Das Konzessionsvertragsrecht nach der Energierechtsreform 2005
von Dr. Boris Scholtka und Toralf Baumann*
Das Konzessionsvertragsrecht ist seit der ersten Energierechtsreform 1998 immer stärker ins Blickfeld der Gemeinden und der Energiewirtschaft gerückt. Grund hierfür ist u. a., dass viele Konzessionsverträge in den vergangenen Jahren ausgelaufen sind bzw. in den nächsten Jahren auslaufen werden. Das nehmen Kommunen oft zum Anlass, über den Abschluss des neuen Konzessionsvertrages auch hinsichtlich eines Wechsels des Vertragspartners zu entscheiden oder über die Gründung eines Stadtwerks nachzudenken. Neben diesem unter dem Stichwort Rekommunalisierung diskutierten Themenkomplex gibt es aber auch nach der Energierechtsreform 2005 eine Vielzahl offener und – trotz einzelner BGH- oder OLG-Entscheidungen – streitiger Rechtsfragen. In dem Beitrag werden die Schwerpunkte des Konzessionsvertragsrechts und die aktuelle Rechtsprechung dargestellt.
I. Einleitung
1. Rechtsgrundlagen – Energierechtsreform 2005
Mit der Verabschiedung des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 7. Juli 20051 hat der Gesetzgeber die sog. Beschleunigungsrichtlinien Strom bzw. Gas2 in nationales Recht umgesetzt.3 Ziel der Neuregelung war es, über die Regulierung der Energieversorgungsnetze Wettbewerb auf den Märkten zu ermöglichen, die dem Netzbereich vor- und nachgelagert sind.4 An die Stelle einer allgemeinen Anschluss- und Versorgungspflicht, wie sie unter § 10 EnWG 19985 gegolten hatte, trat eine allgemeine Anschlusspflicht in Niederspannung und Niederdruck (§ 18 EnWG) und die Grundversorgungspflicht nach § 36 EnWG.
2. Leitungsgebundenheit der Energieversorgung, Konzessionsverträge und Vertragsfreiheit
Der Transport von Strom und Gas ist nur mit Hilfe fester Leitungswege möglich. Dieser Umstand wird allgemein mit dem Begriff der Leitungsgebundenheit der Energieversorgung umschrieben. Für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur Versorgung von Letztverbrauchern in einem Gemeindegebiet sind Energieversorgungsunternehmen auf die Nutzung öffentlicher Verkehrswege angewiesen. Diese werden ihnen von den Gemeinden auf der Grundlage von Wegenutzungs- oder Konzessionsverträgen zur Verfügung gestellt.
Als vertragliche Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der Wegerechte zahlen die Energieversorgungsunternehmen Konzessionsabgaben an die jeweilige Gemeinde. Nach der Energierechtsreform sind die Konzessionsabgaben dabei nicht mehr (auch) Gegenleistung für die Einräumung des Rechts zur Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet, sondern (nur noch) Gegenleistung für die Einräumung eines zudem seit 1998 nicht mehr ausschließlichen Wegenutzungsrechts. Ob der Konzessionär dabei zugleich Grundversorger ist, spielt keine Rolle.6 Dabei sind die Parteien des Konzessionsvertrags in der Vereinbarung dieser Konzessionsabgaben allerdings nicht völlig frei. Die Vertragsfreiheit der Parteien wird de lege lata durch das Konzessionsabgabenrecht beschränkt.7 Insoweit sind Einzelheiten der Zahlung von Konzessionsabgaben, insbesondere ihre Berechnung und Höhe, in der Konzessionsabgabenverordnung vom 9. Januar 1992, der KAV, geregelt.
3. Rechtsgrundlagen für Konzessionsverträge
Mit der Energierechtsnovelle von 2005 erhielt das Konzessionsvertrags- und Konzessionsabgabenrecht den heutigen gesetzlichen Rahmen.8
§ 46 Abs. 1 EnWG regelt für sog. einfache Wegerechte, dass Gemeinden ihre öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet diskriminierungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen haben. Sie können den Abschluss von Verträgen ablehnen, solange das Energieversorgungsunternehmen die Zahlung von Konzessionsabgaben in Höhe der Höchstsätze nach der KAV ablehnt.
§ 46 Abs. 2 EnWG bestimmt für sog. qualifizierte Wegerechte, also die Rechte, die Gegenstand der Konzessionsverträge
In § 46 Abs. 3 EnWG ist bestimmt, dass die Gemeinden spätestens zwei Jahre vor Ablauf eines Konzessionsvertrages das Vertragsende durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger oder im elektronischen Bundesanzeiger bekanntmachen. Haben sie mehr als 100 000 Kunden, muss die Bekanntmachung zusätzlich im Amtsblatt der EU erfolgen. Außerdem ist in Absatz 3 der Fall einer vorzeitigen Verlängerung von Konzessionsverträgen geregelt.
§ 48 EnWG enthält neben der Verordnungsermächtigung für die KAV die Legaldefinition für Konzessionsabgaben; weiter wird klargestellt, dass der Konzessionär Schuldner der Konzessionsabgabe ist und zwar auch in Durchleitungsfällen (Absatz 3). Dabei prägt die KAV als Rechtsverordnung seit ihrem Inkrafttreten wesentlich das Konzessionsvertragsrecht, setzt sie diesem doch – als preisrechtliche und die Vertragsfreiheit einschränkende Rechtsverordnung – inhaltliche Grenzen.
