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Wettbewerb
24.05.2023
Wettbewerb
EuG: Das Gericht erklärt den Beschluss für nichtig, mit dem die Kommission eine Beihilfemaßnahme für Subventionen genehmigt, ...

... die Italien italienischen Luftfahrtunternehmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie gewährt hat

EuG, Urteil vom 24. 5. 2023 – Rs. T-268/21; Ryanair DAC gegen Europäische Kommission; ECLI:EU:T:2023:279

1.      Der Beschluss C(2020) 9625 final der Kommission vom 22. Dezember 2020 über die staatliche Beihilfe SA.59029 (2020/N) – Italien – COVID-19 betreffend eine Regelung über einen Ausgleich für Luftfahrtunternehmen mit von den italienischen Behörden erteilter Betriebsgenehmigung wird für nichtig erklärt.

2.      Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Ryanair DAC.

3.      Die Neos SpA, die Blue panorama airlines SpA und die Air Dolomiti SpA – Linee aeree regionali Europee tragen ihre eigenen Kosten.

PM Nr. 85/23: Die Kommission hat nicht begründet, wie sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die fragliche Maßnahme nicht gegen außerhalb der Regelung über staatliche Beihilfen liegende unionsrechtliche Bestimmungen verstoße Im Oktober 2020 teilte die Italienische Republik der Europäischen Kommission eine Beihilfemaßnahme mit. Diese Maßnahme bestand in Subventionen, die über einen mit 130 Mio. Euro ausgestatteten Entschädigungsfonds bestimmten Luftfahrtunternehmen mit italienischer Betriebsgenehmigung gewährt wurden (im Folgenden: fragliche Maßnahme). Durch die fragliche Maßnahme sollten diejenigen Schäden wiedergutgemacht werden, die den beihilfeberechtigten Luftfahrtunternehmen infolge der Reisebeschränkungen und der sonstigen im Rahmen der Covid-19-Pandemie verhängten Lockdown-Beschränkungen entstanden waren.

Eine der in der fraglichen Maßnahme genannten Beihilfegewährungsvoraussetzungen sah vor, dass die Luftfahrtunternehmen für ihre Beschäftigten mit Heimatbasis in Italien sowie für die Beschäftigten von an ihrer Tätigkeit beteiligten Drittunternehmen ein Vergütungsniveau zugrunde legen müssen, das nicht die Mindestvergütung desjenigen nationalen Tarifvertrags für den Luftverkehrsektor unterschreitet, der zwischen den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaftsorganisationen geschlossen worden ist, die auf nationaler Ebene als am repräsentativsten erachtet werden (im Folgenden: Mindestvergütungserfordernis).

Ohne Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV hat die Kommission beschlossen, keine Einwände gegen die fragliche Maßnahme zu erheben, da diese mit dem Binnenmarkt vereinbar sei.[1] Das mit einer Nichtigkeitsklage der Fluggesellschaft Ryanair befasste Gericht erklärt diesen Beschluss wegen Verstoßes gegen die in Art. 296 AEUV vorgesehene Begründungspflicht für nichtig.

Würdigung durch das Gericht

Nach ständiger Rechtsprechung muss der Beschluss, kein förmliches Prüfverfahren im Hinblick auf eine mitgeteilte Beihilfe einzuleiten, die Gründe enthalten, aus denen die Kommission keine ernsten Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Frage der Vereinbarkeit der betreffenden Beihilfe mit dem Binnenmarkt sieht. Auch eine kurze Begründung ist insoweit als ausreichend anzusehen, wenn sie klar und eindeutig die Gründe zum Ausdruck bringt, aus denen die Kommission zu der Auffassung gelangt ist, dass keine derartigen Schwierigkeiten vorlägen.

Nach Auffassung des Gerichts ist dies hier nicht der Fall.

Zum einen weist das Gericht darauf hin, dass nach den Ausführungen der Kommission im angefochtenen Beschluss das Mindestvergütungserfordernis untrennbar mit der fraglichen Maßnahme verknüpft ist und dass dieses Erfordernis nicht Teil des mit der Maßnahme verfolgten Zwecks ist. Indessen bringt die Kommission nicht klar und eindeutig die Gründe zum Ausdruck, die sie zu diesen beiden Ausführungen veranlasst haben.

Zum anderen stellt das Gericht fest, dass die im angefochtenen Beschluss gezogene Schlussfolgerung, wonach das Mindestvergütungserfordernis nicht gegen außerhalb von Art. 107 und 108 AEUV liegende, „andere unionsrechtliche Bestimmungen“ verstoße, mit einem Begründungsmangel behaftet sei.

Hierzu führt das Gericht aus, dass abgesehen von Art. 107 und 108 AEUV dieses Erfordernis anhand keiner anderen unionsrechtlichen Bestimmung als anhand von Art. 8 der Rom-I-Verordnung[2] geprüft wurde, der besondere Kollisionsnormen für Individualarbeitsverträge enthält. Jedoch hat die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht die Gründe dargelegt, die sie zu der Annahme geführt haben, dass neben den Art. 107 und 108 AEUV im Hinblick auf die Prüfung der Vereinbarkeit des Mindestvergütungserfordernisses mit dem Unionsrecht Art. 8 der Rom-I-Verordnung die einzige einschlägige Bestimmung sei. Somit hat die Kommission die Gründe, derentwegen sie davon ausgegangen war, dass das Mindestvergütungserfordernis nicht gegen „andere unionsrechtliche Bestimmungen“ verstoße, nicht klar und transparent dargelegt.

Dieser Begründungsmangel wird durch den Umstand veranschaulicht, dass die Kommission bei der Prüfung des Mindestvergütungserfordernisses eine Beschwerde der italienischen Vereinigung von Billigfluggesellschaften berücksichtigt hat, mit der gerügt wird, dass eine ein Mindestvergütungserfordernis enthaltende italienische Regelung, die dem in der fraglichen Maßnahme vorgesehenen Erfordernis ähnelt, nicht mit Art. 56 AEUV vereinbar sei. Erst recht vor diesem Hintergrund hätte die Kommission sich dazu äußern müssen, ob Art. 56 AEUV für ihre Prüfung der Vereinbarkeit der fraglichen Maßnahme mit dem Binnenmarkt von Relevanz war.

Nach alledem kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Kommission gegen die ihr nach Art. 296 AEUV obliegende Begründungspflicht verstoßen hat, und erklärt daher den angefochtenen Beschluss für nichtig.



[1] Beschluss C(2020) 9625 final der Kommission vom 22. 12. 2020 über die staatliche Beihilfe SA.59029 (2020/N) – Italien – COVID-19 betreffend eine Regelung über einen Ausgleich für Luftfahrtunternehmen mit von den italienischen Behörden erteilter Betriebsgenehmigung.

[2] Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. 6. 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. 2008, L 177, S. 6).

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