EuG: Harmonisierung: Beibehaltung nationaler Rechtsvorschriften mit höherem Schutzniveau - Spielzeug
Das Gericht bestätigt den Beschluss der Kommission, wonach Deutschland seine aktuellen Grenzwerte für Arsen, Antimon und Quecksilber in Spielzeug nicht beibehalten darf, erklärt ihn aber in Bezug auf Blei für teilweise nichtig. Deutschland hat nicht bewiesen, dass diese Grenzwerte, die dem früheren Standard der EU entsprechen, einen höheren Schutz gewährleisten als die neuen europäischen Grenzwerte.
EuG, 14. 5. 2014 - Rs. T-198/12; Bundesrepublik Deutschland/Europäische Kommission
Im Jahr 2009 erließ die Europäische Union eine neue Spielzeugrichtlinie (Richtlinie 2009/48/EG vom 18. 6. 2009 über die Sicherheit von Spielzeug, ABl. L 170, S. 1. Die Richtlinie musste bis spätestens 20. 1. 2011 in die nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften umgesetzt werden. Diese Vorschriften waren ab dem 20. 7. 2011 anzuwenden), in der sie für bestimmte chemische Stoffe in Spielzeug, wie insbesondere Schwermetalle, neue Grenzwerte festlegte. Deutschland, das im Rat gegen diese Richtlinie gestimmt hatte, ist der Auffassung, dass die in seinem Land geltenden Grenzwerte für Blei, Barium, Antimon, Arsen und Quecksilber einen besseren Schutz böten, zumal sie der früheren Spielzeugrichtlinie von 1988 (Richtlinie 88/378/EWG vom 3. 5. 1988, ABl. L 187, S. 1) entsprächen. Es hat daher bei der Kommission beantragt, diese Grenzwerte beibehalten zu dürfen. Mit Beschluss vom 1. 3. 2012 hat die Kommission diesen Antrag hinsichtlich Antimon, Arsen und Quecksilber abgelehnt und die Beibehaltung der deutschen Grenzwerte für Blei und Barium nur bis längstens 21. 7. 2013 gebilligt.
Gegen diesen Beschluss hat Deutschland Klage auf Nichtigerklärung erhoben. Außerdem hat es den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, um seine bisherigen Grenzwerte bis zur Verkündung des Urteils in der Hauptsache weiterhin anwenden zu können. Mit Beschluss vom 15. 5. 2013 - Rs. T-198/12 R hat der Präsident des Gerichts der Kommission aufgegeben, die Beibehaltung der fünf deutschen Grenzwerte bis zur Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache zu billigen (mit Beschluss vom 19. 12. 2013 - Rs. C-426/13 P (R) hat der Vizepräsident des Gerichtshofs das Rechtsmittel der Kommission gegen den Beschluss vom 15. 5. 2013 zurückgewiesen).
Mit seiner Entscheidung zur Hauptsache vom 14. 5. 2014 weist das Gericht die Klage Deutschlands in Bezug auf Arsen, Antimon und Quecksilber ab. Das Gericht weist zunächst darauf hin, dass ein Mitgliedstaat die Beibehaltung seiner bestehenden einzelstaatlichen Bestimmungen beantragen kann, wenn er der Auffassung ist, dass die Gefahr für die öffentliche Gesundheit anders bewertet werden sollte, als es der Unionsgesetzgeber beim Erlass der europäischen Harmonisierungsmaßnahme getan hat. Dabei hat der beantragende Mitgliedstaat nachzuweisen, dass die einzelstaatlichen Bestimmungen ein höheres Schutzniveau für die öffentliche Gesundheit gewährleisten als die Harmonisierungsmaßnahme der Union und dass sie nicht über das zur Erreichung dieses Zieles erforderliche Maß hinausgehen.