Im Übrigen enthält § 48 Abs. 4 EnWG eine Regelung für den vertragslosen Zustand. Darunter versteht man eine tatsächliche Wegenutzung durch den Netzbetreiber ohne konzessionsvertragliche Grundlage. Dabei geht es um die Frage, welche Konzessionsabgaben der Netzbetreiber schuldet, wenn der Konzessionsvertrag abgelaufen ist und noch kein neuer Vertrag abgeschlossen wurde. Ausdrücklich wird in der Norm bestimmt, dass die vereinbarten Konzessionsabgaben auch noch ein Jahr – oder besser: nur ein Jahr – nach Ablauf des Wegenutzungsvertrages zu zahlen sind, wenn nicht zwischenzeitlich eine andere Regelung getroffen wurde. Jedenfalls erscheint nach dem Sinn und Zweck der Regelung eine Fortzahlung der Konzessionsabgaben durch den bisherigen Konzessionär dann nicht ausgeschlossen, wenn sich etwa eine Netzübernahme verzögert. Denn andernfalls würde die betroffene Gemeinde, ohne es beeinflussen zu können, Konzessionsabgaben weder vom bisherigen noch vom neuen Konzessionär einnehmen können.
II. Anwendungsfragen des Konzessionsvertragsrechts
1. Abschaffung der Laufzeitbegrenzung
Die Veränderungen des energie- und kartellrechtlichen Rechtsrahmens in den vergangenen Jahren und die sichtbare Intensivierung des Wettbewerbs bei der Energielieferung werfen die Frage auf, ob die Laufzeitbegrenzung noch zeitgemäß ist.
In der Literatur wird seit geraumer Zeit argumentiert, die Laufzeitbegrenzung sei überholt.9 Laurenz Keller-Herder begründet dies u. a. damit, dass inzwischen das Netz allen Netznutzern grundsätzlich diskriminierungsfrei zur Verfügung stehe. Geschlossene Versorgungsgebiete gebe es nicht mehr. Die Funktion des Netzes erschöpfe sich im neuen Rechtsrahmen im Wesentlichen darin, Mitbenutzungsrechte zur Verfügung zu stellen. Aufgrund der Entflechtungsregelungen sei der Netzbetrieb von den übrigen wettbewerblichen Tätigkeiten des Energieversorgungsunternehmens getrennt, alle Letztverbraucher könnten frei ihren Versorger wählen, dabei komme es auf das vorhandene Versorgungsnetz bei der Ausgestaltung der Versorgungsverhältnisse nicht an. Damit gebe es aber ohnehin keinen Wettbewerb um Versorgungsgebiete mehr, wie ihn die 4. GWB-Novelle zum Ausgleich der Versorgungsmonopole zumindest alle 20 Jahre ermöglichen wollte. Insgesamt gebe es ordnungspolitisch keinen sinnvollen Wettbewerb um den regulierten Netzbetrieb.10
Diese Argumentation enthält zwar im Kern überwiegend zutreffende Aussagen, dennoch bestehen Zweifel am gefundenen Ergebnis. Sicherlich ist es zutreffend, dass das Konzessionsvertragsrecht nichts mehr mit dem Energievertrieb zu tun hat. Konzessionsabgaben werden nur noch für das Wegenutzungsrecht und nicht mehr für das Recht zur Versorgung gezahlt. Gleichwohl hat der Gesetzgeber die Laufzeitbegrenzung nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Versorgung betrachtet, sondern auch unter dem Begriff „Wettbewerb um Netze“ erfasst.11 Gerade bei dem Stichwort der Effizienz stellt sich die Frage, ob diese allein unter dem Blickwinkel einer Netzeffizienz ausreichend erfasst ist. Weshalb soll es nicht auch ein gemeindliches Recht geben, die Effizienz und Leistungsfähigkeit des Vertragspartners, also des aktuellen Konzessionärs, zu prüfen? Denn bei allen Wirkungen der Anreizregulierung, den Netzbetrieb effizienter zu gestalten, bleibt es doch dabei, dass derzeit schon große Unterschiede hinsichtlich der Effizienz der Netzbetreiber bestehen. Daneben dürften auch weitere Aspekte zu berücksichtigen sein. Sowohl das BVerfG als auch das BVerwG und der BGH stufen die Energieversorgung als Aufgabe der Daseinsvorsorge ein.12 Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass Art. 28 GG nur einen Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung schützt. Ob die Energieverteilung über Netze zu diesem Kernbereich zählt, ist seit Jahren umstritten. Schon Friauf13 und Ossenbühl14 haben hierzu vor Jahren veröffentlicht. Auch wenn vieles dafür spricht, die Energieverteilung als dem gemeindlichen Kernbereich nicht zugehörig anzusehen, bliebe hier bei der Abschaffung der Laufzeitbegrenzung eine nicht gering zu schätzende Unsicherheit.
Abgesehen von diesen verfassungsrechtlichen Erwägungen sollten auch von vornherein zivilrechtliche Erwägungen nicht außer Betracht bleiben. So ist zu fragen, inwieweit nach einer Abschaffung der Laufzeitbindung die dann vermutlich entstehenden Ewigkeitsrechte des Wegenutzers noch im Einklang mit etwa § 138 BGB stehen. Angesprochen ist hier die Frage der Sittenwidrigkeit überlanger Laufzeitbindungen.
Aus dem Bereich der Bierlieferungsverträge ist diese Diskussion seit langem bekannt. So hat der BGH die Bindung von Gastwirten an eine bestimmte Brauerei von über 20 Jahren als sittenwidrig eingestuft, weil sie die wirtschaftliche Entschließungsfreiheit des Gebundenen in unzumutbarer Weise einenge.15
Unabhängig von Unterschieden zwischen Energie und Bier zeigt das Beispiel, dass eine Freigabe der Laufzeit nicht verhindern kann, dass sich später eine Gemeinde möglicherweise auf die Sittenwidrigkeit einer vermeintlich überlangen Laufzeitbindung stützen könnte. Unter Aspekten der Rechtssicherheit wird so nichts gewonnen. Zusammengefasst gibt es durchaus rechtliche wie auch wirtschaftliche Argumente, die gegen eine Abschaffung der Laufzeitbegrenzung sprechen. Ob diese letztlich zum Tragen kommen oder verworfen werden müssen, bedarf sicherlich noch der weiteren Diskussion.
