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Politiken
01.02.2021
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EuG: Projekt Curtis in Spanien: die EIB muss sich zum Antrag von ClientEarth auf Überprüfung äußern

Der EuG hat mit Urteil vom 27. 1. 2021 – Rs. T-9/19; ClientEarth gegen European Investment Bank (EIB); ECLI:EU:T:2021:42 entschieden.

Das Gericht erklärt die Entscheidung der EIB für nichtig, in der der Antrag auf Überprüfung des Beschlusses ihres Verwaltungsrats als unzulässig angesehen worden ist

Das Projekt zum Bau eines Biomassekraftwerks zur Stromerzeugung in der Gemeinde Curtis in Galicien (Spanien), das sogenannte Curtis-Projekt, hat eine von Spanien im Jahr 2016 organisierte Ausschreibung für Projekte im Bereich erneuerbare Energien gewonnen. Der Projektträger des Curtis-Projekts hat sich mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Verbindung gesetzt, um Gespräche über die Möglichkeit einer Förderung durch die EIB aufzunehmen.

Mit Beschluss vom 12. 4. 2018 (im Folgenden: streitiger Beschluss) genehmigte der Verwaltungsrat der EIB den Finanzierungsvorschlag für einen Höchstbetrag von 60 Mio. Euro. Am 9. 8. 2018 stellte ClientEarth, eine Nichtregierungsorganisation (NGO), die sich für den Umweltschutz einsetzt, bei der EIB einen Antrag auf interne Überprüfung dieses Beschlusses gemäß der Aarhus-Verordnung[1] und dem Beschluss 2008/50.[2]

Mit Schreiben vom 30. 10. 2018 (im Folgenden: der angefochtene Rechtsakt) teilte die BEI ClientEarth mit, dass der Antrag auf interne Überprüfung des streitigen Beschlusses abgelehnt werde. Der Antrag sei unzulässig, weil er sich nicht auf einen Rechtsakt beziehe, der Gegenstand einer internen Überprüfung sein könne, d. h. einen „Verwaltungsakt“ im Sinne der AarhusVerordnung.

ClientEarth erhob gegen die Entscheidung der EIB Klage beim Gericht der Europäischen Union.

ClientEarth stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe. Mit ihrem ersten Klagegrund macht sie geltend, dass die EIB mit dem Erlass des angefochtenen Rechtsakts bestimmte Voraussetzungen für die Einstufung einer Maßnahme als „Verwaltungsakt“ im Sinne der Aarhus-Verordnung im Hinblick auf den streitigen Beschluss falsch angewandt habe. Der zweite Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen die Begründungspflicht.

In seinem heutigen, in erweiterter Besetzung erlassenen Urteil stellt das Gericht zunächst fest, dass von den beiden zur Stützung der Klage geltend gemachten Nichtigkeitsgründen der zweite die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift für den angefochtenen Rechtsakt betrifft, nämlich der Begründungspflicht, während der erste, mit dem Beurteilungsfehler bei der Anwendung der Aarhus-Verordnung in Bezug auf den angefochtenen Rechtsakt geltend gemacht werden, dessen Rechtmäßigkeit betrifft.

In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass der Unionsrichter nicht in der Lage ist, den Inhalt eines Rechtsakts zu überprüfen, wenn die Begründung dieses Rechtsakts in einem wesentlichen Punkt der Erwägungen, die für die Wahl seines Urhebers ausschlaggebend waren, unzureichend ist. Er muss sich daher vergewissern, ob die Begründung des Rechtsakts ausreichend ist, bevor er sich mit dem Klagegrund befasst, der die Begründetheit des Rechtsakts betrifft.

Das Gericht stellt fest, dass die im angefochtenen Rechtsakt dargelegte Begründung ausgereicht hat, um die Klägerin in die Lage zu versetzen, die Gründe zu kennen, aus denen die EIB den an sie gerichteten Antrag auf interne Überprüfung des streitigen Beschlusses als unzulässig zurückgewiesen hatte, und um es ihr zu ermöglichen, die Stichhaltigkeit dieser Gründe im Rahmen des ersten Klagegrundes anzufechten. Folglich weist das Gericht den zweiten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen die Begründungspflicht geltend gemacht wird, als unbegründet zurück.

Das Gericht befasst sich sodann mit dem ersten Klagegrund, mit dem Beurteilungsfehler bei der Anwendung der Aarhus-Verordnung gerügt werden. Es weist u. a. darauf hin, dass der Unionsrichter bei der Auslegung der Richtlinienbestimmungen, mit denen die Anforderungen des Übereinkommens von Aarhus in Bezug auf die Mitgliedstaaten umgesetzt werden, festgestellt hat, dass das vom Unionsgesetzgeber verfolgte Ziel darin besteht, der betroffenen Öffentlichkeit „einen breiten Zugang zu Gerichten“ zu gewähren, und dass dieses Ziel im weiteren Sinne Teil des Bestrebens des Unionsgesetzgebers ist, die Umwelt zu erhalten, zu schützen und ihre Qualität zu verbessern und die Öffentlichkeit zu diesem Zweck eine aktive Rolle spielen zu lassen. Es ist daher zu der Auffassung gelangt, dass die Vertragsparteien des Aarhus-Übereinkommens zwar über einen gewissen Ermessensspielraum bei der Anwendung dieses Übereinkommens verfügen, dass aber die praktische Wirksamkeit und die Ziele dieses Übereinkommens im Zusammenhang mit den Durchführungspflichten der Mitgliedstaaten in hohem Maße geschützt werden sollten.