Im Rahmen des Vergleichs der deutschen Grenzwerte mit denen der neuen Richtlinie für Arsen, Antimon und Quecksilber stellt das Gericht fest, dass in der Richtlinie Migrationsgrenzwerte festgelegt werden und dabei ein Zusammenhang gesehen wird zwischen dem Gesundheitsrisiko und der Menge eines bestimmten Schadstoffs, der durch ein Spielzeug freigesetzt werden kann, bevor er vom Kind aufgenommen wird (Nach den Ausführungen der Kommission wird Migration als die Menge definiert, die von einem Spielzeug tatsächlich abgegeben und tatsächlich vom menschlichen Körper absorbiert wird). Zudem sieht die Richtlinie drei verschiedene Migrationsgrenzwerte vor, die jeweils für eine Art von Spielzeugmaterialien (trockene, brüchige, staubförmige oder geschmeidige Materialien, flüssige oder haftende Materialien und abgeschabte Materialien) gelten. Die deutschen Grenzwerte werden in Bioverfügbarkeit ausgedrückt. Sie beschreiben die maximal zulässige Menge eines chemischen Stoffes, die infolge des Umgangs mit Spielzeug im menschlichen Körper aufgenommen werden und für biologische Prozesse zur Verfügung stehen darf (Nach den Ausführungen der Kommission wird Bioverfügbarkeit als die Menge chemischer Stoffe definiert, die von einem Spielzeug abgegeben wird und theoretisch vom menschlichen Körper aufgenommen
werden kann, ohne zwangsläufig aufgenommen zu werden). Zudem gelten diese Grenzwerte ungeachtet der Konsistenz des Spielzeugmaterials für alle Spielzeugarten.
Nach Ansicht des Gerichts geht aus den Daten, die von der Kommission vorgelegt wurden, klar hervor, dass die anhand der Norm EN 71-3 in Migrationsgrenzwerte umgerechneten deutschen Grenzwerte für flüssige oder haftende sowie für trockene, brüchige, staubförmige oder geschmeidige Materialien deutlich höher sind als die Werte der neuen Richtlinie, während die Migrationsgrenzwerte der Richtlinie für abgeschabte Materialien höher sind als diejenigen, die sich aus der Umrechnung der Bioverfügbarkeitsgrenzwerte der mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen ergeben. Daher kann Deutschland nicht behaupten, die neue Richtlinie lasse eine
stärkere Migration von Schadstoffen zu, als sie in Deutschland zugelassen sei, Kinder seien somit diesen Schadstoffen stärker ausgesetzt und Deutschland habe „bereits damit“ plausibel dargetan, dass seine Grenzwerte ein höheres Schutzniveau gewährleisteten als die neue Richtlinie. Das Gericht weist außerdem darauf hin, dass abgeschabtes Material für das Kind schwerer zugänglich ist als trockenes oder flüssiges Material.
Jedenfalls kann der Kommission in Anbetracht der Tatsache, dass die Migrationsgrenzwerte der neuen Richtlinie nur bei abgeschabten Spielzeugmaterialien höher sind als die umgerechneten deutschen Bioverfügbarkeitsgrenzwerte, nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie den Antrag auf Beibehaltung der deutschen Grenzwerte abgelehnt hat, da diese unabhängig von der Konsistenz der Spielzeugmaterialien gelten.
Hinsichtlich Arsen, Antimon und Quecksilber kommt das Gericht zu dem Schluss, dass Deutschland nicht den ihm obliegenden Beweis erbracht hat, dass die deutschen Grenzwerte einen höheren Schutz gewährleisten als die neue Richtlinie.
In Bezug auf Blei erklärt das Gericht den Beschluss der Kommission dagegen für nichtig, soweit darin die Billigung der deutschen Grenzwerte für dieses Schwermetall bis 21. 7. 2013 befristet wird. Das Gericht ist nämlich der Auffassung, dass die Kommission ihre Begründungspflicht verletzt hat, da ihr Beschluss insoweit einen inneren Widerspruch aufweist, der das richtige Verständnis der ihm zugrunde liegenden Gründe erschweren kann. Da die Grenzwerte der früheren Richtlinie bis zum 20. 7. 2013 weitergelten sollten und die Beibehaltung der deutschen Grenzwerte für Blei nur bis längstens 21. 7. 2013 gebilligt worden war (der Unterschied zwischen diesen beiden Daten ist dabei rein symbolischer Natur), kommt der angefochtene Beschluss in seinem konkreten Ergebnis einer ablehnenden Entscheidung gleich, obwohl die Kommission festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für eine Billigung der Beibehaltung der einzelstaatlichen Grenzwerte für Blei gegeben sind.
Hinsichtlich Barium stellt das Gericht auf Antrag von Deutschland fest, dass sich der Rechtsstreit insoweit erledigt hat. Die Kommission hat nämlich zwischenzeitlich die Grenzwerte für dieses Schwermetall geändert, so dass die Klage in Bezug auf Barium gegenstandslos geworden ist.
Quelle: EuG, PM v. 14. 5. 2014
Wir sind stets um Qualität bemüht. Deshalb wird Ihr Beitrag erst nach kurzer Prüfung durch unsere Redaktion sichtbar sein.
Ihre E-Mail-Adresse wird niemals veröffentlicht oder verteilt. Benötigte Felder sind mit * markiert