EuGH: Wettbewerb: Der Gerichtshof entscheidet über das Kartell auf dem italienischen Markt für Bewehrungsrundstahl
EuGH (6. Kammer), Urteil vom 4. 10. 2024 – verb. Rs. C-29/23 P, C-30/23 P und C-31/23 P; Ferriera Valsabbia SpA, Valsabbia Investimenti SpA, Alfa Acciai SpA, andere Parteien des Verfahrens: Europäische Kommission
Der EuGH hat ferner am 4. 10. 2024 in den Rs. C-30/23 P und C-31/23 P entschieden.
PM Nr. 157/2024 v. 4. Oktober 2024: Er bestätigt die von der Kommission festgesetzten Geldbußen it Ausnahme der gegen die Ferriere Nord SpA verhängten Geldbuße 2002[1] verhängte die Europäische Kommission gegen acht Unternehmen und einen Unternehmensverband Geldbußen wegen eines wettbewerbswidrigen Kartells auf dem italienischen Markt für Bewehrungsrundstahl von Dezember 1989 bis Juli 2000.
2007 erklärte das Gericht diese Entscheidung[2] mit der Begründung für nichtig, dass ihre Rechtsgrundlage zum Zeitpunkt ihres Erlasses nicht mehr in Kraft gewesen sei.[3] Anschließend erließ die Kommission am 30.9.2009 eine neue Entscheidung,[4] die an dieselben Unternehmen wie die Entscheidung von 2002 gerichtet war und im Wesentlichen ihren Inhalt und ihre Schlussfolgerungen übernahm. Insbesondere blieb die Höhe der verhängten Geldbußen unverändert.
Vom Gericht grundsätzlich bestätigt,[5] wurde die Entscheidung von 2009 in Bezug auf fünf Unternehmen vom Gerichtshof wegen Fehlern des Verwaltungsverfahrens, das zu ihrem Erlass geführt hatte, für nichtig erklärt.[6] Nach Wiederaufnahme dieses Verfahrens erließ die Kommission am 4. 7. 2019 einen Beschluss, mit dem die Zuwiderhandlung, die Gegenstand der Entscheidung von 2009 war, erneut festgestellt wurde.[7] Dieser Beschluss war an die fünf Unternehmen gerichtet, zu deren Gunsten die Entscheidung von 2009 für nichtig erklärt worden war.[8] In Anbetracht der Dauer des Verfahrens wurden die Geldbußen um 50 % herabgesetzt.
Im September 2019 erhoben drei dieser Unternehmen – die Ferriera Valsabbia SpA und Valsabbia Investimenti SpA, die Alfa Acciai SpA und die Ferriere Nord SpA[9] – Klagen auf Nichtigerklärung des Beschlusses von 2019. Da sie vor dem Gericht unterlegen waren,[10] legten sie Rechtsmittel beim Gerichtshof ein.
Der Gerichtshof weist die Rechtsmittel der Ferriera Valsabbia SpA und der Valsabbia Investimenti SpA sowie der Alfa Acciai SpA zurück und bestätigt damit die Urteile des Gerichts und den Beschluss der Kommission von 2019. Dem Rechtsmittel der Ferriere Nord SpA gibt der Gerichtshof teilweise statt und setzt die gegen diese Gesellschaft verhängte Geldbuße herab.
Der Gerichtshof ist u. a. der Auffassung, dass das Gericht keinen Rechtsfehler begangen hat, als es entschieden hat, dass der streitige Beschluss nach Abschluss eines im Einklang mit dem Unionsrecht durchgeführten Verfahrens erlassen worden sei[11] und dass die Kommission die Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerinnen nicht verletzt habe.
In Bezug auf die Verhängung der Geldbußen bestätigt der Gerichtshof, dass die Kommission davon ausgehen durfte, dass die Sanktion angesichts der Schwere der festgestellten Zuwiderhandlung gerechtfertigt war.
Der Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass mit Geldbußen rechtswidrige Handlungen der betreffenden Unternehmen geahndet und alle Wirtschaftsteilnehmer von künftigen Verletzungen der Wettbewerbsregeln der Union abgeschreckt werden sollen. Die abschreckende Wirkung einer solchen Geldbuße beschränkt sich nicht darauf, die Wiederholung eines bestimmten wettbewerbswidrigen Kartells zu verhindern.
