EuGH-SA: Nach Ansicht von GA Campos Sánchez-Bordona kann VW in Italien nicht wegen „Dieselgate“ sanktioniert werden
... nachdem das Unternehmen in Deutschland sanktioniert worden war, wenn zwischen den Sanktionsverfahren beider Staaten keine ausreichende Koordinierung erfolgt ist
GA Campos Sánchez-Bordona, Schlussanträge vom 30. 3. 2023 – Rs. C-27/22; Volkswagen Group Italia S.p.A., Volkswagen Aktiengesellschaft gegen Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato; ECLI:EU:C:2023:265
Nach alledem schlägt der GA dem Gerichtshof vor, das Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) wie folgt zu beantworten:
Art. 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass
– eine verwaltungsrechtliche Geldbuße in Höhe von 5 Mio. Euro, die von der für den Verbraucherschutz zuständigen nationalen Behörde gegen eine juristische Person verhängt wird, die sich unlauterer Geschäftspraktiken bedient hat, als Sanktion materiell-strafrechtlicher Natur im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist;
– eine verwaltungsrechtliche Geldbuße materiell-strafrechtlicher Natur, die gegen eine juristische Person verhängt wird, die sich unlauterer Geschäftspraktiken bedient hat, grundsätzlich gegen Art. 50 der Charta verstößt, wenn gegen diese juristische Person wegen derselben Handlungen bereits eine frühere strafrechtliche Verurteilung in einem anderen Mitgliedstaat rechtskräftig geworden ist;
– es nicht zulässig ist, das Recht, wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft zu werden, auf der Grundlage von Art. 52 Abs. 1 der Charta einzuschränken, wenn bei der Kumulierung gleichzeitig geführter Verfahren und der Verhängung von Sanktionen durch nationale Behörden zweier oder mehr Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen keine ausreichende Koordinierung erfolgt ist.
(Schlussanträge)