2. BGH zur Frage der Fortgeltung von vertraglichen Endschaftsregelungen – Seeheim-Jugenheim
Die lange streitige Frage zu der Fortgeltung von vertraglichen Endschaftsklauseln hat zwischenzeitlich der BGH entschieden. In der „Seeheim-Jugenheim“-Entscheidung vom 29. September 2009 („Endschaftsbestimmung II“)16 hat er ausdrücklich hervorgehoben, dass vertragliche Regelungen in Altkonzessionsverträgen, also Konzessionsverträgen, die noch vor der Energierechtsreform 1998 abgeschlossen wurden, unbeschadet des neuen Rechtsrahmens unverändert fortgelten.
Der in einer Endschaftsbestimmung vorgesehene Anspruch der Gemeinde, das örtliche Versorgungsnetz bei Beendigung des Vertragsverhältnisses vom weichenden Energieversorgungsunternehmen zu erwerben, werde nicht dadurch berührt, dass das Gesetz inzwischen einen Anspruch des neuen Energieversorgungsunternehmens auf Überlassung der für den Betrieb der netznotwendigen Verteilungsanlagen vorsieht. Dies gelte nach dem BGH auch dann, wenn der gesetzliche Anspruch nicht notwendig auf Übereignung gerichtet sei, sondern auch durch Verpachtung erfüllt werden könne.
Das OLG Frankfurt am Main hatte zuvor festgestellt, dass die Beklagte als Netzeigentümerin verpflichtet sei, Zug um Zug gegen Zahlung der noch zu ermittelnden angemessenen Vergütung dem neuen Konzessionär das Versorgungsnetz zu übereignen, diesem die für den Betrieb des Stromnetzes erforderlichen Grundstücksbenutzungsrechte zu übertragen sowie die für den Betrieb notwendigen Unterlagen herauszugeben. Ferner gab es dem ebenfalls geltend gemachten Anspruch auf Auskunft über technische und betriebswirtschaftliche Einzelheiten des Netzbetriebes statt.17
Die Revision hatte hiergegen geltend gemacht, die vertragliche Pflicht zur Eigentumsübertragung aus dem Konzessionsvertrag sei nach § 113 i.V. m. § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG in eine Pflicht zur Überlassung abgeändert worden. Diese könne nicht nur durch Übereignung, sondern auch durch bloße Gebrauchsüberlassung erfüllt werden. Dem weichenden Energieversorgungsunternehmen stünde insoweit ein die vertragliche Endschaftsbestimmung verdrängendes Wahlrecht zu. Dieses habe bei Abschluss des alten Konzessionsvertrages aufgrund der damaligen geltenden und tatsächlichen Rahmenbedingungen nicht bestanden. Diese hätten sich jedoch mit der Einführung des gesetzlichen Überlassungsanspruchs des neuen Energieversorgungsunternehmens und des Durchleitungssystems – hier ist die Netznutzung bzw. der Netzzugang gemeint – geändert.
Dagegen betonte der BGH, dass mit der Einführung des gesetzlichen Überlassungsanspruchs in § 13 Abs. 2 S. 2 EnWG 1998 eine Änderung bestehender vertraglicher Endschaftsbestimmungen durch den Gesetzgeber nicht erwogen worden sei. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine vertragliche Einigung zwischen dem weichenden Energieversorgungsunternehmen und der Gemeinde über den Verkauf der Energieverteilungsanlagen im Nachhinein durch eine – etwa in einem weiteren Sinne zu verstehende – Überlassungspflicht ersetzen wollte. Diese Regelung des § 13 EnWG 1998 sei auch durch den nun geltenden § 46 EnWG im Wesentlichen unverändert geblieben.
Betrachtet man diese Entscheidung, so lässt sich zunächst feststellen, dass das Vorbringen der Revision nicht abwegig erscheint, nach dem eine Modifizierung des vertraglichen Anspruchs durch die systembedingten Änderungen des Energiewirtschaftsrechts und die Einführung der Überlassungspflicht stattgefunden habe. Denn stellt man sich die Frage, was die Parteien des Altkonzessionsvertrages seinerzeit vereinbart hätten, wenn sie den neuen Rechtsrahmen gekannt hätten, so lässt sich nur schwerlich annehmen, dass die Parteien sich dann allein auf die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung geeinigt hätten. Das zeigt auch die aktuelle Vertragspraxis, in der die Unschärfe des Begriffs der „Überlassung“ zumindest fortgeschrieben wird. In Literatur und Rechtsprechung ist nach wie vor umstritten, ob der Begriff des Überlassens allein die Verpflichtung zum Verkauf und zur Eigentumsübertragung enthält, oder ob auch die Möglichkeit einer Gebrauchsüberlassung, also einer Verpachtung des Netzes, besteht.18
So sieht beispielsweise der aktuelle Bayerische Musterkonzessionsvertrag19 alternativ vor, dass bei einer Ablösung der Versorgungsanlagen einerseits die gesetzlichen Regelungen des EnWG, also einschließlich der Überlassungsregelung, zu beachten sind. Alternativ wird andererseits eine Endschaftsklausel vorgeschlagen, nach der die Gemeinde berechtigt ist, die Versorgungsanlagen mit Ausnahme der Durchgangsleitungen zu erwerben. Als Kaufpreis schlägt der Mustervertrag vor, den Sachzeitwert zum Übernahmezeitpunkt zu vereinbaren. Somit ist – wie auch die alternative Regelung des Bayerischen Musterkonzessionsvertrages zeigt – nicht ausgeschlossen, dass sich heutzutage die Vertragspartner auf ein Erwerbsrecht der Gemeinde nach Ablauf der 20 Jahre verständigen.
