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Wettbewerb
18.02.2021
Wettbewerb
EuG: Das von Frankreich im Rahmen der COVID-19 Pandemie eingeführte Zahlungsmoratorium für Steuern zur Unterstützung von Luftfahrtunternehmen mit einer französischen Genehmigung steht im Einklang mit dem Unionsrecht

Der EuGH hat mit Urteil vom 17. 2. 2021 – Rs. T-259/20; Ryanair DAC gegen Kommission; ECLI:EU:T:2021:92 entschieden. EuGH, PM Nr. 17/21 vom 17.2.2021:

Diese Beihilferegelung ist zur Beseitigung der durch die COVID-19 Pandemie verursachten wirtschaftlichen Schäden angemessen und stellt keine Diskriminierung dar

Im März 2020 meldete Frankreich bei der Europäischen Kommission eine Beihilfemaßnahme in Form eines Zahlungsmoratoriums für die jeweils monatlich fällige Zivilluftfahrtsteuer und die Solidaritätsabgabe auf Flugtickets für die Zeit von März bis Dezember 2020 (im Folgenden: Zahlungsmoratorium für Steuern) an. Dieses Moratorium zugunsten von Luftfahrtunternehmen mit einer französischen Genehmigung[1] besteht darin, die Zahlung dieser Steuern bis zum 1. 1. 2021 zu stunden und die Zahlungen anschließend auf einen Zeitraum von 24 Monaten, nämlich bis zum 31. 12. 2022, zu strecken. Der genaue Betrag der Steuern wird anhand der Anzahl der beförderten Fluggäste sowie der Anzahl der von einem französischen Flughafen aus durchgeführten Flüge berechnet.

Mit Beschluss vom 31. 3. 2020[2] stufte die Kommission das Zahlungsmoratorium für Steuern als eine nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbare staatliche Beihilfe[3] ein. Gemäß dieser Bestimmung sind Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind, mit dem Binnenmarkt vereinbar.

Das Luftfahrtunternehmen Ryanair hat Klage auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses erhoben, die das Gericht der Europäischen Union mit seinem heutigen Urteil abweist. Das Gericht prüft erstmals die Rechtmäßigkeit einer staatlichen Beihilferegelung als Reaktion auf die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie im Hinblick auf Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV.[4] Das Gericht erläutert außerdem das Zusammenspiel der Vorschriften über staatliche Beihilfen mit zum einen dem in Art. 18 Abs. 1 AEUV verankerten Grundsatz der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit sowie zum anderen dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs.

Würdigung durch das Gericht

Als Erstes prüft das Gericht den Beschluss der Kommission im Hinblick auf Art. 18 Abs. 1 AEUV, der unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet. Da Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV nach Ansicht des Gerichts zu diesen besonderen Bestimmungen gehört, prüft es, ob das

Zahlungsmoratorium für Steuern gemäß dieser Bestimmung für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden konnte.

In diesem Zusammenhang bestätigt das Gericht zum einen, dass die COVID-19 Pandemie sowie die von Frankreich erlassenen Verkehrsbeschränkungs- und Eindämmungsmaßnahmen als Reaktion auf die Pandemie insgesamt ein außergewöhnliches Ereignis im Sinne von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV darstellen, durch das den in Frankreich tätigen Luftfahrtunternehmen wirtschaftliche Schäden entstanden sind. Nach Ansicht des Gerichts kann zudem nicht bestritten werden, dass die Beseitigung dieser Schäden tatsächlich das Ziel des Zahlungsmoratoriums für Steuern ist.

Zum anderen stellt das Gericht fest, dass die Beschränkung des Zahlungsmoratoriums für Steuern auf Luftfahrtunternehmen mit einer französischen Genehmigung geeignet ist, das Ziel der Beseitigung der durch dieses außergewöhnliche Ereignis entstandenen Schäden zu erreichen. Insoweit äußert sich der Besitz einer französischen Genehmigung gemäß der Verordnung Nr. 1008/2008 darin, dass sich der Hauptgeschäftssitz der Luftfahrtunternehmen im französischen Hoheitsgebiet befindet und sie der Finanzaufsicht sowie der Prüfung der Kreditwürdigkeit durch die französischen Behörden unterliegen. Durch die Bestimmungen dieser Verordnung werden gegenseitige Verpflichtungen zwischen den Luftfahrtunternehmen mit französischer Genehmigung und den französischen Behörden und damit ein spezielles sowie dauerhaftes Verhältnis zwischen ihnen begründet, das die in Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV festgelegten Voraussetzungen in angemessener Weise erfüllt.

Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit des Zahlungsmoratoriums für Steuern weist das Gericht außerdem darauf hin, dass die für die Beihilferegelung in Betracht kommenden Luftfahrtunternehmen von den von Frankreich erlassenen Verkehrsbeschränkungs- und Eindämmungsmaßnahmen am stärksten betroffen sind. Durch die Erstreckung dieses Moratoriums auf nicht in Frankreich niedergelassene Unternehmen hätte das Ziel, die den in Frankreich tätigen Luftfahrtunternehmen entstandenen wirtschaftlichen Schäden zu beseitigen, hingegen nicht so präzise und ohne Risiko einer Überkompensation erreicht werden können.

In Anbetracht dieser Feststellungen bestätigt das Gericht, dass das Ziel des Zahlungsmoratoriums für Steuern die Voraussetzungen für die in Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV vorgesehene Ausnahme erfüllt und dass die Modalitäten der Gewährung dieser Beihilfe nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Somit stellt diese Regelung auch keine gemäß Art. 18 Abs. 1 AEUV verbotene Diskriminierung dar.

Als Zweites prüft das Gericht den Beschluss der Kommission im Hinblick auf den in Art. 56 AEUV festgelegten freien Dienstleistungsverkehr. Es weist insoweit darauf hin, dass diese Grundfreiheit in dieser Form nicht auf den Verkehrsbereich anwendbar ist, der einer besonderen rechtlichen Regelung unterliegt, zu der die Verordnung Nr. 1008/2008 gehört. Diese Verordnung dient aber gerade dazu, die Voraussetzungen für die Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs im Luftfahrtsektor festzulegen. Ryanair hat jedoch keinen Verstoß gegen diese Verordnung geltend gemacht.

Als Drittes weist das Gericht den Klagegrund zurück, dass die Kommission einen offensichtlichen Fehler bei der Beurteilung des Wertes des den durch das Zahlungsmoratorium für Steuern begünstigten Luftfahrtunternehmen gewährten Vorteils begangen habe. Das Gericht stellt fest, dass die Höhe der den durch das Zahlungsmoratorium für Steuern Begünstigten entstandenen Schäden den Gesamtbetrag des Moratoriums höchstwahrscheinlich nominal übersteigt, so dass eine etwaige Überkompensation klar auszuschließen ist. Zudem hat die Kommission berücksichtigt, dass sich Frankreich verpflichtet hat, ihr eine detaillierte Methode zu unterbreiten, wie dieser Mitgliedstaat die Höhe der Schäden im Zusammenhang mit der durch die Pandemie verursachten Krise für jeden Begünstigten im Nachhinein zu bemessen beabsichtigt, wodurch jeglicher Gefahr einer Überkompensation zusätzlich vorgebeugt wird.

Schließlich weist das Gericht den Klagegrund einer angeblichen Verletzung der Begründungspflicht als unbegründet zurück und stellt fest, dass es keiner Prüfung der

Begründetheit des Klagegrundes einer Verletzung der aus Art. 108 Abs. 2 AEUV abgeleiteten Verfahrensrechte bedarf.



[1] Gemäß Art. 3 der VO (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. 9. 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (ABl. 2008, L 293, S. 3) erteilte Genehmigung.

[2] Beschluss C(2020) 2097 final der Kommission vom 31. 3. 2020 über die staatliche Beihilfe SA.56765 (2020/N) – Frankreich – COVID-19 – Zahlungsmoratorium für Flughafensteuern zugunsten von öffentlichen Luftfahrtunternehmen

[3] Im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV.

[4] In seinem Urteil vom 17. 2. 2021, Ryanair/Kommission (T-238/20), prüft das Gericht, ob die von Schweden erlassene staatliche Beihilferegelung als Reaktion auf die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf den schwedischen Luftverkehrsmarkt im Hinblick auf Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV rechtmäßig ist.

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