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Wettbewerb
04.01.2019
Wettbewerb
EuGH: Das Gericht erklärt den Beschluss der Europäischen Kommission, mit dem Kartelle und eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Markt des Herz-Kreislauf-Medikaments Perindopril festgestellt wurden, teilweise für nichtig

EuGH (9. Kammer), Urteil vom 12. 12. 2018 – Rs. T-677/14, Biogaran gegen Europäische Kommission, ECLI:EU:T:2018:910

Das EuG hat außerdem am 12. 12. 2018 in folgenden Rechtsachen entschieden: T-679/14, Teva UK Ltd, Teva Pharmaceuticals Europe BV, Teva Pharmaceutical Industries Ltd gegen Europäische Kommission; T-679/14, Teva UK Ltd, Teva Pharmaceuticals Europe BV, Teva Pharmaceutical Industries Ltd [supported by European Generic medicines Association AISBL (EGA)] gegen Europäische Kommission; T-680/14, Lupin Ltd gegen European Commission; T-682/14, Mylan Laboratories Ltd, Mylan, Inc. gegen Europäische Kommisssion; T-684/14, Krka Tovarna Zdravil d.d. gegen Europäische Kommission; T-701/14, Niche Generics Ltd gegen Europäische Kommission


Das Gericht bestätigt jedoch, dass bei bestimmten Vergleichen zur Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten angenommen werden kann, dass sie eine Einschränkung des Wettbewerbs bezwecken

Perindopril, ein Herz-Kreislauf-Medikament zur Behandlung von arterieller Hypertonie und Herzinsuffizienz durch Hemmung des Angiotensin-konvertierenden Enzyms (ACE) ist eine Entwicklung des Servier-Konzerns, dessen Muttergesellschaft, die Servier SAS, in Frankreich ansässig ist. Das für das Perindopril-Molekül 1981 beim Europäischen Patentamt (EPA) angemeldete Patent lief ab 2001 in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ab.

Arzneilich wirksamer Bestandteil von Perindopril, d. h. die biologisch aktive chemische Substanz, die die gewünschten therapeutischen Wirkungen hervorruft, ist das Salz Erbumin. Für dieses Salz und die Verfahren seiner Herstellung meldete Servier beim EPA 2001 ein neues Patent, das Patent EP1296947, an. Es wurde 2004 erteilt.

Zur gütlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten, in denen das Patent EP1296947 angegriffen wurde, schloss Servier mit den Generikaherstellern Niche, Unichem (Muttergesellschaft von Niche), Matrix (jetzt Mylan Laboratories), Teva, Krka und Lupin einzeln Vergleiche. Die Generikahersteller verpflichteten sich darin u. a. dazu, nicht in den Markt einzutreten und das Patent EP1296947 nicht anzugreifen. Biogaran, eine 100%ige Tochtergesellschaft der Servier SAS, schloss darüber hinaus eine Lizenz- und Liefervereinbarung mit Niche.

Am 9. Juli 2014 erließ die Kommission einen Beschluss, in dem sie feststellte, dass die Vereinbarungen Einschränkungen des Wettbewerbs bezweckt und bewirkt hätten und dass Servier u. a. mit den Vereinbarungen eine Ausschlussstrategie umgesetzt habe, die eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung darstelle. Gegen die beteiligten Gesellschaften wurden folgende Geldbußen verhängt: Servier – 330,99 Mio. Euro, Niche und Unichem – 13,96 Mio. Euro, Matrix – 17,16 Mio. Euro, Teva – 15,56 Mio. Euro, Krka – 10 Mio. Euro, Lupin – 40 Mio. Euro. Nach dem Beschluss haften Servier und Biogaran für die Zahlung der gegen sie wegen des Vergleichs zwischen Servier und Niche verhängten Geldbuße (131,53 Mio. Euro) gesamtschuldnerisch.

Zu den Vereinbarungen

Das Gericht der Europäischen Union bestätigt, dass die von Servier mit Niche, Unichem, Matrix, Teva und Lupin geschlossenen Vereinbarungen Einschränkungen des Wettbewerbs bezweckt haben.

Wie die Kommission geht auch das Gericht davon aus, dass die genannten Generikahersteller zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen potenzielle Wettbewerber von Servier waren.