Auch angesichts der fehlenden Eindeutigkeit der neueren Vertragspraxis kann dem BGH nicht abgesprochen werden, „richtig“ entschieden zu haben. Hinzu kommt, dass nach § 113 EnWG laufende Wegenutzungsverträge, einschließlich der vereinbarten Konzessionsabgaben, unbeschadet ihrer Änderung durch die §§ 36, 46 und 48 EnWG, im Übrigen unberührt bleiben. Eine ähnliche Regelung enthielt seinerzeit Art. 4 § 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 24. April 1998,20 wonach laufende Konzessionsverträge einschließlich der vereinbarten Konzessionsabgaben von der EnWG-Novelle 1998 trotz Wegfalls der Ausschließlichkeit unberührt blieben. Zudem kannte spätestens der Gesetzgeber des EnWG 2005 die Problematik von Netzübernahmen zur Genüge. Allein der Umstand, dass die Regelung des § 113 EnWG so ausfiel, wie sie ist, ist ein starkes Indiz dafür, dass der Gesetzgeber keinerlei Veränderungen der bestehenden Konzessionsverträge gewollt hat. Allerdings dürfte dies dann auch für andere Vertragsinhalte gelten, wie etwa für die vereinbarten Kaufpreisregelungen.
Offen blieb in der Entscheidung, ob mit der gesetzlichen Überlassungspflicht eine Verpflichtung zur Übereignung begründet werde oder ob die Überlassung auch auf andere Weise, insbesondere durch Verpachtung bewirkt werden könne und dem weichenden Energieversorger in diesem Fall ein Wahlrecht zustehe.21
Im Übrigen geht aus der Entscheidung hervor, dass der BGH keine Einwände gegen eine Abtretung des vertraglichen Anspruchs durch die Gemeinde zugunsten des neuen Konzessionärs hat. Im Gegenteil: Die Abtretung des vertraglichen Anspruchs ist nach dem BGH ausdrücklich zulässig. Die Abtretung des vertraglichen Anspruchs bewirke zugleich die Erfüllung des gesetzlichen Überlassungsanspruchs.22 Damit konkretisiert der BGH – zumindest für die Fälle der Abtretung vertraglicher Kauf- (und Übereignungs-)rechte – den gesetzlichen Überlassungsanspruch insoweit, als sich dieser dann nach den vertraglichen Maßstäben bestimmt. Grundsätzlich steht dabei der vertragliche neben dem gesetzlichen Anspruch, zumal der Regelungsgehalt der beiden Ansprüche bzw. ihre Rechtsfolgen nicht identisch sein müssen.
3. Rekommunalisierung
An dem Schlagwort von der Rekommunalisierung des örtlichen Netzbetriebs kommt man derzeit nicht vorbei. Dabei gibt es sicherlich nicht „die“ Rekommunalisierung. In der Praxis werden verschiedene Modelle diskutiert, um dem Anspruch der Gemeinden auf stärkere Mitwirkung bei der örtlichen Verteilung von Energie gerecht zu werden.23 In vielen Fällen geht es den Gemeinden allerdings weniger darum, durch die Gründung eines eigenen Gemeindewerkes, z. B. als kommunale Eigengesellschaft, selbst erneut zum Energieversorgungsunternehmen zu werden. Schließlich sind die damit verbundenen Aufgaben, Pflichten und auch Risiken nicht gerade klein. Vielmehr geht es häufig darum, kommunalen Einfluss auf die örtliche Energieversorgung zu sichern, um auf diese Weise auch einen gewissen Einfluss auf die Geschäftspolitik des Unternehmens nehmen zu können und an den Erträgen zu partizipieren.
Um diesem Anliegen gerecht zu werden, erweist sich wohl die gemeinsame Netzgesellschaft als der Königsweg. Gemeinde und Netzbetreiber gründen dabei – ggf. unter Einbeziehung benachbarter Netzgesellschaften – eine gemeinsame Netzgesellschaft. Damit wird aus Sicht der Gemeinden und vieler Stadtwerke eine Situation geschaffen, in der alle gewinnen: Die Gemeinde kann ihre politischen Ziele und Vorstellungen im Bereich der Daseinsvorsorge verfolgen, und der Netzbetreiber kann sich sicher sein, dass sich im Rahmen eines transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens zum Neuabschluss die Gemeinde mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür entscheiden wird, den neuen Konzessionsvertrag mit der gemeinsamen Netzgesellschaft abzuschließen.
Allerdings sind nicht alle Fallgestaltungen umsetzbar oder rechtlich zulässig. Zivil-, arbeits- und steuerrechtliche Hürden sind zu beachten. Problematisch – und dies wird gelegentlich übersehen – sind vor allem Fallgestaltungen, in denen sich die Gemeinde eine Garantierendite versprechen lässt. Dabei sind Fälle bekanntgeworden, in denen die Gemeinde eine Garantierendite aus dem gemeinsamen Netzbetrieb von über 10% fordert. Bei integrierten Energieversorgungsunternehmen wird gelegentlich auch eine Garantierendite aus dem Energievertrieb gefordert.
Es liegt auf der Hand, dass Garantierenditen- oder Garantieversprechen unter dem Gesichtspunkt des Nebenleistungsverbots sehr problematisch sind. Dabei enthält § 3 KAV selbst nur einen kurzen Katalog von verbotenen Nebenleistungen, wie etwa das Verbot sonstiger Finanz- und Sachleistungen, die zu einem Vorzugspreis gewährt werden, Energiesparkonzepte dürfen nicht im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Konzessionsvertrages gewährt werden und auch die Übertragung von Versorgungseinrichtungen ohne eine wirtschaftlich angemessene Gegenleistung ist verboten. Garantierenditen fallen zwar nicht unmittelbar in diesen Katalog der verbotenen Nebenleistungen. Dieser Katalog ist jedoch nicht abschließend. Tatsächlich dürften nahezu alle Leistungen, die der Gemeinde unmittelbar im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Konzessionsvertrages gewährt werden, verboten sein. Das ergibt sich aus der Generalklausel des § 3 Abs. 1 KAV. Dort heißt es nämlich, dass die Vertragspartner neben oder anstelle von Konzessionsabgaben nur die in Absatz 1 genannten Leistungen vereinbaren dürfen, also die bekannten Preisnachlässe für den Eigenverbrauch der Gemeinde, die Erstattung notwendiger Kosten für die Verlegung von Leitungen und Verwaltungskostenbeiträge.