Zu der gegen die Ferriere Nord SpA verhängten Geldbuße stellt der Gerichtshof fest, dass die Kommission diesem Unternehmen eine Ermäßigung wegen seiner vorübergehenden Nichtbeteiligung an einem Teil des Kartells gewährte. Diese Ermäßigung war (pro Monat der Nichtbeteiligung) geringer als die, die der Riva Acciaio SpA wegen ihrer vorübergehenden Nichtbeteiligung an demselben Teil des Kartells gewährt wurde. Da der Gerichtshof der Auffassung ist, dass die Anwendung unterschiedlicher Ermäßigungssätze durch die Kommission ohne stichhaltige Begründung gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt, setzt er die gegen die Ferriere Nord SpA verhängte Geldbuße von 2 237 000 Euro auf 2 165 000 Euro herab.
[1] Entscheidung K(2002) 5087 der Kommission vom 17. 12. 2002 in einem Verfahren nach Artikel 65 EGKS-Vertrag gegen Alfa Acciai S.p.A., Feralpi Siderurgica S.p.A., Ferriere Nord S.p.A., IRO Industrie Riunite Odolesi S.p.A., Leali S.p.A., Acciaierie e Ferriere Leali Luigi S.p.A. (in Liquidation befindlich), Lucchini S.p.A., Siderpotenza S.p.A., Riva Acciaio S.p.A., Valsabbia Investimenti S.p.A., Ferriera Valsabbia S.p.A. sowie gegen den Verband der italienischen Stahlhersteller Federacciai (Sache Nr. C.37.956 – Bewehrungsrundstahl).
[2] Urteile des Gerichts vom 25. 10. 2007 in den verb. Rs. SP u. a./Kommission, T-27/03, T-46/03, T-58/03, T-79/03, T-80/03, T-97/03, T-98/03 sowie in den Rechtssachen T-45/03, T-77/03 und T-94/03 (vgl. auch PM Nr. 78/07).
[3] Die Kommission stützte sich auf Art. 65 Abs. 4 und 5 EGKS-Vertrag. Dieser war allerdings fünf Monate zuvor, am 23. 7. 2002, außer Kraft getreten. Daher entschied das Gericht, dass die Kommission auf der Grundlage dieser Bestimmungen nicht zur Feststellung und Ahndung einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht befugt gewesen sei.
[4] Entscheidung K(2009) 7492 endg. der Kommission vom 30. 9. 2009 in einem Verfahren nach Art. 65 EGKS-Vertrag (Sache COMP/37.956 – Bewehrungsrundstahl, Neuerlass) in der Fassung des Beschlusses K(2009) 9912 endg. der Kommission vom 8. 12. 2009. Diese Entscheidung wurde auf der Grundlage der Verfahrensbestimmungen des EG-Vertrags und der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln erlassen.
[5] Urteile des Gerichts vom 9. 12. 2014, Ferriera Valsabbia und Valsabbia Investimenti u. a./Kommission, T-472/09 und T-55/10, T-69/10, T-70/10, T-83/10, T-85/10, T-90/10, T-91/10, T-92/10, T-489/09, T-490/09 und T-56/10.
[6] Urteile des Gerichtshofs vom 21. 9. 2017, Ferriera Valsabbia u. a./Kommission, C-85/15 P, C-86/15 P, C-87/15 P, C-88/15 P und C-89/15 P.
[7] Beschluss C(2019) 4969 vom 4. 7. 2019 in einem Verfahren nach Artikel 65 EGKS-Vertrag (Sache AT.37956 – Bewehrungsrundstahl).
[8] Ferriere Nord SpA, Alfa Acciai SpA, Feralpi Holding SpA, Partecipazioni Industriali SpA, Valsabbia Investimenti SpA, Ferriera Valsabbia SpA.
[9] In dem Beschluss von 2019 verhängte die Kommission gegen die Alfa Acciai SpA eine Geldbuße in Höhe von 3,587 Mio. Euro, gegen die Ferriera Valsabbia SpA und die Valsabbia Investimenti SpA als Gesamtschuldnerinnen eine Geldbuße in Höhe von 5,125 Mio. Euro und gegen die Ferriere Nord eine Geldbuße in Höhe von 2,237 Mio. Euro.
[10] Urteile des Gerichts vom 9.11.2022, Ferriera Valsabbia und Valsabbia Investimenti/Kommission, T-655/19, Alfa Acciai/Kommission, T-656/19 und Ferriere Nord/Kommission, T-667/19 (vgl. auch PM Nr. 180/22).
[11] Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. 4. 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag durch die Kommission.