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Politiken
13.06.2024
Politiken
EuGH: Staatenlosen palästinensischer Herkunft, die beim UNRWA registriert sind, ist die Flüchtlingseigenschaft grundsätzlich zuzuerkennen, wenn der Schutz oder Beistand des UNRWA als nicht länger gewährt angesehen wird

EuGH, Urteil vom 13. 6. 2024 – Rs. C-563/22; SN, LN gegen Zamestnik-predsedatel na Darzhavna agentsia za bezhantsite; ECLI:EU:C:2024:494

1.      Art. 40 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes ist dahin auszulegen, dass die Behörde, die über die Begründetheit eines Folgeantrags auf internationalen Schutz entscheidet, verpflichtet ist, die zur Stützung dieses Antrags vorgebrachten tatsächlichen Elemente zu prüfen, und zwar auch dann, wenn diese Tatsachen bereits von der Behörde gewürdigt wurden, die einen ersten Antrag auf internationalen Schutz endgültig abgelehnt hat.

2.      Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 der Richtlinie 2011/95 ist dahin auszulegen, dass der Schutz oder Beistand des Hilfswerks der Vereinten Nationen (für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten) (UNRWA), den ein Staatenloser palästinensischer Herkunft, der internationalen Schutz beantragt, genießt, im Sinne dieser Bestimmung als nicht länger gewährt gilt, wenn zum einen diese Organisation aus irgendeinem Grund, auch aufgrund der allgemeinen Lage, die in dem Operationsgebiet des Einsatzgebiets dieser Organisation herrscht, in dem dieser Staatenlose seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, nicht in der Lage ist, diesem Staatenlosen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung seiner Schutzbedürftigkeit, gemäß ihrem Auftrag menschenwürdige Lebensbedingungen zu gewährleisten, ohne dass er nachweisen müsste, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen von dieser allgemeinen Lage spezifisch betroffen ist, und wenn sich zum anderen der betroffene Staatenlose palästinensischer Herkunft im Fall seiner Rückkehr in dieses Operationsgebiet in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet, gegebenenfalls unter Berücksichtigung seiner Schutzbedürftigkeit, wobei die Verwaltungsbehörden und die Gerichte verpflichtet sind, eine individuelle Prüfung jedes auf diese Bestimmung gestützten Antrags auf internationalen Schutz vorzunehmen, in deren Rahmen das Alter der betreffenden Person relevant sein kann. Der Beistand oder Schutz des UNRWA ist insbesondere dann als gegenüber dem Antragsteller nicht länger gewährt anzusehen, wenn diese Organisation aus irgendeinem Grund keinem Staatenlosen palästinensischer Herkunft, der sich in dem Operationsgebiet ihres Einsatzgebiets aufhält, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, menschenwürdige Lebensverhältnisse und ein Mindestmaß an Sicherheit mehr gewährleisten kann. Die Frage, ob der Beistand oder Schutz des UNRWA als nicht länger gewährt gilt, ist im Hinblick auf den Zeitpunkt zu beurteilen, zu dem der Staatenlose das Operationsgebiet des Einsatzgebiets des UNRWA, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, verlassen hat, auf den Zeitpunkt, zu dem die zuständigen Verwaltungsbehörden über seinen Antrag auf internationalen Schutz entscheiden, oder auf den Zeitpunkt, zu dem das zuständige Gericht über einen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung, mit der dieser Antrag abgelehnt wird, entscheidet.

(Tenor)

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