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Politiken
17.07.2024
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EuG: Die Kommission hat der Öffentlichkeit keinen hinreichend umfassenden Zugang zu den Verträgen über den Kauf von Impfstoffen gegen Covid-19 gewährt

EuG, Urteil vom 17. 7. 2024 – Rs. T-761/21; Margrete Auken u.a. gegen Europäische Kommission; ECLI:EU:T:2024:476

PM Nr. 113/2024 v. 17. Juli 2024: Dieser Verstoß betrifft insbesondere die Entschädigungsbestimmungen dieser Verträge und die Erklärungen über das Nichtvorliegen von Interessenkonflikten, die die Mitglieder des Verhandlungsteams für den Kauf der Impfstoffe abgegeben haben

In den Jahren 2020 und 2021 wurden zwischen der Kommission und Pharmaunternehmen Verträge über den Kauf von Impfstoffen gegen Covid-19 geschlossen: Schnell wurden rund 2,7 Milliarden Euro freigegeben, um eine verbindliche Bestellung von über einer Milliarde Impfstoffdosen aufzugeben.

Im Jahr 2021 beantragten Europaabgeordnete und Privatpersonen auf der Grundlage der Verordnung über den Zugang zu Dokumenten[1] Zugang zu diesen Verträgen und bestimmten mit ihnen zusammenhängenden Dokumenten, um ihre Bedingungen zu verstehen und sich von der Wahrung des öffentlichen Interesses zu überzeugen.

Da die Kommission nur teilweisen Zugang zu diesen Dokumenten gewährte, die in bereinigten Fassungen online gestellt wurden, erhoben die betroffenen Europaabgeordneten und Privatpersonen Nichtigkeitsklagen beim Gericht der Europäischen Union.

In seinen Urteilen gibt das Gericht beiden Klagen teilweise statt und erklärt die Entscheidungen der Kommission für nichtig, soweit sie Fehler aufweisen.

Was die Bestimmungen dieser Verträge über die Entschädigung von Pharmaunternehmen durch die Mitgliedstaaten wegen etwaiger Schadensersatzansprüche betrifft, die die Pharmaunternehmen bei Mängeln ihrer Impfstoffe zu zahlen haben, weist das Gericht darauf hin, dass der Hersteller für den Schaden haftet, der durch einen Mangel seines Produkts verursacht worden ist. Seine Haftung aufgrund der Richtlinie 85/374[2] kann gegenüber dem Geschädigten nicht durch eine die Haftung begrenzende oder von der Haftung befreiende Klausel begrenzt oder ausgeschlossen werden. Jedoch verbietet die Richtlinie 85/374 nicht, dass ein Dritter den Schadensersatz erstattet, den ein Hersteller wegen der Fehlerhaftigkeit seines Produkts gezahlt hat. Das Gericht stellt fest, dass der Grund, aus dem die Entschädigungsbestimmungen in die Verträge aufgenommen wurden,[3] nämlich das von den Pharmaunternehmen getragene Risiko im Zusammenhang mit der Verkürzung der Frist für die Entwicklung der Impfstoffe auszugleichen, von den Mitgliedstaaten gebilligt wurde[4] und öffentlich bekannt war. Die Kommission hat nicht dargetan, dass ein weitergehender Zugang zu diesen Klauseln die geschäftlichen Interessen dieser Unternehmen tatsächlich beeinträchtigen würde. Auch hat die Kommission nicht hinreichend erläutert, inwiefern der Zugang zu den Definitionen der Begriffe „vorsätzliches Verschulden“ und „alle möglichen und zumutbaren Anstrengungen“ in bestimmten Verträgen sowie zu den Vertragsbestimmungen über die Schenkung und den Weiterverkauf von Impfstoffen diese geschäftlichen Interessen konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte.

Was den Schutz der Privatsphäre von Personen betrifft, auf den sich die Kommission berufen hat, um den Zugang zu den Erklärungen der Mitglieder des Verhandlungsteams für den Kauf der Impfstoffe über das Nichtvorliegen von Interessenkonflikten teilweise zu verweigern, vertritt das Gericht die Auffassung, dass die betreffenden Privatpersonen den besonderen Zweck des öffentlichen Interesses an der Veröffentlichung der personenbezogenen Daten dieser Mitglieder ordnungsgemäß nachgewiesen haben. Sie hätten nämlich nur dann überprüfen können, dass bei den fraglichen Mitgliedern kein Interessenkonflikt bestand, wenn ihnen deren Namen und Vornamen sowie deren berufliche oder institutionellen Rolle vorgelegen hätten. Zudem hat die Kommission nicht alle maßgeblichen Umstände ausreichend berücksichtigt, um eine ordnungsgemäße Interessenabwägung im Zusammenhang mit dem Nichtvorliegen eines Interessenkonflikts und der Gefahr einer Beeinträchtigung der Privatsphäre der betroffenen Personen vorzunehmen.



[1] Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.5.2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission.

[2] Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25.7.1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte.

[3] Mitteilung der Kommission vom 17.6.2020 „EU-Strategie für COVID-19-Impfstoffe“ (COM [2020] 245 final).

[4] Art. 6 Abs. 3 der Vereinbarung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten vom 16.6.2020 über den Kauf von Impfstoffen gegen COVID19, veröffentlicht auf der Website der Kommission am 7.9.2020.

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