GA SA: Erster Generalanwalt Szpunar: Eine offensichtliche Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit kann einen Grund für die Versagung der Vollstreckbarerklärung darstellen
GA Szpunar, Schlussanträge vom 8. 2. 2024 – Rs. C-633/22; Real Madrid Club de Fútbol, AE gegen EE, Société Éditrice du Monde SA; ECLI:EU:C:2024:127
Nach alledem schlägt der GA dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen der Cour de Cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) wie folgt zu beantworten:
Art. 45 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 34 Nr. 1 und Art. 45 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat, in dem die Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung beantragt wird, die sich auf eine Verurteilung eines Unternehmens, das eine Zeitung herausgibt, und eines Journalisten wegen Schädigung des Rufs eines Sportvereins und eines Mitglieds seines medizinischen Teams durch eine in dieser Zeitung veröffentlichte Information bezieht, eine Vollstreckbarerklärung der Entscheidung versagen oder aufheben muss, wenn deren Vollstreckung zu einer offensichtlichen Verletzung der in Art. 11 der Charta der Grundrechte garantierten Freiheit der Meinungsäußerung führen würde.
Eine solche Verletzung ist zu bejahen, wenn die Vollstreckung der Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat eine potenziell abschreckende Wirkung in Bezug auf die Beteiligung sowohl der von der Verurteilung betroffenen Personen als auch anderer Presseunternehmen und Journalisten an der Debatte über ein Thema von allgemeinem Interesse hat. Eine potenziell abschreckende Wirkung liegt vor, wenn der Gesamtbetrag, dessen Zahlung gefordert wird, in Anbetracht der Art und der wirtschaftlichen Lage der betroffenen Person offensichtlich überhöht ist. Im Fall eines Journalisten liegt eine potenziell abschreckende Wirkung insbesondere dann vor, wenn dieser Betrag mehreren Dutzend Standardmindestlöhnen im Vollstreckungsmitgliedstaat entspricht. Im Fall eines Unternehmens, das eine Zeitung herausgibt, ist die potenziell abschreckende Wirkung so zu verstehen, dass das finanzielle Gleichgewicht dieser Zeitung offensichtlich gefährdet ist. Das Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats darf die Schwere des Verschuldens und das Ausmaß des Schadens nur berücksichtigen, um festzustellen, ob der Gesamtbetrag einer Verurteilung, obwohl er auf den ersten Blick offensichtlich überhöht scheint, angemessenen ist, um den Auswirkungen der verleumderischen Äußerungen entgegenzuwirken.
(Schlussanträge)