Vor diesem Hintergrund kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der in der AarhusVerordnung enthaltene Begriff der Maßnahme „des Umweltrechts“ zur Regelung eines Einzelfalls weit auszulegen ist, so dass er nicht nur auf Maßnahmen zur Regelung eines Einzelfalls beschränkt ist, die auf der Grundlage einer Vorschrift des abgeleiteten Rechts erlassen werden, die zur Verfolgung der in Art. 191 Abs.1 AEUV genannten umweltpolitischen Ziele der Union beiträgt, sondern alle Maßnahmen zur Regelung eines Einzelfalls, die Anforderungen des abgeleiteten Unionsrechts unterliegen und unabhängig von ihrer Rechtsgrundlage unmittelbar auf die Verwirklichung der Ziele der Umweltpolitik der Union ausgerichtet sind.

Im Hinblick hierauf untersucht das Gericht, ob der streitige Beschluss als eine solche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls angesehen werden kann. Es gelangt zu der Auffassung, dass der streitige Beschluss, soweit darin festgestellt wird, dass das Curtis-Projekt die von der EIB aufgestellten Umweltkriterien erfülle, um eine Förderung von ihr zu erhalten, tatsächlich eine Maßnahme „des Umweltrechts“ zur Regelung eines Einzelfalls im Sinne der AarhusVerordnung ist.

Das Gericht erinnert daran, dass das in der Aarhus-Verordnung vorgesehene Verwaltungsverfahren der internen Überprüfung den Weg zu einem gerichtlichen Rechtsbehelf vor dem Gerichtshof der Europäischen Union eröffnet, der gemäß dieser Verordnung „nach den einschlägigen Bestimmungen des [AEU-]Vertrags“ und damit grundsätzlich unter Einhaltung der in Art. 263 AEUV festgelegten Voraussetzungen eingelegt werden muss. In Anbetracht des Zusammenhangs zwischen dem Begriff eines Rechtsakts im Sinne der Aarhus-Verordnung, der „rechtsverbindlich [ist] und Außenwirkung [hat]“, und dem Begriff der Handlungen mit Rechtswirkung gegenüber Dritten nach Art. 263 AEUV ist es aus Gründen der allgemeinen Kohärenz sinnvoll, den erstgenannten Begriff im Einklang mit dem letzteren auszulegen.

Daraus folgt, dass der streitige Beschluss, auch wenn er, wie die EIB geltend macht und in ihrem Schreiben vom 13. 4. 2018 an den Projektträger des Curtis-Projekts erwähnt, nicht als rechtliche Verpflichtung zur Gewährung des Darlehens an die Zweckgesellschaft galt, da noch weitere technische, wirtschaftliche und finanzielle Aspekte des Projekts zu prüfen waren, gleichwohl bestimmte endgültige Rechtswirkungen gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber dem

Projektträger, entfaltete, indem darin festgestellt wurde, dass das Projekt im Hinblick auf seine ökologischen und sozialen Aspekte für eine Finanzierung durch die EIB in Betracht komme, und es dem Projektträger damit ermöglicht wurde, die folgenden Schritte zu unternehmen, die für die Formalisierung des ihm zu gewährenden Darlehens erforderlich waren. Im Hinblick auf diese ökologischen und sozialen Aspekte konnte die spätere Entscheidung des Direktoriums, nach der Prüfung des Curtis-Projekts hinsichtlich der übrigen noch zu prüfenden Aspekte das Darlehen zu gewähren, allenfalls als eine bloße Ausführungsentscheidung angesehen werden.

Das durch die Aarhus-Verordnung eingeführte Verfahren zur internen Überprüfung soll sich aber gerade auf die Umweltaspekte beziehen, und der Antrag von ClientEarth auf interne Überprüfung stellte insbesondere die Beurteilung der Nachhaltigkeit des Curtis-Projekts und seines Beitrags zur Erreichung der umweltpolitischen Ziele der Union durch die EIB in Frage. Der Antrag bezog sich also zumindest teilweise auf endgültige Rechtswirkungen des streitigen Beschlusses gegenüber Dritten.

(PM Nr. 10/21 vom 27.1.2021)



[1] Zur Umsetzung des Übereinkommens von Aarhus in die Unionsrechtsordnung haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die VO (EG) Nr. 1367/2006 vom 6. 9. 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. 2006, L 264, S. 13) erlassen.

[2] Beschluss 2008/50/EG der Kommission vom 13. 12. 2007 mit Durchführungsvorschriften zur [Aarhus-]Verordnung hinsichtlich der Anträge auf interne Überprüfung von Verwaltungsakten (ABl. 2008, L 13, S. 24).

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