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Wettbewerb
13.01.2023
Wettbewerb
EuGH: Ein nationales Gericht kann die Offenlegung von Beweismitteln für die Zwecke eines Schadensersatzverfahrens im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Zuwiderhandlung

... gegen das Wettbewerbsrecht anordnen, auch wenn das Verfahren ausgesetzt wurde, weil die Kommission eine Untersuchung in Bezug auf diese Zuwiderhandlung eingeleitet hat

EuGH (2. Kammer), Urteil vom 12. 1. 2023 – Rs. C-57/21; RegioJet a.s. gegen České dráhy a.s., ECLI:EU:C:2023:6:

1.      Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass er es einem nationalen Gericht nicht verwehrt, die Offenlegung von Beweismitteln für die Zwecke eines vor diesem Gericht eingeleiteten nationalen Verfahrens über eine Schadensersatzklage wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht anzuordnen, obwohl bei der Europäischen Kommission ein Verfahren wegen derselben Zuwiderhandlung mit dem Ziel, einen Beschluss nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln zu erlassen, anhängig ist, das das nationale Gericht dazu veranlasst hat, das bei ihm anhängige Verfahren auszusetzen. Das nationale Gericht hat sich jedoch zu vergewissern, dass die in diesem Stadium des Verfahrens begehrte Offenlegung von Beweismitteln, die die in den Art. 5 und 6 der Richtlinie 2014/104 genannten Voraussetzungen erfüllen muss, nicht über das hinausgeht, was im Hinblick auf den bei ihm gestellten Schadensersatzantrag erforderlich ist.

2.      Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie 2014/104 ist dahin auszulegen, dass die Aussetzung des von einer nationalen Wettbewerbsbehörde eingeleiteten Verwaltungsverfahrens durch diese Behörde aus dem Grund, dass die Europäische Kommission ein Verfahren nach Kapitel III der Verordnung Nr. 1/2003 eingeleitet hat, einer Beendigung dieses Verwaltungsverfahrens durch die Behörde „durch Erlass einer Entscheidung oder in anderer Weise“ im Sinne dieser Bestimmung nicht gleichgestellt werden kann.

3.      Art. 5 Abs. 8, Art. 6 Abs. 5 Buchst. a und Art. 6 Abs. 9 der Richtlinie 2014/104 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die nach Art. 6 Abs. 5 dieser Richtlinie vorübergehend nicht nur die Offenlegung von Informationen beschränkt, die eigens für das wettbewerbsbehördliche Verfahren „erstellt“ wurden, sondern auch die Offenlegung aller hierfür „vorgelegten“ Informationen.

4.      Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 5 Buchst. a dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmungen es einem nationalen Gericht nicht verwehren, in Anwendung eines Verfahrensinstruments nach nationalem Recht über die Offenlegung von Beweismitteln zu entscheiden, ihre Aufbewahrung bei Gericht anzuordnen und die Prüfung der Frage, ob die Beweismittel „Informationen, die von einer natürlichen oder juristischen Person eigens für das wettbewerbsbehördliche Verfahren erstellt wurden“, im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung enthalten, auf den Zeitpunkt zu verschieben, zu dem das Gericht Zugang zu diesen Beweismitteln erhält. Der Rückgriff auf ein solches Instrument muss jedoch den Anforderungen genügen, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, wie sie in Art. 5 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2014/104 präzisiert werden.

5.      Art. 6 Abs. 5 Buchst. a der Richtlinie 2014/104 ist dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, wenn es in Anwendung eines Verfahrensinstruments nach nationalem Recht die Prüfung der Frage aufschiebt, ob die Beweismittel, deren Offenlegung beantragt wird, „Informationen [enthalten], die von einer natürlichen oder juristischen Person eigens für das wettbewerbsbehördliche Verfahren erstellt wurden“, darauf achten muss, dass der Antragsteller oder andere Verfahrensbeteiligte sowie ihre Vertreter vor dem Abschluss dieser Überprüfung – wenn die Beweismittel zur weißen Liste gehören – bzw. vor der Beendigung des wettbewerbsbehördlichen Verfahrens durch die Wettbewerbsbehörde – wenn die betreffenden Beweismittel zur grauen Liste gehören – keinen Zugang zu diesen Beweismitteln haben.

(Tenor)

 

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