung regulierungsbehördlicher Entscheidungen im Rahmen der anstehenden Umsetzung des „TK-Review“ nicht entgegen. Zum einen hat das Urteil gesetzliche Konkretisierungen nicht generell für unvereinbar mit dem Telekommunikationsrechtsrahmen erachtet. Der EuGH verlangt – ungeachtet aller Kritikwürdigkeit des Urteils – vielmehr lediglich, dass ein sekundärrechtlich gefordertes Marktregulierungsverfahren durchlaufen wird und in der Verantwortung der nationalen Regulierungsbehörde bleibt. Lediglich gesetzliche Vorgaben, die ein solches Verfahren apriorisch ausschließen, sind mit den Vorgaben des Sekundärrechts unvereinbar. Soweit der EuGH in § 9a TKG eine unzulässige Zielpriorisierung erblickte, ist diese Aussage durch die weitere Rechtsentwicklung überholt worden, da der Richtliniengeber nunmehr selbst den Belangen der Planungssicherheit und Investitionsförderung Rechnung getragen und diese inhaltlich aufgewertet hat. Diese Ziele der Richtlinie bedürfen einer wirksamen Umsetzung, die auf verbindliche konkretisierende Vorgaben aus regelungsinhärenten Gründen nicht verzichten kann.

Schließlich ist auch der nachfolgenden Rechtsentwicklung Rechnung zu tragen. Zum einen hat der EuGH in seiner Entscheidung zur Unabhängigkeit der mitgliedstaatlichen Datenschutzbeauftragten zu erkennen gegeben, dass er ein hinreichendes demokratisches Legitimationsniveau unabhängiger Behörden für erforderlich erachtet und ein probates Mittel hierzu die materielle Programmierung der Verwaltung durch das Gesetz ist. Zum anderen ist zwischenzeitlich der Reformvertrag von Lissabon in Kraft ge¬N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (17)treten, der sowohl die demokratische als auch die dezentrale Verwaltungsstruktur der EU gestärkt hat und die Rolle der mitgliedstaatlichen Parlamente im Prozess europäischer Rechtserzeugung unterstreicht.

Der deutsche Gesetzgeber ist daher dazu aufgefordert, seiner Verpflichtung zur praktisch wirksamen Umsetzung der Richtlinie 2009/140/EG auch dadurch nachzukommen, dass er durch konkretisierende Vorgaben, wo dies möglich ist, die demokratische sowie gleichermaßen die rechtsstaatliche Determination der nationalen Regulierungsverwaltung gegenüber dem Status quo intensiviert. Im Übrigen kommt es darauf an, welche konkreten Vorgaben sich den Einzelbestimmungen der Richtlinie 2009/140/EG entnehmen lassen. Hierauf wird im Folgenden näher einzugehen sein.

III. Konkretisierungsbefugnisse des Gesetzgebers im Rahmen des „TK-Review“

Im Folgenden ist zu untersuchen, welche Anforderungen ausgewählte Regelungen der Richtlinie 2009/140/EG an eine gesetzliche Umsetzung stellen bzw. welche Spielräume sie zu einer konkretisierenden Ausgestaltung durch den parlamentarischen Gesetzgeber belassen.

1. Das Verhältnis zwischen Regulierungszielen und Regulierungsgrundsätzen nach Art. 8 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie

Die Richtlinie 2009/140/EG hat Art. 8 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie um einen Absatz 5 ergänzt, der Grundsätze der Regulierung einführt, die für die vorliegende Fragestellung von zentraler Bedeutung sind, weil hier die in den Erwägungsgründen explizierten Maximen der Planungssicherheit, der Investitionsförderung und der Regionalisierung in Vorgaben des verfügenden Teils der Richtlinie umgesetzt werden. Die Richtlinie hat die Regulierungsgrundsätze von den Regulierungszielen sowohl semantisch als auch systematisch abgesetzt, ohne dass die dahinter stehenden Unterschiede im Regelungsansatz auf den ersten Blick transparent werden. Bereits der Richtliniengeber der ursprünglichen Richtlinie 2002/21/EG schien offenbar davon auszugehen, dass Ziele und Grundsätze der Regulierung unterschiedliche Regelungsstrukturen besitzen (vgl. die Überschrift zu Art. 8 der Richtlinie 2002/21/EG),163 hat aber in der Richtlinie keine eigenständigen Grundsätze ausdifferenziert.164 Dies hat sich nun geändert.

Die Regulierungsziele werden in Art. 8 Abs. 2 bis 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie im Einzelnen bezeichnet, sind aber bewusst zurückhaltend formuliert. Die nationalen Regulierungsbehörden fördern den Wettbewerb (Absatz 2), tragen zur Entwicklung des Binnenmarktes bei (Absatz 3) und fördern das Interesse der Bürger der EU (Absatz 4). Die Regulierungsziele stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem materiellen Gebot des Art. 7 Abs. 1 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und den Einzelrichtlinien tragen die nationalen Regulierungsbehörden gemäß Art. 7 Abs. 1 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie „den in Artikel 8 genannten Zielen, auch soweit sie sich auf das Funktionieren des Binnenmarkts beziehen, weitestgehend Rechnung.“ In der Sache handelt es sich hierbei also um ein regulierungsspezifisches Optimierungsgebot, wonach die Regulierungsziele als einzelne Abwägungsbelange in eine Gesamtabwägung einzustellen und relational bestmöglich zur Geltung zu bringen sind.165

Demgegenüber wird in anderen Zusammenhängen durch eine insoweit konsistente Terminologie des Richtliniengebers erkennbar, dass Grundsätze mehr sind als bloße Optimierungsgebote. In Art. 11 Abs. 1 UAbs. 2 tir. 2 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie ist etwa von den Grundsätzen der Transparenz und der Nichtdiskriminierung die Rede, die von der Regulierungsbehörde „befolgt“ werden. Transparenz und Nichtdiskriminierung sind unzweifelhaft strikte Regeln,166 keine bloßen Abwägungsbelange, so dass die Richtlinie konsequent eine Befolgungspflicht anordnet. Entsprechendes gilt für die Grundsätze des Wettbewerbs in Art. 15 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, Abs. 3 S. 1, für die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts (wie die Grundrechte und -freiheiten) nach Art. 1 Abs. 3a UAbs. 1 und 2, den – in Art. 6 Abs. 2 EMRK unverbrüchlich niedergelegten – Grundsatz der Unschuldsvermutung nach Art. 1 Abs. 3a UAbs. 2 oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Art. 12 Abs. 1 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie. Die Richtlinie verwendet also einen kohärenten Begriff des Grundsatzes, der gerade keine nur grundsätzliche Geltung (also im rechtstheoretischen Sinne ein Rechtsprinzip) meint, sondern eine Regel, die strikt zu befolgen ist. Es besteht mithin keine Möglichkeit, einen Grundsatz i. S. d. Richtlinie durch konkurrierende Abwägungsbelange zu überwinden. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Grundsatz (wie die Verhältnismäßigkeit) selbst seinerseits ein Abwägungsgebot enthält.

Genau hieran knüpft nun Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie an, indem er Folgendes bestimmt: „Die nationalen Regulierungsbehörden wenden bei der Verfolgung der in den Absätzen 2, 3 und 4 festgelegten politischen Ziele objektive, transparente, nicht diskriminierende und verhältnismäßige Regulierungsgrundsätze an“. Diese Grundsätze werden in den Buchstaben a bis f näher bezeichnet. Eine systematische Gesamtbetrachtung verdeutlicht: In den Absätzen 2 bis 4 werden lediglich politische Zielvorgaben der Regulierung fixiert, die durch das Regulierungshandeln im Sinne eines Auftrags zur Optimierung weitestmöglich zu verwirklichen sind. Bei der Erfüllung dieses Auftrags sind jedoch im Rahmen der Anwendung und inhaltlichen Ausgestaltung der Regulierungsmaßnahmen die strikten Gebote der Objektivität, Transparenz, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit zu befolgen. Das politische Regulierungsziel heiligt nicht alle Mittel. Die in den Buchstaben a bis f aufgenommenen Regelbeispiele („unter anderem“) werden hierbei als Ausformung der Grundsätze der Objektivität, Transparenz, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit definiert („indem“). Die Vorgaben aus Art. 8 Abs. 5 lit. a bis f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie sind also strikte Regeln, die von der Regulierungsbehörde in jedem Fall zu befolgen sind und insoweit mangels Dispensmöglichkeit Vorrang vor den lediglich als Prinzipien ausgestalteten Regulierungszielen der Absätze 2 bis 4 haben.167 Eine lediglich suboptimale Zielverwirklichung ist hinzunehmen, falls anderenfalls Regulierungsgrundsätze verletzt würden. Konsequenterweise wurde daher mit der Aufwertung zum Regulierungsgrundsatz (Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie) auch das bisherige bloße Regulierungsziel, effiziente Infrastrukturinvestitionen zu fördern und die Innovation zu unterstützen (Art. 8 Abs. 2 lit. c der Telekommunikationsrichtlinie 2002/21/EG), gestrichen.

Hieraus folgt zugleich, dass die vom EuGH im Urteil zu § 9a TKG postulierte Gleichrangigkeit der von der Regulierungsbehörde zu verwirklichenden Ziele168 dahingehend zu modifizieren ist, dass die Einhaltung der Regulierungsgrundsätze nach Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie in jedem Fall vorrangig gegenüber dem allgemeinen zielgebundenen Auftrag der Regulierungsbehörden ist. Insoweit hat also bereits der Richtliniengeber selbst über den Kunstgriff einer Ausdifferenzierung von Zielen N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (18)einerseits und Grundsätzen andererseits eine Priorisierung vorgenommen. Gesetzliche Regelungen, die die vorrangige Beachtung der Regulierungsgrundsätze sicherstellen, sind demnach ebenfalls zulässig und zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie auch notwendig, da das differenzierte Profil von Regulierungszielen und Regulierungsgrundsätzen bislang in das deutsche TKG noch keinen Eingang gefunden hat (vgl. § 2 Abs. 2 TKG).169

2. Berücksichtigung von Erwägungsgründen

Entscheidende Bedeutung für die Bestimmung der Spielräume des Gesetzgebers bei der Umsetzung der Richtlinie kommt den Erwägungsgründen zu, die teils konkretisierende oder erläuternde Vorgaben enthalten. Der nach Art. 253 EG a. F. bzw. Art. 296 Abs. 2 AEUV zwingend vorgeschriebenen Begründung von Rechtsakten, die von Unionsorganen erlassen werden, kommt im Vergleich zum deutschen Recht eine qualifizierte Bedeutung zu.170 Legislative Erwägungsgründe sind im Unionsrecht integraler Bestandteil des Gesetzgebungsdokuments,171 was zugleich ihre besondere Stellung im Rahmen der Interpretation des jeweiligen Rechtsakts ausmacht. Dies gilt insbesondere für Richtlinien, die als normativer Rahmen für die Mitgliedstaaten fungieren, insoweit aber meist regelungstechnisch als eine gesetzlich zu konkretisierende Anleitung formuliert sind. Richtlinien weisen aus diesem Grund funktional eine geringere Bestimmtheit auf, weshalb es umso mehr auf die methodisch tragfähige Ermittlung des jeweiligen Regelungsziels ankommt.

In Anbetracht des Nebeneinanders der verschiedenen Sprachfassungen kommt bei der Auslegung des Unionsrechts dem Wortlautargument im Vergleich zum nationalen Recht eine reduzierte Bedeutung zu.172 Ähnliches gilt für die historisch-genetische Interpretation, die im Hinblick auf den ebenenspezifisch verschränkten und organisatorisch wie funktional stark gegliederten europäischen Rechtsetzungsprozess bestenfalls unvollkommen zu entfalten ist. Demgegenüber treten andere Auslegungsmethoden in den Vordergrund. Eine herausragende Bedeutung kommt hierbei der teleologischen Interpretation zu.173 Der jeweilige Zweck wird wiederum in der Rechtsprechung mehrheitlich mittels der Erwägungsgründe ermittelt.174 In der Rechtsprechung des EuGH wird unmittelbar und meist mit eher beiläufiger Selbstverständlichkeit auf die Erwägungsgründe rekurriert, um den jeweiligen Norminhalt zu bestimmen.175 Dies gilt insbesondere für die Ermittlung des materiellen Regelungsziels einer Richtlinie,176 wobei die Erwägungsgründe bisweilen gleichberechtigt neben der Zielbestimmung des verfügenden Teils eines Rechtsaktes genannt werden.177

Zwar lassen sich allein aus Begründungserwägungen noch keine Rechte ableiten, solange sich die Begründung nicht auch im verfügenden Teil der Richtlinie niedergeschlagen hat.178 Im Kontrast zu bloßen Gesetzgebungsmaterialien (etwa den Parlamentsdrucksachen oder KOM-Dokumenten) haben die „Erwägungsgründe Teil an der Autorität und Dignität des publizierten Normtextes“.179 Der Rekurs auf die Erwägungsgründe ist daher das primäre Hilfsmittel zur Bestimmung des Inhalts der Richtlinie; die Rechtsanwender sind strikt auf eine Auslegung der verfügenden Bestimmungen einer Richtlinie verpflichtet, die mit den zugrundeliegenden Erwägungsgründen konform geht.180 Dies muss erst recht dann gelten, wenn eine Richtlinie – wie vorliegend hinsichtlich der Richtlinie 2009/140/EG der Fall – erkennbar die Erwägungsgründe in Konnexität zu einzelnen, jeweils eindeutig zuordenbaren Bestimmungen des verfügenden Teils formuliert.

Der nationale Gesetzgeber hat schließlich nach gefestigter Rechtsprechung innerhalb der durch eine Richtlinie belassenen Entscheidungsfreiheit die Formen und Mittel zu wählen, „die sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit (effet utile) der Richtlinien unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Zwecks am besten eignen.“181 Dies bedeutet, dass die Erwägungsgründe entscheidend für den Umsetzungs- und Konkretisierungsbedarf sind, da der Zweck der Richtlinie und damit das Maß der herzustellenden praktischen Wirksamkeit maßgeblich erst anhand der Erwägungsgründe zu bestimmen ist. Der Umsetzungsgesetzgeber ist daher dazu aufgerufen, die effektive Wirksamkeit der Richtlinie durch geeignete Regelungen sicherzustellen, die den insbesondere in den Erwägungsgründen niedergelegten materiellen Regelungszielen zur Durchsetzung verhelfen. Soweit Erwägungsgründe keinen unmittelbaren Eingang in den verfügenden Teil der Richtlinie gefunden haben, aber entscheidend den Bedeutungsgehalt der Richtlinie objektivieren, ergibt sich hieraus ein Regelungsauftrag an den nationalen Umsetzungsgesetzgeber zur erwägungsgrundgeleiteten Konkretisierung des Richtlinienrechts.182 Dies wird im Folgenden zu beachten sein.

3. Normative Vorgaben der einzelnen Regulierungsgrundsätze

Die im vorliegenden Kontext entscheidenden regulierungsrechtlichen Vorgaben finden sich vor allem in Art. 8 Abs. 5 und Art. 12 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie, die durch die Richtlinie 2009/140/EG eingefügt bzw. neugefasst wurden.

a) Allgemeines

Zunächst einmal formuliert Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie allgemeine Anforderungen an die Regulierung, die gleichsam den vor die Klammer gezogenen Überbau der im Einzelnen aufgezählten Grundsätze der Buchstaben a bis f bilden. Die nationalen Regulierungsbehörden wenden hiernach bei der Verfolgung der in den vorstehenden Absätzen festgelegten N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (19)politischen Ziele objektive, transparente, nicht diskriminierende und verhältnismäßige Regulierungsgrundsätze an. Objektivität, Transparenz und Nichtdiskriminierung lassen sich am besten durch abstrakt-generelle gesetzliche Vorgaben gewährleisten, die die Regulierungsbehörde allgemein binden und ein hinreichendes Kontrollniveau sicherstellen. Insoweit ist Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie bereits insgesamt auf eine gesetzliche Konkretisierung angelegt.

Die gesamte Regelung des Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie dient dem übergeordneten Ziel der Richtlinie 2009/140/EG, den Auf- und Ausbau einer europaweiten Infrastruktur neuer Hochgeschwindigkeitsnetze durch geeignete regulatorische Rahmenbedingungen zu schaffen. Mit übergreifendem Anspruch für das gesamte Regelungswerk kommt dies im korrespondierenden Erwägungsgrund 8 der Richtlinie 2009/140/EG zum Ausdruck: „Um die Ziele der Lissabon-Agenda zu erreichen, ist es erforderlich, geeignete Anreize für Investitionen in neue Hochgeschwindigkeitsnetze zu schaffen, welche die Innovation bei inhaltsreichen Internetdiensten unterstützen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union stärken werden. Solche Netze haben enormes Potenzial, Vorteile für Verbraucher und die Wirtschaft in der gesamten Europäischen Union zu schaffen. Deshalb ist es von ausschlaggebender Bedeutung, nachhaltige Investitionen in die Entwicklung solcher neuen Netze zu fördern, wobei der Wettbewerb gewährleistet und den Wahlmöglichkeiten der Verbraucher durch Vorhersehbarkeit und Kohärenz der Regulierung eine neue Dynamik verliehen werden sollte.“ Da staatliche Regulierung stets Auswirkungen auf das konkrete Investitionsverhalten haben wird,183 insbesondere eine strikte Ex-ante-Regulierung jede Investitionsbereitschaft im Keim ersticken kann, ist diesem teleologischen Überbau des Reformpakets bei der Auslegung der Folgebestimmungen und insoweit auch bei der Ermittlung des Regelungsauftrags an den Umsetzungsgesetzgeber Rechnung zu tragen.

Auch wenn Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie verschiedene Regulierungsgrundsätze formuliert, stehen diese teils im funktionalen Zusammenhang. Der Regulierungsgrundsatz der Vorhersehbarkeit der Regulierung für einen hinreichenden Regulierungszeitraum (Buchstabe a) dient vor allem der Planungssicherheit der Unternehmen. Planungssicherheit ist ihrerseits elementare Voraussetzung der Förderung von Investition und – davon abhängig – von Innovation (Buchstabe d). Die Regionalisierung der Regulierungsgebiete (Buchstabe e) und die kontinuierliche Sicherstellung der Verhältnismäßigkeit der Regulierung (Buchstabe f) dienen dem Schutz der regulierten Unternehmen und insoweit wiederum der flankierenden Absicherung der Regulierungsgrundsätze nach den Buchstaben a und d.

b) Planungssicherheit nach Art. 8 Abs. 5 lit. a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie

Der Regulierungsgrundsatz nach Art. 8 Abs. 5 lit. a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie verpflichtet die nationale Regulierungsbehörde, die Vorhersehbarkeit der Regulierung zu fördern, indem über angemessene Überprüfungszeiträume ein einheitliches Regulierungskonzept beibehalten wird.

aa) Sekundärrechtliche Vorgaben und Erwägungsgründe 8 und 55 der Richtlinie 2009/140/EG

In Art. 8 Abs. 5 lit. a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie kommt unmittelbar das den „TK-Review“ durchziehende Leitbild der Planungssicherheit zum Ausdruck. Auch der nach Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie verbindliche Regulierungsgrundsatz, effiziente Investitionen und Innovationen im Bereich neuer und verbesserter Infrastrukturen dadurch zu fördern, dass bei jeglicher Zugangsverpflichtung dem Risiko der investierenden Unternehmen gebührend Rechnung getragen wird, fordert notwendigerweise Maßnahmen der Regulierungsbehörde, die einen rechtssicheren Orientierungsrahmen schaffen, bevor das jeweilige Unternehmen die jeweilige Investitionsentscheidung trifft. Dies bestätigt auch Satz 2 des 55. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2009/140/EG, der wie folgt lautet: „Damit die Investoren Planungssicherheit haben, sollten die nationalen Regulierungsbehörden darüber hinaus befugt sein, gegebenenfalls die Bedingungen für den Zugang festzulegen, die während angemessener Überprüfungszeiträume kohärent bleiben.“

Eine Festlegung der Zugangsbedingungen soll unmissverständlich vor der Investitionsentscheidung erfolgen, weil anderenfalls keine Planungssicherheit herzustellen ist. Planung bezieht sich bereits begrifflich auf die Prognose zukünftiger Entwicklungen;184 planen kann man also nur solche Investitionen, die noch nicht getätigt wurden. Ob ein Überprüfungszeitraum angemessen i. S. d. Art. 8 Abs. 5 lit. a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie ist, hängt entscheidend vom zumutbaren Investitionsrisiko (insbesondere der voraussichtlichen Amortisation) ab, lässt sich also nicht allein nach Maßgabe objektiver Regulierungsbedürfnisse bestimmen, sondern muss entscheidend auch den Prognosen des Investors Rechnung tragen.

aaa) Objektiver regulatorischer Gehalt

Die in Art. 8 Abs. 5 lit. a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie zum Regulierungsgrundsatz erhobene Planungssicherheit dient zunächst objektiv-rechtlich der Förderung von Wettbewerb. Denn unterbleibt eine Investition in neue Telekommunikationsinfrastrukturen im Hinblick auf das in Ermangelung vorhersehbarer Regulierungsgrenzen zu hohe Investitionsrisiko, entstehen von vornherein keine neuen Netze, die Grundlage für künftigen Wettbewerb sein könnten. Darüber hinaus dient die Planungssicherheit dem allgemeinen Ziel der Richtlinie, durch eine günstige Regulierungspraxis in der EU den Ausbau neuer Netze zu forcieren, was in Erwägungsgrund 8 der Richtlinie 2009/140/EG unmittelbaren Ausdruck gefunden hat.

bbb) Subjektiv-rechtlicher Gehalt

Art. 8 Abs. 5 lit. a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie beschränkt sich aber nicht auf eine rein objektive Gewährleistung, sondern dient nach dem objektivierten Normzweck gerade auch dem Schutz der Investoren gegenüber einer unvorhersehbaren Regulierungspraxis. Dies unterstreicht Erwägungsgrund 55 der Richtlinie 2009/140/EG, der ausdrücklich auf die Planungssicherheit der einzelnen Marktakteure Bezug nimmt: „Damit die Investoren Planungssicherheit haben, sollten die nationalen Regulierungsbehörden darüber hinaus befugt sein, gegebenenfalls die Bedingungen für den Zugang festzulegen, die während angemessener Überprüfungszeiträume kohärent bleiben.“185 Hieraus ergibt sich, dass die Richtlinie nicht nur die objektive Vorhersehbarkeit des Verwaltungshandelns fordert, sondern Planungssicherheit gerade auch im Interesse einzelner Unternehmen gewährleistet sehen will.186 Die Richtlinie verlangt mithin bezogen auf konkrete Vorhaben die Einräumung subjektiver Rechte für Investoren auf hinreichende Planungssicherheit.187

ccc) Materieller Regulierungsauftrag im Interesse der Investitionsförderung

Da die Planungssicherheit insoweit zugleich im unmittelbaren Zusammenhang mit der Investitionsförderung (Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie) und der Verhältnismäßigkeit der Regulierung (Art. 8 Abs. 5 lit. f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie) steht, ist sie nicht lediglich formell zu verstehen, sondern enthält einen materiellen Auftrag an die nationale Regu¬N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (20)lierungsbehörde, durch die Herstellung von Rechts- und Planungssicherheit Rahmenbedingungen zu schaffen, die Investitionen nicht behindern und regulierte Unternehmen nicht unnötig belasten. Anders gewendet: Das Regulierungsziel der Planungssicherheit kann sich nicht darauf beschränken, eine möglichst frühzeitige Entscheidung der Regulierungsbehörde einzufordern. Denn die Behörde könnte ansonsten vorab eine rigide Zugangs- und Entgeltregulierung anordnen, was zwar die ökonomischen Auswirkungen der Regulierung für den Investor vorhersehbar machen würde, eine Investition aber gerade hierdurch sinnlos erscheinen ließe. Dies würde weder dem begünstigenden Charakter des Art. 8 Abs. 5 lit. a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie noch dem bereits beschriebenen Regulierungsgrundsatz der Investitionsförderung gerecht. Folglich ist Art. 8 Abs. 5 lit. a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie ganz allgemein dahingehend zu interpretieren, dass der Gesetzgeber bei der Umsetzung der Bestimmung der nationalen Regulierungsbehörde auch eine Verpflichtung aufzuerlegen hat, durch Planungssicherheit die Bereitschaft zur Investition zu fördern, sprich regulatorische Zurückhaltung auch über planungsrelevante Zeiträume hinweg vorhersehbar und konstant zu halten.

bb) Umsetzungsspielraum im Hinblick auf Antragsrechte und Vorabfeststellung

Die effektiv wirksame Umsetzung des Regulierungsgrundsatzes der Planungssicherheit hängt entscheidend davon ab, ob es gelingt, vor einer Investitionsentscheidung für einen hinreichend langen Zeitraum Inhalt und Umfang künftiger Regulierung transparent und vor allem auch für die Regulierungsbehörde verbindlich zu machen. Insoweit stellt sich die Frage, inwiefern der Gesetzgeber die Regulierungsbehörde ermächtigen darf respektive muss, durch konkrete Entscheidungen (unten, unter aaa)) Vorabfeststellungen zu treffen (unten, unter bbb)),188 und inwiefern den Investoren hierbei eigenständige Antragsrechte zustehen können (unten, unter ccc)).

aaa) Planungssicherheit durch abstrakte Regulierungskonzepte?

Bisweilen wird vorgeschlagen, die Planungssicherheit durch eine abstrakt-generelle Festlegung von Regulierungskonzepten losgelöst von konkreten Marktregulierungsverfahren zu erhöhen.189 Abstrakt-generelle Vorgaben verbessern fraglos die Transparenz und die Vorhersehbarkeit des Verwaltungshandelns, was auch der von der Richtlinie geforderten Planungssicherheit zugutekommt, sofern die Vorfestlegungen verbindlich sind. Eine hinreichend transparente Konzeptionalisierung und damit Rationalisierung des Verwaltungshandelns ist in anspruchsvollen und kodependenten Verfahren nach zutreffender Ansicht bereits eine allgemeine Forderung des Rechtsstaatsprinzips,190 was entsprechend auch für die rechtsstaatlich verfasste (vgl. Art. 2 EUV) EU gelten muss. Das deutsche Regulierungsrecht berücksichtigt dieses Anliegen (wenn auch unvollkommen und nur punktuell) durch fallübergreifende Konsistenzgebote (vgl. § 27 Abs. 2 S. 1 TKG) unterhalb der förmlichen Normsetzung.191

Abstrakt-generelle Vorgaben allein wären, auch wenn sie in materielle Gesetzesform gegossen würden, jedoch unzureichend, die Vorgaben der Richtlinie 2009/140/EG kohärent umzusetzen. Nach den Erwägungsgründen soll – wie gezeigt192 – vor allem den einzelnen Marktakteuren Investitionssicherheit vermittelt werden. Diese hängt aber entscheidend davon ab, wie die Regulierungsbehörde in Bezug auf eine konkrete Investitionsentscheidung zu verfahren gedenkt. Abstrakt-generelle Regelungen sind in Anbetracht der Komplexität des Marktgeschehens und der multipolaren Interessenkonstellationen, die im Rahmen eines Marktregulierungsverfahrens verarbeitet werden,193 nur begrenzt geeignet, auch die konkreten Ergebnisse eines offen geführten Regulierungsverfahrens vorhersehbar zu halten. Dies gilt zumal dann, wenn die Richtigkeit von Regulierungsentscheidungen weniger durch verbindliche materielle Standards als vor allem durch Verfahren gewährleistet werden soll.194 Auch wenn es zu einer – wünschenswerten und rechtsstaatlich wie demokratisch erforderlichen – Nachverdichtung der normativen Standards durch Gesetzgebung kommt, werden Regulierungsentscheidungen unvermeidbar immer noch einen erheblichen Anteil marktbezogener Gestaltungselemente enthalten.195 Es verbleiben mit anderen Worten erhebliche fachspezifische Eigenleistungen der administrativen Rechtsanwender, die das abstrakt-generelle Recht markt-, akteurs- und situationsspezifisch operationalisieren, hierbei aber anspruchsvolle marktbezogene Makroprobleme abzuarbeiten haben. Wird die jeweilige Marktstruktur insoweit entscheidend durch konkrete Regulierungsverfügungen gestaltet, bleiben ungeachtet etwaiger Bemühungen um eine abstrakt-generelle Konzeptionalisierung in jedem Fall erhebliche Unsicherheiten bestehen, wie die Regulierungsbehörde im konkreten Fall letztlich entscheiden wird, zumal die gestuften Verfahren der Marktdefinition und Marktanalyse zusätzlich verschiedenste interne und externe Einflusspfade auf Entscheidungen eröffnen. Planungssicherheit und – damit unmittelbar zusammenhängend – Investitionssicherheit lassen sich daher in hinreichendem Maße nur dann herstellen, wenn die Regulierungsbehörde auch konkret-individuelle Festlegungen treffen darf, die Inhalt und Ausmaß der Regulierung für das konkrete Investitionsvorhaben vorhersehbar machen.

bbb) Planungssicherheit durch Vorabfeststellung

Die Richtlinie 2009/140/EG enthält keine instrumentellen Festlegungen, wie der Regulierungsgrundsatz der Investitionssicherheit herzustellen ist. Dies ist indes schon deshalb unschädlich, weil eine Richtlinie ausweislich des hier einschlägigen Art. 249 Abs. 3 EG a. F. (entspricht Art. 288 Abs. 3 AEUV) hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist, den Mitgliedstaaten jedoch die Wahl der Form und der Mittel überlässt. Eine Richtlinie ist also in erster Linie ein Instrument rahmenartiger Finalprogrammierung. Dem entspricht es, dass Art. 8 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie im Einzelnen und in unterschiedlicher Konkretisierung die Ziele der Regulierung von Telekommunikationsmärkten normiert, ohne die Mittel der Zielerreichung bzw. die Instrumente der Implementierung der hier in Rede stehenden Regulierungsgrundsätze abschließend festzulegen.

Zwar enthalten Art. 9 bis 13 (bzw. nunmehr Art. 9 bis 13a) der Zugangsrichtlinie verschiedene und durchaus detailliert ausbuchstabierte Bestimmungen, welche Verpflichtungen die Regulierungsbehörde einem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht aufzuerlegen befugt sein muss. Hierbei handelt es sich aber lediglich um einen Standardkatalog an eingreifenden Befugnissen, die einer nationalen Regulierungsbehörde gegenüber Betreibern mit beträchtlicher Marktmacht im Anschluss an eine Marktanalyse nach Art. 16 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie einzuräumen sind (Art. 8 Abs. 1, 2 der Zugangsrichtlinie). Soweit den Art. 9 ff. der Zugangsrichtlinie eine die Eingriffsmöglichkeiten begrenzende Wirkung zugeschrieben wird,196 zielt diese, wie auch Art. 8 Abs. 4 der Zugangsrichtlinie verdeutlicht, auf den Schutz der regulierten Unternehmen vor unverhältnismäßigen Belastungen.197 Insoweit erfassen die Art. 9 ff. der Zugangsrichtlinie lediglich regulierungsbehördliche Verpflichtungen der marktmächtigen Unternehmen, bei teleologischer Interpretation nicht N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (21)hingegen sonstige, insbesondere die Unternehmen begünstigende Maßnahmen der Regulierungsbehörde, zu denen eine antragsabhängige Vorabfeststellung mit ex ante befreiender Wirkung zählen würde. Hinsichtlich begünstigender Entscheidungen kann insoweit schon aus systematischen Gründen keine abschließende Regelung bestehen.

