EuGH: Beendigung des Fusionsvertrags UPS-TNT: Die von der Kommission begangene Unregelmäßigkeit ist nicht die entscheidende Ursache für den Gewinn, der UPS entgangen sein soll, und rechtfertigt es daher nicht, das Unternehmen zu entschädigen
EuGH, Urteil vom 21. 12. 2023 – Rs. C-297/22 P; United Parcel Service Inc./Europäische Kommission; ECLI:EU:C:2023:1027
PM Nr. 2010 v. 21.12.2023: Durch den Verzicht auf den Erwerb von TNT bereits bei der Bekanntgabe des streitigen Beschlusses hat UPS den Kausalzusammenhang zwischen dem Rechtsverstoß der Kommission und dem behaupteten Schaden unterbrochen
Im Jahr 2013[1] erklärte die Kommission einen angemeldeten Zusammenschluss von UPS und TNT, zwei auf die Expressbeförderung von Kleinpaketen spezialisierten Unternehmen, für mit dem Binnenmarkt unvereinbar. UPS gab öffentlich bekannt, auf diesen Zusammenschluss zu verzichten, erhob beim Gericht aber zugleich Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission. Mit Urteil vom 7. 3. 2017[2] gab das Gericht dieser Klage statt, und mit Urteil vom 16. 1. 2019[3] wies der Gerichtshof das von der Kommission gegen dieses Urteil des Gerichts eingelegte Rechtsmittel zurück. In der Zwischenzeit hatte die Kommission einen Zusammenschluss zwischen TNT und FedEx, einem Konkurrenzunternehmen von UPS, für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt.[4]
Ende 2017 erhob UPS eine Schadensersatzklage gegen die Kommission, die auf den Ersatz der wirtschaftlichen Schäden gerichtet war, die sie aufgrund der Rechtswidrigkeit des Unvereinbarkeitsbeschlusses von 2013 erlitten haben soll. Diese Schäden umfassten die Kosten im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung am Verfahren zur Kontrolle des Zusammenschlusses von FedEx und TNT, die Zahlung eines vertraglichen Reugeldes wegen der Beendigung des Fusionsvertrags mit TNT und den entgangenen Gewinn infolge der Unmöglichkeit der Durchführung dieses Fusionsvertrags. Das Gericht wies diese Klage im Februar 2022 ab.[5]
UPS hat beim Gerichtshof die Aufhebung des Urteils des Gerichts von 2022 beantragt.
Mit seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof das Rechtsmittel von UPS zurück.
Erstens stellt der Gerichtshof fest, dass UPS dadurch, dass sie die Umstände der Beendigung des Fusionsvertrags mit TNT bestreitet, nicht die rechtliche Argumentation des Gerichts, sondern seine Tatsachenwürdigung in Frage stellt. Außer bei einer Verfälschung von Tatsachen, welche im vorliegenden Fall nicht dargetan ist, erlaubt das Rechtsmittelverfahren es aber nicht, die Tatsachenfeststellungen des Gerichts in Frage zu stellen.
Zweitens bestätigt der Gerichtshof, dass die Zahlung des Reugeldes auf eine vertragliche Verpflichtung zurückgeht, die in den Fusionsvertrag aufgenommen wurde. Hiermit haben die Vertragsparteien das Risiko, dass der geplante Zusammenschluss nicht die vorherige Zustimmung der Kommission erhält, untereinander aufgeteilt. Die nachteiligen Folgen vertraglicher Verpflichtungen, die der Adressat eines Beschlusses der Kommission freiwillig eingegangen ist, können aber nicht die entscheidende Ursache für den Schaden darstellen, der durch Rechtsverstöße entstanden ist, mit denen dieser Beschluss behaftet ist.
Im Ergebnis hat das Gericht zu Recht das Fehlen eines Kausalzusammenhangs in Bezug auf die drei verschiedenen behaupteten Schäden festgestellt, so dass die Schadensersatzklage von UPS, in der ein solcher Zusammenhang dargetan werden soll, keinen Erfolg haben kann.
[1] Beschluss C(2013) 431 der Kommission vom 30. 1. 2013 zur Feststellung der Unvereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.6570 – UPS/TNT Express); siehe auch die PM IP/13/68 der Kommission.
[2] Urteil des Gerichts vom 7. 3. 2017, United Parcel Service/Kommission, T-194/13 (siehe auch PM Nr. 23/17).
[3] Urteil des Gerichtshofs vom 16. 1. 2019, Kommission/United Parcel Service, C-265/17 P (siehe auch PM Nr. 3/19).
[4] Beschluss vom 8. 1. 2016 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.7630 – FedEx/TNT Express), von dem eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde.
[5] Urteil des Gerichts vom 23. 2. 2022, United Parcel Service/Kommission, T-834/17 (siehe auch PM Nr. 34/22).