Bei Betrachtung dieser Generalklausel spricht vieles dafür, dass Garantierenditen aus dem Netzbetrieb einer gemeinsamen Netzgesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen das Nebenleistungsverbot des § 3 KAV verstoßen dürften.
Als unkritisch dürften im Hinblick auf § 3 KAV dagegen die Fälle zu beurteilen sein, in denen die Netzgesellschaft, an der die das Wegenutzungsrecht erteilende Gemeinde beteiligt ist, nur die Netzeigentumsgesellschaft ist, das Netz an einen Dritten verpachtet und hierfür ein fest vereinbartes Pachtentgelt erhält, solange dieses marktgerecht ist. Denn im Falle eines marktgerechten Pachtentgelts profitiert die Gemeinde insoweit jedenfalls nicht von einer Finanzleistung zu einem Vorzugspreis i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 1 KAV. Dabei ist der Pachtzins offensichtlich etwas anderes als eine Garantierendite. Es liegt im Wesen der Pacht, dass ein Pachtzins über die Laufzeit gezahlt wird, während der Pächter zur Fruchtziehung berechtigt ist.
Zu der Frage eines Verstoßes gegen das Nebenleistungsverbot des § 3 KAV hat sich auch schon der BGH geäußert.24 In dem vom BGH zu entscheidenden Fall schloss die Gemeinde einen neuen Gas-Konzessionsvertrag ab. Zuvor hatte der spätere Konzessionär der Gemeinde im Falle des tatsächlichen Abschlusses des Gas-Konzessionsvertrages schon für die Erteilung der „vorerst reinen Gaskonzession“ einen Kommanditanteil in Aussicht gestellt. Einige Monate nach dem Abschluss des Gas-Konzessionsvertrages hat die Gemeinde tatsächlich einen Kommanditanteil von 25,1% an dem neuen Konzessionär erhalten und ihre bis dahin in Eigenregie betriebene Wasserversorgung in den neuen Konzessionär eingebracht und auch für die Wasserversorgung mit diesem einen entsprechenden Konzessionsvertrag geschlossen.
Hierin sah der BGH keinen Verstoß gegen das Nebenleistungsverbot des § 3 KAV. Dem schriftlichen Gas-Konzessionsvertrag lasse sich nicht entnehmen, dass die Einräumung des Kommanditanteils als Gegenleistung für die Gas-Konzession vereinbart worden sei. Insoweit streite die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für die Vertragsurkunde des Gas-Konzessionsvertrages, weswegen es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sei, dass das Berufungsgericht in dem Angebotsschreiben auf Abschluss des Gas-Konzessionsvertrages keinen Verstoß gegen das Nebenleistungsverbot gesehen habe. Dieses Angebot belege nur, dass eine solche Vereinbarung zwar verhandelt worden sei, nicht aber, dass sie Bestandteil des späteren Gas-Konzessionsvertrages geworden sei. Es sei nicht auszuschließen, dass der Kommanditanteil allein für die spätere Einbringung der Wasserversorgung eingeräumt worden sei. Dass Leistung und Gegenleistung dabei objektiv in einem derart auffälligen, groben Missverhältnis stehen würden, dass die Annahme einer solchen Verknüpfung denkgesetzlich ausgeschlossen wäre, sei nicht geltend gemacht worden.25
Insoweit scheint der BGH für die Annahme eines Verstoßes gegen das Nebenleistungsverbot des § 3 KAV zum einen zu verlangen, dass sich Anhaltspunkte für eine verbotene Nebenleistung schon aus der Vertragsurkunde ergeben müssen. Zum anderen scheint der BGH einen Verstoß gegen das Nebenleistungsverbot zu verneinen, wenn bereits nicht ausgeschlossen werden kann, dass die betreffende Leistung in einem anderen Leistungszusammenhang als der Einräumung des Wegerechts steht und entsprechend vereinbart wurde. Insoweit dürfte aber in jedem Fall die konkrete Sachverhaltskonstellation ausschlaggebend für die Bewertung sein.
4. Regulärer Neuabschluss, frühzeitiger Neuabschluss und vorzeitige Verlängerung von Konzessionsverträgen
Unabhängig davon, ob ein Fall der Rekommunalisierung vorliegt oder der Konzessionsvertrag verlängert oder mit einem anderen Vertragspartner neu geschlossen werden soll, sind gesetzlich vorgegebene Verfahrensschritte zu beachten.
a) Fallgestaltungen
Gemeinden haben gemäß § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG spätestens zwei Jahre vor Ablauf von Konzessionsverträgen das (reguläre) Ver¬
Die gesetzliche Zwei-Jahres-Frist für die Bekanntmachung gemäß § 46 Abs. 3 S. 1 EnWG im Falle des regulären Neuabschlusses des Konzessionsvertrages ist eine zeitliche Vorgabe hinsichtlich des spätestmöglichen Termins der Bekanntmachung. Eine Beschränkung der Gemeinde dahingehend, schon zu einem früheren Zeitpunkt über das Laufzeitende des bestehenden Konzessionsvertrages zu informieren, besteht nicht.
Insoweit wird es grundsätzlich für zulässig gehalten, den Konzessionsvertrag bereits früher als zwei Jahre vor dem Auslaufen eines bestehenden Konzessionsvertrages bekanntzumachen und für die Zeit nach dem Auslaufen des bestehenden Vertrages neu zu schließen.26 Ein solcher Vertragsschluss wird als frühzeitiger Neuabschluss bezeichnet. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung hierfür fehlt. Letztlich ist sie auch nicht erforderlich, da auch hier im Grundsatz die gesetzlichen Regelungen wie für den „regulären“ Neuabschluss gelten.