Zudem ist keine der in Art. 9 bis 13 der Zugangsrichtlinie bezeichneten Maßnahmen unmittelbar geeignet, die Einhaltung der verbindlichen Regulierungsgrundsätze der Planungs- und Rechtssicherheit sowie der damit zusammenhängenden Investitionsförderung nach Art. 8 Abs. 5 lit. a, d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie sicherzustellen. Es handelt sich bei einer Vorabfeststellung daher auch nicht um einen nur unter qualifizierten Voraussetzungen („unter außergewöhnlichen Umständen“) zulässigen Ausnahmefall nach Art. 8 Abs. 3 UAbs. 2 S. 1 der Zugangsrichtlinie, da es vorliegend nicht um die Auferlegung anderer als der in den Art. 9 bis 13 der Zugangsrichtlinie genannten Verpflichtungen geht. Auch in einem Verfahren der Vorabfeststellung kann die nationale Regulierungsbehörde, sofern dies aus wettbewerblichen Gründen erforderlich ist, allenfalls die allgemein möglichen Zugangsverpflichtungen auferlegen, für die dann die Art. 9 ff. der Zugangsrichtlinie zum Tragen kommen. Stellt die Regulierungsbehörde hingegen funktionsfähigen Wettbewerb für den antragsgemäß umschriebenen Markt fest, sind von vornherein keine – schon bislang im Ermessen der Behörde liegende, sprich: nicht zwingend zu treffende – Maßnahmen nach den Art. 9 ff. der Zugangsrichtlinie zu ergreifen. Eine Vorabfeststellung dient gerade dem Schutz der antragstellenden Unternehmen vor übermäßigen (sprich: vor allem investitionshemmenden) Verpflichtungen. Solche antragsabhängigen Entscheidungen, die primär der Rechts- und Investitionssicherheit dienen, sind in der Zugangsrichtlinie schlichtweg ungeregelt geblieben, werden aber durch das insoweit offene Regelungskonzept – zumal vor dem Hintergrund der durch den „TK-Review“ aufgenommenen verbindlichen Regulierungsgrundsätze in Art. 8 Abs. 5 lit. a, d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie – auch nicht ausgeschlossen. Die Zugangsrichtlinie kann folglich auch keine Sperrwirkung gegenüber Instrumenten entfalten, die der Umsetzung der andersgelagerten Regulierungsgrundsätze nach Maßgabe des „TK-Review“ dienen.

Bei abschließender Gesamtbetrachtung folgt hieraus, dass die Richtlinie 2009/140/EG die Schaffung geeigneter, im europäischen Rechtsrahmen nicht näher ausgeformter Regulierungsinstrumente durch die Mitgliedstaaten fordert, die es der jeweiligen nationalen Regulierungsbehörde ermöglichen, die von der Richtlinie verbindlich vorgegebenen Regulierungsgrundsätze der Rechts- und Planungssicherheit sowie der Investitionsförderung praktisch wirksam zu operationalisieren. Die regelungstechnische Ausgestaltung ist insoweit Aufgabe und zugleich positive Verpflichtung des nationalen Gesetzgebers.

ccc) Antragsrechte der Investoren

Der Regulierungsgrundsatz der Investitionssicherheit nach Art. 8 Abs. 5 lit. d der Richtlinie 2009/140/EG dient nicht nur der Förderung von Investition und Innovation im öffentlichen Interesse. Er dient vielmehr auch den einzelnen Investoren, die Planungs- und Rechtssicherheit benötigen, um die in Rede stehenden Investitionsentscheidungen von erheblicher Tragweite und erheblichen wirtschaftlichen Risiken zu zumutbaren Bedingungen treffen zu können. Dies bekräftigt – wie bereits erwähnt – wiederum Satz 2 des 55. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2009/140/EG, in dem explizit von der Planungssicherheit der „Investoren“ die Rede ist. Damit konkretisiert die Richtlinie letztlich den rechtsstaatlichen Grundsatz der Rechtssicherheit, der allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts ist und die Verlässlichkeit bestehender Normen sowie die Vorhersehbarkeit künftiger Maßnahmen der Unionsorgane (bzw. der mitgliedstaatlichen Behörden im indirekten Vollzug) fordert.198

(1) Antragsrechte als Konsequenz subjektiver Rechte

Dient die Herstellung von Investitionssicherheit aber den einzelnen Unternehmen, die Investitionen in neue Netze tätigen wollen, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, diesen Investoren auch subjektive Rechte auf Gewährleistung hinreichender Investitionssicherheit einzuräumen. Eigenständige Antragsrechte sind dann lediglich eine notwendige Konsequenz der Subjektstellung des jeweiligen Unternehmens im Verfahren. Ein nach Art. 8 Abs. 5 lit. a, d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie zwingend einzuräumendes subjektives Recht auf Maßnahmen zur Gewährleistung von Planungs- und Investitionssicherheit wäre ohne eigenständiges Antragsrecht unvollständig, und zwar aus folgenden Gründen:

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH muss der Einzelne in die Lage versetzt werden, seine unionsrechtlich induzierten Rechte vor nationalen Behörden und Gerichten unmittelbar sowie wirksam einfordern und durchsetzen zu können.199 Der Gesetzgeber muss „eine so bestimmte, klare und durchschaubare Lage“ schaffen, dass „die einzelnen von ihren Rechten Kenntnis erlangen und diese geltend machen können.“200 Diese Anforderung dient zum einen dem Interesse des Einzelnen, die ihm durch Unionsrecht vermittelten Rechte wirksam durchzusetzen. Zum anderen werden hierdurch die Betroffenen aktiviert, die objektive Wirksamkeit des Unionsrechts gleichsam dezentral zu erzwingen.201

Allgemeine und unverzichtbare Mindestanforderung wirksamer Rechtsdurchsetzung ist, dass der Betroffene überhaupt ein eigenständiges Antragsrecht erhält, um seine Interessen geltend zu machen und die ihm unionsrechtlich gewährleisteten Vorteile einzufordern.202 Dies gilt erst recht in Anbetracht der komplexen Verfahrensstruktur der Telekommunikationsregulierung, wo zwar ein mehrstufiges, verbundförmiges und anspruchsvolles Verwaltungsverfahren institutionalisiert wurde, der Einzelne aber erstmals mit Erlass der abschließenden – letztlich zu den Vorfestlegungen von Marktdefinition und Marktanalyse nur noch akzessorischen (vgl. auch § 13 Abs. 3 TKG) – Regulierungsverfügung konfrontiert wird.203 Ohne eigenständige Antragsrechte bliebe eine Begünstigung bloßer Gunsterweis; der Adressat der Verfügung wäre kein selbstbestimmtes Verfahrenssubjekt, sondern bloßer Betroffener, dessen Rechtsverwirklichung davon abhängig bliebe, dass die Regulierungsbehörde sein Anliegen (respektive sein Investitionsinteresse) von sich aus aufgreift. Dies wäre aber weder mit der Funktion des subjektiven Rechts im Unionsrecht noch mit dem objektiven Interesse an einer effektiven Rechtsdurchsetzung vereinbar.

Wann und in welchem Rahmen der unionsrechtlich Begünstigte seine Rechte geltend machen können muss, hängt vom jeweiligen Funktionsbezug und Regelungskontext ab. Im vorliegenden Zusammenhang ergibt sich hieraus Folgendes: Der Investor muss, um in den Genuss der unionsrechtlich in seinem Interesse zu gewährleistenden Planungssicherheit zu kommen, eine hinreichend konkrete und transparente Entscheidung über die künftige Regu¬N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (22)lierung erhalten, bevor er eine Investition tätigt. Ob, wann und in welchem Umfang investiert werden soll, bleiben alleinige Entscheidungen der auf den betroffenen Märkten (potentiell) tätigen Unternehmen; die Regulierungsbehörde hat hierauf keinen unmittelbaren Einfluss. Der Investor muss daher auch selbst in der Lage sein, eine Entscheidung der Regulierungsbehörde bezogen auf eine vorhersehbare Marktregulierung herbeizuführen, wenn sich sein Investitionsinteresse auf einen konkreten und sachlich wie territorial bestimmbaren Markt verdichtet hat.

Da Investitionsentscheidungen immer in einem bestimmten Situationsbezug gefällt werden müssen, also von wandelbaren und dynamischen Rahmenbedingungen abhängen werden, muss eine Regulierungsentscheidung, um die Ziele des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Richtlinie 2009/140/EG zu erreichen, zudem in einem engen zeitlichen Konnex mit dem Antrag des potentiellen Investors stehen. Hierzu ist nicht nur ein eigenständiges Antragsrecht unabdingbar; vielmehr bedarf es zur praktisch wirksamen Umsetzung des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Richtlinie 2009/140/EG auch einer gesetzlichen Ausgestaltung, die eine rechtzeitige Behördenentscheidung gewährleistet. Zwar enthält die Richtlinie – anders als hinsichtlich des Marktregulierungsverfahrens – keine konkreten Entscheidungsfristen, die von der Regulierungsbehörde einzuhalten wären. Art. 8 Abs. 5 lit. d der Richtlinie 2009/140/EG ist jedoch von vornherein auf eine gesetzliche Konkretisierung angelegt, die dem Investor durch geeignete rechtliche Rahmenbedingungen Rechts- und Planungssicherheit vermittelt. Aus diesem Grund wird der Gesetzgeber angemessene Entscheidungsfristen vorzusehen haben, die sicherstellen, dass über unternehmerische Investitionsplanungen auch zeitnah regulierungsbehördlich entschieden wird und so der marktspezifische Kontextbezug aufrechterhalten bleibt. Wie solche Entscheidungsfristen konkret ausgestaltet sind, bleibt Sache des nationalen Gesetzgebers, solange die unionsrechtlich gebotene praktische Wirksamkeit des Regulierungsgrundsatzes nach Art. 8 Abs. 5 lit. d der Richtlinie 2009/140/EG nicht unterlaufen wird.

Ein eigenständiges Antragsrecht kann schließlich auch im Zusammenspiel mit den Regulierungsgrundsätzen der Regionalisierung und der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 Abs. 5 lit. e, f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie) von entscheidender Bedeutung sein, da hiernach auch eine Aufhebung bestehender regulierungsrechtlicher Verpflichtungen möglich sein muss, namentlich wenn eine neue Analyse des Marktes unter dem Gesichtspunkt geographischer Diversifizierung ergeben könnte, dass die bislang angenommene Marktmacht auf einem relevanten regionalen Markt nicht (mehr) besteht.

(2) Mehrwert subjektiver Antragsrechte gegenüber allgemeinen und informalen Antragsmöglichkeiten

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eigenständige subjektive Antragsrechte entscheidend über die nach allgemeinem Verwaltungsrecht gegebene Möglichkeit hinausgehen, jederzeit einen Antrag auf eine behördliche Entscheidung zu stellen. Solange ein Antrag nicht mit einem subjektiven Recht auf eine Sachentscheidung verbunden ist, geht er über eine bloße – ggf. argumentativ unterfütterte – Anregung, ein Verfahren einzuleiten und eine Entscheidung zu fällen, nicht hinaus. Ein solches „Antragsrecht“ auf eine bloße behördliche Befassung mit einem vom Antragsteller umrissenen Gegenstand ist bereits durch Art. 17 GG allgemein gewährleistet, ist aber sowohl verfassungsrechtlich als auch unionsrechtlich von einem subjektiven Recht auf eine rechtsgebundene Behördenentscheidung abzusetzen, das auf eine positive und ggf. gerichtlich zu erzwingende (Art. 4 der Telekommunikationsrahmenrichtinie, Art. 19 Abs. 4 GG) Sachentscheidung zielt. Zudem geht es bei der Umsetzung des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Richtlinie 2009/140/EG auch nicht um einen Antrag auf Einleitung eines Marktregulierungsverfahrens (vgl. für die Zugangsregulierung auch § 21 Abs. 1 S. 1 TKG), sondern in der Sache um die Vorabprüfung einer konkreten Investitionsentscheidung und um die Festlegung des punktuellen und investitionsbezogenen Regulierungsrahmens. Dass Antragsrechte von Investoren eine Anpassung der bisherigen, administrativ-planerisch ausgerichteten Arbeitsweise der Bundesnetzagentur im Bereich der Marktregulierung erfordern, ist zwar nicht zu übersehen, aber rechtlich unbeachtlich. Die Bundesnetzagentur muss in der Tat ihre Entscheidungspraxis neu justieren, um auf Anträge zu reagieren, die zu einem seitens der Behörde nicht zu beeinflussenden Zeitpunkt gestellt werden. Dies entspricht – notabene – nur der allgemeinen Entscheidungssituation in den meisten Verwaltungsverfahren, die überwiegend nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag eingeleitet werden. In der Regel wird es bei der antragsabhängigen Prüfung im Vorfeld einer konkreten Investition – zumal unter den Auspizien des Regionalisierungsgebots – im Vergleich zum Marktregulierungsverfahren nach Art. 15, 16, 7 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie (respektive §§ 9 ff. TKG) um gegenständlich sehr begrenzte Entscheidungen gehen. Im Übrigen bleibt das gestufte und von Amts wegen durchzuführende Marktregulierungsverfahren von Antragsrechten unberührt. Das Verfahren bei der Bundesnetzagentur würde sich hinsichtlich der Anforderungen an die Verwaltungsorganisation und Entscheidungsfindung kaum wesentlich etwa vom Verfahren der Fusionskontrolle vor dem Bundeskartellamt unterscheiden, in dem das Amt über eine (seitens der Behörde nicht zu steuernde204) Anmeldung durch die jeweiligen Unternehmen (§ 39 GWB) zum Handeln veranlasst und unter Fristendruck (§ 40 Abs. 1 S. 1 GWB) gesetzt wird.

(3) Zwischenergebnis

Folglich erlaubt Art. 8 Abs. 5 lit. a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie i. V. m. dem allgemeinen Ziel der Investitionsförderung nicht nur eigenständige Antragsrechte der investierenden Unternehmen, sondern fordert diese in der Sache sogar. Der Umsetzungsgesetzgeber ist insoweit in der Pflicht, entsprechende Rechte in das TKG einzufügen.

c) Investitionsförderung und Risikoverteilung („Risk-Sharing“) nach Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie

Der Regulierungsgrundsatz des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie verpflichtet die nationale Regulierungsbehörde darauf, effiziente Investitionen und Innovationen im Bereich neuer und verbesserter Infrastrukturen auch dadurch zu fördern, dass bei jeglicher Zugangsverpflichtung dem Risiko der investierenden Unternehmen gebührend Rechnung getragen wird.205 Zu diesem Zweck hat die Regulierungsbehörde verschiedene Kooperationsvereinbarungen zur Diversifizierung des Investitionsrisikos zwischen Investoren und Zugangsbewerbern zuzulassen, während sie gleichzeitig gewährleistet, dass der Wettbewerb auf dem Markt und der Grundsatz der Nichtdiskriminierung gewahrt werden.

aa) Sekundärrechtliche Vorgaben

Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie bedarf einer effektiv wirksamen Umsetzung. Der Gesetzgeber hat also nicht lediglich die Möglichkeit, Modelle der – unter Geltung des bisherigen Regelungsrahmens umstrittenen – Risikoverteilung auf vertraglicher Basis zuzulassen, sondern ist zu einer positiven Regelung verpflichtet. Der unionsrechtlich verbindlich vorgegebene N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (23)Regulierungsgrundsatz ist überdies nicht schon dadurch unionsrechtskonform umgesetzt, dass die nationale Regulierungsbehörde ermächtigt wird, im Rahmen ihres Ermessens im Einzelfall eine vertragliche Risikoverteilung zuzulassen. Die Behörde muss vielmehr verpflichtet werden, freiwillige Vereinbarungen über die Risikoverteilung ihm Rahmen der institutionellen und materiellrechtlichen Voraussetzungen und Grenzen, die sich aus dem europäischen Regelungsrahmen ergeben, anzuerkennen. Richtlinie 2009/140/EG enthält zur Operationalisierung dieser Regelungsziele konkrete Vorgaben, die vom Umsetzungsgesetzgeber zu beachten und durch praktisch wirksame Regelungen auszufüllen sind.

aaa) Schutzziel

Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie soll den Investor vor einer verdeckten Benachteiligung schützen, zu der eine starre und undifferenzierte Regulierungspraxis führen kann, die nicht hinreichend auf die unterschiedlichen Risiken der Akteure Rücksicht nimmt. Die Bestimmung dient zugleich auch dem Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen durch eine Zugangsregulierung, die durch die schematische Einräumung von Zugangsrechten eine asymmetrische Verteilung von Erfolgs- und Risikobeteiligung bewirkt sowie dem Nichtinvestor hierdurch wettbewerbliche Vorteile verschafft. Mittel- und langfristig dienen die nach Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie zu fördernden Risikoverteilungsmodelle der Förderung des Wettbewerbs insgesamt, da sich eine angemessene Risikoverteilung positiv auf die Investitionsbereitschaft auswirkt und daher den Aufbau einer Infrastruktur fördert, auf deren Grundlage wirksamer Wettbewerb überhaupt erst entstehen kann. In diesem Sinne bestimmt Erwägungsgrund 54 der Richtlinie 2009/140/EG Folgendes: „Der Wettbewerb kann am besten durch ein wirtschaftlich effizientes Maß an Investitionen in neue und bestehende Infrastrukturen gefördert werden, die durch eine Regulierung ergänzt werden, sofern dies zur Sicherstellung eines wirksamen Wettbewerbs bei den Endnutzerdiensten erforderlich ist. Ein effizientes Maß an Wettbewerb im Bereich Infrastruktur ist das Ausmaß des Infrastrukturausbaus, bei dem Investoren auf der Grundlage angemessener Erwartungen im Hinblick auf die Entwicklung der Marktanteile mit einer angemessenen Rendite rechnen können.“ Präzisierend lassen sich hieraus folgende Regelungsziele ableiten:

(1) Verhinderung unbilliger Risikoasymmetrien

Zugangsrechte, die vornehmlich dem Interesse der Förderung von Wettbewerb in den Netzen dienen, können unbillige Asymmetrien befördern, wenn der Investor das Investitionsrisiko alleine trägt, im Falle eines Erfolges der Investition aber anderen Unternehmen Netzzugang verschaffen muss. Während der Investor – weitgehend unkalkulierbare – Risiken insbesondere hinsichtlich der Entwicklung der Nachfrage eingehen muss,206 würden es regulatorisch auferlegte Zugangsrechte Drittunternehmen jederzeit ermöglichen, unter Nutzung der vom Investor bereits erbrachten Vorleistungen und ohne eigenes wirtschaftliches Risiko in den Markt einzutreten.207 Die damit einhergehende Verringerung der potentiellen Gewinnerwartung (und zugleich die Erhöhung des Investitionsrisikos) würde absehbar die Investitionsneigung geeigneter Unternehmen reduzieren208 und hierdurch das Ziel der Richtlinie, den Ausbau der Infrastruktur zu fördern, im Ergebnis konterkarieren.

(2) Investitionsförderung als Grundlage künftigen Wettbewerbs

Die mit dieser Problematik einhergehende Asymmetrie der Risiken liefe zugleich dem Wettbewerbsziel der Richtlinie (Art. 8 Abs. 2 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie)209 zuwider. Zwar dienen Zugangsverpflichtungen auch im Bereich der neuen Infrastrukturen der Förderung von Wettbewerb.210 Unterwirft man jedoch den Investor einer Ex-ante-Regulierung, die hinsichtlich der Typen der ausgewählten Abhilfemaßnahmen oder deren Intensität eine Investition unkalkulierbar, zu riskant oder sogar absehbar unrentabel erscheinen lässt, werden weder er noch der potentielle Wettbewerber investieren,211 so dass letztlich keine Infrastruktur aufgebaut wird und damit auch mittelfristig kein entsprechender Wettbewerb entstehen kann.

Die Ausrichtung des regulatorischen Wettbewerbsziels der Richtlinie muss insoweit präzisiert werden. Der Auftrag zur Infrastrukturförderung ist zwar eingebettet in einen übergreifenden Regulierungsauftrag, der die Förderung des Wettbewerbs als zentrales Anliegen von Regulierung beibehält, was auch die Regulierungsgrundsätze in Art. 8 Abs. 5 lit. c und d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie nochmals explizit unterstreichen. Allerdings suggeriert Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie auf den ersten Blick eine Zielharmonie („während sie gleichzeitig gewährleisten“), die so nicht zu haben ist und auch nicht dem Regelungsansatz der Richtlinie 2009/140/EG entspricht. Infrastrukturförderung einerseits und traditionelle (unmittelbare) Wettbewerbsförderung durch die Auferlegung von Zugangsverpflichtungen sowie durch Entgeltregulierung andererseits sind gegenläufige Ziele. Eine starke Zugangs- und Entgeltregulierung, die einseitig auf eine möglichst zeitnahe Optimierung des Wettbewerbs ausgerichtet ist, bietet negative Anreize, Investitionen in neue Infrastruktur zu unterlassen. Die Richtlinie 2009/140/EG trägt insoweit nur Zielkonflikten Rechnung, die schon bisher bestanden, denen das Recht aber nicht befriedigend Rechnung getragen hatte.

Der novellierte Rechtsrahmen schlägt aus diesem Grund bewusst einen Mittelweg zwischen der Förderung nachhaltiger Investitionen einerseits und dem Wettbewerb andererseits ein.212 Ausweislich des Erwägungsgrundes 53 sollen „(s)owohl effiziente Investitionen als auch der Wettbewerb … gemeinsam gefördert werden“.213 Dies bedeutet – unabhängig davon, ob man dies ordnungspolitisch für sinnvoll erachtet oder nicht – eine normative Zurückstufung des bislang dominanten Ziels der unmittelbaren Wettbewerbsförderung und eine Hinwendung zu eher mittelfristigen Strategien, über die Infrastrukturförderung überhaupt die Voraussetzungen für künftigen (zusätzlichen) Wettbewerb zu schaffen. In der Sache relativiert Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie also ungeachtet der explizit aufrechterhaltenen Wettbewerbskomponente das Ziel unmittelbarer Förderung des Wettbewerbs durch Regulierung und löst es durch ein nachhaltigeres Konzept ab, um Freiräume zu schaffen, in denen das Substrat künftigen Wettbewerbs, die neue Höchstleistungsinfrastruktur, wachsen kann. Investitionen in neue Höchstleistungsnetze sind durch investitionsfreundliche Optimierung der regulativen Rahmenbedingungen zu fördern; Wettbewerb ist in diesem Rahmen bestmöglich zu schützen. Regulierungsstrategien müssen zugleich jeweils anhand ihrer investitionshemmenden Auswirkungen überprüft werden.

Ausgehend von diesem Förderkonzept wird gemessen an Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie die normativ relevante Aussagekraft von hohen Marktanteilen auf neuen Märkten in einer frühen Marktphase für die längerfristige Wettbewerbsentwicklung deutlich reduziert.214 Regulierungsbedarf wird nicht durch einen aktuellen Marktvorsprung des Investors ausgelöst, sondern erst durch die objektivierte Gefahr einer langfristigen Blockade wettbewerblicher Strukturen durch eine nachhaltige Verfestigung von Marktmacht.

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bbb) Subsidiarität der Regulierung

Nach dem Regelungsmechanismus des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie im Zusammenspiel mit dem Erforderlichkeitsgebot des Art. 8 Abs. 5 lit. f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie hat die staatliche Regulierung in Bezug auf die angemessene Risikoverteilung lediglich ergänzenden Charakter (vgl. explizit Erwägungsgrund 54 der Richtlinie 2009/140/EG215). Wo eine freiwillige Vereinbarung über die Risikoverteilung zustande kommt, soll auf einen regulatorischen Eingriff im Interesse der Investitionsförderung grundsätzlich verzichtet werden. Regulierung beschränkt sich im Falle einer Kooperationsvereinbarung nach Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie auf die Gewährleistung, „dass der Wettbewerb auf dem Markt und der Grundsatz der Nichtdiskriminierung gewahrt werden“. Differenzierungen in den Zugangsbedingungen (insbesondere hinsichtlich der Entgelte), die durch den Grad der Risikoübernahme sachlich gerechtfertigt sind, indizieren keine Anwendung diskriminierender Bedingungen des Netzzugangs.216 Insoweit enthält Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie eine Entscheidung für die Subsidiarität der hoheitlichen Regulierung gegenüber freiwilliger Kooperation zwischen Investoren und Zugangsbewerbern,217 um eine faire Risikoverteilung zu ermöglichen.

Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie verlangt allerdings nicht zwingend, dass eine relevante Vereinbarung über die Risikoverteilung bereits geschlossen worden sein muss. Auch wenn es noch zu keiner Vereinbarung gekommen ist (etwa weil sich potentielle Investoren noch in der Phase der Entscheidungsfindung bewegen), müssen „Risk-Sharing“-Optionen von der Regulierungsbehörde vorrangig berücksichtigt werden. Denn dem Risiko der investierenden Unternehmen muss bei jeglicher Zugangsverpflichtung gebührend Rechnung getragen werden. Dies setzt eine Beurteilung des Risikos voraus, die vornehmlich vom investierenden Unternehmen selbst zu treffen ist. Daher steht es dem Unternehmen frei, auch ein gestuftes Risikoverteilungsangebot zu veröffentlichen, das die Bedingungen transparent macht, unter denen jedermann diskriminierungsfrei mit dem Investor Vereinbarungen über die Risikoverteilung schließen kann. Ist dieses Angebot angemessen (sprich: risikoadäquat, nicht wettbewerbshindernd und nicht diskriminierend), besteht nach der Wertung des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie kein Bedürfnis für eine Ex-ante-Regulierung. Die Zugangs- und Entgeltregulierung tritt in diesem Fall hinter das vom Unternehmen selbst auf der Grundlage seiner Risikobewertung erstellte Angebot zurück, soweit das Angebot über eine angemessene Risikoverteilung das Regulierungsbedürfnis entfallen lässt.

Eine Ex-ante-Regulierung kommt vor diesem Hintergrund erst in Betracht, soweit eine auf Freiwilligkeit beruhende (und damit marktwirtschaftliche) Lösung über ein angemessenes „Risk-Sharing“ endgültig gescheitert ist und der Investor auch kein geeignetes Risikoverteilungsangebot macht. Im Übrigen kann die Regulierung gemessen an Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie zurückgenommen und auf eine bloße Missbrauchsaufsicht beschränkt werden.

ccc) Begrenzung der Regulierungsintensität

Soweit auch unter Berücksichtigung des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie ein Regulierungsbedarf fortbesteht (oder nachträglich eintritt), ist dem Gebot des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie, dem Risiko der investierenden Unternehmen durchgängig gebührend Rechnung zu tragen, auch bei der Auswahl der Abhilfemaßnahmen und bei der Ausgestaltung der Zugangsbedingungen zu entsprechen. Die Richtlinie zielt insoweit auf eine Reduzierung der Regulierungsintensität. So kann etwa ein veröffentlichtes und angemessenes gestuftes Risikoverteilungsangebot dazu führen, dass die Erforderlichkeit der Auferlegung von Zugangsverpflichtungen entfällt. Inwiefern eine Risikoprämie, die von der Regulierungsbehörde im Rahmen der Entgeltregulierung festgesetzt wird,218 den Anforderungen des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie an die Berücksichtigung des Investitionsrisikos genügt, hängt naturgemäß entscheidend von der Höhe der Prämie ab. Hierzu lassen sich keine allgemeinen Aussagen treffen, da die Höhe des Risikozinses, der notwendig ist, eine Investition tatsächlich zu initiieren, entscheidend von der konkreten Marktsituation auf dem jeweiligen Markt und nicht zuletzt von der Leistungsfähigkeit des potentiellen Investors abhängen wird. Aus rechtlicher Sicht entscheidend ist, dass die damit verbundenen Fragen nach Maßgabe des unternehmensbezogenen Investitionsförderungsgebots (Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie) vornehmlich aus der Sicht des investierenden Unternehmens beantwortet werden müssen. Mit anderen Worten kommt der Risikobeurteilung des Investors, soweit diese angemessen ist, Vorrang vor einer regulierungsbehördlichen Festsetzung zu. Etwaige veröffentlichte Risikoverteilungsangebote können daher zwar von der Regulierungsbehörde auf eine mögliche Wettbewerbsbeeinträchtigung und Diskriminierung überprüft werden, sind im Übrigen aber bei der Bestimmung eines angemessenen Risikozinses jedenfalls als Ausgangspunkt der regulativen Kontrolle zugrunde zu legen.

Insbesondere eine systematische und detaillierte Überprüfung der vorrangigen freiwilligen Vereinbarungen ex ante, ob eine differenzierte Preisgestaltung219 nicht zu einer Preis-Kosten-Schere führe, die einen effizienten Markteintritt verhindert,220 würde dem subsidiären Charakter der Regulierung gegenüber freiwilligen Modellen des „Risk-Sharing“ nicht gerecht.221 Eine detaillierte Nachprüfung, inwiefern der angebotene Preis einem Test des „gleich effizienten Wettbewerbs“ standhalten würde,222 darf nicht im Ergebnis dazu führen, dass die Kontrolle der angemessenen Risikoverteilung zu einer Steuerungsdichte führt, die sich im Ergebnis investitionshemmend auswirkt. Ratio des Regulierungsgrundsatzes nach Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie ist die Förderung von Investitionen, von der jeder weitere (potentielle) Wettbewerb abhängt. Die Beachtung des in der Bestimmung ebenfalls genannten Wettbewerbsziels muss folglich anhand einer Gesamtbetrachtung beurteilt werden, wie sich mittelfristig über das Infrastrukturförderziel der Ausbau einer wettbewerbsgeprägten Infrastruktur erreichen lässt, nicht hingegen aus der punktuellen Perspektive der wirtschaftlichen Rentabilität für einen aktuellen Zugangspetenten.

ddd) Instrumente der Diversifizierung des Investitionsrisikos

Das in Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie niedergelegte Prinzip des „Risk-Sharing“ soll zu einer „Diversifizierung des Investitionsrisikos“ führen, also vertragliche Modelle fördern, die die dargestellte Diskrepanz vom Investitionsrisiko des Investors einerseits und dem wirtschaftlichen Erfolg der Investiti¬N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (25)on andererseits verringern. Kooperationsvereinbarungen (bzw. gleichermaßen einseitige veröffentlichte Kooperationsangebote) stellen insoweit eine Konnexität von Zugangsrechten einerseits und angemessener Risikobeteiligung andererseits her, die über das jeweilige Zugangsentgelt detailgesteuert wird. In Betracht kommen grundsätzlich drei Formen der Risikobeteiligung:

  • eine Beteiligung des Dritten an der Investition durch Bereitstellung von Investitionskapital,

  • der Abschluss von Langzeitverträgen mit Dritten über die spätere entgeltliche Benutzung der errichteten Infrastruktur und

  • die Verpflichtung des Dritten, bestimmte Mengen oder Kontingente auf der errichteten Infrastruktur abzunehmen.

Solche „Risk-Sharing“-Modelle greifen bereits im Vorfeld der Investition und erhöhen daher gegenüber bloßen Risikoprämien die Planungssicherheit.223 Für den Investor reduziert sich nämlich entweder das einzusetzende Risikokapital oder das Risiko mangelnder Nachfrage bei ungünstiger Marktentwicklung.

