EuGH: Abwicklung von Banco Popular: Den betroffenen Anteilseignern und Gläubigern stand kein Anspruch auf Entschädigung aus dem einheitlichen Abwicklungsfonds zu
EuGH, Urteil vom 22. 11. 2023 – verb. Rs. C-583/21, C-584/21, C-586/21; Antonio Del Valle Ruíz gegen Aeris Invest Sàrl u.a.; ECLI:EU:T:2023:735
PM Nr. 175/2023: Im Fall einer Liquidation der Bank wären sie nämlich nicht besser behandelt worden als bei ihrer Abwicklung Nach der weltweiten Finanzkrise von 2008 hat der Unionsgesetzgeber eine Reihe von Maßnahmen (Bankenunion) zum Schutz der Finanzmärkte der Union eingeführt. Eine dieser Maßnahmen ist der einheitliche Abwicklungsmechanismus, dessen Hauptziel darin besteht, eine geordnete Abwicklung von Banken ohne Inanspruchnahme von Steuergeldern zu ermöglichen und gleichzeitig die Finanzstabilität zu fördern. Wenn eine Bank ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt, kann der Ausschuss für die einheitliche Abwicklung (Single Resolution Board, SRB), eine Agentur der Union, unter bestimmten Voraussetzungen ein Abwicklungskonzept annehmen, das von der Kommission genehmigt werden muss.
Der einheitliche Abwicklungsfonds gehört ebenfalls zur Bankenunion. Es handelt sich um einen Notfallfonds, der in Krisenzeiten genutzt werden kann und vom Bankensektor selbst finanziert wird.
Im Juni 2017 nahm der SRB ein Abwicklungskonzept hinsichtlich der spanischen Bank Banco Popular an, das von der Kommission genehmigt wurde und zum Kauf der Aktien von Banco Popular durch die spanische Bank Banco Santander zum Preis von einem Euro führte.[1]
Nach der Unionsverordnung über die Abwicklung von Kreditinstituten[2] kann der SRB, wenn festgestellt wird, dass Anteilseigner oder Gläubiger eines Unternehmens, das Gegenstand einer Abwicklungsmaßnahme war, größere Verluste erlitten haben, als sie ihnen bei einer Liquidation dieses Unternehmens im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens entstanden wären, für ihre Entschädigung den einheitlichen Abwicklungsfonds heranziehen.
Im Fall von Banco Popular wurde zur Einschätzung dieser potenziellen Ungleichbehandlung von einem unabhängigen Gutachter eine Bewertung der Bank in einem hypothetischen Liquidationsszenario vorgenommen, und die betroffenen Anteilseigner und Gläubiger hatten Gelegenheit, sich dazu zu äußern.
Der SRB entschied in der Folge, dass die betroffenen Anteilseigner und Gläubiger im Fall einer Liquidation von Banco Popular nicht besser behandelt worden wären als bei der Abwicklung und dass ihnen kein Anspruch auf Entschädigung aus dem einheitlichen Abwicklungsfonds zustehe.
Mehrere betroffene Anteilseigner und Gläubiger fochten diese Entscheidung vor dem Gericht der Europäischen Union an. Die vorliegenden Rechtssachen bieten dem Gericht erstmals Gelegenheit, sich zur Rechtmäßigkeit einer solchen Entscheidung zu äußern.
Das Gericht weist die Klagen ab, insbesondere was die Infragestellung der Unabhängigkeit des Gutachters und die Nichtbeachtung des Anhörungsrechts der betroffenen Anteilseigner und Gläubiger betrifft. Es ist im Übrigen der Auffassung, dass sich der Gutachter bei seiner Bewertung auf eine korrekte Methodik gestützt und bei der Bewertung der Vermögenswerte von Banco Popular keine offensichtlichen Fehler begangen hat. Ein reguläres Insolvenzverfahren hätte somit zu demselben Ergebnis geführt wie die Abwicklung, so dass das Eigentumsrecht der betroffenen Anteilseigner und Gläubiger nicht verletzt wurde.
[1] Vgl. die PM der Kommission.
[2] VO (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds.