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Wirtschaft
10.11.2021
Wirtschaft
EuGH: Das Gericht weist die Klage von Google gegen den Beschluss der Kommission, mit dem festgestellt wird, dass das Unternehmen seine beherrschende Stellung missbraucht habe,

... indem es seinen eigenen Preisvergleichsdienst gegenüber konkurrierenden Preisvergleichsdiensten bevorzugt behandelt habe, im Wesentlichen ab

Das EuG hat mit Urteil vom 10. 11. 2021 – Rs. T-612/17; Google LLC, formerly Google Inc., Alphabet, Inc. gegen Europäische Kommission; ECLI:EU:T:2021:763 – entschieden.

PM-Nr. 197 vom 10.11.2021: Das Gericht bestätigt die gegen Google verhängte Geldbuße in Höhe von 2,42 Mrd. Euro

Mit Beschluss vom 27. 6. 2017 stellte die Kommission fest, dass Google in dreizehn Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums[1] seine beherrschende Stellung auf dem Markt für allgemeine Online-Suchdienste missbraucht habe, indem es seinen eigenen Preisvergleichsdienst, einen spezialisierten Suchdienst, gegenüber konkurrierenden Preisvergleichsdiensten bevorzugt behandelt habe. Zum einen würden bei einer allgemeinen Suche mit Google Search die Ergebnisse des eigenen Preisvergleichsdienstes von Google auffälliger positioniert und präsentiert als die Ergebnisse konkurrierender Preisvergleichsdienste. Zum anderen könnten Letztere, die als bloße allgemeine Ergebnisse (in Form blauer Links) dargestellt würden, deshalb – anders als die Ergebnisse des Preisvergleichsdienstes von Google – von Ranking-Algorithmen auf den allgemeinen Suchergebnisseiten von Google herabgestuft werden.

Wegen dieser Zuwiderhandlung verhängte die Kommission gegen Google eine Geldbuße in Höhe von 2 424 495 000 Euro, für die Alphabet, seine Muttergesellschaft, in Höhe von 523 518 000 Euro gesamtschuldnerisch haftet.

Google und Alphabet haben gegen den Beschluss der Kommission beim Gericht der Europäischen Union Klage erhoben.

Mit seinem heutigen Urteil weist das Gericht die Klage der beiden Gesellschaften im Wesentlichen ab und bestätigt die von der Kommission verhängte Geldbuße.

I. Das Gericht stuft die streitige Praxis als wettbewerbswidrig ein

Das Gericht führt zunächst aus, dass sich allein aus der beherrschenden Stellung eines Unternehmens, mag sie auch ein solches Ausmaß haben wie bei Google, kein Vorwurf gegen das betreffende Unternehmen herleiten lässt, selbst wenn es plant, auf einem benachbarten Markt zu expandieren. Google hat sich jedoch durch die bevorzugte Behandlung seines eigenen Preisvergleichsdienstes mittels einer privilegierten Positionierung und Präsentation auf seinen allgemeinen Suchergebnisseiten unter gleichzeitiger Herabstufung der Ergebnisse konkurrierender Preisvergleichsdienste mittels Ranking-Algorithmen auf diesen Seiten dem Qualitätswettbewerb entzogen. Aufgrund von drei besonderen Umständen, und zwar (i) der Bedeutung des durch die allgemeine Suchmaschine von Google generierten Verkehrs für die Preisvergleichsdienste, (ii) dem Verhalten der Nutzer, die sich in der Regel auf die ersten Ergebnisse konzentrieren, und (iii) dem erheblichen Anteil „umgeleiteten“ Verkehrs am Verkehr der Preisvergleichsdienste, der nicht in wirksamer Weise ersetzt werden kann, führte die streitige Praxis nämlich zu einer Schwächung des Wettbewerbs auf dem Markt.

Das Gericht weist ferner darauf hin, dass angesichts der universellen Einsetzbarkeit der allgemeinen Suchmaschine von Google, die darauf ausgelegt ist, Ergebnisse zu allen möglichen Inhalten zu indexieren, die Hervorhebung nur einer Art spezialisierter Ergebnisse, und zwar der von Google selbst, auf seinen Ergebnisseiten eine gewisse Anomalie darstellt. Eine allgemeine Suchmaschine ist nämlich eine grundsätzlich offene Infrastruktur, deren Daseinsgrund und Wert in ihrer Befähigung zur Offenheit gegenüber von außen kommenden, d. h. von Dritten stammenden Ergebnissen und zur Nennung dieser Quellen bestehen, was die Suchmaschine ergiebiger und vertrauenswürdiger macht.