Die Richtlinie stellt damit klar, dass entsprechende Kooperationsvereinbarungen zum Zweck einer Verteilung des Investitionsrisikos zunächst ganz allgemein zulässig sind. Eine Regulierung, die den Investoren lediglich einen risikobedingten Entgeltaufschlag für das eingesetzte Kapital zubilligt, darüber hinausgehende „Risk-Sharing“-Modelle aber aus wettbewerbspolitischen Gründen unterbindet, wäre mit dem Regulierungsgrundsatz des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie unvereinbar. Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie greift nach seiner Funktion auch in solchen Fällen ein, in denen die Auferlegung einer Zugangsverpflichtung (etwa bei einer Monopolsituation) an sich zu rechtfertigen wäre.224 Selbst wenn also die Hürde der in Art. 8 Abs. 5 lit. f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie enthaltenen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der Regulierung genommen würde, müssten zusätzlich die spezifischen Anforderungen an die Investitionsförderung beachtet werden. Die bislang zurückhaltende Position der Kommission gegenüber freiwilligen Abhilfelösungen im Allgemeinen225 wird vor diesem Hintergrund künftig rechtlich nicht mehr zu halten sein.

bb) Umsetzungsspielraum im Hinblick auf Zugangs- und Entgeltregulierungsvorschriften

Aus Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie ergeben sich folgende Anforderungen an eine Richtlinienumsetzung: Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie gewährt ein subjektives Recht des investierenden Unternehmens auf ein dem Investitionsrisiko gerecht werdendes Regulierungsverfahren,226 dem der Gesetzgeber im Rahmen des Umsetzungsgesetzes praktische Wirksamkeit zu verleihen hat. Namentlich Zugangsverpflichtungen dürfen danach nur nach Maßgabe des bezeichneten – insbesondere im Lichte des Erwägungsgrundes 54 auszulegenden – Regulierungsgrundsatzes auferlegt werden. Aus der unionsrechtlichen Verpflichtung, ein subjektives Recht einzuräumen, folgt, dass zur Umsetzung außenrechtswirksame Mechanismen erforderlich sind.227 Im Hinblick auf Zugangs- und Entgeltregulierungsvorschriften ergeben sich hieraus konkret folgende Anforderungen:

aaa) Risikoprämie

Risikoprämien (also eine entsprechend erhöhte Kapitalverzinsung) sind als solche fraglos unionsrechtlich zulässig.228 Dies stellt nunmehr auch Art. 13 Abs. 1 S. 1 der Zugangsrichtlinie in seiner Neufassung ausdrücklich klar.229 Risikoprämien allein bieten als solche – abhängig von ihrer Höhe – jedoch mitunter nur eine unzureichende Absicherung des Investors, der weiterhin allein das Investitionsrisiko trägt, was sich namentlich bei einer schlechten Marktentwicklung bemerkbar macht. Dritte könnten demgegenüber risikofrei die Marktentwicklung abwarten und später ggf. unter Inkaufnahme der höheren Verzinsung in den Markt eintreten.230

bbb) Regulierungsfreistellung und Begrenzung der Regulierungsintensität

Ein hinreichender Investitionsanreiz wird bei entsprechend hohem Risiko ggf. nur dann bestehen, wenn es dem Investor gestattet wird, seinen Vorsprung auch zu nutzen und als Prämie im Erfolgsfall jedenfalls für eine Übergangszeit einen Monopolgewinn zu erzielen.231 Dies setzt aber eine vorübergehende, im Hinblick auf die Planungssicherheit hinreichend bemessene Begrenzung der regulierungsbehördlich auferlegten Verpflichtungen voraus. In Betracht kommt hierzu zunächst eine Freistellung von der Zugangsregulierung bzw. eine Zurücknahme der Regulierung beispielsweise auf die Auferlegung bloßer Transparenzpflichten zur Sicherung der Nichtdiskriminierung. Ob eine solche Freistellung tatsächlich nötig ist, um das Förderziel des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie zu erreichen und insoweit mittelbar zugleich die Voraussetzungen für künftigen Wettbewerb im neuen Netz zu schaffen, hängt von den jeweiligen wirtschaftlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten im konkreten Fall ab. Allgemeine Aussagen hierzu lassen sich nicht treffen. Auch soweit an einer Zugangs- und Entgeltregulierung festgehalten wird, muss das Investitionsförderungsgebot des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie bei der Auswahl der Abhilfemaßnahmen und bei der inhaltlichen Ausgestaltung etwaiger Regulierungsverfügungen gewahrt werden. Dies bedeutet vor allem, dass Verpflichtungen auf das unabdingbare Maß beschränkt bleiben müssen und Anreize zur Investition nicht durch eine überzogene Regulierungsintensität erdrosselt werden dürfen. Vor diesem Hintergrund muss ein mitgliedstaatlicher Gesetzgeber im Rahmen des jeweiligen Umsetzungsgesetzes die rechtlichen Voraussetzungen festlegen, inwieweit eine Freistellung von der Zugangs- und/oder Entgeltregulierung erfolgen kann, und durch geeignete normative Vorgaben sicherstellen, dass das Gebot der Investitionsförderung auch bei der Auswahl und Ausgestaltung der Abhilfemaßnahmen beachtet wird.

ccc) Entgeltdifferenzierung nach Vertragslaufzeit

Gemessen an dem Zweck des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie, das Investitionsrisiko angemessen zu verteilen, müssen Risikoverteilungsmodelle ermöglicht werden, die eine angemessene Risikoallokation mittels einer hinreichenden Vertragslaufzeit sicherstellen. Verträge mit einer kurzen Laufzeit reduzieren nämlich für den Vertragspartner das Risiko, da er die Möglichkeit hat, sein weiteres Engagement von der Marktentwicklung abhängig zu machen. Korrespondierend werden dem Investor umso weniger Risiken abgenommen, je kürzer der jeweilige Vertrag läuft. Eine Preisdifferenzierung nach Maßgabe der Laufzeit des „Risk-Sharing“-Vertrages wird folglich mit Recht als zulässig erachtet.232 Es handelt sich hierbei mit anderen Worten um eine Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie entsprechende Preisgestaltung nach Maßgabe der Risikoübernahme. Auch Satz 3 des Erwägungsgrundes 55 der Richtlinie 2009/140/EG erkennt die „Geltungsdauer des Vertrags“ ausdrücklich als Grundlage der vertraglichen Preisfestsetzung an. Spezifische N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (26)Probleme der Diskriminierung oder der Wettbewerbsbeeinträchtigung stellen sich von vornherein nicht, da jedes Drittunternehmen unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit die gleichen Vorteile bei der Entgeltberechnung durch Modifikation der disponiblen Vertragslaufzeit erzielen kann.

ddd) Entgeltdifferenzierung nach Investitionssumme

Auch eine Beteiligung an den Investitionskosten durch unmittelbare Zurverfügungstellung von Investitionskapital stellt eine mögliche Variante des „Risk-Sharing“ dar. Insoweit wird man es jedenfalls grundsätzlich für zulässig erachten müssen, das spätere Zugangsentgelt von der Höhe der Vorauszahlung (sog. „upfront payments“) abhängig zu machen, da sich der Drittinvestor insoweit korrespondierend am Investitionsrisiko beteiligt.233 Hiergegen wurde freilich eingewandt, dass die Berücksichtigung von Vorauszahlungen als Grundlage einer Preisdifferenzierung dem Prinzip des chancengleichen Wettbewerbs zuwiderlaufe, da kleinere Unternehmen mit einem geringeren Kundenstamm ein weitaus höheres Risiko zu tragen hätten.234 Dies steht jedoch der grundsätzlichen Zulassung einer Entgeltdifferenzierung nach Maßgabe der Investitionsbeteiligung nicht entgegen, und zwar aus folgenden Gründen:

Primäres Anliegen der Zulassung von „Risk-Sharing“-Modellen ist die Förderung von Investitionen in neue Höchstleistungsnetze, indem eine Risikodiversifizierung ermöglicht wird. Hierbei ist zwar nach Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie „gleichzeitig“ zu „gewährleisten, dass der Wettbewerb auf dem Markt“ gewahrt wird. Da Förder- und Wettbewerbsziel insoweit einem inhärenten Spannungsverhältnis ausgesetzt sind, müssen beide Komponenten in einen sachgerechten Ausgleich gebracht werden.235 Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der durch Investoren ermöglichte Aufbau einer geeigneten Infrastruktur mittelfristig Grundlage für Wettbewerb sein kann, der auch kleineren Unternehmen zugutekommen kann. Bei den im Bereich neuer Höchstleistungsnetze in Rede stehenden Investitionsvolumina wird es von vornherein primär auf finanzstarke Investoren ankommen, die sich bereitfinden, erhebliche Teile des Investitionsrisikos mit dem primären Investor gemeinsam zu tragen. Es würde daher dem Investitionsziel des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie zuwiderlaufen, wenn eine angemessene Risikoverteilung von Anfang an blockiert würde, um einem möglichst großen Kreis potentieller Investoren nicht nur rechtlich gleiche Zugangsbedingungen, sondern auch ökonomisch-faktisch gleiche Zugangschancen offenzuhalten.

Das Gebot des fairen Wettbewerbs nach Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie spricht tendenziell sogar für Entgelte, die nach der Investitionsbereitschaft differenziert sind, solange sich diese an objektiven, transparenten und damit nicht diskriminierenden Kriterien orientieren. Denn ein Verzicht auf eine quantitative Differenzierung würde den Anreiz befördern, sich mit Investitionen bewusst zurückzuhalten und die Marktentwicklung abzuwarten. Dies würde wieder zur dargestellten Trittbrettfahrerproblematik und den damit einhergehenden wettbewerbsverzerrenden Asymmetrien in der Risikoverteilung führen, die Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie gerade vermeiden möchte.

Hieraus folgt: Eine Differenzierung nach Maßgabe der Investitionsbeteiligung wird grundsätzlich nicht diskriminierend i. S. d. Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie sein, weil der Umfang der Beteiligung an der Investition abstrakt ein sachlicher und objektiver Anknüpfungspunkt zur angemessenen Justierung von Risiko und Prämierung im Erfolgsfall ist. Die ebenfalls in Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie genannte Vorgabe, den Wettbewerb auf dem Markt zu wahren, muss im Lichte des in den Erwägungsgründen objektivierten Normzwecks von vornherein mittelfristige Wettbewerbschancen einbeziehen, die überhaupt erst durch einen effizienten Ausbau der Infrastruktur entstehen. Die grundsätzliche Zulässigkeit solcher „Risk-Sharing“-Modelle, die nach der quantitativen Risikobeteiligung differenzieren, ergibt sich zudem unmissverständlich auch aus Satz 3 des Erwägungsgrundes 55 der Richtlinie 2009/140/EG, der umfangsbasierte Preisfestsetzungsvereinbarungen explizit anerkennt: „Diese Bedingungen können von Umfang oder Geltungsdauer des Vertrags abhängige Preisfestsetzungsvereinbarungen im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht beinhalten, sofern diese Vereinbarungen keine diskriminierenden Auswirkungen haben.“ Zwar lässt sich nicht ausschließen, dass im Einzelfall die Preisgestaltung geeignet ist, die Entstehung von Wettbewerb zu behindern. Dies muss jedoch jeweils fallbezogen anhand der konkreten Marktsituation und der zu erwartenden ökonomischen Folgen einer konkreten Entgeltdifferenzierung, also im ohnehin durchzuführenden Marktregulierungsverfahren, beurteilt werden.

Im Ergebnis ist daher der Gesetzgeber gemessen an Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie verpflichtet, „Risk-Sharing“-Modelle zuzulassen, die Zugangsbedingungen (namentlich Zugangsentgelte) nach Maßgabe des eingesetzten Kapitals oder der Abnahmemenge differenzieren, sofern die konkrete Vertragsgestaltung nicht zu einer nachhaltigen Behinderung des Wettbewerbs führt.236

eee) Entgeltdifferenzierung nach Mengenabnahme

Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie lässt schließlich auch eine Entgeltdifferenzierung nach der vorab verpflichtend abgenommenen Menge zu. Mengenabnahmezusagen reduzieren das Investitionsrisiko, da sich der Investor hinsichtlich der abgenommenen Mengen von den Risiken der Marktentwicklung unabhängig macht. Das Rentabilitätsrisiko geht in diesem Umfang auf den Dritten über, der versuchen muss, die abgenommenen Mengen durch Leistungsbereitstellung am Markt zu verwerten. Die Mengenabnahme ist daher ein objektivierbarer und bei einer wertenden Gesamtbetrachtung angemessener Differenzierungsgrund im Rahmen der Entgeltfestlegung.237

Auch hiergegen wurde der Einwand erhoben, es würden Unternehmen mit einem größeren Kundenstamm bevorzugt. Es würde einseitig auf das Risiko des Investors abgestellt, während auf der Seite der Vertragspartner des Investors die Risiken bei einer einheitlichen mengenbezogenen Differenzierung faktisch sehr unter¬N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (27)schiedlich gelagert sein könnten.238 Hiergegen lassen sich die gleichen Argumente anführen wie im Rahmen der nach hiesiger Auffassung ebenfalls für zulässig erachteten Differenzierung nach Maßgabe der investiven Beteiligung.239 Der Einwand verfängt im Übrigen zusätzlich aus folgendem Grund nicht: Das Risiko der Marktentwicklung trifft auch ein kleines Unternehmen mit geringem Kundenstamm jedenfalls strukturell in gleicher Weise wie den Investor. Die der zitierten Gegenansicht implizit zugrundeliegende Annahme, auf einem neuen Markt, der durch den Auf- und Ausbau der Höchstleistungsnetze geschaffen wurde, trete auf der Nachfragerseite vor allem der bisherige Kundenstamm des jeweiligen Unternehmens auf und eine etwaige technologiebezogene Migrationsbereitschaft vollziehe sich primär innerhalb der Angebotspalette des bisherigen Unternehmens, dessen Kunde man bereits ist, ist eine nicht belegte Hypothese. Auch hier kann im Übrigen auf eine Prüfung anhand der konkreten Marktsituation im Rahmen des ohnehin durchzuführenden Marktregulierungsverfahrens verwiesen werden.

Im Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass der Umsetzungsgesetzgeber auch Risikoteilungsmodelle zulassen muss, bei denen eine Entgeltdifferenzierung auf der Grundlage der vereinbarten Mengenabnahme erfolgt.

fff) Regelungstechnische Implementierung

Es ist weiterhin zu klären, wie sich Regelungen über die Zulassung von „Risk-Sharing“-Vereinbarungen regelungstechnisch in das geltende TKG integrieren ließen. Eine Besonderheit antizipierender Risikodiversifikation liegt darin, dass Entscheidungen hierüber bereits im Vorfeld der eigentlichen Investition fallen müssen. Ansonsten verlören sie ihren spezifischen Sinn, Risiken zu mindern bzw. besser beherrschbar zu machen. „Risk-Sharing“ soll also vor allem die unternehmerische Risikoentscheidung partiell von Unsicherheiten entlasten, was nur möglich ist, wenn die Zulässigkeit einer entsprechenden Vereinbarung festgestellt werden kann, bevor die eigentliche Investitionsentscheidung getroffen wird. Sowohl der sekundärrechtliche Regulierungsgrundsatz der Planungssicherheit (Art. 8 Abs. 5 lit. a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie) als auch das Gebot, dem Regulierungsgrundsatz des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie zur praktischen Wirksamkeit zu verhelfen, lassen es vor diesem Hintergrund geboten erscheinen, die nationale Regulierungsbehörde unter den genannten materiell-rechtlichen Voraussetzungen zu verbindlichen Feststellungen der Nichtmissbräuchlichkeit des jeweiligen Risikoverteilungsmodells zu verpflichten. Weiche und flexible Instrumente sowie „die Festlegung von regulatorischen Eckpunkten …, die nur grob vorgeben, welche Preisdifferenzierungen künftig als (un)zulässig eingestuft werden“,240 sind offensichtlich ungeeignet, die gebotene Rechts- bzw. Planungssicherheit herzustellen und unterlaufen hierdurch die – insbesondere im Lichte des Erwägungsgrundes 55 der Richtlinie 2009/140/EG241 zu deutenden – Regelungsziele des Art. 8 Abs. 5 lit. a i. V. m. lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie. Im Einzelnen kommen folgende Möglichkeiten einer Einpassung in den Regelungskontext des TKG in Betracht:

(1) Ex-ante-Entgeltregulierung

In Betracht kommt eine Regelung im Rahmen der Bestimmungen über die Ex-ante-Entgeltregulierung auf Grundlage der in einer Risikoverteilungsvereinbarung festgelegten Zugangsentgelte. Es wurde hiergegen freilich eingewandt, dass sich „Risk-Sharing“-Modelle nicht konfliktfrei in das Regelungskonzept der Exante-Entgeltregulierung einfügen ließen, da hiernach die Entgelte anhand des Maßstabs der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung auf der Grundlage von Kostenunterlagen erst nach der getätigten Investition festgelegt werden könnten (vgl. § 31 Abs. 1, 2 i. V. m. § 33 TKG).242 Zutreffend hieran ist, dass die Umsetzung des Regulierungsziels aus Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie eine konzeptionelle Anpassung des TKG erfordert. Maßstab ist jedoch die effektive Wirksamkeit des unionsrechtlichen Regulierungsgrundsatzes, nicht die Systemkompatibilität des „Risk-Sharing“ mit dem deutschen TKG. Eine Einpassung in das System der Ex-ante-Entgeltkontrolle könnte namentlich dadurch erfolgen, dass dem Investor ein Antragsrecht eingeräumt wird, die Nichtmissbräuchlichkeit des avisierten Entgeltmaßstabs im Rahmen des Risikoverteilungsvertrages vorab durch verbindliche Verfügung feststellen zu lassen. Dies würde einerseits eine vorherige Kontrolle durch die Regulierungsbehörde offenhalten, andererseits aber auch die – bereits nach Art. 8 Abs. 5 lit. a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie gebotene – Planungssicherheit herstellen und insoweit zugleich dem Regelungsziel des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie Rechnung tragen. Eine Anlehnung des inhaltlichen Prüfungsmaßstabs an die Missbrauchsaufsicht (§ 28 TKG) würde dem Zweck der Richtlinie am besten gerecht: Die Interventionsschwelle würde hierdurch nämlich im Vergleich zur rigiden Detailprüfung nach § 31 Abs. 2 TKG entscheidend heraufgesetzt, wodurch die gebotene Subsidiarität der Regulierung gegenüber freiwilligen Absprachen verwirklicht würde. Eine entsprechende Anpassung des TKG wäre bruchlos möglich.243

Hiergegen wurde vorgebracht, die im Rahmen der Risikoverteilungsvereinbarung angestrebten Entgelte müssten an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung gemessen, also kostenorientiert begründet werden. Dies sei aber hinsichtlich des – in der vereinbarten Prämienhöhe zum Ausdruck kommenden – übernommenen Risikos im Vorfeld der Investition mangels hinreichend konkretisierter Kostenpositionen nicht praktikabel.244 Dieser Einwand überzeugt indes schon deshalb nicht, weil im Rahmen des „TK-Review“ – ungeachtet der ordnungspolitischen Bewertung245 – Abweichungen von einem kostenorientierten Maßstab aus Gründen der Risikoverteilung ausdrücklich zugelassen wurden.246 So sieht zwar Art. 13 Abs. 1 S. 1 der Zugangsrichtlinie weiterhin die Anwendung kostenorientierter Maßstäbe vor. Diese Maßstäbe sind aber zum einen schon nicht mit dem strikteren Maßstab der Kosten effizienter Leistungsbereitstellung identisch. Die Kosten effizienter Leistungsbereitstellung werden lediglich im nachfolgenden Absatz 3 Satz 2 genannt, stellen aber nicht zwingend die strikte Obergrenze im Rahmen der Entgeltregulierung dar.247 Zum anderen handelt es sich lediglich um eine mögliche Abhilfemaßnahme, die die Regulierungsbehörde auferlegen kann; eine allgemeine und zwingende Verpflichtung, regulierten Unternehmen kostenorientierte Preise aufzuerlegen, kennt die Zugangsrichtlinie also gerade nicht. Letztlich kann dies aber offenbleiben, denn Richtlinie 2009/140/EG hat Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie um einen entscheidenden Satz 2 ergänzt, der wie folgt lautet: „Um zu Investitionen der Betreiber auch in Netze der nächsten Generation anzuregen, tragen die nationalen Regulierungsbehörden den Investitionen des Betreibers Rechnung und ermöglichen ihm eine angemessene Rendite für das entsprechend N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (28)eingesetzte Kapital, wobei gegebenenfalls die spezifischen Risiken im Zusammenhang mit einem bestimmten neuen Netzprojekt, in das investiert wird, zu berücksichtigen sind.“ Die angemessene Rendite ist aber im Fall einer zulässig getroffenen Vereinbarung über die Risikoverteilung die dort festgelegte Prämie, die der Investor erhalten soll. Hierbei ist aus Gründen der Subsidiarität der Regulierung in der Sache lediglich zu prüfen, inwiefern die vereinbarte Prämie einen Missbrauchstatbestand erfüllt. Im Ergebnis wäre es daher rechtlich möglich, die Kontrolle von „Risk-Sharing“-Vereinbarungen in ein Modell antragsabhängiger Ex-ante-Regulierung zu integrieren.

(2) Ex-post-Entgeltregulierung

In Betracht kommt auch eine Regelung im Rahmen der Ex-post-Entgeltregulierung, die dann letztlich in der allgemeinen Missbrauchsaufsicht (§ 28 TKG) aufgehen würde. Der geltende unionsrechtliche Regelungsrahmen enthält keine eindeutigen Vorgaben zugunsten einer Ex-ante-Entgeltregulierung.248 Dass gerade im Bereich von „Risk-Sharing“-Vereinbarungen ein besonderes Missbrauchsrisiko bestünde,249 welches eine Ex-ante-Regulierung erforderlich machen würde, ist nicht zu erkennen. Sollte der Gesetzgeber den Weg einer Kontrolle von Risikoverteilungsvereinbarungen ex post einschlagen, wäre es allerdings weiterhin notwendig, parallel eine Vorabfeststellung ex ante über die Nichtmissbräuchlichkeit auf Antrag des Investors zu institutionalisieren, da sich ansonsten der genannte Anspruch des Unternehmens auf Planungssicherheit – auch in Anbetracht der ganz erheblichen Investitionsvolumina – nicht angemessen erfüllen ließe.

(3) Ergänzende Regelungen

Im Übrigen wären konkrete Regelungen über die zulässige Vertragsgestaltung im Rahmen von Risikoverteilungsvereinbarungen möglich und auch sachlich angezeigt, schon um die Zulässigkeit etwaiger Abweichungen vom allgemeinen Wettbewerbsrecht250 klarzustellen. Die bislang ungeklärte und auch durch den novellierten Rechtsrahmen nicht vorentschiedene Frage, wie sich etwaige Subventionen zur Infrastrukturförderung, die einer der Beteiligten erhalten hat, im Rahmen der Entgeltregulierung auswirken, könnte und sollte aufgrund der Wesentlichkeit251 solcher Steuerungsinstrumente gesetzlich geregelt werden.

d) Verhältnismäßigkeit der Regulierung nach Art. 8 Abs. 5 lit. f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie

Nach Art. 8 Abs. 5 lit. f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie darf die Regulierungsbehörde marktmächtigen Unternehmen „regulatorische Vorabverpflichtungen nur dann auferlegen, wenn es keinen wirksamen und nachhaltigen Wettbewerb gibt.“ Sie hat diese Verpflichtungen zu lockern oder aufzuheben, sobald die bezeichnete Voraussetzung erfüllt ist. Dieser Regulierungsgrundsatz ist eine sektorspezifische Konkretisierung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips.

aa) Primärrechtliche Vorgaben und sekundärrechtliche Konkretisierung

Das Gebot der Verhältnismäßigkeit ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts.252 Es ist für Handlungen von Organen der Union in Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 EUV ausdrücklich vorgeschrieben und wird in Protokoll Nr. 27 zum Lissabon-Vertrag über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit um prozedurale Elemente im Rechtsetzungsverfahren angereichert. „Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind Maßnahmen, durch die den Wirtschaftsteilnehmern finanzielle Belastungen auferlegt werden, nur rechtmäßig, wenn sie zur Erreichung der zulässigerweise mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziele geeignet und erforderlich sind. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die auferlegten Belastungen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen.“253 Für Eingriffe in europäische Grundrechte – vorliegend die Berufsfreiheit, die unternehmerische Freiheit und die Eigentumsgarantie (Art. 15 bis 17 der EU-Grundrechtecharta) – ist die Wahrung der Verhältnismäßigkeit seit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages254 zusätzlich grundrechtlich im Rang des Primärrechts (Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Hs. 2 EUV) nach Art. 52 Abs. 1 S. 2 der EU-Grundrechtecharta vorgeschrieben. Insoweit bindet der primärrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch die mitgliedstaatlichen Behörden, soweit diese – wie hier – mit der Anwendung des Unionsrechts betraut sind (Art. 51 Abs. 1 S. 1 der EU-Grundrechtecharta).

aaa) Geringe Steuerungsintensität der primärrechtlichen Verhältnismäßigkeit

Der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist freilich bislang in der Rechtsprechung eher schwach konturiert geblieben und hat kaum Bedeutung erlangt.255 Mit den Prüfungskriterien der Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit256 folgt das unionsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip zwar formal den im deutschen Verfassungsrecht ausdifferenzierten Strukturmerkmalen.257 Inhaltlich erscheint die Verhältnismäßigkeit indes bislang lediglich als ein vergröbernder Evidenzmaßstab.258 Der EuGH legt insgesamt eine sehr niedrige Kontrolldichte an.259 Gerade bei komplexen Beurteilungen im Wirtschaftsverwaltungsrecht übt sich der Gerichtshof in Zurückhaltung.260 Etwa in seiner repräsentativen Bananenmarkt-Entscheidung betont der Gerichtshof, dass „die Rechtmäßigkeit einer in diesem Bereich erlassenen Maßnahme nur dann beeinträchtigt sein kann, wenn diese Maßnahme zur Erreichung des Zieles, das das zuständige Organ verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist. Ist der Gemeinschaftsgesetzgeber insbesondere für den Erlaß einer Regelung genötigt, die künftigen Auswirkungen dieser Regelung zu beurteilen, und lassen sich diese Auswirkungen nicht genau vorhersehen, so kann seine Beurteilung nur dann beanstandet werden, wenn sie im Hinblick auf die Erkenntnisse, über die er im Zeitpunkt des Erlasses der Regelung verfügte, offensichtlich irrig erscheint“.261 Der EuGH hat diese restriktive Linie im Rahmen der Verhältnismäßigkeitskontrolle gerade für den hier relevanten Bereich der Regulierung der Tele¬N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (29)kommunikationsmärkte in seinem Roaming-Urteil jüngst bestätigt.262 Zu einer Aufhebung eines Unionsrechtsakts aus Gründen der Verhältnismäßigkeit kam es – soweit ersichtlich – bislang lediglich in zwei Fällen.263

Hierbei ist allerdings Folgendes zu berücksichtigen: Mit der Einführung eines expliziten Grundrechtskatalogs durch die qua Art. 6 Abs. 1 EUV inkorporierte EU-Grundrechtecharta sowie mit der zunehmenden Übernahme gegenständlich breit differenzierter und gegenüber dem Bürger wirksamer Verwaltungsaufgaben auf Unionsebene ist es notwendig, auch die Verhältnismäßigkeit, die bislang vornehmlich im Bereich politischer Akte der Gesetzgebung diskutiert wurde, stärker zu strukturieren sowie hinsichtlich der Anforderungen an den administrativen Vollzug zu präzisieren.264 Auch der EuGH gibt in seiner jüngeren Rechtsprechung häufiger zu erkennen, dass er die Notwendigkeit eines verbesserten Grundrechtsschutzes im Bereich des Unionsrechts anzuerkennen gewillt ist.265 Die allgemeine Notwendigkeit, die Grundrechtsdogmatik an veränderte Gefährdungsszenarien anzupassen und neu zu justieren,266 besteht gerade im verbundförmig ausdifferenzierten und zur Feinsteuerung neigenden europäischen Regulierungsrecht. So betont der EuGH in seiner Roaming-Entscheidung, dass sich ein Rechtsakt ungeachtet der bestehenden Einschätzungsspielräume auf objektivierbare Kriterien stützen müsse. Außerdem müsse der Unionsgesetzgeber „bei der Beurteilung der mit verschiedenen möglichen Maßnahmen verbundenen Belastungen prüfen, ob die mit der gewählten Maßnahme angestrebten Ziele sogar beträchtliche negative wirtschaftliche Folgen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen können“.267

bbb) Sekundärrechtliche Intensivierung der Verhältnismäßigkeitskontrolle

Aus dem Umstand, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ohnehin stets zu beachten ist, wurde gefolgert, dass der Hervorhebung im Rahmen der Telekommunikationsrahmenrichtlinie keine entscheidende Bedeutung beizumessen sei.268 In dieser Pauschalität überzeugt dies jedoch nicht. Der allgemeine (primärrechtliche) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in der Rechtsprechung bislang vor allem deshalb so schwach konturiert geblieben, weil er in seiner Abstraktheit zu holzschnittartig ist, um konkrete und gegenstandsspezifische Probleme, um die es (wie hier) im Verwaltungsvollzug geht, angemessen zu lösen.

Das im Rahmen der Richtlinie 2009/140/EG sekundärrechtlich angeordnete Verhältnismäßigkeitsgebot bezieht sich nun auf konkrete Regelungsgegenstände und ist erkennbar von dem Bemühen getragen, der fortschreitenden Ausdehnung regulierungsbehördlicher Interventionsoptionen unabdingbare freiheitssichernde Gegengewichte gegenüberzustellen. Art. 8 Abs. 5 lit. f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie konkretisiert insoweit den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit innerhalb eines konkreten regulierungsrechtlichen Bezugssystems. Im Kontrast zum Bereich der materiellen Gesetzgebung durch den Rat, in dem der Gerichtshof aus Rücksichtnahme auf die politische Handlungsfähigkeit seine Kontrollintensität weitgehend zurücknimmt, geht es vorliegend um Verwaltungsvorgänge, die nach dem ausdrücklichen Willen des Richtliniengebers einer qualifizierten Verhältnismäßigkeitskontrolle unterworfen werden sollen. Auch wenn sich in Anbetracht der Flexibilität des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einerseits und der Vielgestaltigkeit der regulatorisch zu bewältigenden Probleme andererseits hieraus nur begrenzt abstrakte Vorgaben ableiten lassen, fordert Art. 8 Abs. 5 lit. f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie doch eine Intensivierung der Verhältnismäßigkeitskontrolle. Der Regulierungsgrundsatz wird korrespondierend – wie gezeigt – primärrechtlich verstärkt und gewinnt insoweit an besonderer Durchsetzungskraft auch gegenüber sonstigen Regulierungszielen und Regulierungsgrundsätzen. Im Einzelnen lassen sich hieraus folgende Gebote ableiten:

Die Regulierungsintensität ist mit zunehmender Entwicklung von Wettbewerb sukzessive zurückzunehmen. Hierbei ist gerade auch dem Regionalisierungsgrundsatz Rechnung zu tragen, denn das Verhältnismäßigkeitsprinzip steht insoweit in einem engen Korrespondenzverhältnis zu Art. 8 Abs. 5 lit. e und Art. 15 Abs. 3 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie. Die Frage der Regulierungsbedürftigkeit ist folglich ggf. für regionale Teilmärkte anders zu beurteilen, wenn hier der Wettbewerb bereits weiter fortgeschritten ist.

Die Regulierungsintensität ist strikt auf das erforderliche Maß zu begrenzen. Dies gilt namentlich für die Auswahl der Abhilfemaßnahmen, die nach Maßgabe des Erforderlichen und Zumutbaren zu differenzieren sind. Entgegen der bisherigen Praxis verstößt es gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot des Art. 8 Abs. 5 lit. f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie, bei Vorliegen hinreichender Marktmacht gleichsam in einem Regulierungsautomatismus den gesamten Kanon der nach Art. 9 ff. der Telekommunikationszugangsrichtlinie möglichen Abhilfemaßnahmen aufzuerlegen. Vielmehr bedarf es in Bezug auf jede einzelne Abhilfemaßnahme der gesonderten Prüfung der Verhältnismäßigkeit, in deren Rahmen dann auch die Beachtung der anderen Regulierungsgrundsätze sowie eine Abwägung aller berührten Interessen (nicht zuletzt der regulierten Unternehmen) zu erfolgen hat. Bei der Beurteilung der Regulierungsbedürftigkeit ist maßgeblich auch ein zu erwartender intermodaler Wettbewerb zu berücksichtigen.

Allgemein führt das Verhältnismäßigkeitsgebot zu einem grundsätzlichen Vorrang der Ex-post- gegenüber der Ex-ante-Regulierung. Die Auferlegung von Verpflichtungen ex ante kommt nur dort in Betracht, wo eine die Regulierungsbedürftigkeit auslösende Marktentwicklung von vornherein absehbar ist. Lassen sich Prognosen über die künftige Entwicklung eines noch nicht bestehenden Marktes nur begrenzt treffen, ist grundsätzlich auf eine Zugangs- und Entgeltregulierung zu verzichten, soweit nicht gerade einzelne Vorabfestlegungen der regulativen Obergrenze im Interesse der Rechtssicherheit geboten und von den betroffenen Unternehmen beantragt sind.

Solange eine Netzinfrastruktur noch nicht aufgebaut ist, gebietet das Verhältnismäßigkeitsgebot in der Regel eine Beschränkung der Regulierung auf Gleichbehandlungs- und ggf. flankierende Transparenzverpflichtungen. Im Übrigen kann auf eine Ex-post-Regulierung verwiesen werden. Dies gilt namentlich für die hier in Rede stehende neue Höchstleistungsinfrastruktur. In Anbetracht der erheblichen Investitionskosten sind die potentiellen Investoren hier ohnehin qualifiziert schutzbedürftig, weshalb besondere Zurückhaltung bei der Auferlegung regulatorischer Verpflichtungen besteht, um das ohnehin hohe Investitionsrisiko nicht zusätzlich zu verstärken. Zudem ist die künftige Marktentwicklung, namentlich die Auslastung der Netze, nur sehr schwer prognostizierbar. Insbesondere eine Ex-ante-Entgeltregulierung ist insoweit meist schon nicht einmal geeignet, einen marktspezifisch austarierten Regulierungsrahmen zu schaffen, während eine Regulie¬N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (30)rung ex post auf die konkrete Marktentwicklung problemsensibel und schonend reagieren kann. Insoweit wird es im Bereich der neuen Netze in den meisten Fällen ausreichend sein, ex ante lediglich den Regulierungsgrundsatz der Nichtdiskriminierung durch geeignete Transparenzpflichten sicherzustellen.