Allein aus Vorsichtsgründen empfehlen sich gewisse Modifizierungen des regulären Verfahrens: Soll der neue Konzessionsvertrag mehr als drei Jahre vor dem regulären Ende des bestehenden Konzessionsvertrages geschlossen werden, müssen nach Auffassung einiger Kartellbehörden (insbesondere der Kartellbehörde des Landes Baden-Württemberg) hierfür aber sachliche Gründe bestehen. Um das Risiko eines Verstoßes gegen die gesetzliche Laufzeitgrenze zu vermeiden, sollte zudem die Restlaufzeit des bisherigen Vertrages von der zwanzigjährigen Höchstlaufzeit des neuen Vertrages abgezogen werden.27
Als weitere Alternative zum regulären Neuabschluss des Konzessionsvertrages besteht die Möglichkeit der vorzeitigen Verlängerung. Die vorzeitige Verlängerung eines Konzessionsvertrages ist ausdrücklich in § 46 Abs. 3 S. 3 und 4 EnWG geregelt. Zunächst ist der bestehende Konzessionsvertrag zu einem bestimmten Termin zu beenden. Für die Zeit nach dem Laufzeitende des noch bestehenden und dann vorzeitig beendeten Konzessionsvertrages kann dann ein neuer Konzessionsvertrag mit der vollen Laufzeit von 20 Jahren geschlossen und damit die Vertragsbeziehung gewissermaßen „verlängert“ werden.
b) Vorgaben für das Verfahren und die Entscheidungsfindung der Gemeinde
Nicht ausdrücklich geregelt sind Vorgaben, nach denen die Gemeinde das Verfahren zur Auswahl und ihre Entscheidung für einen neuen Konzessionsvertrag bzw. einen neuen oder auch alten Konzessionsvertragspartner zu führen bzw. zu treffen hat. Dies gilt sowohl für den regulären und frühzeitigen Neuabschluss als auch für die vorzeitige Verlängerung eines Konzessionsvertrages. In der Begründung zu dem Entwurf der insoweit gleichlautenden Vorgängerregelung zu § 46 Abs. 3 S. 5 EnWG in § 13 Abs. 3 S. 2 EnWG 1998 wird ausdrücklich festgestellt, dass entsprechende Entscheidungskriterien nicht gesetzlich bestimmt werden.28
Vorgaben für die Entscheidungsfindung der Gemeinde und das durchzuführende Verfahren ergeben sich auch nicht aus dem Vergaberecht. Nach ganz herrschender Meinung findet das Vergaberecht auf den Neuabschluss von Konzessionsverträgen nach § 46 EnWG keine Anwendung.29 Für Konzessionen im Bereich der Wasserversorgung hat dies jüngst unter bestimmten Voraussetzungen auch der EuGH bestätigt.30
Bewertet man den Konzessionsvertrag zwar nicht als vergabepflichtige Dienstleistung, aber als Dienstleistungskonzession, wie dies vereinzelt diskutiert wird,31 ergeben sich für seinen Neuabschluss Anforderungen aus der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind bei der „Vergabe“ einer Dienstleistungskonzession die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung sowie der Transparenz zu beachten.32 Diese Anforderungen werden in der Literatur auch als „Vergaberecht light“ bzw. „Ausschreibung light“ bezeichnet.33
Auch wenn nach der Definition der Dienstleistungskonzession schon fraglich ist, ob Konzessionsverträge zur Einräumung von Wegenutzungsrechten für die Verlegung und den Betrieb von Energieversorgungsleitungen als Dienstleistungskonzessionen zu bewerten sind, dürften die Anforderungen des EuGH an deren „Vergabe“ im Wesentlichen mit den Vorgaben in § 46 EnWG für den regulären Neuabschluss bzw. die vorzeitige Verlängerung von Konzessionsverträgen übereinstimmen. Denn die Gemeinden sind schon nach § 46 EnWG verpflichtet, ihre Wege diskriminierungsfrei zur Verfügung zu stellen und das Ende des alten sowie den Abschluss eines neuen Konzessionsvertrages in einem Bekanntmachungsverfahren transparent zu machen.
c) Entscheidung des OLG Düsseldorf zu Fehlern im Bekanntmachungsverfahren
Nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf im Fall der Stadt Würselen können Fehler im Bekanntmachungsverfahren zu schwerwiegenden Rechtsfolgen führen. So hat das Oberlandesgericht einen Konzessionsvertrag als nichtig angesehen, der ohne ordnungsgemäße Durchführung des von § 13 Abs. 3 EnWG 1998 vorgeschriebenen Bekanntmachungsverfahrens abgeschlossen wurde.34 Der Vertrag verstoße gegen ein gesetzliches Verbot und sei daher nach § 134 BGB nichtig. Im Übrigen nahm das Gericht einen Verstoß gegen § 1 GWB an. Die Entscheidung ist rechtskräftig geworden. In dem Fall hatte sich die Gemeinde, die selbst ursächlich für die Fehler im Bekanntmachungsverfahren war, auf die Nichtigkeit berufen. Das OLG Düsseldorf sah hierin jedoch kein treuwidriges Verhalten. Das Gericht entschied, dass der drittschützende Charakter der Bekanntmachungsvorschriften hier entscheidend sei. Ohne die Nichtigkeit könne der Schutz Dritter nicht verwirklicht werden. Eine Heilung durch eine nachträgliche Bekanntmachung sei nicht möglich, da der Vertrag schon abgeschlossen war.
Die Entscheidung wirft viele Fragen auf: Fraglich ist beispielsweise, welche Konzessionsabgaben überhaupt im Fall eines nichtigen Vertrages geschuldet sind. Wohl keine aus dem nichtigen Rechtsverhältnis. Aus dem beendeten Konzessionsvertrag folgt nach § 48 Abs. 4 EnWG allein eine Zahlungspflicht im vertragslosen Zustand für die Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Konzessionsvertrages. Offen ist auch, was passiert, wenn sich ein Dritter erst nach mehreren Jahren – weil er erst dann Kenntnis erlangt hat – auf die Nichtigkeit beruft. Kann dann das Energieversorgungsunternehmen die gezahlten Konzessionsabgaben zurückfordern? Solange sich die Gemeinde nicht auf eine Entreicherung berufen kann, was bei Geldschulden bekanntlich schwierig ist, erscheint dies nicht ausgeschlossen.
