EuGH: Betriebliche Aufwendungen der Regulierungsbehörde des Postsektors: Wirtschaftsteilnehmern kann unter Ausschluss jeglicher Finanzierung aus dem öffentlichen Haushalt eine Beitragspflicht auferlegt werden
EuGH, Urteil vom 7. 9. 2023 – Rs. C-226/22; Nexive Commerce Srl u.a., General Logistics Systems Enterprise Srl, u.a. gegen Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni, Presidenza del Consiglio dei Ministri, Ministero dell’Economia e delle Finanze, Ministero dello Sviluppo economico; BRT SpA gegen Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni u.a. und AICAI – Associazione Italiana Corrieri Aerei Internazionali, DHL Express (Italy) Srl, TNT Global Express Srl, United Parcel Service Italia Srl, Fedex Express Italy Srl, u.a. gegen Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni u.a.; ECLI:EU:C:2023:637
1. Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 2 vierter Gedankenstrich und Abs. 3 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität in der durch die Richtlinie 2008/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 22 der Richtlinie 97/67 in geänderter Fassung ist dahin auszulegen, dass er der Entscheidung eines Mitgliedstaats für einen Finanzierungsmechanismus der für den Postsektor zuständigen nationalen Regulierungsbehörde nicht entgegensteht, der sich ausschließlich und unter Ausschluss jeglicher Finanzierung aus dem öffentlichen Haushalt aus Beiträgen speist, die gemäß Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 2 vierter Gedankenstrich der Richtlinie in geänderter Fassung von den Wirtschaftsteilnehmern dieses Sektors verlangt werden, soweit dieses System gewährleistet, dass die betreffende nationale Regulierungsbehörde tatsächlich über die für ihr ordnungsgemäßes Funktionieren und die unabhängige Erfüllung ihrer Aufgaben der Regulierung des Postsektors notwendigen finanziellen Ressourcen oder die rechtlichen Mittel verfügt, die es ihr ermöglichen, diese Ressourcen zu erhalten.
2. Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 2 vierter Gedankenstrich der Richtlinie 97/67 in der durch die Richtlinie 2008/6 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 22 der Richtlinie 97/67 in geänderter Fassung ist dahin auszulegen, dass der in der zuerst genannten Bestimmung enthaltene Begriff „betriebliche Aufwendungen“ erstens die Kosten einschließt, die von den NRB des Postsektors für ihre Regulierungstätigkeiten für Postdienste, die nicht zum Universaldienst gehören, aufgewendet werden, sowie zweitens die Kosten, die durch die Tätigkeiten der NRB entstehen, die, obgleich sie nicht unmittelbar mit ihrer Regulierungsaufgabe zusammenhängen, der Erfüllung ihrer Funktion der Regulierung des Postsektors dienen.
3. Das Unionsrecht und insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung sowie Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 2 vierter Gedankenstrich der Richtlinie 97/67 in der durch die Richtlinie 2008/6 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die allen Wirtschaftsteilnehmern des Postsektors unterschiedslos eine Beitragspflicht auferlegt, ohne die Intensität der in Abhängigkeit der unterschiedlichen Arten von Postdiensten ausgeübten Regulierungs- und Überwachungstätigkeiten der nationalen Regulierungsbehörde zu berücksichtigen und ohne insoweit zwischen Anbietern des Universaldiensts und Kurierdienstanbietern zu differenzieren, um der nationalen Regulierungsbehörde des Postsektors eine Finanzierung zu garantieren, die ihr eine unabhängige Erfüllung ihrer Aufgaben im Zusammenhang mit der Regulierung dieses Sektors ermöglicht, soweit die den Anbietern von dieser Regelung auferlegte Pflicht im Übrigen transparent, zugänglich, präzise und eindeutig ist, vorab der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird und auf objektiven Kriterien beruht.
(Tenor)