Ein entsprechendes Gebot zur Auferlegung und Aufhebung von Vorabverpflichtungen nach Maßgabe der Wettbewerbsentwicklung, das die Erforderlichkeit im Rahmen der Verhältnismäßigkeit abbildet, enthält zudem bereits Art. 16 Abs. 3 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie und ansatzweise Art. 8 Abs. 4 der Zugangsrichtlinie.269 Die zusätzliche Absicherung als allgemeiner Regulierungsgrundsatz dient auch in diesem Kontext wiederum dazu, die Regulierung gemessen an der fortgeschrittenen Entwicklung von Wettbewerbsmärkten strikter als bislang zu begrenzen und auf eine kontinuierliche Erforderlichkeitskontrolle zu verpflichten.

bb) Umsetzungsspielraum im Hinblick auf materielle Vorgaben

Das Gebot einer verhältnismäßigen Regulierung i. S. d. Art. 8 Abs. 5 lit. f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie erfordert zwingend die Kompetenz der nationalen Regulierungsbehörde, bisherige Regulierungsentscheidungen aufzuheben, wenn regulatorische Vorabverpflichtungen nicht mehr erforderlich sind, weil wirksamer und nachhaltiger Wettbewerb besteht. Auf der Grundlage des Art. 8 Abs. 5 lit. f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie lässt sich daher ganz allgemein ein Vorrang der Ex-postgegenüber der Ex-ante-Regulierung gesetzlich anordnen.270 Der Regulierungsgrundsatz, Vorabverpflichtungen zu lockern oder aufzuheben, sobald die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, enthält auch eine temporale Komponente. Regulatorische Verpflichtungen sollten nicht länger als erforderlich aufrechterhalten werden. Diesem Gebot wird die Regulierungsbehörde nur durch eine kontinuierliche Überprüfung bestehender Verpflichtungen gerecht. Eine solche Verpflichtung folgt freilich auch schon bislang aus § 14 Abs. 1 TKG,271 so dass insoweit kein besonderer Anpassungsbedarf besteht. Da das Gebot verhältnismäßiger Regulierung nach Art. 8 Abs. 5 lit. f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie dem Schutz der regulierten Unternehmen dient, wären diesen – unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit schon jetzt bestehende, ungeachtet dessen aber klarstellend zu regelnde – subjektive Rechte auf eine Aufhebung von nicht mehr verhältnismäßigen regulatorischen Verpflichtungen und vor allem – bislang im TKG ungeregelte – gesetzliche Antragsrechte auf eine Überprüfung des regulatorischen Status einzuräumen.272

Soweit Art. 8 Abs. 5 lit. f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie eine Intensivierung der Verhältnismäßigkeitskontrolle fordert, ist dies zum einen ein Auftrag an die Gerichte, ihre Kontrolldichte gegenüber der Regulierungsverwaltung zu erhöhen. Zum anderen ist die Bestimmung ein Auftrag an den Gesetzgeber, auf generelle Risiken einer übersteigerten Regulierungsdichte und Regulierungsintensität durch sukzessive gesetzliche Nachverdichtung abstrahierbarer und generalisierbarer Probleme zu reagieren.

e) Regionalisierung nach Art. 8 Abs. 5 lit. e und Art. 15 Abs. 3 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie

Der Regulierungsgrundsatz des Art. 8 Abs. 5 lit. e der Telekommunikationsrahmenrichtlinie verpflichtet die nationale Regulierungsbehörde, die vielfältigen Bedingungen im Zusammenhang mit Wettbewerb und Verbrauchern, die in den verschiedenen geographischen Gebieten innerhalb der Mitgliedstaaten herrschen, gebührend zu berücksichtigen. Dem korrespondiert hinsichtlich des Marktdefinitionsverfahrens Art. 15 Abs. 3 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie.273

aa) Sekundärrechtliche Vorgaben und Erwägungsgründe 5 und 56 der Richtlinie 2009/140/EG

Das Gebot des Art. 8 Abs. 5 lit. e der Telekommunikationsrahmenrichtlinie, der sehr unterschiedlichen wettbewerblichen Situation innerhalb eines Mitgliedstaats Rechnung zu tragen, erfasst explizit auch die tatsächlich nachweisbare Parzellierung in den verschiedenen geographischen Gebieten innerhalb der Mitgliedstaaten. Ziel dieser Bestimmung ist es ausweislich des Erwägungsgrundes 5 der Richtlinie 2009/140/EG, „die sektorspezifische Vorabregulierung je nach der Wettbewerbsentwicklung auf den Märkten schrittweise abzubauen und letztendlich die elektronische Kommunikation nur durch das Wettbewerbsrecht zu regeln. Da die Märkte für elektronische Kommunikation in den letzten Jahren eine starke Wettbewerbsdynamik gezeigt haben, ist es von entscheidender Bedeutung, dass regulatorische Vorabverpflichtungen nur auferlegt werden, wenn kein wirksamer und nachhaltiger Wettbewerb besteht.“

Hierin kommt zunächst das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 EUV) zum Ausdruck, da Aufgaben der wettbewerblichen Öffnung stärker in die Hand der nationalen Regulierungsbehörde, die allein die geographische Segmentierung der Märkte in ihrem Mitgliedstaat angemessen beurteilen kann,274 gelegt und daher dezentralisiert werden.275 Mit der Verkleinerung des jeweiligen Regulierungsgebietes nehmen die Bedürfnisse nach einer Berücksichtigung lokaler Besonderheiten zu, während europaweite Kohärenzanforderungen korrespondierend in den Hintergrund treten. Zudem ist Art. 8 Abs. 5 lit. e der Telekommunikationsrahmenrichtlinie – wie auch Erwägungsgrund 56 der Richtlinie 2009/140/EG hervorhebt276 – Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips (Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 EUV), da eine Zugangsregulierung, die einem nach bundesweitem Maßstab marktmächtigen Unternehmen auferlegt wird, in Bezug auf lokal abgrenzbare Märkten nicht erforderlich ist, auf denen keine hinreichende Marktmacht besteht (z. B. weil dort der dominante Akteur mit Marktmacht ein Stadtnetzbetreiber [„Citycarrier“] ist).

Schon jetzt ist es zwar möglich, Märkte unter Einbeziehung regionaler Gesichtspunkte zu definieren. Die Richtlinie trägt jedoch dem Umstand Rechnung, das eine regionale Differenzierung der Märkte im Rahmen des allgemeinen Marktregulierungsverfahrens in der Praxis nicht bzw. nur unzureichend stattgefunden hat. Art. 8 Abs. 5 lit. e der Telekommunikationsrahmenrichtlinie forciert daher die praktisch wirksame Implementierung der Regionalisierungsoption und verdichtet diese durch Aufwertung zu einem Regulierungsgrundsatz zu einer konkreten, von den jeweiligen Marktstrukturen in den Mitgliedstaaten abhängigen Regionalisierungspflicht. Eine solche Verpflichtung, die regionalen Besonderheiten im Rahmen des Marktregulierungsverfahrens zu prüfen und ggf. durch regional gegliederte Marktregulierung umzusetzen, erfordert spezifische gesetzliche Vorgaben. Dies gilt schon deshalb, weil ohne gesetzliche Konkretisierung davon auszugehen ist, dass die Bundesnetzagentur ihre bisherige Zurückhaltung ge¬N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (31)genüber Regionalisierungsoptionen beibehalten würde, wodurch das Gebot einer praktisch wirksamen Umsetzung des Art. 8 Abs. 5 lit. e der Telekommunikationsrahmenrichtlinie verfehlt würde. Der Regulierungsgrundsatz der Regionalisierung nach Art. 8 Abs. 5 lit. e der Telekommunikationsrahmenrichtlinie schließt daher notwendigerweise eine entsprechende Ermächtigung sowie korrespondierend auch die Verpflichtung der nationalen Regulierungsbehörde ein, regionale Märkte ggf. abweichend von der bisherigen Marktdefinition unter regionalen Gesichtspunkten neu zu definieren.

bb) Umsetzungsspielraum im Hinblick auf Marktdefinition, -analyse und Vorabverpflichtungen

Eine Regionalisierung der Marktdefinition hat zwar unter dem ursprünglichen Telekommunikationsregelungsrahmen keine besondere Beachtung gefunden, war aber – abhängig von den Homogenitätsanforderungen, die man an das Vorliegen eines zusammenhängenden Marktes stellt – schon bislang grundsätzlich möglich,277 was die Zulässigkeit einer räumlichen Marktabgrenzung nach Maßgabe des Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2002/21/EG belegt. Richtlinie 2009/140/EG erhebt nunmehr die Regionalisierung der Regulierung zum Regulierungsgrundsatz. Dies bedeutet, dass die Regulierungsbehörde konkret verpflichtet werden muss, auch lokale oder regionale Märkte im Hinblick auf eine im Raum abgrenzbar abweichende Marktstruktur zu untersuchen.278

Wenn festgelegt wird, die nationale Regulierungsbehörde müsse die geographische Vielfalt der Wettbewerbssituation „gebührend berücksichtigen“, so bedeutet dies im Lichte der genannten Erwägungsgründe sowie des Verhältnismäßigkeitsprinzips, dass sie zu einer regionalen Differenzierung grundsätzlich verpflichtet ist, soweit sich nicht aus den marktbezogenen Besonderheiten im jeweiligen Mitgliedstaat Gründe von hinreichendem Gewicht für eine breitere Marktdefinition finden lassen. Ist dies nicht der Fall, ist ein sachlich zusammenhängender Markt im Rahmen der Marktdefinition in mehrere räumliche Märkte zu untergliedern. Eine mögliche Folge ist, dass etwa bundesweit marktmächtige Unternehmen regional aus der Regulierung entlassen werden, regional marktmächtige Unternehmen, die bislang mangels bundesweiter Marktmacht keiner Zugangsregulierung unterlagen, korrespondierend künftig aber reguliert werden müssen.279 Die zunehmende Konkurrenz auf lokaler oder regionaler Ebene durch Kabelnetzbetreiber und Stadt- bzw. Regionalnetzbetreiber („City-“ bzw. Regional-„Carrier“) führt also dazu, dass auch die Adressaten und Strategien der Zugangsregulierung in der Fläche differenziert werden müssen.

Die nationale Regulierungsbehörde ist künftig verpflichtet, eine Regionalisierung der Zugangsregulierung kontinuierlich von Amts wegen zu prüfen und unter den gegebenen Voraussetzungen auch eine Änderung von Marktdefinition und Marktanalyse sowie eine Aufhebung und Abänderung bestehender Regulierungsverfügungen durchzuführen. Hierzu fehlt es bislang an geeigneten Regelungsansätzen im TKG. Zwar hat auch derzeit schon die Überprüfung nach § 14 Abs. 1 TKG von Amts wegen zu erfolgen.280 Allerdings bedarf es aus Gründen der Rechtssicherheit und Transparenz der Hervorhebung und näheren Ausgestaltung des für die Rechtsanwendung wesentlichen Aspekts der Regionalisierung. Dies gilt schon deshalb, weil sich eine Regionalisierung im Zweifel für bisherige lokale und regionale Anbieter ungünstig auswirkt und mit Grundrechtseingriffen verbunden sein kann, die dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen. Schon um Auseinandersetzungen zu vermeiden, ob die bisherigen Rechtsgrundlagen hierzu hinreichend bestimmt sind, und um insoweit die praktische Wirksamkeit des Regulierungsgrundsatzes nach Art. 8 Abs. 5 lit. e der Telekommunikationsrahmenrichtlinie sicherzustellen, sollte eine (unionsrechtlich gebotene) grundlegende Trendwende zur Regionalisierung daher durch eine zielgenaue sowie hinreichend bestimmte Eingriffsermächtigung umgesetzt werden. Notwendig erscheinen vor diesem Hintergrund folgende Anpassungen des TKG:

Zunächst bedarf es, wie dargelegt, einer konkret gefassten gesetzlichen Verpflichtung der Bundesnetzagentur, regionale Märkte zu definieren, soweit entsprechende regionale Besonderheiten eine regulierungsrechtlich relevante Abweichung von der überregionalen Marktstruktur begründen. Insoweit wäre § 10 TKG zu ergänzen. Eine Anpassung des § 11 TKG erscheint demgegenüber nicht zwingend geboten, da die konkrete Marktanalyse, insbesondere die Feststellung der Marktmächtigkeit, letztlich der vorgelagerten Marktdefinition folgt.

Präzisierend sollte klargestellt werden, dass die nationale Regulierungsbehörde auf entsprechenden Antrag oder bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte von Amts wegen auch zu einer Überprüfung und ggf. Abänderung bestehender Regulierungsentscheidungen verpflichtet ist, sofern bestehende regionale Besonderheiten bislang nicht angemessen berücksichtigt sind oder sich nachträglich eingestellt haben. Dies unterstreicht auch Erwägungsgrund 7 der Richtlinie 2009/140/EG: „Um einen verhältnismäßigen und den sich ändernden Wettbewerbsbedingungen angepassten Ansatz sicherzustellen, sollten die nationalen Regulierungsbehörden die Möglichkeit haben, Märkte unterhalb der nationalen Ebene zu definieren und Verpflichtungen in Märkten und/oder geografischen Gebieten aufzuheben, wenn effektiver Wettbewerb bei der Infrastruktur besteht.“

Die Regionalisierung der Regulierung ist Ausdruck der rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeit. Sie dient insoweit gerade auch dem Schutz der (potentiell) regulierten Unternehmen vor einer übermäßigen Auferlegung von Vorabverpflichtungen, denen der ausweislich des Erwägungsgrundes 5 der Richtlinie 2009/140/EG intendierte sukzessive Abbau von Vorabverpflichtungen zugutekommt. Den betroffenen Unternehmen sind daher durch materielles Gesetz sowohl subjektive Rechte auf Regionalisierung der Marktdefinition als auch hiermit unmittelbar korrespondierende281 – bislang nicht vorgesehene282Antragsrechte auf Neubewertung einer bestehenden Marktdefinition einzuräumen.

Die sich aus Art. 8 Abs. 5 lit. e der Telekommunikationsrahmenrichtlinie ergebende Verpflichtung zur marktbezogenen Regionalisierung verlangt als Ausdruck der Verhältnismäßigkeit schließlich, die Auswahl der konkret zur Anwendung gebrachten Abhilfemaßnahmen unter dem Gesichtspunkt der regionalen Erforderlichkeit zu differenzieren. Abhängig von den regionalen Marktverhältnissen kann es geboten sein, auf eine umfassende Auferlegung von Verpflichtungen nach Maßgaben der Art. 9 ff. der Zugangsrichtlinie zu verzichten. Auch hierzu wäre die nationale Regulierungsbehörde zu verpflichten, zumal das schon bislang geltende, nunmehr zusätzlich normativ konturierte Gebot, unter möglichen Abhilfemaßnahmen nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit (Erforderlichkeit) eine differenzierte und gestufte Auswahl zu treffen, praktisch kaum implementiert wurde.

f) Symmetrische Infrastrukturmitnutzung nach Art. 12 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie

Art. 12 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie enthält detaillierte Vorgaben hinsichtlich der Mitbenutzung vorhandener Infrastrukturen. Hintergrund dieser Bestimmung ist, dass ein ökonomisch tragfähiger Ausbau neuer Höchstleistungsnetze entscheidend davon abhängt, die bereits vorhandene Infrastruktur optimal zu nutzen, zumal die Herstellung neuer Leitungswege einen erheblichen Teil der Ausbaukosten ausmachen würde. Ziel N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (32)dieser Regelung ist es daher, den Erwerb von Wegerechten durch Unternehmen zu vereinfachen (Erwägungsgrund 42 der Richtlinie 2009/140/EG). Ausweislich des Erwägungsgrundes 43 der Richtlinie 2009/140/EG erachtet es der Richtliniengeber für „notwendig, die Befugnisse der Mitgliedstaaten gegenüber den Inhabern von Wegerechten zu stärken, um die Einführung oder Inbetriebnahme eines neuen Netzes fair, effizient und auf ökologisch verantwortliche Weise sowie unabhängig von der etwaigen Verpflichtung eines Betreibers mit beträchtlicher Marktmacht, Zugang zu seinem elektronischen Kommunikationsnetz zu gewähren, sicherzustellen.“ Eine solche Verpflichtung könne „den Wettbewerb maßgeblich stärken und die finanziellen und umweltbezogenen Gesamtkosten des Aufbaus der Infrastruktur für die elektronische Kommunikation für Unternehmen senken“.

aa) Sekundärrechtliche Vorgaben

Darf ein Unternehmen, das elektronische Kommunikationsnetze bereitstellt, nach nationalem Recht Einrichtungen auf, über oder unter öffentlichen oder privaten Grundstücken installieren oder kann es ein Verfahren zur Enteignung oder Nutzung von Grundstücken in Anspruch nehmen, so kann die nationale Regulierungsbehörde nach Art. 12 Abs. 1 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie unter strenger Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die gemeinsame Nutzung dieser Einrichtungen oder Grundstücke vorschreiben, wozu explizit u. a. – also im Sinne eines Katalogs nicht abschließender Regelbeispiele – Gebäude, Gebäudezugänge, Verkabelungen in Gebäuden, Masten, Antennen, Türme und andere Trägerstrukturen, Leitungsrohre, Leerrohre, Einstiegsschächte und Verteilerkästen gehören. Die bewusst sehr weite Fassung des Katalogs an möglichen Leitungswegen dient wiederum dazu, die Nutzung der bereits vorhandenen Infrastruktur im Interesse eines effizienten Netzausbaus zu optimieren. Die Richtlinie erfasst zudem bewusst die vorhandene Infrastruktur sämtlicher Akteure, und zwar – was Erwägungsgrund 43 explizit hervorhebt – unabhängig von einer etwaigen Marktmacht adressierter Unternehmen.283

Nach Art. 12 Abs. 2 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie können die Mitgliedstaaten den Inhabern von Nutzungsrechten die gemeinsame Nutzung von Einrichtungen oder Grundstücken (einschließlich physischer Kollokation) oder das Ergreifen von Maßnahmen zur Erleichterung der Koordinierung öffentlicher Bauarbeiten aus Gründen des Umweltschutzes, der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit oder der Städteplanung und Raumordnung – freilich ausdrücklich erst nach einer öffentlichen Konsultation von angemessener Dauer – vorschreiben. Die Mitgliedstaaten stellen nach Art. 12 Abs. 3 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie zudem sicher, dass die nationalen Behörden auch befugt sind, den Inhabern von Nutzungsrechten und/oder dem Eigentümer einer Verkabelung die gemeinsame Nutzung von Verkabelungen in Gebäuden oder bis zum ersten Konzentrations- oder Verteilungspunkt, sofern dieser außerhalb des Gebäudes liegt, vorzuschreiben, wenn dies dadurch gerechtfertigt ist, dass eine Verdopplung dieser Infrastruktur wirtschaftlich ineffizient oder praktisch unmöglich wäre.

Die Mitgliedstaaten stellen nach Art. 12 Abs. 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie sicher, dass die zuständigen nationalen Behörden von den Unternehmen verlangen können, die erforderlichen Informationen zu liefern, damit diese Behörden in Zusammenarbeit mit den nationalen Regulierungsbehörden ein detailliertes Verzeichnis der Art, Verfügbarkeit und geographischen Lage entsprechenden Einrichtungen erstellen und interessierten Kreisen zur Verfügung stellen können. Insoweit wird die Erstellung eines sog. Infrastrukturatlas dadurch forciert, als eine nationale Behörde Anforderungen zur Informationsbeschaffung auch verbindlich durchsetzen können muss.

bb) Umsetzungsspielraum

Art. 12 Abs. 1 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie nennt als in Betracht kommende Leitungswege „Gebäude, Gebäudezugänge, Verkabelungen in Gebäuden, Masten, Antennen, Türme und andere Trägerstrukturen, Leitungsrohre, Leerrohre, Einstiegsschächte und Verteilerkästen.“ Insoweit dehnt diese Vorschrift die erfassten Leitungswege über § 68 Abs. 1 TKG hinaus aus. Der Gesetzgeber ist daher gehalten, das TKG im Interesse einer Optimierung der Infrastrukturnutzung anzupassen. Da Art. 12 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie zudem einen Optimierungsauftrag enthält, um den Ausbau der Infrastruktur im Bereich neuer Netze über eine bestmögliche Nutzung der bereits vorhandenen passiven Infrastruktur voranzutreiben, sind diese Vorgaben i. S. v. Mindeststandards zu verstehen, nicht als eine abschließende Auflistung. Der nationale Gesetzgeber ist mit anderen Worten durch die Richtlinie nicht gehindert, auch andere vorhandene Netzinfrastrukturen (z. B. im Bereich der Energieversorgung) einzubeziehen.

aaa) Erweiterung des Adressatenkreises

Dies gilt in besonderer Weise hinsichtlich der Adressaten einer potentiell anzuordnenden Verpflichtung, die Mitbenutzung zu dulden. § 68 Abs. 1 TKG, der Ausgangspunkt des Mitbenutzungsanspruchs aus § 70 TKG ist, beschränkt sich auf die Mitbenutzung öffentlicher Verkehrswege, sprich: Verkehrswege, die durch hoheitliche straßenrechtliche Widmung in einen öffentlichen Verkehrszweck überführt wurden.284 Art. 12 Abs. 1 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie bezieht sich jedoch bewusst auf die gesamte vorhandene und zur Mitbenutzung geeignete Infrastruktur. Erfasst wird insbesondere auch private Infrastruktur. Der Umsetzungsgesetzgeber kann daher den Anwendungsbereich der §§ 68 ff. TKG auch auf private Infrastruktureinrichtungen erstrecken und entsprechende Mitbenutzungsansprüche einräumen. Er ist hierzu im Interesse der praktischen Wirksamkeit des Art. 12 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie inhärenten Auftrags zur optimalen Nutzung vorhandener Infrastrukturen grundsätzlich auch verpflichtet, zumal die Auferlegung von Zugangsverpflichtungen gegenüber marktmächtigen Unternehmen im Regelfall unverhältnismäßig i. S. d. Art. 8 Abs. 5 lit. f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie sein wird, wenn als milderes Mittel die Mitnutzung vorhandener und nicht ausgelasteter Infrastrukturen anderer Netzwirtschaften oder Telekommunikationsdienstleistungsanbieter angeordnet werden könnte. Hierauf zielt auch Art. 12 Abs. 2 lit. a der Zugangsrichtlinie, der die vorhandene und konkurrierende Infrastruktur explizit zu einem maßgeblich bei der Auferlegung von Zugangsverpflichtungen zu berücksichtigenden Element erhebt,285 was der Bundesgesetzgeber im Übrigen schon bisher durch § 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TKG durch wörtliche Übernahme umgesetzt hat. In der Neufassung des Art. 12 Abs. 2 lit. a der Zugangsrichtlinie, die die Bestimmung durch Richtlinie 2009/140/EG erhalten hat, wird nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass dies auch eine Berücksichtigung der „Tragfähigkeit anderer vorgelagerter Zugangsprodukte, wie etwa des Zugangs zu Leitungsrohren“, einschließt. Der Bundesgesetzgeber sollte die effektive Wirksamkeit dieser Bestimmung durch entsprechende Ergänzung des § 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TKG sicherstellen, zumal hinter der auf den ersten Blick eher unscheinbaren Klarstellung im Rahmen des Art. 12 der Zugangsrichtlinie auch eine materielle Wertentscheidung zugunsten einer bislang nur unzureichend vorangetriebenen Optimierung der Infrastrukturnutzung steht.

bbb) Auskunftsanordnungen

Die nach Art. 12 Abs. 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie vorgesehene (hoheitlich gegenüber Auskunftspflichtigen durch¬N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (33)setzbare) Kartierung der vorhandenen Infrastruktur ist ebenfalls Voraussetzung einer optimalen Infrastrukturnutzung. Die hoheitlichen Durchsetzungsinstrumente zur Informationsbeschaffung müssten in das TKG aufgenommen werden. Hierzu bietet sich etwa der Regelungskontext des § 127 TKG an.

ccc) Hoheitliche Durchsetzung der Mitbenutzung

Die §§ 68 ff. TKG sehen zudem bislang keine Möglichkeit vor, eine Mitbenutzung vorhandener Infrastruktur behördlich anzuordnen. Dies wird aber spätestens dann notwendig, wenn über § 68 Abs. 1 TKG hinaus auch private Infrastruktur der Mitbenutzung unterworfen werden soll. Der Gesetzgeber müsste daher die Bundesnetzagentur ermächtigen sowie unter den gegebenen Voraussetzungen auch verpflichten, als Alternative zur Zugangsregulierung auch die Mitbenutzung vorhandener Infrastruktur hoheitlich festzusetzen,286 zumal die Möglichkeit der Nutzung vorhandener Infrastruktur dann ohnehin im Rahmen der Marktanalyse von der Behörde von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Anderenfalls würde das Regelungsziel des Art. 12 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie mangels effektiver Durchsetzungsinstrumente letztlich verfehlt.

ddd) Verfassungsrechtlicher Rahmen der Umsetzung

Fraglich ist, ob der Deutsche Bundestag im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2009/140/EG eine entsprechende Mitbenutzung anordnen dürfte. Dies hängt davon ab, ob dem Bund eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz zusteht, er eine Verwaltungskompetenz hat, der Bundesnetzagentur als Bundesbehörde entsprechende Anordnungsbefugnisse zuzuweisen, und schließlich ob Grundrechte des GG einer entsprechenden Regelung entgegenstehen.

(1) Bundesgesetzgebungskompetenz

Dem Bund stünde für eine umfassende Regelung der symmetrischen Infrastrukturmitbenutzung eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG zur Verfügung. Der Gesetzgebungskompetenztitel „Telekommunikation“ beschränkt sich zwar auf die technische Seite der Kommunikation,287 ist aber insoweit umfassend zu verstehen und erfasst auch den infrastrukturellen Rahmen der Telekommunikationsnetze288 einschließlich des Leitungsabschlusses und der technischen Einrichtungen zur Übertragung289. Dies schließt nach der Rechtsprechung auch die Kompetenz ein, die Benutzung der Verkehrswege zugunsten von Telekommunikationslinien zu regeln.290 Gleiches gilt für sonstige passive Infrastruktur, die geeignet ist, Telekommunikationslinien aufzunehmen.

Zudem enthält Art. 87f GG eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes,291 die Rahmenbedingungen zur Gewährleistung flächendeckend angemessener und ausreichender Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen zu regeln. Auch diese Kompetenz schließt infrastrukturelle Regelungen ein, soweit sie darauf gerichtet sind, einen funktionsfähigen Wettbewerb zum Zwecke der Infrastrukturgewährleistung herzustellen bzw. zu fördern.292 Ob bezogen auf die hier in Rede stehenden Regelungen der Mitbenutzung Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG oder Art. 87f GG einschlägig ist, hängt davon ab, ob man den Schwerpunkt des Regelungsziels in der Gestaltung der allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen der Telekommunikationsinfrastruktur (dann Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG) oder im Ausbau der Infrastrukturen im Interesse einer flächendeckenden Versorgung mit Höchstleistungsnetzen sieht (dann Art. 87f GG als Zustimmungsgesetz).293 Für letztere Lösung spricht vorliegend der Regelungskontext der Richtlinie 2009/140/EG. Letztlich kann dies hier offenbleiben, da der Bund jedenfalls über eine entsprechende Regelungskompetenz verfügt, da eine Mitbenutzungsanordnung fraglos dem Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur in der Fläche dient und daher dem Gegenstand nach unter beide Kompetenztitel zu fassen wäre. Der wesentliche Unterschied beider Kompetenzgrundlagen liegt in der Zustimmungsbedürftigkeit eines auf Art. 87f Abs. 1 GG gestützten Gesetzes.294

(2) Bundesverwaltungskompetenz

Der Bund bedürfte, um die Bundesnetzagentur zur Anordnung der Mitbenutzung zu ermächtigen, einer expliziten Verwaltungskompetenz (Art. 83 GG). Das BVerfG hat in einer früheren Entscheidung zum seinerzeitigen § 50 TKG 1996 die Frage, inwiefern eine Zustimmung zur Benutzung öffentlicher Wege unter die Verwaltungskompetenz des Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG fällt, ausdrücklich offengelassen.295 Das Gericht beanstandete die seinerzeitige Regelung des § 50 Abs. 4 TKG 1996 lediglich als in sich widersprüchlich und sah hierin folglich einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot klarer Zuständigkeiten.296 Denn die bezeichnete Regelung ordnete die Zustimmung zur Verlegung von Telekommunikationslinien grundsätzlich der bei den Ländern (Kommunen) liegenden Straßenverwaltung zu (§ 50 Abs. 3 TKG 1996), übertrug aber ohne sachimmanenten Grund diese Zuständigkeit in lizenzspezifischen Konkurrenzsituationen dem Bund (§ 50 Abs. 4 TKG 1996). Dieses doch sehr spezifische Problem der damaligen Regelung stellt sich vorliegend indes von vornherein nicht. Denn die Bundesnetzagentur würde im Rahmen der Umsetzung des Art. 12 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie lediglich ermächtigt, eine Mitbenutzung gegenüber den Beteiligten anzuordnen. Dies fällt jedoch als Operationalisierung der Infrastrukturverantwortung des Bundes ausschließlich unter die Verwaltungskompetenz des Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG, und zwar aus folgenden Gründen:

Die Anordnung von Mitbenutzungsrechten ist keine wegerechtliche Zustimmung zur Nutzung öffentlicher Infrastruktur. Vielmehr adressiert eine Mitbenutzungsanordnung zum einen das begünstigte Unternehmen, zum anderen den jeweils aktuellen Inhaber der Infrastruktur, der zur Duldung der Mitbenutzung verpflichtet wird. Die hiervon zu unterscheidende Zustimmung des Trägers der Wegebaulast nach § 68 Abs. 3 TKG bleibt von einer Anordnung der Bundesnetzagentur unberührt. Die Befugnis zur Anordnung von Mitbenutzungsrechten gegenüber privaten Eigentümern von passiver Infrastruktur kann schon deshalb der Bundesnetzagentur nach Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG zugewiesen werden, weil sich hier Fragen der Abgrenzung der Verwaltungszuständigkeiten in Relation zum Träger der Wegebaulast nicht stellen. Es geht in diesem Kontext nicht um einen Eingriff in Kompetenzen, die den landesrechtlich konstituierten Trägern der Wegebaulast zugeordnet sind, sondern um die Anordnung von Verpflichtungen gegenüber Privaten zu Zwecken der Infrastrukturgewährleistung im Rahmen des Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG. Auch das Problem einer in sich widersprüchlichen Kompetenzzuweisung wird vermieden, da die Befugnis zum Erlass von hoheitlichen Mitbenutzungsanordnungen einheitlich der Bundesnetzagentur im Rahmen ihrer Aufgaben nach Art. 87f GG zugewiesen würde. Eine Verwaltungskompetenz des Bundes ist mithin gegeben.

(3) Grundrechte

Soweit bereits Art. 12 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie eine Erweiterung der Mitbenutzung auf private Infrastruktur vor¬N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (34)sieht, ist ein entsprechendes Umsetzungsgesetz nicht mehr an den Grundrechten des GG zu messen. Lediglich soweit die Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber Gestaltungsspielräume eröffnet, greift der Schutz der Grundrechte nach nationalem Verfassungsrecht ein.297 Die Einbeziehung privater Infrastruktur ist allerdings lediglich dem Grunde nach unionsrechtlich sanktioniert, während hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung durchaus Spielräume verbleiben. Namentlich Fragen einer etwaigen Entschädigung bleiben – wie allgemein298 – der Ausgestaltung durch die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber überantwortet. Auch hinsichtlich einer zulässigen, aber von der Richtlinie nicht verpflichtend vorgegebenen Erstreckung der Mitbenutzung auf sonstige passive Netzinfrastruktur jenseits der Telekommunikation wäre eine konkrete bundesgesetzliche Ausgestaltung an den Grundrechten zu messen.

Wird ein grundrechtsberechtigtes privates Unternehmen zur Mitbenutzung verpflichtet, berührt dies den Schutzbereich der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG). Es handelt sich bei einer entsprechenden Duldungspflicht nach allgemeinen Grundsätzen299 nicht um eine Enteignung i. S. d. Art. 14 Abs. 3 GG, sondern um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.300 Eine entsprechende Mitbenutzungsanordnung, die im Hinblick auf Art. 87f Abs. 1 GG verfassungsrechtlich legitime Ziele verfolgt, müsste freilich dem Verhältnismäßigkeitsgebot genügen, sprich: vor allem angemessen sein. In diesem Rahmen ist wiederum die Wertentscheidung des Art. 87f Abs. 1 GG und die darin zum Ausdruck kommende herausgehobene volkswirtschaftliche Bedeutung einer angemessenen Telekommunikationsinfrastruktur zu berücksichtigen, die entsprechende Duldungspflichten von Eigentümern vorhandener Infrastruktur grundsätzlich rechtfertigt.301 Ob es verfassungsrechtlich geboten ist, als Ausgleich für die Mitbenutzung einen Anspruch auf ein angemessenes Entgelt vorzusehen, hat das BVerfG nicht abschließend entschieden. Das Gericht hat allerdings eine entsprechende Ausgleichsregelung explizit als Argument angeführt, die Zumutbarkeit einer Duldungspflicht zu untermauern.302 In Anbetracht der nicht unerheblichen Eingriffsintensität, die eine Mitbenutzungsanordnung mit sich bringt, wird man auf eine moderate Ausgleichsregelung grundsätzlich nicht verzichten können, zumal wenn die Infrastruktur durch Einsatz privaten Vermögens geschaffen wurde und nicht lediglich Konsequenz eines (dann qualifiziert sozialpflichtigen) privilegierten Infrastrukturzugangs ist. Hieraus folgt, dass eine symmetrische Mitbenutzungsverpflichtung gegenüber Privaten jedenfalls unter Einbeziehung einer Ausgleichsregelung verhältnismäßig wäre. Im Ergebnis das Gleiche gilt für die – daneben anwendbare303 – Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).

IV. Handlungsempfehlung für die nationale Umsetzung

Abschließend sollen auf der Grundlage der analysierten Regelungsgehalte der Richtlinie 2009/140/EG unter Berücksichtigung des nationalen Verfassungsrechts allgemeine Handlungsempfehlungen für die Umsetzung entwickelt werden.

1. Bestehenden Umsetzungsspielraum nutzen, um Subsidiaritätsverhältnis und Demokratieprinzip zu sichern

Für die Umsetzung der Richtlinie 2009/140/EG lässt sich ganz allgemein folgende Maxime formulieren: Der Deutsche Bundestag sollte bestehende Umsetzungsspielräume gezielt zur aktiven Gestaltung und Konkretisierung der unionsrechtlichen Zielvorgaben nutzen.

Zunächst gilt über die mit dem „TK-Review“ verfolgten regulierungspolitischen Ziele hinaus für den Deutschen Bundestag ganz allgemein, im Prozess der Europäisierung nicht defensiv zu bleiben,304 sondern sich konstruktive parlamentarische Handlungsperspektiven offenzuhalten. Nationale Parlamente sind nach dem Lissabon-Vertrag bewusst als „Hüter der Subsidiarität“ eingesetzt worden.305 Dieser Rolle werden nationale Parlamente aber nur dadurch gerecht, wenn sie sich – jenseits einer tunlichst zu vermeidenden verfahrensförmlichen Eskalation von Subsidiaritätskonflikten – darum bemühen, bei ihrer täglichen Arbeitsweise eigene gestalterische Akzente im Rahmen der Umsetzungsgesetzgebung (gleichsam „von unten“) zu setzen, und sich nicht selbst zu bloßen Notaren des Richtliniengebers degradieren. Es wurde aufgezeigt, dass der novellierte europäische Rechtsrahmen für die Telekommunikation nicht unerhebliche Spielräume belässt, die einer gesetzlichen Konkretisierung zugänglich sind.

Die Wahrung legislativen Selbststandes hat auch handfeste verfassungsrechtliche Implikationen: Es wurde mit Recht bereits darauf hingewiesen, dass der deutsche Gesetzgeber bei einer Umsetzung des „TK-Review“ nicht nur die Entscheidung des EuGH zu § 9a TKG, sondern auch das Lissabon-Urteil des BVerfG im Blick behalten muss.306 Dies gilt umso mehr, als über die konkrete Reichweite und Dichte der aus dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG) i. V. m. Art. 79 Abs. 3 GG abgeleiteten Kontrollvorbehalte bislang Unsicherheit besteht,307 was den Gesetzgeber zu zusätzlicher Sorgfalt anhalten sollte. Das BVerfG hat jedenfalls unmissverständlich betont, dass das in Art. 20 Abs. 2 GG niedergelegte Prinzip der repräsentativen Volksherrschaft verletzt sein kann, „wenn im grundgesetzlichen Organgefüge die Rechte des Bundestages wesentlich geschmälert werden und damit ein Substanzverlust demokratischer Gestaltungsmacht für dasjenige Verfassungsorgan eintritt, das unmittelbar nach den Grundsätzen freier und gleicher Wahl zustande gekommen ist“.308 Aus staatsrechtlicher Sicht nicht hinnehmbar wäre es, wenn der Europäisierungsprozess im Verwaltungsrecht zu grundlegenden Verschiebungen in der staatsstrukturellen Tektonik, namentlich hinsichtlich der funktionalen Gewaltengliederung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG),309 führen und hierdurch die Funktionsfähigkeit der Legislative als Basis demokratischer Legitimationsmittlung erodiert würde.310 Das BVerfG beansprucht einen – zu Unrecht vielfach kritisierten – bundesverfassungsgerichtlichen Interventionsvorbehalt, der sich in einer Ultra-vires- und Identitätskontrolle311 niederschlägt, die sowohl die Abwehr von grundlegenden Kompetenzüberschreitungen als auch von Deformationen der in Art. 20 GG niedergelegten Staatsstruktur erfasst. Insbesondere hinter der Ultra-vires-Kontrolle steht auch der Gedanke, dass die Übertragung von Herrschaftsmacht mit dem Risiko des Missbrauchs kalkulieren muss und die gewaltige Kompetenzfülle der EU und ihrer Organe nur durch strikte rechtliche Einhegung legitimiert werden kann.312

An erster Stelle nimmt das BVerfG jedoch den Deutschen Bundestag als Gesetzgeber in die Pflicht, seiner Integrationsverantwortung gerecht zu werden und zuvörderst selbst einer Verflüchtigung der demokratischen Gestaltung dadurch entgegenzuwirken, dass er die unionsrechtlich belassenen Spielräume bestmöglich N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (35)zur konstruktiven (und europarechtsfreundlich-kooperativen) Gesetzgebung nutzt. Auch aus diesem Grund sollte der Deutsche Bundestag vorliegend die vom Sekundärrecht eröffneten Möglichkeiten zu einer konkretisierenden und positiv gestaltenden Umsetzung kraftvoll wahrnehmen und insoweit dazu beitragen, unnötige Folgekonflikte durch selbstbewusste parlamentarische Entscheidungen zu vermeiden, statt durch Passivität eine Erosion des demokratischen Legitimationsniveaus zusätzlich zu befördern. Auch das Subsidiaritätsprinzip gewinnt in diesem Zusammenhang nicht nur durch den Ausbau der primärrechtlich vorgesehenen Kontrollstrukturen an Gewicht. Zusätzlich ist aus der Sicht des deutschen Verfassungsrechts zu beachten, dass sich das BVerfG in seiner Lissabon-Entscheidung auch die prinzipielle Beachtung der Subsidiarität im Rahmen einer sog. Ultra-vires-Kontrolle ausdrücklich vorbehalten hat.313

Für eine aktivere Rolle der Bundesrepublik bei der Durchsetzung von Anforderungen des deutschen Staatsrechts im europäischen Rechtsetzungsprozess spricht schließlich, dass Passivität oft als Einverständnis missverstanden wird. Wenn etwa der deutsche Richter am EuGH, Thomas von Danwitz, die Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland durch den EuGH wegen der fehlenden Unabhängigkeit deutscher Datenschutzbeauftragter auch mit dem Argument verteidigt, dass hinlänglich bekannte staatsrechtliche Komplikationen von den deutschen Vertretern im Rechtsetzungsverfahren zu keiner Zeit geltend gemacht wurden und auch nicht gegen die im dortigen Verfahren gegenständliche Richtlinie geklagt worden sei,314 so zeigt dies nur, dass ganz allgemein die vom BVerfG mit Recht betonte Integrationsverantwortung deutscher Staatsorgane bislang nur unzulänglich und oft zu spät wahrgenommen wird. Umso mehr ist es dann erforderlich, dass sich der Deutsche Bundestag aktiv und kraftvoll um politische Gestaltung innerhalb der – wie gezeigt: hinlänglich vorhandenen – Umsetzungsspielräume bemüht und eigene politische Akzente setzt.

Das reformierte Regulierungsverfahren wurde schließlich auch von der Monopolkommission kritisiert. Die Monopolkommission beanstandet neben der Komplizierung und Bürokratisierung des Beteiligungsverfahrens vor allem, „dass die national unterschiedlichen Regulierungsmaßnahmen ein Reflex auf die Unterschiede bei der Wettbewerbsentwicklung auf den nationalen Telekommunikationsmärkten und die dort anzutreffenden nationalen Besonderheiten sind.“315 Die Kommission betont also mit Recht die nationalen Unterschiede, die Anlass für unterschiedliche Lösungen in den Mitgliedstaaten und gerade nicht für eine Nivellierung von Differenzen in den Regulierungsstrategien bieten. Hierbei handelt es sich zwar nicht um eine rechtliche, sondern um eine politische Kritik an einer verfehlten europäischen Regelungsstrategie. Erst recht sollte aber das dahinterstehende Anliegen, den Bedürfnissen nach dezentralen und problemspezifischen Regulierungsstrategien Rechnung zu tragen, rechtspolitisch ernst genommen werden. Der parlamentarische Gesetzgeber sollte mit anderen Worten die vom europäischen Regelungswerk belassenen Gestaltungsmöglichkeiten kraftvoll dazu nutzen, eine optimale Anpassung an die Bedürfnisse der Markt- und Infrastruktur in Deutschland zu erreichen.

2. Konsequente Umsetzung der Richtlinien unter maßgeblicher Hinzuziehung der Erwägungsgründe

Der deutsche Gesetzgeber ist verpflichtet, die Richtlinie 2009/140/EG in einer Weise umzusetzen, die dem in der Unionstreue (Art. 4 Abs. 3 EUV) sowie der Umsetzungspflicht (Art. 249 Abs. 3 EG a. F.) verankerten Gebot praktischer Wirksamkeit genügt. Soweit die Richtlinie Umsetzungsspielräume belässt, ist dieser Verpflichtung nicht schon dadurch Genüge getan, dass die Richtlinie durch schlichten Transfer offener Vorgaben „eins zu eins“ im nationalen Recht abgebildet wird. Vielmehr bedarf es in diesem Fall einer gesetzlichen Konkretisierung, die den allgemeinen Regelungszielen der Richtlinie zur Geltung verhilft. Diese Regelungsziele ergeben sich maßgeblich aus den Erwägungsgründen, die als integrale Bestandteile des Normtextes selbst an dessen Verbindlichkeit teilhaben und insoweit sowohl Ausdruck des Willens des Richtliniengebers als auch Kompass für den nationalen Umsetzungsgesetzgeber sind. Anders gewendet: Ob eine Umsetzung im Ergebnis den Anforderungen der Richtlinie 2009/140/EG entspricht, wird also auch davon abhängen, ob der Gesetzgeber die abstrakten Vorgaben – namentlich des Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie – in konkrete, transparente und praktisch operable Regelungen übersetzt, die den mit den Regulierungsgrundsätzen verbundenen und in den Erwägungsgründen niedergelegten marktstruktur- und regulierungspolitischen Erwartungen gerecht werden.

3. Erfordernis normkonkretisierender Vorgaben aus verfassungsrechtlichen Gründen

Das unionsrechtliche Modell einer weitgehend der Verwaltung überantworteten, gesetzlich nur rahmenartig determinierten Regulierung steht in einem inhärenten Spannungsverhältnis zum Vorbehalt des Gesetzes.316 Jedenfalls soweit das Unionsrecht Umsetzungsspielräume belässt, ist der Gesetzgeber verpflichtet, bei der Umsetzung die sich aus der Verfassung ergebenden Bindungen zu beachten.317 Der aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 2 und 3 GG) abgeleitete Vorbehalt des Gesetzes gehört überdies jedenfalls in seinem Kerngehalt zum durch Art. 79 Abs. 3 GG änderungsresistenten Normenbestand.318 Gleiches gilt für die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an ein insgesamt hinreichendes demokratisches Legitimationsniveau der Herrschaftsausübung.319 Dies begrenzt auch die Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an der kooperativen europäischen Rechtsetzung (Art. 23 Abs. 1 S. 1 mit S. 3 GG). Eine Umsetzung muss also in jedem Fall den rechtsstaatlichen und demokratischen Mindeststandards Rechnung tragen, die gleichsam die Geschäftsgrundlage der Unterwerfung unter den Vorrang des Unionsrechts bilden. Insoweit ist auch eine Umsetzung des „TK-Review“ am rechtsstaatlichen und demokratischen Vorbehalt des Gesetzes zu messen. Eine allein an den administrativen Bedürfnissen nach regulatorischer Flexibilität orientierte Implementierung,320 die rechtliche Bindung so gering wie möglich hält,321 wird diesen Anforderungen – selbst unter dem Gesichtspunkt einer aufgabenadäquaten Organstruktur, der die inhaltliche Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes unter Gesichtspunkten der Regelbarkeit präformiert322 – nicht gerecht.323

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a) Vorbehalt des Gesetzes für wesentliche Entscheidungen

Der Vorbehalt des Gesetzes hat zwei unterschiedliche verfassungsrechtliche Wurzeln, nämlich das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 S. 1 und 2 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).324 Beide Begründungspfade ergänzen sich wechselseitig.325 Das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG) verlangt die demokratische Legitimation des Verwaltungshandelns, die in sachlichinhaltlicher Hinsicht vor allem über das parlamentarische Gesetz hergestellt wird. Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) fordert zudem die Vorhersehbarkeit, Transparenz und die Kontrollierbarkeit hoheitlichen Handelns, was jeweils hinreichend verdichtete rechtliche Maßstäbe voraussetzt, an die die Verwaltung gebunden ist.

aa) Maßstab der Wesentlichkeit

Nach ständiger verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung hat der parlamentarische Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (Wesentlichkeitsdoktrin).326 Es ist dem Gesetzgeber insoweit verwehrt, wesentliche normative Entscheidungen auf die Verwaltung zu delegieren.327 Eine Regelung muss, um den Vorbehalt des Gesetzes auszufüllen, gemessen an den Anforderungen des betroffenen Regelungsgegenstandes auch hinreichend bestimmt sein, also eine hinreichende Regelungsdichte aufweisen.328 Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Ermächtigung und damit an den Grad normativer Determination der Verwaltung sind umso höher, je intensiver der Bezug zu grundrechtlich geschützter Freiheitsentfaltung ist (Grundrechtswesentlichkeit329).330

Der Gesetzgeber darf zwar unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln verwenden, um eine hinreichende Flexibilität des Verwaltungshandelns in nur begrenzt abstrakt-generell regelbaren Bereichen der Rechtsetzung herzustellen.331 Er muss bei der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe aber die Grundsätze der Normenklarheit und Justiziabilität beachten.332 Namentlich muss eine hinreichende Transparenz des Norminhalts gewährleistet333 und eine gerichtliche Kontrolle des Verwaltungshandelns möglich sein.334 Entscheidungen über die Grenzen der Freiheit des Bürgers dürfen nicht einseitig in das Ermessen der Verwaltung gelegt werden.335

bb) Wesentlichkeit der Marktregulierung

Der Vorbehalt des Gesetzes kraft Grundrechtswesentlichkeit zwingt vorliegend zu einer präzisierenden Regelung, weil eine etwaige Regulierung, die dem regulierten Unternehmen zugunsten von Konkurrenten Verpflichtungen auferlegt, empfindlich in die Berufsfreiheit sowie ggf. in die Eigentumsfreiheit der Adressaten eingreift.336 Die hier in Rede stehende Zugangs- und Entgeltregulierung beinhaltet gewichtige Grundrechtseingriffe durch eine weitreichende Einschränkung des freien Marktverhaltens der regulierten Akteure. Für die Entfaltung der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Entscheidungsfreiheit ist es von grundlegender Bedeutung, dass ein Unternehmen absehen kann, welche hoheitlichen Lasten ihm künftig aufgebürdet werden, wenn es Investitionsentscheidungen trifft. Gemessen hieran bedarf es einer gesetzlichen Konkretisierung der Maßstäbe des Regulierungshandelns. Der geltende europäische Rechtsrahmen beschränkt sich vielfach auf eine Aufzählung der zu berücksichtigenden Belange, ohne diese in Relation zueinander zu setzen und abstrakt-generelle Handlungsanweisungen aufzustellen. Ohne weitere Konkretisierung sind daher kaum objektivierbare und damit kontrollierbare Maßstäbe der Regulierung vorhanden.337 Hierdurch erhöht sich die Gefahr, dass Entscheidungen mangels hinreichender Maßstäbe nach sachfremden Kriterien getroffen werden, mithin willkürlich sind. Vor allem aber ist für die potentiell betroffenen Unternehmen nur sehr begrenzt absehbar, ob ihnen regulatorische Verpflichtungen auferlegt werden und ggf. welche. Dies läuft nicht nur dem europäischen Regulierungsgrundsatz der Rechts- und Planungssicherheit (Art. 8 Abs. 5 lit. a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie) zuwider, sondern verletzt, soweit das Unionsrecht Regelungsspielräume belässt, auch den Vorbehalt des Gesetzes.

Eine wesentliche Entscheidung, die zu einer gesetzlichen Regelung zwingt, kann aber auch dann vorliegen, wenn der betroffene Regelungsgegenstand politisch umstritten ist und sich aus dem geltenden Recht bzw. dem vorhandenen Erfahrungswissen keine hinreichenden Handlungsmaßstäbe entnehmen lassen.338 Ohne hinreichende gesetzliche Maßstäbe ist eine Verwaltungsentscheidung mit erheblichen Unsicherheiten belastet, da sie letztlich weitgehend von den subjektiven (politischen) Präferenzen des Rechtsanwenders abhängt. Eine unzureichende normative Determination erhöht also die subjektive Kontingenz von Entscheidungen, führt zu Rationalitätseinbußen und verhindert eine wirksame Kontrolle. Zugleich verflüchtigt sich das demokratische Legitimationsniveau, da politisch wesentliche Entscheidungen nicht mehr vom unmittelbar demokratisch legitimierten Parlament in einem auf politische Entscheidungen ausgerichteten Verfahren getroffen werden. Parlamentarische Gesetzgebungsverfahren gewährleisten eine eigenständige Rationalität hoheitlicher Entscheidungen,339 N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (37)die nicht beliebig von anderen Verfahren und Organen übernommen werden können. Durch den Vorbehalt des Gesetzes „soll sichergestellt werden, daß derartige Regelungen aus einem Verfahren hervorgehen, das sich durch Transparenz auszeichnet, die Beteiligung der parlamentarischen Opposition gewährleistet und auch den Betroffenen und dem Publikum Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten“.340

Gemessen hieran handelt es sich bei den in Rede stehenden Entscheidungen der nationalen Regulierungsbehörde, ob auch im Bereich neuer Höchstleistungsnetze eine Ex-ante-Zugangsregulierung erfolgen soll oder nicht und wie ggf. dem berechtigten Interesse der Unternehmen an transparenten und rechtssicheren Rahmenbedingungen für anstehende Investitionsentscheidungen Rechnung getragen werden kann, um wesentliche Fragen, die dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen. Regulierung enthält ganz allgemein oftmals wesentliche politische Gestaltungsentscheidungen.341 Letztlich geht es hier um die Austragung politischer Grundsatzkonflikte, etwa um die Fragen, inwieweit wettbewerbs-, infrastruktur- oder sozialpolitischen Zielen und den jeweils dahinterstehenden grundrechtlich geschützten Interessen Vorrang zukommen soll, wie Zielkonflikte ausgeglichen werden können und wie sich dies regelungstechnisch umsetzen lässt. Ob und inwiefern die Bundesnetzagentur neue Netze der Zugangs- und Entgeltregulierung unterwirft bzw. wie hierüber rechtzeitig Planungssicherheit herzustellen ist, entscheidet in der Sache darüber, ob die (potentiell) regulierten Unternehmen überhaupt in neue Netze investieren. Gerade mangelnde Sicherheit über die regulativen Rahmenbedingungen ist vor allem ein Investitionshindernis, dem auch der novellierte europäische Telekommunikationsrechtsrahmen entgegensteuern will.

Konkret bedeutet dies, dass die inhaltlichen Bindungen der Regulierungsverwaltung letztlich über eines der gegenwärtig größten Infrastrukturprojekte in der Bundesrepublik entscheiden, das von erheblicher Tragweite für die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt sowie für die sozialen Kommunikationsbedürfnisse der Bevölkerung ist. Für die potentiellen Investoren stehen schließlich Finanzvolumina auf dem Spiel, die die Leistungsfähigkeit auch sehr großer Unternehmen überfordern können, wenn nicht rechtzeitig Klarheit über den flankierenden regulativen Rahmen geschaffen wird. Entscheidungen von solcher Tragweite für die Allgemeinheit wie für die betroffenen Grundrechtsträger dürfen nicht schlichtweg in das Ermessen der Verwaltung gestellt werden. Insoweit muss jedenfalls im Rahmen des unionsrechtlich Zulässigen jede Möglichkeit genutzt werden, Regulierungsentscheidungen durch gesetzliche Konkretisierung demokratisch anzureichern und rechtsstaatlich beherrschbar zu halten. Dies gilt zumal für den eingangs skizzierten europäischen Regulierungsverbund, der durch seine netzförmig-kooperativen Verwaltungsstrukturen und die diesen inhärente Verflüchtigung sowohl klarer Verantwortlichkeiten als auch normativer Bindungen in besonderem Maße auf eine rechtsstaatliche und demokratische Konturierung angewiesen ist.342 Hinreichende Schnittstellen des europäischen Rechtsrahmens, die diesen für eine weitere gesetzliche Vorstrukturierung des Regulierungshandelns offenhalten, wurden bereits aufgezeigt.

Das geflissentlich vorgebrachte Argument, den von der Regulierungsbehörde zu treffenden Verwaltungsentscheidungen hafte eine Komplexität an, die sich nur administrativ hinreichend bewältigen lasse,343 geht aus unterschiedlichen Gründen fehl. Zunächst ist es gerade eine zentrale Aufgabe des Gesetzes, Komplexität durch Abstraktion und Generalisierung zu reduzieren,344 schon weil erst hierdurch rechtliche Entscheidungen beherrschbar, demokratisch verantwortbar und kontrollierbar gemacht werden. Der Vorbehalt des Gesetzes will insoweit gerade einer – ubiquitären, letztlich zeitlosen und daher gerade nicht regulierungsspezifischen – Flucht in eine vermeintliche Komplexität entgegenwirken, indem er dazu zwingt, die Rechtsanwendung in wesentlichen Regelungsbereichen von politischer Tragweite zu entlasten. Zum anderen liegt dem Komplexitätsargument unausgesprochen ein technokratisches Verständnis von Rechtsetzung zugrunde, nach dem eine vermeintliche Sachrichtigkeit von Entscheidungen am besten durch apolitische Experten gewährleistet sei. Dies suggeriert, dass es objektiv richtige Entscheidungen gäbe, die sich schlicht durch den gezielten Einsatz methodisch geschulter, sachkundiger Entscheider herstellen ließen, was schon epistemologisch nicht haltbar ist. Gute Gründe schaffen auch keine Legitimation.345 Expertenwissen, dessen Vorhandensein im europäischen Regulierungsverbund hier nicht angezweifelt werden soll, ist insoweit von vornherein ungeeignet, demokratische Entscheidungen, wo sie geboten sind, zu substituieren. Letztlich wird hierdurch das politische Element, das jeder Regulierungsentscheidung anhaftet, ausgeblendet, das eben auch auf eine hinreichende demokratische Legitimation angewiesen ist. Dies gilt umso mehr, als die nationale Regulierungsbehörde im operativen Entscheidungsbetrieb unabhängig zu stellen ist (Art. 3 Abs. 3a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie) und der Weg über eine – vorliegend ohnehin kaum hinreichende – Anreicherung des demokratischen Legitimationsniveaus über eine Steuerung durch die politisch unmittelbar dem Parlament verantwortliche Regierung346 damit versperrt ist.347

cc) Berücksichtigung der europarechtlichen Normierungsdichte

Unionsrecht ist geltendes Recht i. S. d. Art. 20 Abs. 3 GG,348 das über seinen Anwendungsvorrang die Gesetzgebung und im Übrigen die Verwaltung und die Rechtsprechung bindet. Unionsrecht kann daher, sofern es unmittelbar anwendbar ist, auch Ermächtigungsgrundlage für deutsche Behörden i. S. d. Vorbehalts des Gesetzes sein.349 Soweit Unionsrecht nicht unmittelbar gilt, sondern der Umsetzung in nationales Recht bedarf, kann es jedenfalls durch inhaltliche oder verfahrensrechtliche Vorgaben dazu beitragen, die Normierungsdichte anzureichern.350 Dies gilt insbesondere dann, wenn bereits das Unionsrecht einen hohen Detaillierungsgrad aufweist und hierdurch materiale Gestaltungsspielräume des Umsetzungsgesetzgebers einengt.351 Ob die hierdurch erreichte Regelungsdichte dem Vorbehalt des Gesetzes genügt, beurteilt sich folglich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des Normenkomplexes aus Unionsrecht und nationalem Recht.

Vorliegend hat sich jedoch gezeigt, dass der einschlägige europäische Rechtsrahmen, was die hier in Rede stehenden Problemkreise betrifft, materiell-rechtlich weitgehend offen ist und sich im Wesentlichen auf Verfahrensrecht sowie Zieldefinitionen beschränkt. Namentlich Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie ist stark konkretisierungsbedürftig, da er zwar klare und im Lichte der Erwägungsgründe zusätzlich interpretationsfähige Regulierungsgrundsätze festlegt, sich jedoch weitgehend präzisierender Vorgaben enthält, wie diese Grundsätze innerhalb des Verfahrens der Marktregulierung zu operationalisieren sind. Kohärenzbedarf ist nicht allein durch administrative Selbstbindung zu befriedigen. Dass insbesondere die Kommission (und er¬N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (38)gänzend nunmehr auch GEREK) durch Empfehlung und Leitlinien die Bestimmtheit der regulierungsrechtlichen Vorgaben erhöhen, ist keine Rechtfertigung, den Vorbehalt des Gesetzes generell zurückzunehmen.352 Zwar mag es durchaus sein, dass das Verwaltungshandeln der nationalen Regulierungsbehörde hierdurch an Transparenz gewinnt. Auch dies vermag jedoch lediglich zur Ausfüllung des rechtsstaatlichen Vorbehalts des Gesetzes beitragen, der darauf zielt, das Verwaltungshandeln vorhersehbar und kontrollierbar zu halten. Ein zusätzlicher demokratischer Legitimationsbeitrag, um den es im Rahmen des Vorbehalts des Gesetzes gleichgewichtig geht, lässt sich durch eine Addition von Rechtserzeugungsleistungen lediglich der (deutschen und europäischen) Exekutive nur sehr begrenzt erzielen. Hinzu kommt, dass die normative Entscheidung wesentlicher Fragen im Rahmen des Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie, insbesondere solcher der Planungssicherheit, der Investitionsförderung und der Regionalisierung, maßgeblich von den tatsächlichen Rahmenbedingungen im jeweiligen Mitgliedstaat abhängt, die sich folglich erst auf mitgliedstaatlicher Ebene adäquat bestimmen sowie gesetzlich konkretisieren lassen.353

dd) Umsetzung durch Verfahrensrecht?

In geeigneten Regelungsbereichen, in denen aufgrund der Komplexität des Regelungsgegenstandes oder aufgrund seiner Dynamik eine Programmierung durch materiell-rechtliche Vorgaben aussichtslos erscheint, kann der Vorbehalt des Gesetzes auch durch geeignete Organisations- und Verfahrensregelungen ausgefüllt werden.354 Verfahren kann daher durchaus Kompensationsmasse für eine Rücknahme der materiellen Determination sein.355 Hier soll nicht bestritten werden, dass das detailliert geregelte Verfahren der Marktregulierung überhaupt ein geeigneter Legitimationsbaustein ist, der ergänzend zur Herstellung eines hinreichenden demokratischen Legitimationsniveaus beitragen kann. Eine generelle Ersetzung materieller Vorgaben lässt sich jedoch auch auf dieser Grundlage nicht legitimieren, soweit sich die hier bejahte Wesentlichkeit politischer Entscheidungen gerade auf den Entscheidungsinhalt bezieht. Maßgeblich ist vorliegend Folgendes: Bei den in Rede stehenden Regulierungsgrundsätzen (sprich: Rechts- und Planungssicherheit, Investitionsförderung, Regionalisierung, Verhältnismäßigkeit der Regulierung) geht es im Kern um materielle Anliegen, die sich ihrem Gegenstand nach nicht allein und auch nicht vornehmlich durch verfahrensrechtliche Diskurse und Partizipationschancen umsetzen lassen. Eine Prozeduralisierung des Rechts bedeutet letztlich, bezogen auf die zu entscheidenden Inhaltsfragen, dass mangels normativer Vorgaben auf außerrechtliche Verantwortungsmechanismen des richtigen Entscheidens verwiesen wird.356 Dies mag angehen, wenn es um eher technische Detailfragen geht, die sich anhand vorhandenen fachlich-wissenschaftlichen Erfahrungswissens sachverständig bzw. bürokratisch abarbeiten lassen. Verfahrensregelungen können aber den Gesetzgeber nicht davon entlasten, wesentliche politische Entscheidungen selbst – und das heißt: durch inhaltliche Maßstabsbildung in Gesetzesform – zu treffen. Um solche Fragen geht es vorliegend wie gezeigt jedoch.

b) Umsetzung von Vorgaben der Richtlinie durch Verwaltungsvorschriften?

Die Verpflichtung zur praktisch wirksamen Richtlinienumsetzung würde schließlich verfehlt, wenn der Gesetzgeber mit der Verwaltungsvorschrift – wie von der Bundesnetzagentur ins Spiel gebracht357 – ein Instrumentarium wählt, dass das Ziel, für die betroffenen Unternehmen Investitionssicherheit herzustellen, offensichtlich nicht erreichen kann. Eine Verwaltungsvorschrift ist Binnenrecht der Verwaltung und hat keine unmittelbare Außenwirkung.358 Außenwirkung lässt sich allenfalls mittelbar über das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) herstellen, sofern den Regelungsinhalten auch eine außengerichtete Verwaltungspraxis korrespondiert,359 von der im Übrigen jederzeit Abstand genommen werden könnte. Bloßes Innenrecht entfaltet keine Rechtswirkung gegenüber dem Einzelnen und ist insoweit auch nicht in der Lage, bestehende Rechte oder Pflichten im Außenrechtsverhältnis zu begründen oder zu verändern.360 Damit ist die Verbindlichkeit der in einer Verwaltungsvorschrift enthaltenen Vorgaben aber ungesichert. Es besteht mithin keine hinreichende Rechtssicherheit. Eine Verwaltungsvorschrift ist vor diesem Hintergrund auch ungeeignet, einen bestehenden Vorbehalt des Gesetzes auszufüllen.361 Eine abstrakt-generelle Verwaltungsvorschrift ermöglicht zudem keine konkret-individuelle Festlegung, die dem einzelnen Unternehmen konkrete Perspektiven einer anstehenden Investitionsentscheidung hinreichend sichert. Gemessen an der Tragweite der hier betroffenen Investitionsentscheidungen erscheint dies völlig unzulänglich.

Das aus der Umsetzungspflicht herrührende Gebot der praktischen Wirksamkeit (Art. 249 Abs. 3 i. V. m. Art. 10 EG a. F. [jetzt Art. 288 Abs. 3 AEUV i. V. m. Art. 4 Abs. 3 EUV]) verlangt dem Gesetzgeber eine objektive und transparente Umsetzung ab. Eine bloße Verwaltungspraxis, die prinzipiell jederzeit änderbar ist, stellt daher keine unionsrechtskonforme Umsetzung dar.362 Soweit Rechtsakte der EU auf die Begründung subjektiver Rechte angelegt sind, fordert der EuGH in ständiger Rechtsprechung konsequent eine außenwirksame und verbindliche Umsetzung, für die eine Verwaltungsvorschrift ungeeignet ist.363 Vorliegend hat sich gezeigt, dass die hier untersuchten Regulierungsgrundsätze des Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie sowie partiell die Vorgaben aus Art. 12 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie jeweils auch dem Schutz der regulierten Unternehmen dienen. Eine Umsetzung solcher Regelungen des „TK-Review“ durch Verwaltungsvorschriften ist daher auch unionsrechtlich unzulässig.364

Im Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass die hier untersuchten Vorgaben der Richtlinie 2009/140/EG durch ein Parlamentsgesetz umzusetzen sind, das im Hinblick auf den durch den europäischen Rechtsrahmen nur unzureichend ausgefüllten demokratischen und rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes die abstrakten Regulierungsgrundsätze richtlinienkonform konkretisiert und durch N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (39)materiell-rechtliche Bindungen der Regulierungsbehörde hinreichend präzisiert.

