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Politiken
14.12.2023
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EuGH-Schlussanträge: Generalanwältin Kokott äußert sich zum süditalienischen Stahlwerk Ilva

GAin Kokott, Schlussanträge vom 14. 12. 2023 – Rs. C-626/22; C. Z. u. a. gegen Ilva SpA in Amministrazione Straordinaria u. a.; ECLI:EU:C:2023:990

Die GAin schlägt dem Gerichtshof daher vor, das Vorabentscheidungsersuchen wie folgt zu beantworten:

1)      Bei der Genehmigung einer Anlage nach den Art. 4 und 5 der Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) und bei einer Überprüfung dieser Genehmigung nach Art. 21 dieser Richtlinie muss die Einhaltung der Grundpflichten für den Betrieb der Anlage nach Art. 11 sichergestellt werden.

Art. 11 Buchst. a der Richtlinie ist dahin gehend zu verstehen, dass alle angemessenen Maßnahmen zur Vermeidung oder Verminderung bekannter Umweltrisiken einer Anlage getroffen werden müssen.

Die Maßnahmen nach Art. 11 Buchst. a der Richtlinie umfassen insbesondere die Anwendung der besten verfügbaren Techniken gemäß Art. 11 Buchst. b. Bei der Anwendung dieser Bestimmung auf eine bestimmte Anlage ist es nicht notwendig, ihre konkreten gesundheitlichen Auswirkungen zu berücksichtigen.

Die Maßnahmen nach Art. 11 Buchst. a der Richtlinie umfassen darüber hinaus die Maßnahmen, die notwendig sind, um zu verhindern, dass von einer Anlage erhebliche Umweltverschmutzungen im Sinne von Art. 11 Buchst. c ausgehen. Umweltverschmutzungen sind als erheblich anzusehen, wenn sie zu einem Zustand führen, der mit den anwendbaren Regelungen zum Umweltschutz – unter Berücksichtigung etwaiger Ausnahmen – unvereinbar ist. Unabhängig von solchen Regelungen sind Umweltverschmutzungen als erheblich anzusehen, wenn sie unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu übermäßigen Beeinträchtigungen der menschlichen Gesundheit führen. Umweltverschmutzungen, die durch die Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit die Grundrechte der Betroffenen verletzen, sind immer erheblich.

Gemäß Art. 21 Abs. 5 Buchst. a der Richtlinie ist eine Überprüfung der Genehmigung insbesondere notwendig, wenn nachträglich erkennbar wird, dass eine Anlage erhebliche Umweltverschmutzungen verursacht, etwa aufgrund einer Bewertung von Gesundheitsschäden.

2.      Bei der Genehmigung einer Anlage nach den Art. 5, 14 und 15 der Richtlinie 2010/75 und bei der Überprüfung einer solchen Genehmigung nach Art. 21 dieser Richtlinie müssen alle in relevanter Menge freigesetzten Schadstoffe berücksichtigt werden, die aufgrund der vorliegenden Informationen, insbesondere etwaiger BVT‑Schlussfolgerungen, eventueller Erfahrungen im tatsächlichen Betrieb der Anlage und sonstiger Hinweise, zu erwarten sind.

3.      Genehmigungsauflagen, die notwendig waren, um zunächst ab dem 30. Oktober 2007 die Einhaltung der Richtlinie 96/61 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, später die Einhaltung der Richtlinie 2008/1 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und ab dem 7. Januar 2014 die Einhaltung der Richtlinie 2010/75 durch die genehmigte Anlage zu gewährleisten, mussten und müssen weiterhin gemäß Art. 3, Art. 5 Abs. 1 und Art. 9 der Richtlinie 96/61 bzw. der Richtlinie 2008/1 sowie Art. 4, 5, 11 und 14 der Richtlinie 2010/75 ohne weiteren Aufschub mit Inkrafttreten der Genehmigung angewendet werden, falls nicht aufgrund besonderer Umstände ein Aufschub möglich ist, z. B., weil die Kommission eine neue Entscheidung über die besten verfügbaren Techniken erlassen hat, weil eine einzuhaltende Umweltqualitätsnorm im Sinne von Art. 18 der Richtlinie 2010/75 erst später wirksam wird oder wenn bestimmte, zunächst hinnehmbare Umweltverschmutzungen erst aufgrund absehbar später eintretender Entwicklungen als erheblich im Sinne von Art. 11 Buchst. c der Richtlinie 2010/75 anzusehen sind.

(Schlussanträge)

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