Am schwierigsten ist das Urteil aber für die Entscheidungsfindung des Netzbetreibers: Wie verhält sich ein Energieversorgungsunternehmen, dem die Mängel im Bekanntmachungsverfahren aufgefallen sind? Auch wenn in der Entscheidung des
5. Der öffentliche Verkehrsweg
Im Bereich des Konzessionsvertragsrechts ist teilweise umstritten, welche Wege als öffentliche Verkehrswege i. S. d. § 46 Abs. 1 EnWG anzusehen sind. Konzessionsverträge unterscheiden häufig zwischen öffentlichen Verkehrswegen und sonstigen Straßen und Wegen der Gemeinde. Angesprochen ist hierbei der Unterschied zwischen Verkehrswegen, die dem öffentlichen Verkehr nach den Straßengesetzen der Länder gewidmet sind, und sonstigen, d. h. nicht öffentlich gewidmeten Straßen der Gemeinde. Gemeint sind also insbesondere die Straßen und Wege des Fiskalvermögens, die nicht öffentlich-rechtlich gewidmet sind. Unabhängig von einer Widmung können diese aber durchaus öffentlich zugänglich sein.
Während das OLG Brandenburg im Fall „Neue Trift“36 entschied, dass öffentliche Verkehrswege i. S. d. Konzessionsvertragsrechts des § 46 EnWG nur solche Straßen seien, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet wurden, entschied der BGH in der Revision am 11. November 2008 anders. Nach dem BGH37 sind öffentliche Verkehrswege i. S. d. § 46 Abs. 1 EnWG sämtliche Wege einer Gemeinde, auf denen tatsächlich der öffentliche Verkehr eröffnet ist. Auf eine straßenrechtliche Widmung komme es nicht an.
Der BGH entscheidet sich hier also für eine Betrachtung, die an die tatsächliche Nutzung und nicht an die rechtliche Widmung anknüpft. In der Konsequenz müsste dies zur Folge haben, dass Netzbetreiber damit grundsätzlich auf Basis des Konzessionsvertrages Zugang zu allen gemeindlichen Straßen und Wegen erhalten, wenn diese öffentlich zugänglich sind und entsprechend genutzt werden.
Daneben hat das Urteil Bedeutung für die Marktabgrenzung. Nach dem BGH spricht vieles dafür, dass es einen (engen) sachlich relevanten Markt für „öffentliche Verkehrswege“ gebe, auf dem die Gemeinde marktbeherrschend sei.
III. Fazit
Das Konzessionsvertragsrecht ist unübersehbar im Umbruch. Gemessen an den inzwischen geltenden Vorgaben der §§ 46 f. EnWG erscheinen die seinerzeitigen Ermächtigungsgrundlagen der §§ 7 und 12 EnWG 1935 (Verordnungsermächtigung) und die Rahmenregelungen der §§ 103, 103a GWB a. F. (Freistellung, Anmeldeerfordernis, Laufzeitbegrenzung) geradezu rudimentär. Dementsprechend möchte man meinen, dass die Anwendungs- und Auslegungsfragen geringer und der rechtliche Rahmen eindeutiger geworden wären. Die größere Regelungsdichte hat aber nicht etwa eine größere Befriedungswirkung und Klarheit mit sich gebracht, sondern scheint zu mehr offenen Fragen als zuvor geführt zu haben. In der Rückschau schlummerte das Konzessionsvertrags- und Konzessionsabgabenrecht bis 1998 geradezu in einem Dornröschenschlaf.
Allerdings: Die Abschaffung des § 46 EnWG oder die Freigabe der Konzessionsabgaben ist nicht der richtige Weg. Zu verwurzelt ist dieses Rechtsgebiet im Energiewirtschaftsrecht, zu bedeutsam ist es für die Gemeinden. Um die angesprochenen Unstimmigkeiten zu lösen, ist vor allem der Gesetz- und Verordnungsgeber gefragt. Unübersehbar ist der Wunsch der Marktteilnehmer, offene Verfahrensfragen und Unklarheiten gesetzlich zu regeln. Zu nennen ist hier etwa das Verfahren des Neuabschlusses oder die Bemessung eines angemessenen Kaufpreises, gerade auch mit Blick auf die Anreizregulierung. Auch die Überlassungspflicht könnte klarer geregelt werden.