V. Zusammenfassung

Eine Richtlinie ist ausweislich des hier einschlägigen Art. 249 Abs. 3 EG a. F. hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch dem nationalen Gesetzgeber die Wahl der Form und der Mittel. Die Mitgliedstaaten sind nach der Rechtsprechung des EuGH verpflichtet, innerhalb der ihnen durch eine Richtlinie belassenen Entscheidungsfreiheit die Formen und die Mittel zu wählen, die sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit („effet utile“) einer Richtlinie unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Zwecks am besten eignen. Die aus einer Richtlinie folgende Umsetzungspflicht beinhaltet daher auch eine Gestaltungsverantwortung des nationalen Gesetzgebers. Lässt die Richtlinie wesentliche materielle Fragen offen und überantwortet diese den Mitgliedstaaten, so kann sich ein Umsetzungsdefizit schon daraus ergeben, dass der Mitgliedstaat die partiell offenen Anforderungen nicht eigenverantwortlich konkretisiert, sondern die Richtlinie lediglich durch Übertragung des Wortlautes „eins zu eins“ in nationales Recht transformiert.

Der geltende europäische Rechtsrahmen für die Regulierung der Telekommunikation enthält eine Reihe abstrakter Zielvorgaben sowie ein teils detailliertes verfahrensrechtliches und verbundförmiges Entscheidungsprogramm. Soweit das Unionsrecht verfahrensrechtliche Vorgaben für die Marktregulierung trifft und Entscheidungsspielräume der nationalen Regulierungsbehörde positiv fordert, dürfen diese nicht durch gesetzliche Vorgaben blockiert werden. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, den Harmonisierungsansatz des europäischen Rechtsrahmens in seinen Regelungen voll zu respektieren. Im Übrigen darf der Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung regulierungsrechtliche Zielvorgaben an die Regulierungsbehörden präzisieren und relative Zielprioritäten setzen. Die Grenze der gesetzlichen Gestaltungsbefugnis ist erst dort erreicht, wo in das von der Telekommunikationsrahmenrichtlinie verbindlich vorgegebene Marktregulierungsverfahren nach Art. 15, 16 i. V. m. Art. 7 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie beschränkend eingegriffen wird. Der Gesetzgeber kann die Regulierungsbehörde durch konkretisierende Vorgaben binden und Entscheidungen hierdurch vorstrukturieren, solange noch hinreichende Möglichkeiten zur prozeduralen Berücksichtigung der nicht zwingenden Empfehlungen und Leitlinien der EU-Kommission bleiben. Auch das rein prozedurale Vetorecht der EU-Kommission nach Art. 7 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie lässt die Möglichkeit einer materiell-rechtlichen Konkretisierung der Bindungen der nationalen Regulierungsbehörde durch Gesetz unberührt.

Die vielbeachtete Entscheidung des EuGH vom 3. Dezember 2009 (Rs. C-424/07) zu § 9a TKG steht einer gesetzlichen Vorstrukturierung regulierungsbehördlicher Entscheidungen im Rahmen der anstehenden Umsetzung des „TK-Review“ nicht generell entgegen. Insbesondere hat der EuGH gesetzliche Konkretisierungen nicht generell für unvereinbar mit dem Telekommunikationsrechtsrahmen erachtet. Der EuGH verlangt aber, dass ein sekundärrechtlich gefordertes Marktregulierungsverfahren durchlaufen wird und in der Verantwortung der nationalen Regulierungsbehörde bleibt. Gesetzliche Vorgaben, die ein solches Verfahren nachhaltig beschränken oder gar ausschließen, sind mit den Vorgaben des Sekundärrechts unvereinbar. Mit Blick auf die in der aktuellen Überarbeitung des Telekommunikationsrechts bedeutsame Gewichtung zwischen den Belangen der Planungssicherheit und Investitionsförderung hat das Urteil nur eine sehr beschränkte Aussagekraft. Dieses Spannungsverhältnis hat der Richtliniengeber erst durch den „TK-Review“ als jüngeres Recht eingefügt und im Sinne einer inhaltlichen Aufwertung neu gestaltet. Diese Ziele der Richtlinie bedürfen nun einer wirksamen gesetzgeberischen Umsetzung, die auf verbindliche konkretisierende Vorgaben aus regelungsinhärenten Gründen nicht verzichten kann.

Der deutsche Umsetzungsgesetzgeber ist zudem durch das Rechtsschutzgebot des Art. 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie in der Pflicht, bei der Umsetzung der Richtlinie innerhalb der funktionalen und institutionellen Vorgaben des europäischen Regelungsrahmens die abstrakten Zielbestimmungen in einem Maße zu konkretisieren, das eine wirksame gerichtliche Kontrolle eröffnet. Denn ohne materielle Maßstäbe liefe eine gerichtliche Kontrolle weitgehend leer.

Die Telekommunikationsrahmenrichtlinie hat die Regulierungsgrundsätze von den Regulierungszielen sowohl semantisch als auch systematisch getrennt. In Art. 8 Abs. 2 bis 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie werden politische Zielvorgaben der Regulierung fixiert, die durch das Regulierungshandeln als zu optimierende Abwägungsbelange weitestmöglich zu verwirklichen sind. Bei der Erfüllung dieses Auftrags sind jedoch im Rahmen der Anwendung und inhaltlichen Ausgestaltung der Regulierungsmaßnahmen die strikten Regulierungsgrundsätze des Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie zwingend zu befolgen. Diese genießen insoweit einen funktionalen Vorrang.

Objektivität, Transparenz und Nichtdiskriminierung i. S. d. Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie lassen sich am besten durch abstrakt-generelle gesetzliche Vorgaben gewährleisten, die die Regulierungsbehörde allgemein binden und ein hinreichendes Kontrollniveau sicherstellen. Insoweit ist Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie bereits insgesamt auf eine gesetzliche Konkretisierung angelegt.

Der Regulierungsgrundsatz nach Art. 8 Abs. 5 lit. a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie verpflichtet die nationale Regulierungsbehörde, die Vorhersehbarkeit der Regulierung zu fördern, indem über angemessene Überprüfungszeiträume ein einheitliches Regulierungskonzept beibehalten wird. Hierin kommt unmittelbar das den „TK-Review“ durchziehende Leitbild der Planungssicherheit zum Ausdruck. Eine Festlegung der Zugangsbedingungen soll unmissverständlich vor einer Investitionsentscheidung erfolgen, weil anderenfalls keine Planungssicherheit für investitionswillige Unternehmen herzustellen ist. Art. 8 Abs. 5 lit. a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie dient nach dem objektivierten Normzweck gerade auch dem Schutz der Investoren gegenüber einer unvorhersehbaren Regulierungspraxis. Die Richtlinie verlangt mithin bezogen auf konkrete Vorhaben die Einräumung subjektiver Rechte für Investoren. Die geforderte fallbezogene Investitionssicherheit lässt sich nur herstellen, wenn die Regulierungsbehörde auch konkret-individuelle Festlegungen treffen darf, die Inhalt und Ausmaß der Regulierung für das konkrete Investitionsvorhaben vorhersehbar machen. Folglich kann (und ggf. muss) der nationale Gesetzgeber die nationale Regulierungsbehörde ermächtigen und verpflichten, Vorabfeststellungen über die künftige Zugangsregulierung zu treffen, bevor die Investitionsentscheidung getätigt wird. Korrespondierend zum subjektivrechtlichen Charakter der Investitionssicherheit sind den Investoren nach allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts verpflichtend selbständige Antragsrechte auf Vorabfeststellung einzuräumen.

Der Regulierungsgrundsatz des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie verpflichtet die nationale Regulierungsbehörde darauf, effiziente Investitionen und Innovationen im Bereich neuer und verbesserter Infrastrukturen auch dadurch zu fördern, dass bei jeglicher Zugangsverpflichtung dem Risiko der investierenden Unternehmen gebührend Rechnung getragen wird. Sog. „Risk-Sharing“-Vereinbarungen sind allgemein zulässig. Dies dient zum einen der Vermeidung unbilliger Risikoasymmetrien, soll zum anderen aber auch die Investitionsbereitschaft fördern, um über den Ausbau der Netzinfrastruktur die Voraussetzungen künftigen Wettbewerbs zu schaffen. Eine Ex-ante-Regulierung soll nach Maßgabe der Regelungsintention des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie grundsätz¬N&R 2011, Heft 02, Beilage S. 1 (40)lich subsidiär gegenüber freiwilligen Vereinbarungen über die Risikoverteilung sein. Aus Gründen der Investitionssicherheit sind auch selbständige Antragsrechte der Investoren auf Vorabfeststellung der Zulässigkeit einer Vereinbarung vorzusehen.

Nach Art. 8 Abs. 5 lit. f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie darf die Regulierungsbehörde marktmächtigen Unternehmen regulatorische Vorabverpflichtungen nur dann auferlegen, wenn es keinen wirksamen und nachhaltigen Wettbewerb gibt. Sie hat diese Verpflichtungen zu lockern oder aufzuheben, sobald diese Eingriffsrechtfertigung fortfällt. Dem wird die Regulierungsbehörde nur durch eine kontinuierliche Überprüfung bestehender Verpflichtungen gerecht. Dieser Regulierungsgrundsatz ist eine sektorspezifische Konkretisierung des primärrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips (Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 EUV). Nach dem ausdrücklichen Willen des Richtliniengebers soll die Regulierung künftig einer qualifizierten Verhältnismäßigkeitskontrolle unterworfen werden. Dies betrifft jedoch in erster Linie die Rechtsanwendung, weniger die abstrakt-generelle Gesetzgebung, die hier nur rahmenartige Vorgaben machen kann. Art. 8 Abs. 5 lit. f der Telekommunikationsrahmenrichtlinie fordert zudem eine konsequente Differenzierung im Bereich der Abhilfemaßnahmen. Bereits bei der Auswahl, welche Abhilfemaßnahmen gegenüber marktmächtigen Unternehmen ergriffen werden, ist jeweils gesondert die Erforderlichkeit und Zumutbarkeit zu berücksichtigen. Allgemeine Transparenzverpflichtungen zur Sicherstellung des Diskriminierungsverbots i. V. m. einer Ex-post-Regulierung werden in vielen Fällen, insbesondere bei neuen Infrastrukturen, ausreichend sein.

Der Regulierungsgrundsatz des Art. 8 Abs. 5 lit. e der Telekommunikationsrahmenrichtlinie verpflichtet die nationale Regulierungsbehörde, die vielfältigen Bedingungen im Zusammenhang mit Wettbewerb und Verbrauchern, die in den verschiedenen geographischen Gebieten innerhalb der Mitgliedstaaten herrschen, gebührend zu berücksichtigen. Dem korrespondiert hinsichtlich des Marktdefinitionsverfahrens Art. 15 Abs. 3 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie. Der darin liegende Auftrag der Regionalisierung ist Ausdruck des Subsidiaritäts- und des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Hieraus ergibt sich, dass die Regulierungsbehörde verpflichtet werden muss, lokale oder regionale Märkte im Hinblick auf eine im Raum abgrenzbar abweichende Marktstruktur zu untersuchen und kontinuierlich ggf. auch antragsabhängig zu überprüfen.

Art. 12 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie enthält detaillierte Vorgaben hinsichtlich der Mitbenutzung vorhandener Infrastrukturen. Hintergrund dieser Bestimmung ist, dass ein ökonomisch tragfähiger Ausbau neuer Höchstleistungsnetze entscheidend davon abhängt, die bereits vorhandene Infrastruktur optimal zu nutzen. Die Richtlinie erfasst bewusst die vorhandene Infrastruktur sämtlicher Akteure, und zwar unabhängig von einer etwaigen Marktmacht adressierter Unternehmen. Erfasst wird insbesondere auch private Infrastruktur. Der Umsetzungsgesetzgeber hat daher den Anwendungsbereich der §§ 68 ff. TKG auch auf private Infrastruktureinrichtungen zu erstrecken und entsprechende Mitbenutzungsansprüche einzuräumen. Art. 12 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie dient der Optimierung der Infrastrukturnutzung und enthält damit lediglich Mindeststandards. Dem Gesetzgeber steht es daher frei, eine Anordnung der symmetrischen Mitbenutzung auch auf sonstige passive Netzinfrastruktur (etwa im Energiebereich) zu erstrecken. Der Gesetzgeber muss die Bundesnetzagentur ermächtigen und unter den gegebenen Voraussetzungen auch verpflichten, als Alternative zur Zugangsregulierung auch die Mitbenutzung vorhandener Infrastruktur hoheitlich festzusetzen, zumal die Möglichkeit der Nutzung vorhandener Infrastruktur dann ohnehin im Rahmen der Markanalyse von der Behörde von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. a der Zugangsrichtlinie). Eine umfassende Einbeziehung auch privater Infrastrukturen in den Bereich der Mitbenutzung ist auch verfassungsrechtlich zulässig. Der Bund hat hierfür aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 bzw. aus Art. 87f Abs. 1 GG eine Gesetzgebungskompetenz und aus Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG eine korrespondierende Verwaltungskompetenz. Inhaltlich handelt es sich bei der Pflicht zur Duldung der Mitbenutzung um eine verfassungskonforme Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, jedenfalls sofern den Duldungsverpflichteten ein Ausgleichsanspruch eingeräumt wird.

Die gesetzgebenden Organe sollten bestehende Umsetzungsspielräume gezielt zur aktiven Gestaltung und Konkretisierung der unionsrechtlichen Zielvorgaben nutzen, und zwar aus allgemeinen europapolitischen sowie aus den nachfolgenden rechtlichen Gründen: Der deutsche Gesetzgeber hat bei der anstehenden Umsetzung des „TK-Review“ nicht nur die Entscheidung des EuGH zu § 9a TKG, sondern auch das Lissabon-Urteil des BVerfG im Blick zu behalten. Dies gilt namentlich für die Wahrung des demokratischen Legitimationsniveaus und der Subsidiarität. In seiner Entscheidung nimmt das BVerfG den Deutschen Bundestag als Gesetzgeber in die Pflicht, seiner Integrationsverantwortung gerecht zu werden und zuvörderst selbst einer Verflüchtigung der demokratischen Gestaltung dadurch entgegenzuwirken, dass er die unionsrechtlich belassenen Spielräume bestmöglich zur konstruktiven, europäisch-kooperativen Gesetzgebung nutzt.

Eine Umsetzung genügt lediglich dann den Anforderungen der Richtlinie 2009/140/EG, wenn der Gesetzgeber die abstrakten Vorgaben namentlich des Art. 8 Abs. 5 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie in konkrete, transparente und praktisch operable Regelungen übersetzt, die den mit den Regulierungsgrundsätzen verbundenen und in den Erwägungsgründen niedergelegten marktstruktur- und regulierungspolitischen Erwartungen gerecht werden und auch durch die Gerichtsbarkeit wirksam überprüfbar sind.

Der rechtliche Rahmen des Ausbaus neuer Netzinfrastrukturen betrifft demokratisch wesentliche Entscheidungen. Die inhaltlichen Bindungen der Regulierungsverwaltung entscheiden letztlich über eines der gegenwärtig größten Infrastrukturprojekte in der Bundesrepublik. Der Auf- und Ausbau neuer Netze ist von erheblicher Tragweite für die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt sowie für die sozialen Kommunikationsbedürfnisse der Bevölkerung. Für die potentiellen Investoren stehen zudem Finanzvolumina auf dem Spiel, die die Leistungsfähigkeit auch sehr großer Unternehmen überfordern können, wenn nicht rechtzeitig Klarheit über den flankierenden regulativen Rahmen geschaffen wird. Entscheidungen von solcher Tragweite für die Allgemeinheit wie für die betroffenen Grundrechtsträger dürfen nicht in das Ermessen der Verwaltung gestellt werden, sondern bedürfen der Vorstrukturierung durch den Gesetzgeber. Sie unterliegen daher dem demokratischen und rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 2, 3 GG). Dementsprechend bedarf es einer hinreichenden parlamentsgesetzlichen Konkretisierung der weitgehend abstrakten regulatorischen Vorgaben des „TK-Review“.

Abbildung 2

Prof. Dr. Klaus Ferdinand Gärditz ist Inhaber eines Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Seine Forschungsschwerpunkte sind das Verfassungs- und Verwaltungsrecht, insbesondere Verwaltungsprozessrecht, allgemeines und europäisches Verwaltungsrecht, Wissenschaftsrecht, Umweltrecht und Regulierungsrecht.

Kontakt: gaerditz@jura.uni-bonn.de.

*

Dem Beitrag liegt ein Rechtsgutachten zugrunde, das der Verfasser im Auftrag der Deutschen Telekom AG (DTAG) erstellt hat. Der Verfasser dankt der Auftraggeberin für die Förderung“ der Publikation des Gutachtens. Die hier vertretenen Positionen geben die persönliche Auffassung“ des Verfassers und nicht notwendigerweise die der DTAG wider.

1

Soweit auf die aktualisierte, heute geltende Fassung“ der Richtlinie Bezug genommen wird, wird die Richtlinie zur Vereinfachung im Folgenden als Telekommunikationsrahmenrichtlinie bezeichnet.

2

Soweit auf die aktualisierte, heute geltende Fassung der Richtlinie Bezug genommen wird, wird die Richtlinie zur Vereinfachung im Folgenden als Zugangsrichtlinie bezeichnet.

3

EuGH, Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07.

4

Hilf, EuR 1993, 1, 4 f.; Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, 5. A., 2010, Art. 288 Rn. 10; Pernice, EuR 1994, 325, 327 ff.; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EGV/EUV, 3. A., 2007, Art. 249 Rn. 45.

5

EuGH, Slg. 1993, I-3605, 3654 Rn. 16 (Urt. v. 29.6.1993 – Rs. C-298/89) – Gibraltar/Rat: „Es ist auch darauf hinzuweisen, daß Richtlinien zwar grundsätzlich nur ihre Adressaten, d.h. die Mitgliedstaaten, binden, daß sie aber normalerweise ein Mittel der indirekten Rechtsetzung sind.“

6

V. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, S. 233.

7

Zutreffend Hilf, EuR 1993, 1, 7.

8

Hilf, EuR 1993, 1, 7; Ruffert (Fn. 4), Art. 249 Rn. 45.

9

In diesem Sinne Bauer, in: Dreier, GG, Bd. II, 2. A., 2006, Art. 80 Rn. 36; Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. A., 2010, Art. 80 Rn. 39; v. Danwitz, Jura 2002, 93, 98 f.; Ossenbühl, DVBl 1999, 1, 6 f.; Saurer, JZ 2007, 1073, 1075 f.; Weihrauch, NVwZ 2001, 265, 268 f.

10

Grundlagenentscheidung EuGH, Slg. 1976, 497, 517 Rn. 69/73 (Urt. v. 8.4.1976 – Rs. 48/75) – Royer.

11

Siehe nur Ruffert (Fn. 4), Art. 249 Rn. 47.

12

EuGH, Slg. 2002, I-6325, 6358 ff. Rn. 26 ff. (Urt. v. 11.7.2002 – Rs. C-62/00) – Marks & Spencer; Ruffert (Fn. 4), Art. 249 Rn. 49.

13

Statt vieler Ruffert (Fn. 4), Art. 249 Rn. 47.

14

EuGH, Slg. 1984, 1891, 1909 Rn. 26 (Urt. v. 10.4.1984 – Rs. C-14/83) – v. Colson u. Kamann.

15

Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur (Fn. 4), Art. 5 EUV Rn. 9.

16

Bast/v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Bd. I, Loseblattsammlung, Stand: 42. Ergänzungslieferung (Oktober 2010), Art. 5 Rn. 52; Geiger (Fn.15), Art. 5 EUV Rn. 11.

17

EuGH, Slg. 2002, I-11453, 11572 Rn. 179 (Urt. v. 10.12.2002 – Rs. C-491/01) – British American Tobacco; MMR 2010, 561, 563 Rn. 53 (Urt. v. 8.6.2010 – Rs. C-58/08) – Vodafone/Secretary of State for Business, Enterprise and Regulatory Reform.

18

Zu diesem Primärziel Scherer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 2. A., 2010, § 36 Rn. 19.

19

Siehe sogleich unten, unter bb), cc) u. b) aa) bbb) sowie cc) bbb).

20

Scherer (Fn. 18), § 36 Rn. 22.

21

Vgl. Grussmann, in: Beck’scher TKG-Kommentar, 3. A., 2006, Einl. B Rn. 108, der sogar davon spricht, dass die nationalen Regulierungsbehörden „Träger der Umsetzung“ seien.

22

Siehe Eifert, in: Spiecker genannt Döhmann/Collin, Generierung und Transfer staatlichen Wissens im System des Verwaltungsrechts, 2008, S. 159.

23

Vertiefend Broemel, Strategisches Verhalten in der Regulierung, 2010, S. 201 ff.; Gärditz, DVBl 2009, 69; Wollenschläger, Wissensgenerierung im Verfahren, 2009, S. 119 ff.

24

Diese Bestimmung lautet: „Die nationalen Regulierungsbehörden und die Kommission tragen allen vom GEREK verabschiedeten Stellungnahmen, Empfehlungen, Leitlinien und Ratschlägen oder bewährten Regulierungspraktiken weitestgehend Rechnung.“

25

EuGH, JZ 2010, 195 Rn. 53 (dort das wörtliche Zitat) mit 57-59 (Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

26

Mit Recht kritisch hierzu Lecheler, DVBl 2008, 873.

27

Differenziert demgegenüber Groß, DÖV 2004, 20, 22 ff.

28

Siehe auch v. Bogdandy/Bast/Arndt, ZaöRV 62 (2002), 78, 116.

29

EuGH, Slg. 1989, 4407, 4421 Rn. 18 (Urt. v. 13.12.1989 – Rs. C-322/88) – Grimaldi.

30

EuGH, Slg. 1993, I-1125, 1188 Rn. 44 (Urt. v. 24.3.1993 – Rs. C-313/90) – Comité international de la rayonne et des fibres synthétiques. Siehe eingehend zur Rechtsprechung Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787.

31

Siehe hierzu EuGH, Slg. 1974, 81, 89 Rn. 11/18 (Urt. v. 30.1.1974 – Rs. 148/73) – Lowange/Kommission; Adam, Die Mitteilungen der Kommission: Verwaltungsvorschriften des Europäischen Gemeinschaftsrechts?, 1999, S. 126 ff.; Priebe, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Strukturen des europäischen Verwaltungsrechts, 1999, S. 71, 85; Ruffert (Fn. 4), Art. 249 EGV Rn. 134 f.

32
33

EuGH, Slg. 2006, I-4429, 4510 Rn. 91 (Urt. v. 18.5.2006 – Rs. C-397/03) – Archer Daniels Midland.

34

EuGH, Slg. 1996, I-5023, 5058 Rn. 41 ff. (Urt. v. 15.10.1996 – Rs. C-311/94) – IJssel-Vliet Combinatie BV; 2000, I-8237, 8303 Rn. 64 (Urt. v. 5.10.2000 – Rs. C-288/96) – Bundesrepublik Deutschland/Kommission.

35

Die mittelbare Mitwirkung der Mitgliedstaaten über GEREK ist insoweit unmaßgeblich. Zum einen wurden GEREK keine eigenständigen Kompetenzen zur Rechtsetzung übertragen. Zum anderen erfolgte durch die GEREK-Verordnung eine Institutionalisierung auf der Ebene der EU, so dass die dortige interne Willensbildung dem jeweiligen Mitgliedstaat nicht zurechenbar ist.

36

EuGH, JZ 2010, 195, 195 f. Rn. 57 ff. (Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland. Der Gerichtshof legt hier im Einzelnen dar, dass die Richtlinie mit den verschiedenen Berücksichtigungspflichten allein die nationale Regulierungsbehörde adressiert und deren prozedurale Funktion daher nicht vom Gesetzgeber übernommen und das austarierte Verfahren hierdurch unterlaufen werden dürfe. Hieraus folgt dann aber zugleich zwingend, dass der nationale Gesetzgeber eben schon nicht Adressat der Berücksichtigungspflichten sein kann.

37

In diesem Sinne auch Koenig/Loetz/Senger, K&R 2006, 258, 259.

38

Für eine Ableitung im Einzelfall aus der primärrechtlichen Sachkompetenz spricht sich Groß, DÖV 2004, 20, 24, aus.

39

Vgl. Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, 2010, S. 37. Anders aber Hermeier, Der Europäische Regulierungsverbund im EG-Rechtsrahmen für Telekommunikation, 2009, S. 19 f.

40

Eingehend zur vertikalen Gewaltenteilung in der EU Kirchhof, JZ 1998, 965.

41

Vgl. in diesem Sinne sub specie institutionelles Gleichgewicht Gundel, EuR 1998, 90, 100.

42

Der Lissabon-Vertrag hat mit Art. 290 AEUV die Delegation von Entscheidungskompetenzen auf die Kommission überdies von einer hinreichend bestimmten, die wesentlichen Determinanten bereits enthaltenden Ermächtigung abhängig gemacht, was die Möglichkeit zur Übertragung selbständiger Rechtsetzungsmacht zum Erlass bindender Empfehlungen und Leitlinien jedenfalls begrenzt. Mit Recht Weiß, EWS 2010, 257, 260 f.

43

Siehe nur EuGH, Slg. 1987, 4199, 4232 Rn. 19 (Urt. v. 22.10.1987 – Rs. 314/85) – Foto-Frost; 1991, I-415, 542 Rn. 23 (Urt. v. 21.2.1991 – verb. Rs. C-143/88 u. C-92/89) – Zuckerfabrik Süderdithmarschen; Burgi, Verwaltungsprozeß und Europarecht, 1996, S. 3.

44

Vgl. nur Jarass/Beljin, NVwZ 2004, 1, 3.

45

Mit Recht Franzius, EuR 2002, 660, 685.

46

Dazu sogleich unten, unter cc) aaa).

47

BVerwG, MMR 2007, 522, 524 (Urt. v. 14.2.2007 – Az. 6 C 28.05); Korehnke, in: Beck’scher TKG-Kommentar (Fn. 21), § 12 Rn. 19; Schneider, in: Fehling/Ruffert, Regulierung, 2010, § 8 Rn. 108.

48

Gärditz, NVwZ 2009, 1005, 1008; Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525, 532; Schramm, DÖV 2010, 387, 390.

49

In diesem Sinne Heinen-Hosseini, in: Berliner Kommentar zum TKG, 2. A., 2009, § 11 Rn. 50; Hermeier (Fn. 39), S. 123; Hombergs, Europäisches Verwaltungskooperationsrecht auf dem Sektor der elektronischen Kommunikation, 2006, S. 192; Korehnke (Fn. 47), § 12 Rn. 19; Ladeur, K&R 2002, 110, 113; Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525, 531 ff.; Rieckhoff, Der Vorbehalt des Gesetzes im Europarecht, 2007, S. 265. Für einen qualifizierten Rechtfertigungszwang bei Abweichungen Kühling, Sektorspezifische Regulierung in den Netzwirtschaften, 2004, S. 416.

50

In diesem Sinne Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525, 534.

51

So auch Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525, 531.

52

Siehe unten, unter b) aa).

53

Die Richtlinie 2009/140/EG hat daneben Art. 7a der Telekommunikationsrahmenrichtlinie eingeführt, der ein Konsolidierungsverfahren ohne Vetooption auch für die Abhilfemaßnahmen der Regulierungsbehörde institutionalisiert.

54

EuGH, Slg. 2008, I-2931, 3033 ff. Rn. 153 ff. (Urt. v. 24.4.2008 – Rs. C-55/06) – Arcor.

55

Ladeur, K&R 2010, 308, 310; Schneider (Fn. 47), § 8 Rn. 86.

56

Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2006, § 10 Rn. 73 ff.

57

Eingehend Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), 5, 61 ff.

58

Konzeptionelle Kritik bei Gärditz, AöR 135 (2010), 251, 287.

59

Zur insoweit relevanten Entscheidung zu § 9a TKG sogleich unten, unter b).

60

Britz, EuR 2006, 46, 56; Broemel (Fn. 23), S. 222 f., 327 f.; Hombergs (Fn. 49), S. 331; Rieckhoff (Fn. 49), S. 246; Schramm, DÖV 2010, 387, 388; Trute, in: FS Selmer, 2004, S. 565, 567 ff.; partiell anders Hermeier (Fn. 39), S. 120 ff.

61

Trute (Fn. 60), S. 572.

62

So auch Körber, MMR 2010, 123.

63

Dies wird teils durchaus auch von Vertretern der Bundesnetzagentur so gesehen, wenn beanstandet wird, dass die Kommission einerseits weite Entscheidungsspielräume der nationalen Regulierungsbehörden propagiert, diese aber vornehmlich dazu nutzt, Regulierungsentscheidungen nationaler Regulierungsbehörden im Wege von Empfehlungen detailliert zu steuern; so Henseler-Unger, WiVerw 2010, 111, 113 f.; ferner Kurth, MMR 2009, 818.

64

Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525, 528.

65

Schramm, DÖV 2010, 387, 387 f.

66

Treffend Stöger, ZÖR 65 (2010), 247, 265. Ähnlich (wenn auch ohne kritische Konnotationen) bereits Trute (Fn. 60), S. 577: „Mitverwaltungsinstanzen“.

67

Rieckhoff (Fn. 49), S. 264.

68

Mit Recht kritisch Möschel, MMR 2010, 450, 453.

69

Siehe unten, unter b).

70

Kirchner/Käseberg, in: Scheurle/Mayen, TKG, 2. A., 2008, § 9a Rn. 66; Koenig/Loetz/Senger, K&R 2006, 258, 261 f.; Kühling, K&R 2006, 263, 271.

71

Siehe unten, unter b) cc) ddd).

72

Schütze/Salević, CR 2010, 80: „Die Reduzierung der Kontrolldichte grenzt an ein etatistisches Staatsbild.“ Ferner Di Fabio, F.A.Z. v. 21.10.2010, S. 6: „Erosionen der Rechtsstaatlichkeit“.

73
74

Allgemeine Kritik hieran bei Gärditz, NVwZ 2009, 1005; differenziert, aber ebenfalls gegen ein allgemeines Regulierungsermessen, etwa Ludwigs, JZ 2009, 290, 294 ff.; ferner Attendorn, DVBl 2008, 1408, 1411; grundlegend gegen spezifische Letztentscheidungskompetenzen der Regulierungsbehörde bereits v. Danwitz, DVBl 2003, 1405, 1414 f.

75

BVerwGE 131, 41, 45 (Urt. v. 2.4.2008 – Az. 6 C 15.07).

76

BVerwGE 131, 41, 46 (Urt. v. 2.4.2008 – Az. 6 C 15.07); Bier, N&R 2009, 25, 26.

77

Die referierte Auslegung wurde letztlich von deutschen Gerichten in Anlehnung an die Rechtsauffassung der Kommission – und letztlich unter Außerachtlassung einer hier gebotenen Vorlage des BVerwG an den EuGH nach Art. 234 EG a. F. (jetzt Art. 267 AEUV) – vorgenommen, vom EuGH aber bislang nicht bestätigt. Mit Recht Schütze/Salevic, CR 2010, 80, 83. Die Auffassung, eine Vorlage sei entbehrlich, weil es sich um einen „acte clair“ handele (so Bier, N&R 2009, 25, 26), erscheint in Anbetracht der Komplexität der Beurteilung und dem Rechtsschutzgebot des Art. 4 der Telekommunikationsrahmenrichtlinie eher fernliegend.

78

Bier, N&R 2009, 25, 26.

79

EuGH, Slg. 2008, I-2931, 3037 Rn. 170 (Urt. v. 24.4.2008 – Rs. C-55/06) – Arcor.

80

Gärditz, NVwZ 2009, 1005, 1007.

81

Etwa EuGH, Slg. 2002, I-6677, 6734 Rn. 39 (Urt. v. 25.7.2002 – Rs. C-50/00 P) – Unión de Pequeños Agricultores; Ehlers, Die Europäisierung des Verwaltungsprozeßrechts, 1999, S. 3 ff.; Pechstein, EU-/EG-Prozessrecht, 3. A., 2007, Rn. 22 ff.