Sodann stellt das Gericht fest, dass die vorliegende Rechtssache die Bedingungen betrifft, unter denen Google seinen allgemeinen Suchdienst mittels Zugangs zu den allgemeinen Ergebnisseiten für konkurrierende Preisvergleichsdienste erbringt. Dazu führt es aus, dass die allgemeine Ergebnisseite Merkmale aufweist, die denen einer wesentlichen Einrichtung insofern ähneln, als derzeit keine tatsächliche oder potenzielle Alternative verfügbar ist, die sie in wirtschaftlich tragfähiger Weise auf dem Markt ersetzen könnte. Nicht jede Praxis, die den Zugang zu einer solchen Einrichtung betrifft, ist jedoch zwangsläufig im Licht der im Urteil Bronner,[2] auf das sich Google gestützt hat, aufgestellten Bedingungen für eine Lieferverweigerung zu beurteilen. Die streitige Praxis beruht nicht auf einer Lieferverweigerung, sondern darauf, dass Google seinen eigenen Preisvergleichsdienst gegenüber allen anderen bevorzugt behandelt; das Urteil Bronner ist daher im vorliegenden Fall nicht einschlägig.

Schließlich kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass Google bei seiner unterschiedlichen Behandlung von der Herkunft der Ergebnisse ausgeht, d. h. davon, ob sie von seinem eigenen oder von konkurrierenden Preisvergleichsdiensten stammen. De facto gibt Google seinem eigenen Preisvergleichsdienst den Vorzug vor den Konkurrenten und nicht einem besseren Ergebnis den Vorzug vor einem anderen. Selbst wenn die Ergebnisse konkurrierender Preisvergleichsdienste relevanter sein sollten, würden sie in Bezug auf ihre Positionierung und ihre Präsentation nie ebenso behandelt wie die Ergebnisse des Preisvergleichsdienstes von Google. Google hat es konkurrierenden Preisvergleichsdiensten mittlerweile zwar ermöglicht, gegen Entgelt die Qualität der Darstellung ihrer Ergebnisse durch Aufnahme in seine „Boxes“ zu erhöhen, aber nur unter der Voraussetzung, dass die Preisvergleichsdienste ihr Geschäftsmodell ändern und keine direkten Konkurrenten von Google mehr sind, sondern dessen Kunden werden.

II. Die Kommission hat zutreffend wettbewerbsschädliche Auswirkungen festgestellt

Das Gericht weist das Vorbringen von Google zurück, das sich gegen die Ausführungen im angefochtenen Beschluss zu den Folgen der streitigen Praxis für den Online-Verkehr richtet. Insoweit hebt das Gericht hervor, dass bei diesem Vorbringen nur die Auswirkungen der Darstellung von Ergebnissen des Preisvergleichsdienstes von Google berücksichtigt werden, nicht aber die Auswirkungen der ungünstigen Platzierung von Ergebnissen konkurrierender Preisvergleichsdienste bei den allgemeinen Ergebnissen. Die Kommission hatte jedoch auf die kombinierten Auswirkungen beider Aspekte abgestellt und sich dabei auf zahlreiche Gesichtspunkte gestützt, u. a. auf konkrete Verkehrsdaten und die Wechselwirkung zwischen der Sichtbarkeit eines Ergebnisses und dem durch dieses Ergebnis generierten Verkehr zu der Website, und so den Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Google und dem insgesamt zu verzeichnenden Rückgang des Verkehrs von seinen allgemeinen Ergebnisseiten zu konkurrierenden Preisvergleichsdiensten sowie dem erheblichen Anstieg des Verkehrs zu seinem eigenen Preisvergleichsdienst hergestellt.

Zu den Auswirkungen der streitigen Praxis auf den Wettbewerb führt das Gericht aus, dass ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung vorliegt, wenn das beherrschende Unternehmen durch die Verwendung von Mitteln, die von den Mitteln eines normalen Wettbewerbs abweichen, die Aufrechterhaltung oder den Ausbau des bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung behindert; dafür genügt der Nachweis, dass das Verhalten des Unternehmens geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken. Auch wenn die Kommission alle relevanten Umstände einschließlich des Vorbringens von Google zur tatsächlichen Entwicklung der Märkte prüfen musste, war sie daher nicht verpflichtet, tatsächliche Verdrängungswirkungen herauszuarbeiten. Im vorliegenden Fall hat die Kommission im Anschluss an die Messung der tatsächlichen Auswirkungen des fraglichen Verhaltens auf den Verkehr von den allgemeinen Ergebnisseiten von Google zu den Preisvergleichsdiensten auf hinreichender Grundlage dargelegt, dass dieser Verkehr einen großen Teil ihres gesamten Verkehrs ausmachte, der nicht in wirksamer Weise durch andere Verkehrsquellen wie Werbung (AdWords) oder mobile Anwendungen ersetzt werden konnte, und dass dies zum Verschwinden von Preisvergleichsdiensten, zu einem Rückgang der Innovation auf ihrem Markt und zu geringeren Wahlmöglichkeiten der Verbraucher, also zu charakteristischen Merkmalen einer Schwächung des Wettbewerbs, führen konnte.