Die Feststellung der Kommission, dass sie trotz der Hindernisse wegen der Patente von Servier, trotz der Schwierigkeiten bei der Erlangung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen ihrer Produkte, trotz der technischen Schwierigkeiten bei der Entwicklung der Endprodukte und trotz finanzieller Schwierigkeiten tatsächlich konkrete Möglichkeiten gehabt hätten, mit ihren Perindopril-Generika in den Markt einzutreten, ist nach Auffassung des Gerichts nicht zu beanstanden.

Das Gericht der Europäischen Union weist darauf hin, dass die Rechte des geistigen Eigentums durch die Charta der Grundrechte geschützt sind, die nach dem Vertrag von Lissabon rechtlich denselben Rang hat wie die Verträge. Speziell zu Patenten stellt das Gericht fest, dass bei ihnen, sofern sie von einer öffentlichen Stelle erteilt sind, die Vermutung besteht, dass sie gültig sind und dem betreffenden Unternehmen rechtmäßig zustehen. Das Gericht hebt schließlich die Bedeutung von Vergleichen hervor. Es muss nicht nur zulässig sein, dass die Parteien einen Rechtsstreit im Wege eines Vergleichs beilegen, sie sollten hierzu ermutigt werden. Der Abschluss von Vergleichen zur Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten verstößt deshalb nicht zwangsläufig gegen das Wettbewerbsrecht.

Dennoch ist nach Auffassung des Gerichts die Feststellung der Kommission, dass, wenn einem Generikahersteller vom Hersteller des Originalpräparats, der Inhaber eines Patents ist, Vorteile gewährt werden, mit denen er dazu bestimmt werden soll, nicht in den Markt einzutreten und das Patent des Herstellers des Originalpräparats nicht anzugreifen, die betreffende Vereinbarung, auch wenn sie als Vergleich geschlossen wird, als Vereinbarung über den Ausschluss vom Markt anzusehen ist, mit der die verbleibenden Marktteilnehmer die ausscheidenden entschädigen, nicht zu beanstanden. Das Gericht geht davon aus, dass der wahre Grund der Wettbewerbsbeschränkungen, die durch die Vereinbarung eingeführt werden, die Bestimmung zum Abschluss des Vergleichs durch den gewährten Vorteil ist, und nicht die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien des Vergleichs.

Das Gericht bestätigt, dass die von Servier mit Niche, Unichem, Matrix, Teva und Lupin geschlossenen Vergleiche, die zeigen, auf welch vielgestaltige und komplexe Weise der Vorteil zur Bestimmung zum Abschluss des Vergleichs gewährt wurde, Vereinbarungen über den Ausschluss vom Markt waren, die eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckten. Es bestätigt ferner, dass durch die zwischen Niche und Biogaran geschlossene Vereinbarung für Niche ein zusätzlicher Anreiz geschaffen werden sollte, den Vergleich mit Servier zu schließen.

Die gegen Servier wegen des Vergleichs mit Matrix verhängte Geldbuße setzt das Gericht jedoch um 30 % herab. Wegen des Zusammenhangs, der zwischen diesem und dem von Servier mit Niche und Unichem geschlossenen Vergleich besteht, hätte die Kommission bei Servier gegenüber der Ermäßigung, die sie für sämtliche Vergleiche bereits wegen Überschneidungen der Zuwiderhandlungen gewährt hat, eine weitere Ermäßigung gewähren müssen. Das Gericht setzt die gegen Servier wegen des Vergleichs mit Matrix verhängte Geldbuße in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung letztlich auf 55,38 Mio. Euro (statt 79,12 Mio. Euro) fest.

Zu den Vereinbarungen zwischen Servier und Krka stellt das Gericht erstens fest, dass nicht erwiesen sei, dass Servier Krka einen Vorteil gewährt hätte, um diese Gesellschaft dazu zu bestimmen, sich vom Markt zurückzuziehen. Das Gericht lässt insbesondere die Feststellung der Kommission nicht gelten, dass die Gebühren, die Krka Servier im Rahmen einer Lizenzvereinbarung über das Patent EP1296947 geschuldet habe, nicht zu normalen Marktbedingungen vereinbart worden seien. Insoweit kann nach Auffassung des Gerichts keine bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs festgestellt werden. Zweitens stellt das Gericht fest, dass nicht erwiesen sei, dass Krka ohne Vereinbarungen wahrscheinlich unter Risiko in die betreffenden Märkte eingetreten wäre und dass das Patent EP1296947 bei Fortführung der von Krka gegen das Patent angestrengten Rechtsstreitigkeiten wahrscheinlich, wenn nicht gewiss schneller oder in größerem Umfang für nichtig erklärt worden wäre. Auch insoweit kann nach Auffassung des Gerichts keine bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs festgestellt werden.