82

Die Anfechtungsmöglichkeit wird hier allgemein bejaht, vgl. etwa Gurlit, in: Berliner Kommentar zum TKG (Fn. 49), § 12 Rn. 56; Kirchner/Käseberg (Fn. 70), § 12 Rn. 38; Korehnke (Fn. 47), § 12 Rn. 41; Schramm, DÖV 2010, 387, 389.

83

Etwa Gärditz, NVwZ 2009, 1005, 1008; Korehnke (Fn. 47), § 12 Rn. 40. Partiell anders Gurlit (Fn. 82), § 12 Rn. 57.

84

Gärditz, NVwZ 2009, 1005, 1008; Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525, 531; Schramm, DÖV 2010, 387, 389.

85

V. Bogdandy/Bast/Arndt, ZaöRV 62 (2002), 78, 116; Groß, DÖV 2004, 20, 25; Schramm, DÖV 2010, 387, 392; Trute (Fn. 60), S. 582, 584. Parallel hat der EuGH den Begriff der Handlung für die Nichtigkeitsklage weit ausgelegt und es auch bei Handlungsformen außerhalb des Art. 249 EG a. F. für ausreichend erachtet, dass diese überhaupt auf irgendwelche Rechtsfolgen gerichtet sind, die sich nicht bereits aus der zugrundeliegenden abstrakt-generellen Rechtsnorm ergeben, vgl. EuGH, Slg. 1997, I-1627, 1650 f. Rn. 21 ff. (Urt. v. 20.3.1997 – Rs. C-57/95) – Französische Republik/Kommission.

86

EuGH, Slg. 1987, 4199, 4232 Rn. 19 (Urt. v. 22.10.1987 – Rs. 314/85) – Foto Frost; 1991, I-415, 542 Rn. 23 (Urt. v. 21.2.1991 – verb. Rs. C-143/88 u. C-92/89) – Zuckerfabrik Süderdithmarschen.

87

Gärditz, NVwZ 2009, 1005, 1009 f.

88

Insoweit durchaus in diesem Sinne Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525, 533.

89

Vgl. auch Gärditz, NVwZ 2009, 1005, 1010: „Gerichtliche Kontrolle kann kein Reparaturbetrieb für grundlegende Fehlgewichtungen der Gesetzgebung sein.“

90

Vgl. Hofmann, in: Schmidt-Aßmann/Schöndorf-Haubold, Der Europäische Verwaltungsverbund, 2005, S. 353, 370 ff.

91

Siehe allgemein zu den fortbestehenden, rechtskulturell bedingten Divergenzen innerhalb der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung v. Danwitz (Fn. 6), S. 136 ff.

92

Siehe erneut explizit EuGH, Slg. 2008, I-2931, 3037 Rn. 170 (Urt. v. 24.4.2008 – Rs. C-55/06) – Arcor. Allgemein zur (relativen) Verfahrensautonomie Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, 2000, S. 450 ff.; Kahl, in: Calliess/Ruffert (Fn. 4), Art. 10 EGV Rn. 31.

93

Gersdorf, in: Berliner Kommentar zum TKG (Fn. 49), § 9a Rn. 1.

94

EuGH, JZ 2010, 195, 195 f. Rn. 61 (Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

95

EuGH, JZ 2010, 195, 196 Rn. 64 (Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

96

EuGH, JZ 2010, 195, 196 Rn. 65 ff. (Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

97

EuGH, JZ 2010, 195, 197 Rn. 81 (Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

98

EuGH, JZ 2010, 195, 197 Rn. 83 (Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

99

EuGH, JZ 2010, 195, 196 Rn. 74 (Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

100

EuGH, JZ 2010, 195, 196 Rn. 75 (Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

101

EuGH, JZ 2010, 195, 196 Rn. 78 (Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

102

Vgl. die Darstellung des Vorbringens der Bundesrepublik durch den EuGH, JZ 2010, 195, 197 Rn. 86 f. (Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

103

EuGH, JZ 2010, 195, 197 Rn. 91 (Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

104

EuGH, JZ 2010, 195, 197 Rn. 93 (Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland: „Eine nationale Rechtsvorschrift wie § 9a Abs. 2 TKG, die für die Untersuchung der Regulierungsbedürftigkeit eines neuen Marktes durch die [nationale Regulierungsbehörde] die vorrangige Berücksichtigung eines der in der Rahmenrichtlinie anerkannten Ziele vorschreibt, nimmt aber eine Abwägung dieser Ziele vor, obwohl diese Abwägung bei der Wahrnehmung der ihnen übertragenen regulatorischen Aufgaben der [nationalen Regulierungsbehörde] zufällt.“

105

Gärditz, JZ 2010, 198, 199 ff.

106

Henseler-Unger, WiVerw 2010, 111, 113.

107
108

In diesem Sinne Ufer, K&R 2010, 100, 102.

109

Hierzu Kirchner/Käseberg (Fn. 70), § 9a Rn. 67.

110

Vgl. zum hervorgehobenen Eigenwert des Verfahrens im Regulierungsrecht Lepsius, in: Fehling/Ruffert (Fn. 47), § 19 Rn. 65. Für das Europarecht allgemein etwa Hatje, Die gemeinschaftsrechtliche Steuerung der Wirtschaftsverwaltung, 1998, S. 111 ff.; Kahl, VerwArch 95 (2004), 1, 8 ff.; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. A., 2004, S. 404; NVwZ 2007, 40, 42 f.

111

EuGH, JZ 2010, 195, 196 Rn. 69 ff. (Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

112
113

So (freilich vor der Entscheidung des EuGH) auch Kirchner/Käseberg (Fn. 70), § 9a Rn. 66; Koenig/Loetz/Senger, K&R 2006, 258, 261 f.; Kühling/Elbracht, Telekommunikationsrecht, 2008, Rn. 125; Kühling, K&R 2006, 263, 271.

114

Koenig/Loetz/Senger, K&R 2006, 258, 259.

115

GA Villalón, Schlussanträge v. 22.6.2010 – Rs. C-389/08, Rn. 43 – Base NV u. a./Ministerraad.

116

GA Villalón, Schlussanträge v. 22.6.2010 – Rs. C-389/08, Rn. 46 – Base NV u. a./Ministerraad.

117

Wiedergegeben im auf einem Tonbandmitschnitt beruhenden Diskussionsbericht von Valta, in: Axer/Grzeszick/Kahl/Mager/Reimer, Das Europäische Verwaltungsrecht in der Konsolidierungsphase, 2010, S. 255, 258.

118

EuGH, Urt. v. 6.10.2010 – Rs. C-389/08, Rn. 23 – Base NV: „Weder die Rahmenrichtlinie noch die Richtlinie 2002/22 regeln, welche ihrer Organe die Mitgliedstaaten mit den Regulierungsaufgaben zu betrauen haben, die der Regulierungsbehörde zugewiesen sind.“

119

EuGH, Urt. v. 6.10.2010 – Rs. C-389/08, Rn. 27 – Base NV: „Somit kann ein Mitgliedstaat dem nationalen Gesetzgeber die Aufgaben, die nach der Rahmenrichtlinie und der Richtlinie 2002/22 den nationalen Regulierungsbehörden obliegen, nur dann zuweisen, wenn das Gesetzgebungsorgan bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben die organisatorischen und funktionellen Voraussetzungen erfüllt, die diese Richtlinien für die Regulierungsbehörden aufstellen.“

120

EuGH, Urt. v. 6.10.2010 – Rs. C-389/08, Rn. 30 – Base NV.

121

Der Ausschluss bestimmter Personengruppen (etwa nach beruflicher Qualifikation) ist mit der Allgemeinheit der Wahl unvereinbar, vgl. nur Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2010, Art. 39 Rn. 10.

122

Erwägungsgrund 27 der Richtlinie 2002/21/EG greift dort das Problem der Entstehung neuer Märkte auf. In den Leitlinien der Kommission ist hiernach auch die Frage neu entstehender Märkte zu behandeln, auf denen der Marktführer über einen beträchtlichen Marktanteil verfügen dürfte, ohne dass ihm jedoch unangemessene Verpflichtungen auferlegt werden sollten. Im verfügenden Teil der Richtlinie finden sich freilich keine spezifischen Regelungen für neue Märkte. Unterstellt man, dass die strukturellen Besonderheiten neuer Märkte regulatorische Relevanz haben, wofür der bezeichnete Erwägungsgrund spricht, bleibt namentlich offen, auf welcher Stufe der Marktregulierung diesen Besonderheiten zu entsprechen ist, so Gersdorf (Fn. 93), § 9a Rn. 20 f.

123

Fetzer, WiVerw 2010, 145, 146.

124

Hierzu Näheres unten, unter III. 1.

125

Siehe zur Rolle der Erwägungsgründe unten, unter III. 2.

126

Koenig/Busch, CR 2010, 357.

127

Siehe Klotz/Brandenberg, MMR 2010, 147, 149.

128

Siehe unten, unter III. 1.

129

Körber, MMR 2010, 123, 124; Möschel, MMR 2010, 450, 452.

130

So aber Klotz, CR 2010, 29; Koenig/Busch, CR 2010, 357, 359; jedenfalls zurückhaltend, wenn auch kritisch, Gramlich, CR 2010, 289, 299.

131

Eingehend zum Konflikt Faßbender, RDV 2009, 96.

132

Kritisch Bull, EuZW 2010, 488, 489 ff.; Durner, VVDStRL 70 (2011), i. E. sub IV. 4. a); Frenzel, DÖV 2010, 925, 928 ff.; Gärditz, AöR 135 (2010), 251, 280 f.; Spieker genannt Döhmann, JZ 2010, 787, 789 f. Zustimmend demgegenüber Roßnagel, EuZW 2010, 299, 300 f.; Taeger, K&R 2010, 330, 331.

133

EuGH, JZ 2010, 784, 786 Rn. 41 (Urt. v. 9.3.2010 – Rs. C-518/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

134

Vgl. jeweils mit kritischer Tendenz Gärditz, AöR 135 (2010), 251, 261 ff.; Kersten, VVDStRL 69 (2010), 288, 320, 323 ff.

135

Zutreffend Ruffert, in: Hatje/Terhechte, Grundgesetz und europäische Integration, 2010, S. 83, 95.

136

EuGH, JZ 2010, 784, 786 Rn. 42 (Urt. v. 9.3.2010 – Rs. C-518/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland. Zuvor bereits z. B. Hermes, in: FS Zuleeg, 2005, S. 410, 418 ff.

137

EuGH, JZ 2010, 784, 786 Rn. 42 (Urt. v. 9.3.2010 – Rs. C-518/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland: Unabhängige Behörden „haben häufig Regulierungsfunktion oder nehmen Aufgaben wahr, die der politischen Einflussnahme entzogen sein müssen, bleiben dabei aber an das Gesetz gebunden und der Kontrolle durch die zuständigen Gerichte unterworfen.“

138

Mit Recht Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, 2009, S. 322.

139

EuGH, JZ 2010, 784, 786 Rn. 43 (Urt. v. 9.3.2010 – Rs. C-518/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

140

EuGH, JZ 2010, 784, 786 Rn. 44 (Urt. v. 9.3.2010 – Rs. C-518/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

141

Stellvertretend BVerfGE 93, 37, 67 (Beschl. v. 24.5.1995 – Az. 2 BvF 1/92); 119, 331, 366 (Urt. v. 20.12.2007 – Az. 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04); Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Fn. 56), § 6 Rn. 56.

142

So die Interpretation der Entscheidung bei Gärditz, AöR 135 (2010), 251, 281.

143

Gärditz, AöR 135 (2010), 251, 282; Görisch (Fn.138), S. 303-329.

144

Siehe im Einzelnen unten, unter IV. 3. a) bb).

145

Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Fn. 56), § 5 Rn. 56.

146

Implizit EuGH, Slg. 2002, I-6325, 6358 Rn. 27 (Urt. v. 11.7.2002 – Rs. C-62/00) – Marks & Spencer. Allgemein zum Eigenanteil der Rechtsanwender an der gestuft-arbeitsteiligen Rechtserzeugung Dreier, DÖV 2002, 537, 539; Jestaedt, Das mag in der Theorie richtig sein … – Vom Nutzen der Rechtstheorie für die Rechtspraxis, 2006, S. 33.

147

Schmidt-Aßmann (Fn.145), § 5 Rn. 50 f.

148

Schoo, in: Schwarze/Hatje, Der Reformvertrag von Lissabon, 2009, S. 51, 53 f.

149

Vgl. nur das insoweit abschließende Protokoll Nr. 36 zum Lissabon-Vertrag über die Übergangsfristen.

150

Stellvertretend BVerfGE 89, 155, 184 ff. (Urt. v. 12.10.1993 – Az. 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92); 123, 267, 370 ff. (Urt. v. 30.6.2009 – Az. 2 BvE 2/08 u. a.); Brosius-Gersdorf, EuR 1999, 133 ff.; Calliess, in: Calliess/Ruffert (Fn. 4), Art. 6 EUV Rn. 15; Ruffert, EuR 2004, 165, 179 ff.

151

Vgl. Geiger (Fn.15), Art. 10 EUV Rn. 3.

152

Gärditz, DÖV 2010, 453, 455.

153

Ruffert, in: Schwarze/Hatje (Fn.148), S. 31, 45.

154

Gärditz, DÖV 2010, 453, 456.

155

Mit Recht Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn.16), Art. 10 EUV Rn. 20.

156

Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag“ von Lissabon, 2010, S. 300; Streinz/Ohler/Herrmann, Der Vertrag“ von Lissabon zur Reform der EU, 3. A., 2010, S. 94.

157

Calliess (Fn.156), S. 183.

158

Zutreffend Geiger (Fn.15), Art. 12 Rn. 1; Schoo (Fn.148), S. 54; Streinz/Ohler/Herrmann (Fn.156), S. 72.

159

Zur Stärkung der dezentralen Verwaltungsstruktur in diesem Kontext Gärditz, DÖV 2010, 453, 461 f.; Ruffert (Fn.153), S. 45.

160

Mager, in: Trute/Groß/Röhl/Möllers, Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Konzepts, 2008, S. 369, 378 f.; Schmidt-Aßmann (Fn.145), § 5 Rn. 19.

161

Siehe überdies zu der einengenden Auslegung dieser Voraussetzungen im Lichte des Subsidiaritätsprinzips Weiß (Fn. 39), S. 41 f.

162

Ruffert (Fn.153), S. 45.

163

Siehe ferner Erwägungsgründe 16 u. 19 der Richtlinie 2002/21/EG.

164

Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2002/21/EG definiert die in den Absätzen 2-4 niedergelegten Vorgaben als „Ziele“. Der Begriff des Grundsatzes taucht jenseits der Überschrift der Bestimmung nicht mehr auf.

165

Vgl. zur Wirkungsweise der Zielbestimmungen als Rechtmäßigkeitsmaßstab Trute (Fn. 60), S. 571.

166

Zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung ferner Erwägungsgrund 11 der Richtlinie 2009/140/EG, Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie.

167

Zutreffend wird daher die Verschiebung der Investitionsförderung von den Regulierungszielen in die Regulierungsgrundsätze als eine „Hochzonung“ bezeichnet, die die „gesetzliche Einrichtung einer entsprechenden praktisch wirksamen Regulierungsverfahrensmechanik“ notwendig mache, so Koenig/Busch, CR 2010, 357, 361; ähnlich Möschel, MMR 2010, 450, 451.

168

EuGH, JZ 2010, 195, 197 Rn. 93 f. (Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

169

So in der Diagnose auch Nolte/König, CR 2010, 433, 435.

170

Vgl. Bülow, Die Relativierung von Verfahrensfehlern im Europäischen Verwaltungsverfahren und nach §§ 45, 46 VwVfG, 2007, S. 128 ff., 138 ff.; Gündisch, in: Schwarze, Die rechtsstaatliche Einbindung der europäischen Wirtschaftsverwaltung, 2002, S. 29, 32; Huber, Recht der Europäischen Integration, 2. A., 2002, § 20 Rn. 17.

171

Köndgen, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 2. A., 2010, § 7 Rn. 39.

172

Wegener, in: Calliess/Ruffert (Fn. 4), Art. 220 Rn. 12.

173

Bleckmann, NJW 1982, 1177, 1178; Lutter, JZ 1992, 593, 602; Wegener (Fn. 172), Art. 220 Rn. 15.

174

Bestandsaufnahme bei Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. II, 2. A., 2007, Rn. 76, 94, 102.

175

Aus jüngerer Zeit beispielsweise EuGH, Slg. 2008, I-1923, 1954 Rn. 26 (Urt. v. 3.4.2008 – Rs. C-306/06) – 01051 Telecom GmbH/Deutsche Telekom AG; I-2383, 2407 f. Rn. 33 (Urt. v. 10.4.2008 – Rs. C-412/06) – Annelore Hamilton/Volksbank Filder eG; I-7841, 7865 Rn. 19 (Urt. v. 16.10.2008 – Rs. C-298/07) – Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände; I-9223, 9241 Rn. 15 (Urt. v. 9.12.2008 – Rs. C-442/07) – Verein Radetzky-Orden; I-10053, 10116 Rn. 62 (Urt. v. 18.12.2008 – Rs. C-16/06 P) – Les Éditions Albert René Sàrl/HABM u. Orange A/S; 2009, I-2341, 2366 Rn. 31 (Urt. v. 26.3.2009 – Rs. C-348/07) – Turgay Semen; MMR 2009, 744, 755 Rn. 19 (Urt. v. 3.9.2009 – Rs. C-489/07) – Pia Messner/Firma Stefan Krüger; EuZW 2010, 336, 338 Rn. 46 (Urt. v. 25.3.2010 – Rs. C-451/08) – Helmut Müller-GmbH/Bundesanstalt für Immobilienaufgaben; Urt. v. 17.6.2010 – Rs. C-550/08, Rn. 37 – Innergemeinschaftlicher Tabakversand; Urt. v. 1.7.2010 – Rs. C-471/08, Rn. 44 – Parviainen; EuZW 2010, 627, 629 Rn. 43 f. (Urt. v. 6.7.2010 – Rs. C-428/08) – Monsanto Technology LLC/Cefetra BV; DStR 2010, 1475, 1477 Rn. 34 (Urt. v. 15.7.2010 – Rs. C-368/09) – Pannon Gép Centrum; PharmaR 2010, 590, 594 Rn. 45 (Urt. v. 2.9.2010 – Rs. C-66/09) – Kirin Amgen.

176

EuGH, Slg. 1997, I-2405, 2461 Rn. 55 (Urt. v. 13.5.1997 – Rs. C-233/94) – Bundesrepublik Deutschland/Europäisches Parlament u. Rat; 2008, I-2383, 2395 Rn. 32 f. (Urt. v. 10.4.2008 – Rs. C-412/06) – Annelore Hamilton/Volksbank Filder eG; I-7841, 7865 Rn. 19 (Urt. v. 16 10.2008 – Rs. C-298/07) – Bundesverband der Verbraucherzentralen u. Verbraucherverbände.

177

EuGH, MMR 2010, 561, 562 Rn. 38 (Urt. v. 8.6.2010 – Rs. C-58/08) – Vodafone/Secretary of State for Business, Enterprise and Regulatory Reform.

178

Deutlich GAin Stix-Hackl, Slg. 2004, I-9425, 9457 f. Rn. 132 (Schlussanträge v. 25.11.2003 – Rs. C-222/02) – Paul/Deutschland: „Diesbezüglich ist auf die beschränkte Wirkung von Erwägungsgründen im Allgemeinen hinzuweisen. Diese Wirkung reicht nicht so weit, dass ein Einzelner aus einem oder mehreren Erwägungsgründen Rechte ableiten kann. Um Rechte Einzelner zu begründen, bedarf es einer Bestimmung im verfügenden Teil der Richtlinie …“

179

Köndgen (Fn. 171), § 7 Rn. 41.

180

Köndgen (Fn. 171), § 7 Rn. 42.

181

EuGH, Slg. 1976, 497, 517 Rn. 69/73 (Urt. v. 8.4.1976 – Rs. 48/75) – Royer.

182

Etwas anderes deutet im Übrigen auch nicht der EuGH in seiner Entscheidung zu § 9a TKG. Der Gerichtshof verwirft hier lediglich eine unmittelbare Berufung auf Erwägungsgründe einer Empfehlung der Kommission. Eine solche Empfehlung ist (anders als eine Richtlinie) rechtlich unverbindlich; zudem interpretierte die Kommission als Urheberin der Empfehlung den entsprechenden Passus abweichend vom deutschen Gesetzgeber. Vgl. insoweit EuGH, JZ 2010, 195, 196 Rn. 67 ff. (Urt. v. 3.12.2009 – Rs. C-424/07) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

183

Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 5.

184

Siehe Gärditz, Europäisches Planungsrecht, 2009, S. 5; Graf Vitzthum, Parlament und Planung“, 1978, S. 60 ff.; Hoppe, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 3. A., 2006, § 77 Rn. 1.

185

Hervorhebung durch Verfasser.

186

Siehe für vergleichbare Ableitungen subjektiver Rechte aus dem Zweck der Richtlinie etwa EuGH, Slg. 1988, 4636, 4662 Rn. 42 (Urt. v. 20.9.1988 – Rs. 31/87) – Beentjes; 1995, I-2303, 2317 Rn. 19 (Urt. v. 11.8.1995 – Rs. C-433/93) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

187

Fetzer, WiVerw 2010, 145, 150.

188

Siehe zur Bedeutung“ von Regulierungsentscheidungen ex ante für die Planungssicherheit nur Schreiber, Zusammenspiel der Regulierungsinstrumente in den Netzwirtschaften Telekommunikation, Energie und Eisenbahnen, 2009, S. 92.

189

Fetzer, WiVerw 2010, 145, 150.

190

Wollenschläger (Fn. 23), S. 208 ff.

191

Vgl. allgemein auch Gärditz (Fn.184), S. 74; ferner parallel für das Energierecht Britz, EuZW 2004, 462, 463.

192

Oben, unter aa).

193

BVerwGE 130, 39, 48 (Urt. v. 28.11.2007 – Az. 6 C 42.06) (= N&R 2008, 87, 89 f.).

194

So etwa Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Fn. 56), § 19 Rn. 67 ff.; Wollenschläger (Fn. 23), S. 123 ff.

195

Hierzu etwa BVerwGE 130, 39, 48 (Urt. v. 28.11.2007 – Az. 6 C 42.06) (= N&R 2008, 87, 89 f.); Röhl, Die Regulierung der Zusammenschaltung, 2002, S. 169 ff., 181 f.; Ruffert, AöR 124 (1999), 237, 279.

196

Grussmann (Fn. 21), Einl. B Rn. 132; Klotz, in: Berliner Kommentar zum TKG (Fn. 49), Einl. II Rn. 138.

197

Grussmann (Fn. 21), Einl. B Rn. 131.

198

EuGH, Slg. 2003, I-9543, 9599 Rn. 71 (Urt. v. 23.9.2003 – Rs. C-78/01) – BGL; Geiger (Fn.15), Art. 6 EUV Rn. 37; Scheuing, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Fn.18), § 6 Rn. 38 ff.

199

EuGH, Slg.1995, I-2303, 2317 Rn. 19 (Urt. v. 11.8.1995 – Rs. C-433/93) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland; 1996, I-6747, 6760 Rn. 16 (Urt. v. 12.12.1996 – Rs. C-298/95) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland; 1997, I-4961, 4996 Rn. 40 (Urt. v. 17.9.1997 – Rs. C-54/96) – Dorsch Consult; Kotzur (Fn. 4), Art. 288 Rn. 11.

200

EuGH, Slg. 1991, I-825, 868 Rn. 8 (Urt. v. 28.2.1991 – Rs. C-131/88) – Grundwasserrichtlinie.

201

Siehe hierzu Groß, in: Marauhn, Bausteine eines europäischen Beweisrechts, 2007, S. 65, 68 f.; Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 196 ff., 215 ff.; Ruffert, DVBl 1998, 69, 72; Schoch, Die Europäisierung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 2000, S. 35; Wegener, UTR 98 (2008), 319, 323 ff.

202

Siehe für Klagerechte stellvertretend EuGH, Slg. 2007, I-2271, 2316 ff. Rn. 38 ff. (Urt. v. 13.3.2007 – Rs. C-432/05) – Unibet; v. Danwitz (Fn. 6), S. 517; Dörr, Der europäisierte Rechtsschutzauftrag deutscher Gerichte, 2003, S. 189; Gundel, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. A., 2009, § 19 Rn. 53, 55.

203

Zutreffende Analyse bei Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525, 529.

204

Die Anmeldung ist keine selbständig“ durchsetzbare Pflicht, vgl. Riesenkampf/Lehr, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampf, Kartellrecht, 2009, § 39 Rn. 6 f. Damit liegt auch hier die Bestimmung des Zeitpunktes letztlich bei den Unternehmen, die (insoweit vergleichbar mit den vorliegenden Investitionsentscheidungen) maßgeblich nach ökonomischen Gesichtspunkten entscheiden werden, wann eine Fusion sinnvoll erscheint. Die Behörde kann auf den Zeitpunkt demgegenüber keinen Einfluss nehmen, vgl. nur Mäger, in: Hirsch/Montag/Säcker, Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht (Kartellrecht), 2008, § 39 Rn. 2.

205

Hier sei folgender Hinweis erlaubt: Die Förderung von Investitionen und von Innovation im Bereich neuer und verbesserter Infrastrukturen sind keine voneinander unabhängigen, gleichrangigen Ziele. Vielmehr steht die Innovation in einem funktionalen Abhängigkeitsverhältnis von der Investition. Erst der Anreiz, in neue und verbesserte Infrastrukturen zu investieren, führt zu Innovationsschüben.

206

Vgl. Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 11; Nolte/König, CR 2010, 433, 439.

207

Siehe Fetzer, Staat und Wettbewerb in dynamischen Märkten, Habil. Mannheim 2008, S. 268.

208

Fetzer, WiVerw 2010, 145, 148.

209

Siehe insbesondere Erwägungsgründe 1, 22 der Richtlinie 2002/21/EG.

210

Klotz/Brandenberg, MMR 2010, 147.

211

Möschel, MMR 2010, 450, 451.

212

Koenig/Busch, CR 2010, 357.

213

In diesem Sinne auch Erwägungsgrund 2 des Entwurfs einer Empfehlung der Kommission v. 20.9.2010 über den regulierten Zugang zu Zugangsnetzen der nächsten Generation (NGA), K (2010) 6223 endgültig.

214

Körber, MMR 2010, 123, 124.

215

Dieser lautet: „Der Wettbewerb kann am besten durch ein wirtschaftlich effizientes Maß an Investitionen in neue und bestehende Infrastrukturen gefördert werden, die durch eine Regulierung“ ergänzt werden, sofern dies zur Sicherstellung eines wirksamen Wettbewerbs bei den Endnutzerdiensten erforderlich ist.“

216

In diesem Sinne grundsätzlich auch Erwägungsgrund 25 des Entwurfs einer NGA-Empfehlung (Fn. 213): „Wenn Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht niedrigere Preise für den Zugang zum entbündelten Glasfaseranschluss im Gegenzug zu vertraglich zugesicherten Mindestlaufzeiten oder Abnahmemengen anbieten, sollten die [nationalen Regulierungsbehörden] dies nicht als unzulässige Diskriminierung betrachten, soweit sich die [nationalen Regulierungsbehörden] vergewissert haben, dass die niedrigeren Preise die tatsächliche Verringerung des Investitionsrisikos angemessen widerspiegeln. Die [nationalen Regulierungsbehörden] sollten aber sicherstellen, dass derartige Preisregelungen nicht zu einer Preis-Kosten-Schere führen, die einen effizienten Markteintritt ganz verhindert.“

217

Möschel, MMR 2010, 450, 452.

218

Hierfür namentlich Erwägungsgrund 37 des Entwurfs einer NGA-Empfehlung (Fn. 213): „Das vom Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht eingegangene Risiko sollte bei der Festsetzung der Zugangspreise angemessen berücksichtigt werden.“, siehe ferner a. a. O., S. 20 ff.

219

Zu deren Zulässigkeit siehe unten, unter bb) bbb) – ddd).

220

Erwägungsgrund 25 des Entwurfs einer NGA-Empfehlung (Fn. 213).

221

Anders aber Nolte/König, CR 2010, 433, 436.

222

Hierfür die Kommission, vgl. Erwägungsgrund 26 des Entwurfs einer NGA-Empfehlung (Fn. 213).

223

Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 12.

224

Fetzer, WiVerw 2010, 145, 149.

225

Berichtend Ladeur, K&R 2010, 308, 313, namentlich zum Verfahren DE/2009/1006; ferner Nolte/König, CR 2010, 433, 439.

226

Koenig/Busch, CR 2010, 357, 361.

227

Koenig/Busch, CR 2010, 357, 358.

228

Kühling, WiVerw 2010, 135, 138; für das bisherige TKG sowie auf der Basis des konsolidierten Entwurfs des „TK-Review“ Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 12 f.

229

Diese Bestimmung lautet: „Um zu Investitionen der Betreiber auch in Netze der nächsten Generation anzuregen, tragen die nationalen Regulierungsbehörden den Investitionen des Betreibers Rechnung und ermöglichen ihm eine angemessene Rendite für das entsprechend eingesetzte Kapital, wobei gegebenenfalls die spezifischen Risiken im Zusammenhang mit einem bestimmten neuen Netzprojekt, in das investiert wird, zu berücksichtigen sind.“

230

Siehe oben, unter aa) aaa).

231

Fetzer (Fn. 207), S. 268, 440.

232

Entwurf einer NGA-Empfehlung (Fn. 213), S. 22; Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 15 f.; Nolte/König, CR 2010, 433, 439.

233

Angedeutet wird die Möglichkeit einer solchen Differenzierung jedenfalls für den Zugang zu Glasfasernetzen bis zur Wohnung („Fiber To The Home“, FTTH) auch im Entwurf einer NGA-Empfehlung (Fn. 213), S. 20: „Die [nationalen Regulierungsbehörden] sollten dafür sorgen, dass die Zugangspreise die tatsächlichen Kosten des Betreibers mit beträchtlicher Marktmacht widerspiegeln, wobei gegebenenfalls ein höherer Risikoaufschlag eingerechnet werden darf, wenn der Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht ein zusätzliches und quantifizierbares Risiko eingegangen ist.“ Die dort thematisierte Quantifizierbarkeit ist nachgerade idealtypisch im Fall einer Investitionsbeteiligung gegeben.

234

Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 13 f.; Nolte/König, CR 2010, 433, 439.

235

Siehe oben, unter aa) aaa) (2).

236

Anders aber Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 16, die nach hiesigem Standpunkt der bewussten und in den Erwägungsgründen eingehend hervorgehobenen Neutarierung der Zielgewichte innerhalb der Regulierungsaufgaben nicht hinreichend Rechnung tragen und den „TK-Review“ in diesem Punkt in der Sache wie eine bloße Kodifikation des Status quo ante behandeln. Hierbei wird namentlich verkannt, dass bei einer konsequenten Anwendung der von den Verfassern vertretenen Maßstäbe, namentlich der extensiven Interpretation des Diskriminierungsverbotes und des Wettbewerbsgebotes, praktisch nur sehr wenige Anwendungsmöglichkeiten verbleiben, was aber ersichtlich die Regelungsintention des Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie konterkarieren würde.

237

Eine Entgeltdifferenzierung nach abgenommener Menge wird unter bestimmten Voraussetzungen auch von der Kommission für zulässig erachtet, siehe den Entwurf einer NGA-Empfehlung (Fn. 213), S. 23: „Ein Mengenrabatt sollte nur dann von den [nationalen Regulierungsbehörden] zugelassen werden, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

a) Es gibt nur eine Rabatthöhe pro Gebiet, das von der [nationalen Regulierungsbehörde] unter Berücksichtigung der nationalen Gegebenheiten und der Netzarchitektur in angemessener Größe festgelegt wird und das gleichermaßen für alle Zugangsinteressenten gilt, die im betreffenden Gebiet mindestens die Leitungsmenge kaufen wollen, ab der der Rabatt zu gewähren ist,

b) der Mengenrabatt spiegelt nur die Risikominderung für den Investor wider,

c) über einen angemessenen Zeitraum besteht eine hinreichende Gewinnspanne zwischen Vorleistungs- und Endkundenpreisen, die einem effizienten Wettbewerber den Markteintritt ermöglicht.“

238

Kühling, WiVerw 2010, 135, 139; ebenso Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 16 f.

239

Siehe oben, unter ddd).

240

Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 20.

241

Siehe im vorliegenden Kontext vor allem Satz 2: „Damit die Investoren Planungssicherheit haben, sollten die nationalen Regulierungsbehörden darüber hinaus befugt sein, gegebenenfalls die Bedingungen für den Zugang festzulegen, die während angemessener Überprüfungszeiträume kohärent bleiben.“

242

Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 18.