Das Gericht weist zudem das Argument von Google zurück, dass auf dem Markt der Preisvergleichsdienste aufgrund der Präsenz von Händlerplattformen weiterhin ein lebhafter Wettbewerb bestanden habe. Es schließt sich der Analyse der Kommission an, dass diese Plattformen nicht auf dem gleichen Markt tätig sind. Zwar bieten beide Kategorien von Websites Funktionen zur Produktsuche an, doch geschieht dies nicht zu den gleichen Bedingungen, und sie werden von Online-Käufern oder -Verkäufern nicht in gleicher Weise genutzt, sondern allenfalls ergänzend. Der Kommission ist daher beizupflichten, dass von Händlerplattformen nur geringer Wettbewerbsdruck auf Google ausgeübt wird. Selbst wenn die Händlerplattformen und die Preisvergleichsdienste dem gleichen Markt angehört hätten, hätte die festgestellte wettbewerbswidrige Wirkung ausgereicht, um das Verhalten von Google als missbräuchlich einzustufen, denn in allen betroffenen Ländern wäre ein nicht unerheblicher Teil des Marktes, und zwar der Markt für Preisvergleichsdienste, beeinträchtigt worden. Das Gericht bestätigt daher die Analyse der Kommission in Bezug auf den Markt für spezialisierte Preisvergleichsdienste.

Das Gericht hält es dagegen nicht für erwiesen, dass das Verhalten von Google auch nur potenzielle wettbewerbswidrige Auswirkungen auf den Markt für allgemeine Suchdienste hatte, und erklärt infolgedessen den angefochtenen Beschluss in Bezug auf die Feststellung einer Zuwiderhandlung allein für diesen Markt für nichtig.

III. Das Gericht verneint das Vorliegen objektiver Rechtfertigungen für das Verhalten von Google

Google hat geltend gemacht, sein Verhalten sei nicht missbräuchlich gewesen, sondern habe sich insofern positiv auf den Wettbewerb ausgewirkt, als es die Qualität seines Suchdienstes erhöht und der Ausschlusswirkung der streitigen Praxis entgegengewirkt habe; die von der Kommission geforderte Gleichbehandlung sei durch technische Zwänge verhindert worden.

Das Gericht weist dieses Vorbringen zurück. Zum einen ist es zwar möglich, dass die Ranking-Algorithmen für die allgemeinen Ergebnisse oder die Kriterien für die Positionierung und die Präsentation der spezialisierten Produktergebnisse von Google als solche den Dienst von Google in einer für den Wettbewerb positiven Weise verbessert haben, doch dieser Umstand rechtfertigt nicht die streitige Praxis einer Ungleichbehandlung der Ergebnisse des Preisvergleichsdienstes von Google und der Ergebnisse konkurrierender Preisvergleichsdienste. Zum anderen hat Google keine mit dieser Praxis verbundenen Effizienzgewinne dargetan, die ihre negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb ausgleichen könnten.

IV. Nach einer erneuten Würdigung der Zuwiderhandlung bestätigt das Gericht die Höhe der Geldbuße

Schließlich weist das Gericht das Vorbringen von Google zurück, dass keine Sanktion hätte verhängt werden dürfen. Insbesondere schlossen weder die Tatsache, dass die fragliche Verhaltensweise von der Kommission erstmals an den Wettbewerbsregeln gemessen wurde, noch etwaige Angaben der Kommission im Lauf des Verfahrens, dass sie Google nicht zu bestimmten Änderungen seiner Praktiken zwingen könne oder dass sie bereit sei, eine Erledigung der Sache im Wege von Zusicherungen durch Google anzustreben, die Verhängung einer Sanktion aus.

Überdies stellt das Gericht nach seiner eigenen Würdigung des Sachverhalts im Hinblick auf die Bestimmung der Höhe der Sanktion erstens fest, dass die teilweise, auf den Markt für allgemeine Suchdienste beschränkte Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses keine Auswirkung auf die Höhe der Geldbuße hat, da die Kommission bei der Festsetzung ihres Grundbetrags den Wert der Verkäufe auf diesem Markt nicht berücksichtigt hatte. Zweitens hebt das Gericht die besondere Schwere der Zuwiderhandlung hervor und weist darauf hin, dass neben dem fehlenden Nachweis eines Missbrauchs auf dem Markt für allgemeine Suchdienste auch zu berücksichtigen ist, dass das fragliche Verhalten auf Vorsatz und nicht auf Fahrlässigkeit beruhte. Das Gericht kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass die gegen Google verhängte Geldbuße in voller Höhe zu bestätigen ist.



[1] Belgien, Tschechische Republik, Dänemark, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Polen, Schweden, Vereinigtes Königreich und Norwegen.

[2] Urteil des Gerichtshofs vom 26. 11. 1998, Bronner (Rs. C-7/97), vgl. auch PM Nr. 72/98.

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