Folglich hebt das Gericht die gegen Servier und Krka wegen der zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarung verhängten Geldbußen auf.

Zur missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung Bei der Servier zur Last gelegten missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung hat die Kommission angenommen, dass der relevante Endproduktmarkt auf ein einziges Molekül der Klasse der ACE-Hemmer, nämlich Perindopril als Originalpräparat und Generikum, beschränkt gewesen sei.

Das Gericht weist darauf hin, dass sich die Wettbewerbsbeziehungen im Arzneimittelsektor von den wettbewerblichen Interaktionen anderer Sektoren unterscheiden. Die Nachfrage nach rezeptpflichtigen Arzneimitteln wie Perindopril wird im Wesentlichen nicht durch den Endverbraucher bestimmt, sondern durch den verschreibenden Arzt, der sich bei der Wahl des Arzneimittels, das er verschreibt, hauptsächlich von dessen therapeutischer Wirkung leiten lässt, und weniger von den Kosten der Behandlung. Wegen der freien Wahl, die die Ärzte unter den auf dem Markt verfügbaren Arzneimitteln haben, kann unter Umständen ein erheblicher Wettbewerbsdruck über die Qualität, und nicht wie sonst üblich über den Preis entstehen. Wenn die verschreibenden Ärzte bei der Behandlung ein und derselben Krankheit zwischen Arzneimitteln wählen können, von denen keines als überlegen anerkannt ist oder angesehen wird, ist bei der Analyse des Markts auch ein etwaiger außerpreislicher Wettbewerbsdruck zu berücksichtigen.

Das Gericht stellt fest, dass der Kommission im vorliegenden Fall bei der Abgrenzung des relevanten Markts eine ganze Reihe von Fehlern unterlaufen sind, die auf das Ergebnis ihrer Beurteilung durchschlagen. Nach Auffassung des Gerichts hat die Kommission insbesondere zu Unrecht festgestellt, dass sich Perindopril unter dem Gesichtspunkt der therapeutischen Verwendung von den übrigen ACE-Hemmern unterscheide, die Bereitschaft der mit Perindopril behandelten Patienten, auf ein anderes Arzneimittel umzusteigen, unterschätzt und bei der Beurteilung des Wettbewerbsdrucks dem Faktor Preis eine viel zu hohe Bedeutung beigemessen.

Das Gericht gelangt deshalb zu dem Schluss, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass der Markt der Endprodukte auf das Perindopril-Molekül beschränkt gewesen wäre. Dieses Molekül war außerpreislichem Wettbewerbsdruck durch andere Arzneimittel derselben Therapieklasse ausgesetzt. Das Gericht entscheidet deshalb, dass die Kommission zu Unrecht festgestellt hat, dass Servier auf dem Markt für Perindopril in Frankreich, in den Niederlanden, in Polen und im Vereinigten Königreich und auf dem vorgelagerten Markt der Technologie zur Herstellung des arzneilich wirksamen Bestandteils dieses Arzneimittels eine beherrschende Stellung gehabt und diese unter Verstoß gegen Art. 102 AEUV missbräuchlich ausgenutzt habe.

Das Gericht hebt die gegen Servier gemäß Art. 102 AEUV verhängte Geldbuße daher auf und setzt die mit dem Beschluss der Kommission gegen Servier verhängten Geldbußen um insgesamt 102,67 Mio. Euro herab.

 

 

Von … der … Kommission festgesetzte Geldbuße (Mio. €)

Vom … Gericht … festgesetzte

Geldbuße (Mio. €)

SERVIER + BIOGARAN

330,99

228,32 (↓)

TEVA

15,56

15,56 (=)

MATRIX (MYLAN)

17,16

17,16 (=)

KRKA

10

0 (↓)

NICHE + UNICHEM

13,96

13,96 (=)

LUPIN

40

40 (=)

(Pressemitteilung Nr. 194)

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