243

Dies räumen auch Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 18, ein, vertiefen aber das Modell aufgrund ihrer allgemeinen Bedenken gegenüber „Risk-Sharing“L-Verträgen nicht weiter. Erneut wird hierbei ausgeblendet, dass der verbindlich vorgegebene Regulierungsgrundsatz nach Art. 8 Abs. 5 lit. d der Telekommunikationsrahmenrichtlinie „Risk-Sharing“-Modelle nicht nur ausdrücklich für zulässig erklärt, sondern auch effektiv wirksame Vorgaben für die nationale Regulierungsbehörde fordert.

244

Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 18.

245

Der Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung scheint in Deutschland bislang politisch nicht zur Diskussion zu stehen, vgl. Nolte, N&R 2010, 83, 84.

246

Demgegenüber gehen Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 27, davon aus, dass die Zulässigkeit von Abweichungen vom Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung „gemeinschaftsrechtlich offen“, jedoch ökonomisch nicht zweckmäßig sei.

247

Insoweit zutreffend Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 27.

248

Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 26.

249

So Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 19.

250

Diese wird bisweilen eingehend und kritisch diskutiert, vgl. Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beiheifter 1/2010, 1, 21 ff.

251

Hierzu Näheres unten, unter IV. 3. a).

252

Stellvertretend EuGH, Slg. 1989, I-2237, 2265 Rn. 4 (Urt. v. 11.7.1989 – Rs. C-265/87) – Hermann Schräder HS Kraftfutter GmbH; 2000, I-2737, 2781 Rn. 58 (Urt. v. 13.4.2000 – Rs. C-292/97) – Kjell Karlsson; 2005, I-10423, 10497 Rn. 68 (Urt. v. 6.12.2005 – Rs. C-453/03 u. a.) – ABNA; MMR 2010, 561, 563 Rn. 51 (Urt. v. 8.6.2010 – Rs. C-58/08) – Vodafone/Secretary of State for Business, Enterprise and Regulatory Reform; siehe zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Direktive und Schranke der EG-Rechtsetzung, 2000; Kischel, EuR 2000, 380; Pache, NVwZ 1999, 1033.

253

EuGH, Slg. 1989, I-2237, 2265 Rn. 4 (Urt. v. 11.7.1989 – Rs. C-265/87) – Hermann Schräder HS Kraftfutter GmbH.

254

Die Charta wurde zwar nicht für rückwirkend anwendbar erklärt; sie gilt aber für Sachverhalte, die bei ihrem Inkrafttreten noch Wirkung entfalten; so Jarass (Fn. 121), Einl. Rn. 7. Dies ist vorliegend hinsichtlich der noch ausstehenden Umsetzung der Richtlinie der Fall.

255

Mit Recht kritisch Berrisch, EuR 1994, 461, 465 ff.; Caspar, DÖV 2000, 349, 359; v. Danwitz, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 2002, S. 215, 281; Streinz, Bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1989, S. 408; ders., in: FS Merten, 2007, S. 395, 403 f.

256

Detaillierte Analyse bei Emmerich-Fritsche (Fn. 252), S. 272 ff.

257

Vgl. Kischel, EuR 2000, 380, 383 ff.; Pache, NVwZ 1999, 1033, 1036.

258

Vgl. Burgi, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. A., 2003, § 7 Rn. 105; Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 168; Hirsch, Das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 28 f.; Müller-Michaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 49 ff.; Pache, DVBl 1998, 380, 386.

259

Mayer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Fn. 16), Nach Art. 6 EUV Rn. 404.

260

Etwa EuGH, Slg. 1991, I-935, 991 Rn. 44 (Urt. v. 28.2.1991 – Rs. C-234/89) – Stergios Delimitis/Henninger Bräu; 1997, I-2405, 2461 Rn. 55 (Urt. v. 13.5.1997 – Rs. C-233/94) – Bundesrepublik Deutschland/Europäisches Parlament u. Rat; Calliess (Fn. 150), Art. 5 Rn. 53; Schockweiler, EuR 1995, 191, 196 f.; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. A., 2005, S. 283 f.; Skouris, in: Schwarze (Fn. 170), S. 71, 75 f.

261

EuGH, Slg. 1994, I-4973, 5068 f. Rn. 90 (Urt. v. 5.10.1994 – Rs. C-280/93) – Bundesrepublik Deutschland/Rat.

262

EuGH, MMR 2010, 561, 563 Rn. 52 (Urt. v. 8.6.2010 – Rs. C-58/08) – Vodafone/Secretary of State for Business, Enterprise and Regulatory Reform: „Was die gerichtliche Nachprüfbarkeit der Einhaltung“ dieser Voraussetzungen betrifft, hat der Gerichtshof dem Gemeinschaftsgesetzgeber im Rahmen der Ausübung der ihm übertragenen Zuständigkeiten ein weites Ermessen in Bereichen zugebilligt, in denen seine Tätigkeit sowohl politische als auch wirtschaftliche oder soziale Entscheidungen verlangt und in denen er komplexe Prüfungen und Beurteilungen vornehmen muss. Es geht somit nicht darum, ob eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme die einzig mögliche oder die bestmögliche war; sie ist vielmehr nur dann rechtswidrig, wenn sie zur Erreichung des Ziels, das das zuständige Organ verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist.“

263

Vgl. EuGH, Slg. 2005, I-10423, 10500 ff. Rn. 80 ff. (Urt. v. 6.12.2006 – Rs. C-453/03 u. a.) – ABNA/Secretary of State for Health; Urt. v. 9.11.2010 – verb. Rs. C-92/09 u. C-93/09, Rn. 43 ff. – Hartmut Eifert/Hessen.

264

Für eine Aufwertung des Schutzniveaus etwa v. Danwitz, ZG 2005, 1, 10 f.; Gärditz/Rubel, N&R 2010, 194, 202.

265

Besondere Aufmerksamkeit verdienen namentlich folgende Entscheidungen: EuGH, Slg. 2006, I-5769, 5826 ff. Rn. 52 ff. (Urt. v. 27.6.2006 – Rs. C-540/03) – Europäisches Parlament/Rat; 2008, I-6351, 6490 ff. Rn. 281 ff. (Urt. v. 3.9.2008 – verb. Rs. C-402/05 P u. C-425/05 P) – Kadi; Urt. v. 9.11.2010 – verb. Rs. C-92/09 u. C-93/09 Rn. 43 ff. – Hartmut Eifert/Hessen.

266

Di Fabio, in: Löwer, Bonner Gespräch zum Energierecht, Bd. 1, 2006, S. 9, 12.

267

EuGH, MMR 2010, 561, 563 Rn. 53 (Urt. v. 8.6.2010 – Rs. C-58/08) – Vodafone/Secretary of State for Business, Enterprise and Regulatory Reform.

268

Ellinghaus, CR 2010, 20, 21.

269

Vgl. Elkettani, K&R-Beilage 1/2004, 11, 16.

270

Der vom EuGH in seiner Roaming-Entscheidung zur Rechtfertigung des regulatorischen Eingriffs (unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit) wiederholt herangezogene Verbraucherschutz (MMR 2010, 561, 563 f. Rn. 60 ff. [Urt. v. 8.6.2010 – Rs. C-58/08] – Vodafone/Secretary of State for Business, Enterprise and Regulatory Reform) spricht im vorliegenden Kontext nicht für eine Ex-ante-Regulierung. Investitionen in eine neue Netzinfrastruktur kommen nämlich letztlich auch dem Verbraucher zugute, der Dienstleistungen nachfragen kann, die ihm ansonsten von vornherein nicht zur Verfügung stünden. Eine über das Erforderliche hinausgehende Regulierung kann dazu führen, dass eine Investition unterbleibt, was gerade zum Nachteil der Verbraucher wäre.

271

Vgl. Scherer (Fn. 18), § 36 Rn. 49.

272

Siehe hierzu oben, unter b) aa) bbb) u. bb) ccc).

273

Diese Bestimmung lautet: „Die nationalen Regulierungsbehörden definieren relevante Märkte entsprechend den nationalen Gegebenheiten – insbesondere relevante geografische Märkte innerhalb ihres Hoheitsgebiets – im Einklang mit den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts, wobei sie weitestgehend die Empfehlung und die Leitlinien berücksichtigen. Bevor sie Märkte definieren, die von den in der Empfehlung festgelegten abweichen, wenden die nationalen Regulierungsbehörden die in den Artikeln 6 und 7 genannten Verfahren an.“

274

Zum Korrespondenzverhältnis von räumlicher Nähe bzw. Auflösung und Subsidiaritätsprinzip siehe Gärditz (Fn. 184), S. 54, 57, 108.

275

Siehe auch Lüdemann, in: Lüdemann, Telekommunikation, Energie, Eisenbahn, 2008, S. 69, 84 f.

276

Erwägungsgrund 56 lautet: „Die nationalen Regulierungsbehörden sollten bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der aufzuerlegenden Verpflichtungen und Bedingungen die unterschiedlichen Wettbewerbsverhältnisse in den einzelnen Gebieten der betreffenden Mitgliedstaaten berücksichtigen.“

277

Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 27 f.

278

Relativierend Kühling/Heimeshoff/Schall, K&R-Beihefter 1/2010, 1, 28, die weiterhin von einer weitgehend diskretionären Entscheidungsfreiheit der Regulierungsbehörde ausgehen.

279

Ehrler/Ruhle/Berger, CR 2008, 703, 707; Kühling, WiVerw 2010, 135, 136.

280

Korehnke (Fn. 47), § 14 Rn. 1.

281

Siehe oben, unter b) aa) bbb) u. bb) ccc).

282

Vgl. zu den Hintergründen nur Korehnke (Fn. 47), § 14 Rn. 2. Regulierte Unternehmen sind daher im Rahmen des § 14 Abs. 1 TKG bislang darauf beschränkt, der Bundesnetzagentur Tatsachen zur Kenntnis zu bringen, so zutreffend Kirchner/Käseberg (Fn. 70), § 14 Rn. 8. Ein ggf. einklagbarer Anspruch auf Einleitung eines Verfahrens ist hiermit aber nicht verbunden, siehe Woesler, in: Berliner Kommentar zum TKG (Fn. 49), § 14 Rn. 40.

283

So nun auch Stelkens/Seifert, MMR 2010, 811, 813.

284

Dörr, in: Berliner Kommentar zum TKG (Fn. 49), § 68 Rn. 21; Reichert, in: Scheurle/Mayen (Fn. 70), § 68 Rn. 13; Schütz, in: Beck’scher TKG-Kommentar (Fn. 21), § 68 Rn. 23.

285

Die Regulierungsbehörde hat hiernach bei ihrer Entscheidung über die Auferlegung von Zugangsverpflichtungen folgendem Faktor Rechnung zu tragen: „technische und wirtschaftliche Tragfähigkeit der Nutzung oder Installation konkurrierender Einrichtungen angesichts des Tempos der Marktentwicklung, wobei die Art und der Typ der Zusammenschaltung und/oder des Zugangs berücksichtigt werden, einschließlich der Tragfähigkeit anderer vorgelagerter Zugangsprodukte, wie etwa des Zugangs zu Leitungsrohren“.

286

Ebenso Stelkens/Seifert, MMR 2010, 811, 814.

287

BVerfGE 113, 348, 368 (Urt. v. 27.7.2005 – Az.1 BvR 668/04); BVerwG, NVwZ 2001, 1170 (Beschl. v. 7.5.2001 – Az. 6 B 55.00); Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 9), Art. 73 Rn. 74, 78; Seiler, in: Epping/Hillgruber, GG, 2009, Art. 73 Rn. 33; Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblattsammlung, Stand: 60. Ergänzungslieferung (Oktober 2010), Art. 73 Rn. 165 f.; parallel zu Art. 87f GG Lerche, in: Maunz/Dürig, a. a. O., Art. 87f Rn. 47.

288

BVerfGE 113, 348, 368 (Urt. v. 27.7.2005 – Az.1 BvR 668/04).

289

Vgl. BVerfGE 46, 120, 144 (Beschl. v. 12.10.1977 – Az.1 BvR 216/75, 1 BvR 217/75); Heintzen (Fn. 287), Art. 73 Rn. 74.

290

BVerwG, NVwZ 2001, 1170 (Beschl. v. 7.5.2001 – Az. 6 B 55.00).

291

Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. A., 2005, Art. 87f Rn. 37; Windthorst, in: Sachs, GG, 5. A., 2009, Art. 87f Rn. 20.

292

Lerche (Fn. 287), Art. 87f Rn. 86.

293

Vgl. in diesem Sinne Gersdorf (Fn. 291), Art. 87f Rn. 42.

294

Dies dient vor allem dem Schutz von Länderinteressen im Infrastrukturbereich, vgl. Wieland, in: Dreier (Fn. 9), Art. 87f Rn. 22.

295

BVerfGE 108, 169, 183 (Urt. v. 15.7.2003 – Az. 2 BvF 6/98).

296

BVerfGE 108, 169, 182 ff. (Urt. v. 15.7.2003 – Az. 2 BvF 6/98).

297

BVerfGE 113, 273, 300 (Urt. v. 18.7.2005 – Az. 2 BvR 2236/04); 118, 79, 98 (Beschl. v. 13.3.2007 – Az. 1 BvF 1/05); BVerfG, NJW 2010, 833, 835 (Urt. v. 2.3.2010 – Az. 1 BvR 256/08 u. a.). Eingehend Augsberg, DÖV 2010, 153.

298

Siehe Kahl/Gärditz, ZUR 2006, 1, 7 f.

299

Stellvertretend BVerfGE 100, 226, 240 (Beschl. v. 2.3.1999 – Az. 1 BvL 7/91); 101, 239, 259 (Urt. v. 23.11.1999 – Az. 1 BvF 1/94).

300

Vgl. zu § 57 TKG 1996 BVerfG (Kammer), NJW 2001, 2960, 2961 (Beschl. v. 18.1.2001 – Az. 1 BvR 1700/00); 2003, 196, 197 (Beschl. v. 26.8.2002 – Az. 1 BvR 142/02).

301

So BVerfG (Kammer), NJW 2001, 2960, 2961 (Beschl. 18.1.2001 – Az. 1 BvR 1700/00); 2003, 196, 198 (Beschl. v. 26.8.2002 – Az. 1 BvR 142/02).

302

BVerfG (Kammer), NJW 2003, 196, 198 (Beschl. v. 26.8.2002 – Az. 1 BvR 142/02).

303

BVerfGE 8, 71, 79 ff. (Beschl. v. 10.7.1958 – Az. 1 BvF 1/58); 21, 150, 160 (Beschl. v. 14.2.1967 – Az. 1 BvL 17/63); 97, 228, 265 (Urt. v. 17.2.1998 – Az. 1 BvF 1/91).

304

Ganz allgemein besteht insoweit die Gefahr einer Erosion des demokratischen und rechtsstaatlichen Vorbehalts des Gesetzes durch eine stetige Verdichtung unionsrechtlicher Vorgaben. Mit Recht Huber, DVBl 2009, 574, 575, 577.

305

Treffend Calliess (Fn. 156), S. 182 ff.; ferner Schwarze, in: Schwarze/Hatje (Fn. 148), S. 9, 19 f.

306

Gramlich, CR 2010, 289, 299.

307

Vgl. kritisch Everling, EuR 2010, 91, 101 f.; Ruffert, DVBl 2009, 1197, 1206.

308

BVerfGE 123, 267, 341 (Urt. v. 30.6.2009 – Az. 2 BvE 2/08 u. a.).

309

Nicht nur zufällig führt Bundesverfassungsrichter Di Fabio, F. A. Z. v. 21.10.2010, S. 6, gerade den europäischen Regulierungsverbund als ein Beispiel für rechtsstaatliche Erosionen an, die künftig Konflikte mit dem BVerfG auslösen könnten.

310

Gärditz/Hillgruber, JZ 2010, 872; ähnlich Stöger, ZÖR 65 (2010), 247, 266.

311

BVerfGE 123, 267, 353 ff. (Urt. v. 30.6.2009 – Az. 2 BvE 2/08 u. a.).

312

Ohler, AöR 135 (2010), 153, 179 ff., 183.

313

BVerfGE 123, 267, 353 f. (Urt. v. 30.6.2009 – Az. 2 BvE 2/08 u. a.). Allgemein für eine Deutung der Bereichsvorbehalte des BVerfG als Ausprägungen des Subsidiaritätsprinzips Britz, in: Hatje/Terhechte (Fn. 135), S. 151, 162 f., 169 f.

314

Valta (Fn.117), S. 258.

315

Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 56, BT-Drs. 17/285, 157, 198 Tz. 145.

316

Vgl. Salević, Kompetenzen der EU-Kommission zur Harmonisierung der Entgeltregulierung im Sektor der elektronischen Kommunikation unter Berücksichtigung von effektivem Rechtsschutz für Marktteilnehmer, 2009, S. 56 f., 60.

317

Für den Bereich der Grundrechtsbindung ist dies wiederholt entschieden worden, etwa BVerfGE 113, 273, 300 (Urt. v. 18.7.2005 – Az. 2 BvR 2236/04); 118, 79, 98 (Beschl. v. 13.3.2007 – Az. 1 BvF 1/05); BVerfG, NJW 2010, 833, 835 (Urt. v. 2.3.2010 – Az. 1 BvR 256/08 u. a.). Nichts anderes gilt aber für das sonstige Verfassungsrecht.

318

Dreier, in: Dreier, GG, Bd. III, 2. A., 2008, Art. 79 Rn. 52; Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 9), Art. 79 Abs. 3 Rn. 85; Herdegen, in: Maunz/Dürig (Fn. 287), Art. 79 Abs. 3 Rn. 136.

319

Hain (Fn. 318), Art. 79 Abs. 3 Rn. 84; Herdegen (Fn. 318), Art. 79 Abs. 3 Rn. 128.

320

In diesem Sinne Broemel (Fn. 23), S. 222; Trute (Fn. 60), S. 580.

321

Vereinzelt wird zwar dafür plädiert, auch im Bereich neuer Netzinfrastrukturen die Frage der Zugangsregulierung weitgehend im Ermessen der Regulierungsbehörde zu belassen und bezogen auf den jeweiligen Einzelfall durch Abwägung zu entscheiden, auf gesetzliche Vorstrukturierungen hingegen zu verzichten, so Kühling, WiVerw 2010, 135, 137.

322

Allgemein BVerfGE 56, 1, 13 (Beschl. v. 8.1.1981 – Az. 2 BvL 3/77, 2 BvL 9/77); sowie zur adäquaten Aufgabenorganisation BVerfGE 68, 1, 86 f. (Urt. v. 18.12.1984 – Az. 2 BvE 13/83); 95, 1, 15 (Beschl. v. 17.7.1996 – Az. 2 BvF 2/93); 98, 218, 252 (Urt. v. 14.7.1998 – Az. 1 BvR 1640/97). Dieses Argument wird folglich bisweilen im Zusammenhang mit der organisationsrechtlichen Verselbständigung der Regulierungsverwaltung bemüht, vgl. etwa Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde nach §§ 66 ff. TKG, 2000, S. 256 ff.

323

Allgemein in diesem Sinne auch Löhr, Bundesbehörden zwischen Privatisierungsgebot und Infrastrukturauftrag, 2006, S. 491 f.

324

BVerfGE 33, 125, 158 (Beschl. v. 9.5.1972 – Az. 1 BvR 518/62, 1 BvR 308/64); 41, 251, 259 (Beschl. v. 27.1.1976 – Az. 1 BvR 2325/73); 45, 400, 417 (Beschl. v. 22.6.1977 – Az. 1 BvR 799/76); 47, 46, 78 f. (Beschl. v. 21.12.1977 – Az. 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75); 49, 89, 126 (Beschl. v. 8.8.1978 – Az. 2 BvL 8/77); 58, 257, 269 (Beschl. v. 20.10.1981 – Az. 1 BvR 640/80); 83, 130, 142 (Beschl. v. 27.11.1990 – Az. 1 BvR 402/87); 101, 1, 34 (Urt. v. 6.7.1999 – Az. 2 BvF 3/90); BVerwGE 121, 103, 108 (Urt. v. 17.6.2004 – Az. 2 C 50.02).

325

Siehe stellvertretend Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, 3. A., 2007, § 101 Rn. 41 ff.

326

Stellvertretend BVerfGE 49, 89, 126 f. (Beschl. v. 8.8.1978 – Az. 2 BvL 8/77); 80, 124, 132 (Beschl. v. 6.6.1989 – Az. 1 BvR 727/84); 83, 130, 142, 151 f. (Beschl. v. 27.11.1990 – Az. 1 BvR 402/87); 84, 212, 226 (Beschl. v. 26.6.1991 – Az. 1 BvR 779/85); 88, 103, 116 (Beschl. v. 2.3.1993 – Az. 1 BvR 1213/85); 98, 218, 251 (Urt. v. 14.7.1998 – Az. 1 BvR 1640/97); 101, 1, 34 (Urt. v. 6.7.1999 – Az. 2 BvF 3/90).

327

Vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Fn. 287), Art. 20 Teil VI Rn. 47.

328

BVerfGE 8, 274, 325 (Beschl. v. 12.11.1958 – Az. 2 BvL 4/56 u. a.); 49, 89, 129 (Beschl. v. 8.8.1978 – Az. 2 BvL 8/77); 56, 1, 13 (Beschl. v. 8.1.1981 – Az. 2 BvL 3/77, 2 BvL 9/77); 57, 295, 327 (Urt. v. 16.6.1981 – Az. 1 BvL 89/78); 83, 130, 152 (Beschl. v. 27.11.1990 – Az. 1 BvR 402/87); 95, 267, 307 f. (Beschl. v. 8.4.1997 – Az. 1 BvR 48/94); 101, 1, 34 (Urt. v. 6.7.1999 – Az. 2 BvF 3/90).

329

Stellvertretend BVerfGE 40, 237, 249 (Beschl. v. 28.10.1975 – Az. 2 BvR 883/73 u. a.); 47, 46, 79 (Beschl. v. 21.12.1977 – Az. 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75); 49, 89, 126 f. (Beschl. v. 8.8.1978 – Az. 2 BvL 8/77); 58, 257, 269 (Beschl. v. 20.10.1981 – Az. 1 BvR 640/80); 80, 124, 132 (Beschl. v. 6.6.1989 – Az. 1 BvR 727/84); 95, 267, 307 f. (Beschl. v. 8.4.1997 – Az. 1 BvR 48/94); 98, 218, 251 (Urt. v. 14.7.1998 – Az. 1 BvR 1640/97); 83, 130, 142 (Beschl. v. 27.11.1990 – Az. 1 BvR 402/87); 101, 1, 34 (Urt. v. 6.7.1999 – Az. 2 BvF 3/90); 108, 282, 311 (Urt. v. 24.9.2003 – Az. 2 BvR 1436/02).

330

BVerfGE 48, 210, 222 (Beschl. v. 19.4.1978 – Az. 2 BvL 2/75); 56, 1, 13 (Beschl. v. 8.1.1981 – Az. 2 BvL 3/77, 2 BvL 9/77); BVerwGE 90, 359, 363 (Beschl. v. 7.9.1992 – Az. 7 NB 2.92); 96, 189, 195 (Urt. v. 5.7.1994 – Az. 1 C 13.91).

331

Siehe BVerfGE 48, 210, 222 (Beschl. v. 19.4.1978 – Az. 2 BvL 2/75); 49, 168, 181 (Beschl. v. 26.9.1978 – Az. 1 BvR 525/77); 56, 1, 12 (Beschl. v. 8.1.1981 – Az. 2 BvL 3/77, 2 BvL 9/77).

332

BVerfGE 8, 274, 325 (Beschl. v. 12.11.1958 – Az. 2 BvL 4/56 u. a.); 13, 153, 160 f. (Beschl. v. 10.10.1961 – Az. 2 BvL 1/59); 21, 73, 79 (Beschl. v. 12.1.1967 – Az. 1 BvR 169/63); 34, 165, 192 (Urt. v. 6.12.1972 – Az. 1 BvR 230/70, 1 BvR 95/71); 63, 312, 324 (Beschl. v. 8.3.1983 – Az. 2 BvL 27/81); 78, 214, 226 (Beschl. v. 31.5.1988 – Az. 1 BvR 520/83).

333

BVerfGE 8, 274, 325 (Beschl. v. 12.11.1958 – Az. 2 BvL 4/56 u. a.); 21, 73, 79 (Beschl. v. 12.1.1967 – Az. 1 BvR 169/63); 52, 1, 41 (Beschl. v. 12.6.1979 – Az. 1 BvL 19/76); 63, 312, 323 (Beschl. v. 8.3.1983 – Az. 2 BvL 27/81).

334

Vgl. BVerfGE 13, 153, 161 (Beschl. v. 10.10.1961 – Az. 2 BvL 1/59); 52, 1, 41 (Beschl. v. 12.6.1979 – Az. 1 BvL 19/76).

335

BVerfGE 34, 165, 193 (Urt. v. 6.12.1972 – Az. 1 BvR 230/70, 1 BvR 95/71); 45, 400, 417 f. (Beschl. v. 22.6.1977 – Az. 1 BvR 799/76); 49, 89, 127 (Beschl. v. 8.8.1978 – Az. 2 BvL 8/77); 56, 1, 12 (Beschl. v. 8.1.1981 – Az. 2 BvL 3/77, 2 BvL 9/77); 78, 214, 226 (Beschl. v. 31.5.1988 – Az. 1 BvR 520/83); 80, 137, 161 (Beschl. v. 6.6.1989 – Az. 1 BvR 921/85); 83, 130, 142, 152 (Beschl. v. 27.11.1990 – Az. 1 BvR 402/87); BVerwGE 100, 230, 236 (Urt. v. 21.12.1995 – Az. 3 C 34.94); Sachs, in: Sachs (Fn. 291), Art. 20 Rn. 113.

336

Siehe BVerfGE 115, 205, 229 f. (Beschl. v. 14.3.2006 – Az. 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03); Herdegen, MMR 2006, 580, 581. Unzutreffend ist, dass an den Vorbehalt des Gesetzes nur reduzierte Anforderungen zu stellen seien, weil es im Kontext der Regulierung lediglich um „die Verwirklichung subjektiver Rechte am Markt“ ginge, so Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525, 528.

337

Salević (Fn. 316), S. 106 f.

338

In diesem Sinne BVerwGE 121, 103, 108 f. (Urt. v. 17.6.2004 – Az. 2 C 50.02); VerfGH Münster, NJW 1999, 1243, 1245 (Urt. v. 9.2.1999 – Az. 11/98); Herdegen, MMR 2006, 580, 581; Lepsius, in: Bertschi u. a., Demokratie und Freiheit, 1999, S. 123, 170, 176.

339

Siehe nur Klein, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 3. A., 2005, § 50 Rn. 42; Ruffert, DVBl 2002, 1145, 1152; Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, 1973, S. 87 f.

340

BVerfGE 95, 267, 307 f. (Beschl. v. 8.4.1997 – Az. 1 BvR 48/94).

341

Vgl. Lepsius (Fn. 110), § 4 Rn. 86.

342

Weiß (Fn. 39), S. 167.

343

Trute (Fn. 60), S. 581.

344

Siehe nur Lepsius (Fn. 338), S. 149 ff.; ders., in: Kahl, Nachhaltigkeit als Verbundbegriff, 2008, S. 326, 329 ff.

345

Möllers, Demokratie – Zumutungen und Versprechen, 2008, S. 43 f.

346

Vgl. zur Relevanz gerade bei politischen Abwägungsentscheidungen Löhr (Fn. 323), S. 490.

347

Gerade aus diesem Grund bedürfte es vielmehr einer anderweitigen, zusätzlichen Kompensation der durch die Weisungsfreiheit reduzierten sachlich-inhaltlichen Legitimation, vgl. Masing, in: FS Schmidt, 2006, S. 521, 528; Ruffert, in: Trute/Groß/Röhl/Möllers (Fn. 160), S. 431, 454; Weidemann, in: Masing/Marcou, Unabhängige Regulierungsbehörden, 2010, S. 39, 48 f.

348

BVerwGE 74, 241, 248 f. (Urt. v. 5.6.1986 – Az. 3 C 12.82); Grzeszick (Fn. 327), Art. 20 Teil VI Rn. 60; Herresthal, Rechtsfortbildung im europarechtlichen Bezugsrahmen, 2006, S. 156; Sachs (Fn. 335), Art. 20 Rn. 107; Schmidt-Aßmann, in: FS Stern, 1997, S. 745, 754 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Fn. 9), Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 93.

349

Winter, DVBl 1991, 657, 665. Eingehend Rieckhoff (Fn. 49), S. 198 ff.

350

Siehe Bauer (Fn. 9), Art. 80 Rn. 36; Saurer, JZ 2007, 1073, 1075; Rieckhoff (Fn. 49), S. 217 f.

351

Vgl. Fassbender, Die Umsetzung von Umweltstandards der Europäischen Gemeinschaft, 2001, S. 275.

352

So aber Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525, 529.

353

Dass sich auch das deutsche TKG bislang“ damit begnügt hat, die Vorgaben des europäischen Rechtsrahmens im Bereich der Marktregulierung weitgehend ohne nähere Konkretisierung“ zu übernehmen, ist kein Argument für die hinreichende Bestimmtheit, so aber Rieckhoff (Fn. 49), S. 270. Zum einen ist es keineswegs ausgemacht, ob die offenen Finalbestimmungen des TKG in jedem Fall den Anforderungen des demokratischen und rechtsstaatlichen Vorbehalts des Gesetzes genügen. Zum anderen macht es einen entscheidenden Unterschied, ob vergleichsweise „technische“ Fragen der Zugangsregulierung oder grundlegende infrastrukturpolitische Entscheidungen wie der Aufbau neuer Hochleistungsnetze in Rede stehen, die für die Allgemeinheit von nachhaltiger und kaum zu überschätzender ökonomischer wie sozialer Bedeutung sind.

354

Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 465; Rieckhoff (Fn. 49), S. 66, 271 ff.; Trute (Fn. 60), S. 580 f.; in diesem Sinne Röhl, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, 2008, § 30 Rn. 38.

355

Koenig/Loetz/Neumann, K&R-Beilage 2/2003, 1, 36.

356

Vgl. Klement, Verantwortung, 2006, S. 433.

357

Bundesnetzagentur, Eckpunkte über die regulatorischen Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung moderner Telekommunikationsnetze und die Schaffung einer leistungsfähigen Breitbandinfrastruktur, 2010, S. 29.

358

Siehe bereits BVerfGE 1, 82, 83 f. (Beschl. v. 23.11.1951 – Az. 1 BvR 208/51); 2, 237, 242 f. (Beschl. v. 24.4.1953 – Az. 1 BvR 102/51).

359

BVerwGE 8, 4, 10 (Urt. v. 28.5.1958 – Az. V C 216.54); 34, 278, 280 f. (Urt. v. 10.12.1969 – Az. VIII C 104.69); 61, 15, 18 (Urt. v. 16.9.1980 – Az. I C 52.75); 100, 335, 339 f. (Urt. v. 19.3.1996 – Az. 1 C 34.93); 104, 220, 223 (Urt. v. 8.4.1997 – Az. 3 C 6.95).

360

Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. A., 2009, § 24 Rn. 17. Für Verwaltungsvorschriften frühzeitig BVerfGE 1, 82, 83 f. (Beschl. v. 23.11.1951 – Az. 1 BvR 208/51); 2, 237, 242 f. (Beschl. v. 24.4.1953 – Az. 1 BvR 102/51).

361

Siehe BVerwGE 121, 103, 106 ff. (Urt. v. 17.6.2004 – Az. 2 C 50.02); Saurer, DÖV 2005, 587, 591 f.

362

Beyerlin, EuR 1987, 126, 133.

363

EuGH, Slg. 1991, I-825, 868 Rn. 8 ff. (Urt. v. 28.2.1991 – Rs. C-131/88) – Grundwasserrichtlinie; I-2567, 2601 ff. Rn. 15 ff. (Urt. v. 30.5.1991 – Rs. C-361/88) – TA Luft; I-2607, 2632 f. Rn. 23 f. (Urt. v. 30.5.1991 – Rs. C-59/89) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland; 1996, I-5729, 5738 ff. Rn. 13 ff. (Urt. v. 7.1.1996 – Rs. C-262/95) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland; I-6747, 6760 Rn. 15 ff. (Urt. v. 12.12.1996 – Rs. C-298/95) – Kommission/Bundesrepublik Deutschland.

364

Wie hier Koenig/Busch, CR 2010, 357, 360.

 
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