GA Tanchev: Möglichkeit des Arbeitnehmer nicht ausgeübte Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub zu übertragen
GA TANCHEV, Schlussanträge vom 8. 6. 2017 – Rs. C-2014/16, C. King gegen The Sash Window Workshop Ltd, Richard Dollar, ECLI:EU:C:2017:439
Der GA schlägt daher vor, dass der Gerichtshof die Fragen des Court of Appeal (England & Wales) (Berufungsgericht für England und Wales) wie folgt beantwortet:
1. Im Fall einer Streitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber über die Frage, ob der Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub gemäß Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung hat, ist es mit dem Unionsrecht und insbesondere mit dem Grundsatz eines wirksamen Rechtsbehelfs nicht vereinbar, wenn der Arbeitnehmer zunächst Urlaub nehmen muss, ehe er feststellen kann, ob er Anspruch auf Bezahlung hat.
2. Wenn der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Jahresurlaub in dem Bezugszeitraum, in dem ein Anspruch auszuüben ist, ganz oder teilweise nicht nimmt, den Urlaub aber genommen hätte, wenn nicht der Arbeitgeber die Vergütung für genommene Urlaubszeiten verweigern würde, kann der Arbeitnehmer geltend machen, dass er an der Ausübung seines Anspruchs auf bezahlten Urlaub gehindert ist, so dass der Anspruch so lange übertragen wird, bis der Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Ausübung des Anspruchs hatte.
3. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht dem Arbeitnehmer gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 eine finanzielle Vergütung für den bezahlten Jahresurlaub zu, den er bis zu dem Tag, an dem ihm der Arbeitgeber eine Möglichkeit zur Ausübung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub geschaffen hat, nicht genommen hat. Erst zu diesem Zeitpunkt können im mitgliedstaatlichen Recht angeordnete zeitliche und sonstige Beschränkungen der Ausübung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zur Anwendung kommen, und auch dann nur, wenn diese Beschränkungen nicht die Grenzen des den Mitgliedstaaten nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 zustehenden Ermessens überschreiten und im Übrigen mit dem Unionsrecht in Einklang stehen. Wenn nie eine entsprechende Möglichkeit zur Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub geschaffen wurde, ist gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 eine finanzielle Vergütung für die gesamte Dauer der Beschäftigung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschuldet. Unter den Umständen des Ausgangsverfahrens ist ein Zeitraum von 18 Monaten nach Ende des Bezugszeitraums, in dem der Urlaub erworben wurde, nicht mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 vereinbar.
(EuGH-Schlussanträge)