* | Der Beitrag beruht auf einem anlässlich des 8. Energiewirtschaftsforums am 26.4.2010 in Berlin gehaltenen Vortrag, der um die Vortragsform bereinigt und inhaltlich um das Konzessionsabgabenrecht gekürzt wurde. |
1 | BGBl. 2005 I, 1970. |
2 | Beschleunigungsrichtlinie Strom 2003/54/EG u. Beschleunigungsrichtlinie Gas 2003/55/EG. |
3 | Überblick bei Kühne/Brodowski, NVwZ 2005, 849; Scholtka, NJW 2005, 2421; Büdenbender, et 2005, 642. |
4 | Kühne/Brodowski, NVwZ 2005, 849. |
5 | Davor gemäß § 6 EnWG 1935. |
6 | Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 15/3917, 46, 68 (zu § 48 EnWG-RegE). Ein Recht zur Versorgung kann also nicht mehr mit dem Mittel des Konzessionsvertrages eingeräumt werden. Nur noch die Durchführung des Netzbetriebs der allgemeinen Versorgung und die allgemeine Anschlusspflicht gemäß § 18 EnWG werden durch den Konzessionsvertrag vermittelt. |
7 | So schon die Verordnungsbegründung, BR-Drs. 686/91, 8, 14 (zu § 1); vgl. Scholtka, Das Konzessionsabgabenrecht in der Elektrizitäts- und Gasversorgung, 1999, S. 85; Überblick bei Keller-Herder, Der Konzessionsvertrag unter dem neuen Energiewirtschaftsrecht, 2009, S. 135 ff. |
8 | Vgl. Art. 3 Abs. 40 des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsgesetzes v. 7.7.2005, siehe Fn. 1. |
9 | Erman, et 2005, 272, 276. |
10 | Keller-Herder (Fn. 7), S. 271, 278. |
11 | Vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 13/7274, 9, 12 u. 21 (zu § 8 EnWG-RegE 1998); allerdings beruht dieser Gesetzentwurf zum EnWG 1998 noch auf der Grundlage des zum damaligen Zeitpunkt vorgesehenen Konzepts des alternativen Leitungsbaus anstelle des dann letztlich gesetzlich geregelten allgemeinen Netzzugangsanspruchs. |
12 | BVerfGE 66, 248, 258 Rn. 37 (Urt. v. 20.3.1984 – Az. 1 BvL 28/82); BVerwG, NJW 2003, 1336, 1337 (Urt. v. 24.10.2002 – Az. 4 C 7.01); BGH, NJW 2008, 2175, 2177 Rn. 24 (Urt. v. 4.3.2008 – Az. KZR 29/06). |
13 | Friauf, et 1997, 765. |
14 | Ossenbühl, et 1997, 773. |
15 | BGH, NJW 1972, 1459 (Urt. v. 14.6.1972 – Az. VIII ZR 14/71). |
16 | BGH, IR 2010, 84 (Urt. v. 29.9.2009 – Az. EnZR 14/08), siehe auch die Entscheidung vom gleichen Tag BGH, ZNER 2010, 165 (Urt. v. 29.9.2009 – Az. EnZR 15/08). |
17 | OLG Frankfurt a. M., RdE 2008, 146 (Urt. v. 29.1.2008 – Az. 11 U 20/07 [Kart]). |
18 | Letzteres bejahend Säcker/Jaecks, BB 2001, 997, 999 ff.; Kermel, RdE 2005, 153, 167; Salje, EnWG, 2006, § 46 Rn. 155 ff.; Büdenbender, EnWG, 2003, § 13 EnWG 1998 Rn. 61; Scholtka, NJW 2005, 2421, 2425; verneinend Theobald, in: Danner/Theobald, Kommentar zum Energierecht, Loseblattsammlung, Stand: 64. Ergänzungslieferung (Januar 2010), § 46 EnWG Rn. 35 ff.; Hellermann, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 2008, § 46 Rn. 76; Templin, Recht der Konzessionsverträge, 2009, S. 370 ff. |
19 | Abgedruckt in: Versorgungswirtschaft 2010, 60. |
20 | BGBl. 1998 I, 730. |
21 | BGH, Urt. v. 29.9.2009 – Az. EnZR 14/08, Rn. 20 – Endschaftsbestimmung II. |
22 | BGH, Urt. v. 29.9.2009 – Az. EnZR 14/08, Rn. 19 – Endschaftsbestimmung II. |
23 | Vgl. Verband kommunaler Unternehmen (VKU), Stadtwerk der Zukunft IV, Konzessionsverträge – Handlungsoptionen für Kommunen und Stadtwerke, 2009, S. 25 ff.; Held/Fenzel, LKV 2010, 19; Praetorius, IR 2009, 242. |
24 | BGH, ZNER 2010, 165, 167 f. (Urt. v. 29.9.2009 – Az. EnZR 15/08). |
25 | BGH, ZNER 2010, 165, 167 f. (Urt. v. 29.9.2009 – Az. EnZR 15/08). |
26 | Keller-Herder, in: Kermel/Brucker/Baumann, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung, 2008, S. 61 ff. |
27 | Vgl. dazu Keller-Herder (Fn. 26), S. 64 f. |
28 | Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 13/7274, 9, 21; vgl. aber die Hinweise der Niedersächsischen Landeskartellbehörde zur Durchführung eines wettbewerblichen Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG, 2010. |
29 | OLG Düsseldorf, RdE 2008, 287, 288 (Urt. v. 12.3.2008 – Az. VI-2 U [Kart] 8/07); LG Kiel, ZNER 2005, 328, 330 (Urt. v. 8.7.2005 – Az. 14 O Kart 48/04); Thomale/Kießling, N&R 2008, 166, 168; Burgi, RdE 2007, 145, 152; Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33, 36. |
30 | EuGH, NZBau 2009, 729 (Urt. v. 10.9.2009 – Rs. C-206/08) – WAZV Gotha. |
31 | Vgl. Byok, RdE 2008, 268, 271; zur Definition der Dienstleistungskonzession siehe Art. 1 Abs. 4 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG. |
32 | EuGH, NZBau 2009, 729 (Urt. v. 10.9.2009 – Rs. C-206/08) – WAZV Gotha; VergabeR 2008, 213 (Urt. v. 13.9.2007 – Rs. C-260/04) – Kommission/Italien; NZBau 2006, 326 (Urt. v. 6.4.2006 – Rs. C-410/04) – ANAV; 2005, 644 (Urt. v. 13.10.2005 – Rs. C-458/03) – Parking Brixen; 592 (Urt. v. 21.7.2005 – Rs. C-231/03) – Coname. |
33 | So Burgi, NZBau 2005, 610. |
34 | OLG Düsseldorf, RdE 2008, 287 (Urt. v. 12.3.2008 – Az. VI-2 U [Kart] 8/07); ausführlich zu Rechtsfolgen von Verfahrensverstößen Keller-Herder (Fn. 7), S. 417 ff. |
35 | OLG Düsseldorf, RdE 2008, 287, 289 (Urt. v. 12.3.2008 – Az. VI-2 U [Kart] 8/07). |
36 | OLG Brandenburg, RdE 2008, 291 (Urt. v. 15.5.2007 – Az. Kart U 3/06). |
37 | BGH, RdE 2009, 378 (Urt. v. 11.11.2008 – Az. KZR 43/07) (= N&R 2009, 196). |