EuGH: Das Gericht weist die Klage des Einzelhandelsunternehmens Breuninger gegen den Beschluss der Kommission als unzulässig ab, mit dem Beihilfen Deutschlands zum Ausgleich der Verluste aufgrund des Lockdowns während der Covid-19-Krise genehmigt wurden
EuG (2. erweiterte Kammer), Urteil vom 21. 12. 2022 – Rs. T-525/21; E. Breuninger GmbH & Co. gegen Europäische Kommission; ECLI:EU:T:2022:835; PM:
Breuninger hat irrtümlich angenommen, von dieser Beihilferegelung in der angemeldeten Form ausgeschlossen zu sein. Folglich hat dieses Unternehmen kein Interesse an der Nichtigerklärung des Kommissionsbeschlusses Am 21. 5. 2021 meldete Deutschland bei der Europäischen Kommission im Geltungsbereich Deutschlands im Zusammenhang mit dem Ausbruch von Covid-19 eine Beihilferegelung in Form einer vorübergehenden Wirtschaftshilfe zugunsten von Unternehmen an, deren Betrieb aufgrund der zur Bewältigung der Pandemie erforderlichen Maßnahmen des Bundes und der Länder geschlossen wurde (im Folgenden: Bundesregelung Schadensausgleich).
Gemäß dieser Bundesregelung Schadensausgleich können die Verwaltungsbehörden sowohl auf Bundes- und Regionalebene als auch auf lokaler Ebene unter bestimmten Voraussetzungen direkte Zuschüsse an Unternehmen gewähren, die zwischen dem 16. 3. 2020 und dem 31. 12. 2021 aufgrund der Lockdown-Beschlüsse Einbußen erlitten haben.
Mit Beschluss vom 28. 5. 2021[1] erklärte die Kommission diese Regelung gemäß Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar. Gemäß dieser Bestimmung sind Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind, mit dem Binnenmarkt vereinbar.
Die deutsche Gesellschaft E. Breuninger GmbH & Co., die insbesondere im Einzelhandel tätig ist, hat eine Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission erhoben. Diese Klage wird jedoch von der Zweiten erweiterten Kammer des Gerichts als unzulässig abgewiesen, die von Amts wegen feststellt, dass diese Gesellschaft nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse nachgewiesen hat, um das Gericht anzurufen.
Würdigung durch das Gericht
Da die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage zu den unverzichtbaren Prozessvoraussetzungen gehören, die das Gericht von Amts wegen zu prüfen hat, weist das Gericht darauf hin, dass eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person nur dann zulässig ist, wenn diese ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse setzt voraus, dass die Nichtigerklärung der betreffenden Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann und der Rechtsbehelf der Partei, die ihn eingelegt hat, damit im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann.
Zum Bestehen eines eigenen Rechtsschutzinteresses der Klägerin an der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses ist festzustellen, dass die Klage der Klägerin auf der falschen Annahme beruht, dass sie aufgrund der in § 2 Abs. 2 der Bundesregelung Schadensausgleich aufgestellten Voraussetzung nicht antragsberechtigt gewesen sei.
Gemäß dieser Voraussetzung können Unternehmen mit mehreren wirtschaftlichen Tätigkeitsfeldern, von denen einige durch den Lockdown überhaupt nicht betroffen sind, die Bundesregelung Schadensausgleich nur dann in Anspruch nehmen, wenn die untersagten Tätigkeiten mindestens 80 % ihres Umsatzes ausmachen. Da die Tätigkeiten der Klägerin im Onlinehandel als mit ihren Tätigkeiten im Einzelhandel verknüpft angesehen wurden, galten nämlich im Sinne dieser Bestimmung alle ihre Tätigkeiten als von den Lockdown-Beschlüssen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie betroffen.
Aus den Erörterungen im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hat sich hingegen ergeben, dass es der Klägerin in Wirklichkeit nicht möglich war, Finanzhilfen nach dem Beihilfenprogramm des Bundes zu erhalten, weil die deutschen Behörden eine Voraussetzung für die Antragsberechtigung angewandt haben, die nicht bei der Kommission angemeldet wurde und gemäß der mindestens 30 % des Gesamtumsatzes des Antragstellers durch Lockdown-Beschlüsse beeinträchtigt sein müssen.
Da die von der Klägerin erhobene Klage ausschließlich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses betrifft, mit dem die Kommission die angemeldete Bundesregelung für mit Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV vereinbar erklärt hat, ist es für das vorliegende Verfahren jedoch unerheblich, dass die deutschen Behörden eine zusätzliche Voraussetzung für die Antragsberechtigung vorgesehen haben, die weder ausdrücklich noch stillschweigend in dieser Regelung enthalten ist.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Klägerin nach § 2 Abs. 2 der Bundesregelung Schadensausgleich – wie im angefochtenen Beschluss für mit Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV vereinbar erklärt – im Hinblick auf eine Beihilfe nach dieser Regelung antragsberechtigt gewesen wäre. Es ist festzustellen, dass die Nichtigerklärung dieses Beschlusses der Klägerin keinen Vorteil verschaffen würde. Folglich wird ihre Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig abgewiesen.
Das Gericht ergänzt jedoch, dass die Klägerin die deutschen Gerichte anrufen kann, die – gegebenenfalls nach einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof – zu prüfen haben werden, ob das Hinzufügen einer zusätzlichen Voraussetzung für die Antragsberechtigung durch die deutschen Behörden mit einer Änderung einer bestehenden Beihilfe und folglich mit einer neuen Beihilfe gleichzusetzen ist, die gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV anzumelden ist.
(EuGH, PM v. 21.12.2022)
[1] Beschluss C(2021) 3999 final der Kommission vom 28. 5. 2021 über die staatliche Beihilfe SA.62784 (2021/N) – Deutschland Covid-19 – Bundesregelung Schadensausgleich (ABl. 2021, C 223, S. 25, im Folgenden: angefochtener Beschluss).